Hochvolt
Ein Hochvoltsystem, oder Hochvolt (kurz HV), ist ein Begriff aus der Fahrzeugtechnik für Systeme, die mit Wechselspannungen über 30 V bis 1 kV oder mit Gleichspannungen über 60 V bis 1,5 kV betrieben werden.[1]
Systeme, die mit Wechselspannungen im Fahrzeugbereich bis einschließlich 30 V oder Gleichspannungen bis einschließlich 60 V betrieben werden, werden als Niedervoltsystem oder Niedervolt (kurz NV) bezeichnet und finden vor allem im Bordnetz von Fahrzeugen Anwendung. Die Unterscheidung ist insbesondere bedeutend für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb wie Elektroautos, Hybridfahrzeuge, Fahrzeuge mit Brennstoffzellen oder Akkumulatoren.
Der Begriff Hochvolt ist nicht mit dem Begriff Hochspannung aus der elektrischen Energietechnik zu verwechseln. Die Unterscheidung in Hoch- und Niedervolt in der Fahrzeugtechnik soll dem Laien das erhöhte Gefahrenpotential verdeutlichen.[2]
Hochvoltspeicher
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Eine „Hochvoltbatterie" (abgekürzt „HV-Batterie") oder auch „Hochvoltspeicher" ist eine elektrische Energiequelle für mobile und stationäre Anwendungen. Sie findet vorzugsweise Verwendung in Elektroautos, wo sie auch als Antriebsbatterie oder Traktionsbatterie bezeichnet wird, oder als stationärer Speicher für Solar- oder Peak-Shaving-Anwendungen. Als Spitzenkappung („Peak Shaving") wird in der Energiewirtschaft das Glätten von Lastspitzen bei industriellen und gewerblichen Stromverbrauchern bezeichnet; es trägt zur Stromnetzstabilität bei.[3] Eine Hochvoltbatterie besteht aus einzelnen Batteriemodulen, in denen einzelne Akkumulator-Zellen gekapselt sind, die durch Reihenschaltung insgesamt eine elektrische Spannung von mehreren hundert Volt liefern.
Sicherheit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Kennzeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Leitungen und Verbindungskomponenten des HV-Systems werden nach ISO 6469-3 und ECE-R 100 in orange gekennzeichnet (umgangssprachlich „Hochvolt-Orange").[4] [5]
In der Nähe des elektrischen Energiespeichers ist ein dreieckiges gelbes Warnsymbol mit schwarzem Blitz und Rahmen (ähnlich wie nach DIN 4844-2) als Gefahrenkennzeichnung anzubringen.[6]
Elektrische Gefährdungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Elektrische Gefährdungen bestehen, wenn die Berührungsspannung 25 V AC oder 60 V DC übersteigt und der Kurzschlussstrom größer als 3 mA AC oder 12 mA DC ist oder Energie von mehr als 350 mJ umgesetzt wird.[1]
Gebräuchliche Architekturen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]In der Tesla Roadster (2008) Antriebsbatterie wurden 6831 Zellen handelsüblicher Lithium-Ionen-Zellen der Größe 18650, die auch für Notebooks verwendet wurden, zu jeweils 69 parallel und 99-mal in Serie hintereinander verschaltet. Aus 3,6 Volt Nennspannung einer Einzelzelle resultiert knapp 360 Volt Akkunennspannung, und bei 4,1 Volt Ladeschlussspannung wird der Akku gute 400 Volt maximale Spannung aufweisen. Das liegt in der Größenordnung des in Europa üblichen Dreiphasenwechselstrom. Abgesehen vom Mitsubishi i-MiEV von 2009, der sich mit 88 Zellen in Serie begnügt, hatten und haben spätere E-Autos wie der Nissan Leaf (2010, 96) und der Smart Electric Drive (2012, 93) fast immer zwischen 90 und 100 Zellen in Serie. So wurden bei Elektroautos für den elektrischen Antriebsstrang 400-Volt-Systeme vorherrschend.[7]
Bei 400 Volt Nennspannung benötigen 120 kW Ladeleistung (wie bei Tesla Supercharger der späten 2010er Jahre) schon 300 A Stromstärke, und 400 kW Motorleistung (Tesla Model S Plaid bis zu 750 kW) erfordern 1000 A Stromstärke im Fahrzeug. Um diese Ströme zu reduzieren wurden daher höhere Spannungen bis ca. 1000 Volt zunächst beim Ladestandard CCS 2.0 eingeführt, beim LKW-Standard Megawatt Charging System (MCS) ging man bis 1250 Volt und blieb damit unter der Grenze zur Niederspannung die bei 1500 V.
Der wesentliche Vorteil einer höheren elektrischen (Nenn-)Spannung ist, dass für dieselbe elektrische Leistung eine geringere elektrische Stromstärke nötig ist; wird die Spannung beispielsweise verdoppelt, genügt der halbe Strom. Dünnere Kabel (mit geringerer Leiterquerschnittsfläche) reichen dann aus. Damit kann bei Material, Gewicht, Kühlung, Komplexität und Kosten gespart werden. Auf der anderen Seite lassen sich mit höheren Spannungen höhere Fahr- und Ladeleistungen leichter realisieren, ohne mit ansonsten nur mehr schwer handzuhabenden sehr hohen Strömen konfrontiert zu sein. Indem Akkumulator-Zellen oder Batteriemodule nicht parallel, sondern in Reihe geschaltet werden, lässt sich die Spannung der Antriebsbatterie sehr einfach erhöhen.
800 V
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Bislang wird die 800-V-Architektur in PKWs noch nicht so häufig eingesetzt. Diese kommt meist bei gehobenen oder sportlichen Fahrzeugen zum Einsatz, aber auch bei manchen Kleinwagen. Auch die Formel E setzt auf ein 900-V-System.[7]
Beispiele mit 800 V Technik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Audi e-tron GT
- Audi Q6 e-tron
- Audi Q6 Sportback e-tron
- Audi A6 e-tron
- Audi A6 Sportback e-tron
- BMW iX3 (Neue Klasse ab 2025)
- BYD Dolphin.[8]
- BYD Han
- BYD Seal
- BYD TANG
- Genesis GV60
- Genesis Electrified GV70
- Genesis Electrified G80
- Hyundai Ioniq 5
- Hyundai Ioniq 6
- Hyundai Ioniq 9
- Kia EV6
- Kia EV9
- Lucid Air
- Mercedes CLA mit EQ Technologie (ab Q3 2025)
- Porsche Taycan
- Porsche Macan
- Porsche Taycan Cross Turismo
- Tesla Cybertruck
- Volvo ES90
- Volvo EX90 (ab MJ25/26)
- Xpeng G6
- Xpeng G9
- Xpeng p7+ (ab Mitte 2025)
- Zeekr 007
- Zeekr Mix (ab Mitte 2025)
Planung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]VW und Mercedes planen in Zukunft 800 V Technik zu verwenden. Ebenfalls möchten viele chinesische Hersteller vermehrt 800 V Technik einsetzen.[9]
Vorteile gegenüber 400 V Technik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Schnelleres Laden mit Gleichstrom
- Höhere Leistung beim Fahren. So wie die Akkus schneller geladen werden können, können diese auch wieder schneller entladen werden.
- Weniger Gewicht. Wegen der höheren Spannung müssen weniger Kupferkabel verlegt werden.
- Mehr Platz. Da wegen der höheren Spannungen weniger Kupferkabel verlegt werden müssen, spart dies auch Platz im Auto.
Nachteile gegenüber 400 V Technik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Die Entwicklungs- und Produktionskosten sind deutlich höher.[9]
1000 V
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]BYD hat im März 2025 die beiden Auto-Modelle Han L und Tang L mit 1000-V-Ladetechnik vorgestellt. Die Ladeleistung soll 1000 kW bzw. 1 MW betragen. Das war bis dahin nur für LKWs bekannt (siehe Megawatt Charging System). Die Laderate beträgt 10C, d. h. die Autos können in etwa 6 Minuten aufgeladen werden. Die dazu passenden Ladesäulen haben eine Ladeleistung von 1.360 kW. Der Ladestrom wird über zwei Ladekabel übertragen, da sonst die Kühlung zu schwierig wird. Wenn nur ein Ladekabel eingesteckt ist, beträgt die Ladeleistung noch 800 kW. Das Auto Han L wird ab umgerechnet 34.000 Euro angeboten. Der Lithium-Eisenphosphat-Akku hat eine relativ kleine Kapazität von 83 kWh, was für eine Reichweite von etwa 600 km genügt. Als Ausgleich statt einem großen Akku soll das sehr schnelle Laden dienen. [11] Mit einem solchen Elektroauto dauert das Aufladen etwa nur noch so lange wie das Volltanken von einem Auto mit Verbrennungsmotor. [12]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Martin Frei: Grundlagen Kfz-Hochvolttechnik: Basiswissen, Komponenten, Sicherheit. 3., erw. Aufl., Krafthand Medien, Bad Wörishofen 2018, ISBN 978-3-87441-163-9
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Suchwort Hochvolt bei Incoming Mobility Hintergründe zur Hochvolttechnik von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Portal für neue Mobilitätskonzepte und alternative Antriebe. Krafthand Medien GmbH, Bad Wörishofen
- Hans-Martin Fischer (verantwortlich): Spannungsklassen in der Elektromobilität. Hrsg.: ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Dezember 2013 (zvei.org [PDF]).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ a b Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen. In: DGUV Information 200-005. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, April 2012, abgerufen am 8. Mai 2024 (die aktualisierte DGUV Richtlinie ist 209-093).
- ↑ Hans-Martin Fischer (verantwortlich): Spannungsklassen in der Elektromobilität. Hrsg.: ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Dezember 2013, S. 12 (zvei.org [PDF]).
- ↑ Quelle: Was ist Peak Shaving?. Next Kraftwerke
- ↑ Tassilo Sagawe, Dekra: Sicherheit der Hochvolttechnik bei Elektro- und Hybridfahrzeugen. März 2010, abgerufen am 30. Mai 2018.
- ↑ Standard: Die Isolierung der Hochvolt-Leitungen ist orange eingefärbt. In: Focus Online. 24. November 2014, abgerufen am 30. Mai 2018.
- ↑ Regelung Nr. 100 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) — Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Fahrzeuge hinsichtlich der besonderen Anforderungen an den Elektroantrieb [2015/505]. 31. März 2015, abgerufen am 27. November 2019.
- ↑ a b c Sebastian Schaal: ZF plant Serienstart von 800-Volt-Komponenten. In: electrive.net. 9. März 2021, abgerufen am 14. März 2021.
- ↑ Sebastian Schaal: BYD preist E-Kompaktmodell Dolphin in Europa ein. In: electrive.net. 22. Juni 2023, abgerufen am 25. Juni 2023.
- ↑ a b c d Welche E-Autos haben ein 800-Volt-System? In: einfacheauto.de. 16. März 2025, abgerufen am 19. März 2025.
- ↑ Sebastian Schaal: Audi e-tron GT: Mehr als ein Taycan-Klon. In: electrive.net. 9. Februar 2021, abgerufen am 15. März 2021.
- ↑ BYD stellt Han L und Tang L mit 1.000 kW Ladeleistung vor. In: insideevs.de. 17. März 2025, abgerufen am 19. März 2025.
- ↑ Durchbruch in China: E-Auto laden in nur 5 Minuten! In: autobild.de. 17. März 2025, abgerufen am 19. März 2025.