Zug der Erinnerung
Der Zug der Erinnerung war eine „rollende Ausstellung" in Deutschland und Polen, die von 2007 bis 2013 an die Deportation von mehreren hunderttausend Kindern aus Deutschland und dem übrigen Europa auf dem Schienennetz , mit der Deutschen Reichsbahn in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager erinnert. Der Fokus auf eine Gruppe von Opfern soll die junge Generation dazu bringen, sich mit den Opfern der Shoa innerlich zu identifizieren.
Nach sechs Monaten quer durch Deutschland erreichte der Zug am 8. Mai 2008 Oświęcim in Polen, den Ort der Auschwitz-KZs. 80 Schüler begleiteten den Zug vom letzten deutschen Bahnhof bis nach Auschwitz. Der Zug hatte in 63 Bahnhöfen an die Deportation der Kinder erinnert und war von über 240.000 Personen besichtigt worden. Aufgrund der starken Resonanz wurde die Fahrt anschließend fortgesetzt. Insgesamt haben 420.000 Menschen die Ausstellung besucht.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Der gemeinnützige Verein Zug der Erinnerung wurde im Juni 2007 gegründet. Am 20. August 2007 erläuterte er in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee das Konzept der Ausstellung und kündigte deren Beginn für November an. Mit gleichem Schreiben bat der Verein um eine Übernahme der Kosten für die technische Bereitstellung des Zuges (Lokomotive und mehrere Wagen).[1]
Die Fahrt des Zuges begann am 8. November 2007 in Frankfurt am Main. Der Zug, bestehend aus zwei Ausstellungswagen und einer wechselnden Zahl von Begleitwagen, wurde von einer preußischen Dampflokomotive 58 311 der Ulmer Eisenbahnfreunde gezogen. Von Kassel bis Gotha zog die Lok 50 3552 der Museumseisenbahn Hanau den Zug, wo er dann von der P8 2455 Posen übernommen wurde. Der polnische Teil der Strecke von Görlitz nach Oświęcim wurde von der Polnischen Staatsbahn PKP gefahren. Der Zug fuhr fast nur Städte und Bahnhöfe an, die bei der Deportation von Juden aus Deutschland durch die Gestapo und die Reichsbahn eine Rolle gespielt hatten.
Von Frankfurt fuhr der Zug unter anderem nach Darmstadt, Mannheim, Karlsruhe, Ettlingen, Vaihingen, Stuttgart, Tübingen, Saarbrücken, Fulda, Göttingen, Hannover, Braunschweig, Gotha, Erfurt, Weimar, Leipzig und Dresden.[2] Nach dem Grenzbahnhof Görlitz (Sachsen) fuhr der Zug bis zur Gedenkstätte Auschwitz. Die Gedenkstätte wurde am 8. Mai 2008, dem weltweit begangenen Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Sieg über das NS-Regime am Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa in Oświęcim (Auschwitz), erreicht.
Der Museumszug folgte keinem einzelnen historischen Streckenverlauf. Nach einer Gedenkfeier in Auschwitz und der Niederlegung der Dokumente, Fotos und Briefe kehrte der Zug der Erinnerung nach Deutschland zurück. Stationen des Rückwegs waren Chemnitz (14. Mai 2008), Mittweida, Eisenach, Marburg, Gießen und Gütersloh.
Seit März 2009 war der Zug wieder unterwegs. Die Stationen waren Bonn, Koblenz, Mainz, Worms, Ludwigshafen am Rhein, Speyer, Baden-Baden, Offenburg, Freiburg, Konstanz, Biberach an der Riß, Laupheim, Ulm, Augsburg, Markt Kaufering, München, Regensburg, Nürnberg, Hersbruck, Fürth, Erlangen, Würzburg, Aschaffenburg, Offenbach am Main und Wiesbaden. Im Herbst 2009 machte der Zug in Zweibrücken, Pirmasens, Saarbrücken, Delmenhorst, Oldenburg (Oldenburg), Wilhelmshaven, Vechta, Soltau, Walsrode, Schwarmstedt, Hannover, Lehrte, Magdeburg, Blankenburg, Dessau, Wittenberg, Cottbus, Frankfurt (Oder), Guben und Eisenhüttenstadt Station.
Die Ausstellung im Zug
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Der Zug der Erinnerung bestand aus mehreren Personenwagen, in denen versucht wurde, die Geschichte der europäischen Deportationen durch die Erforschung und Präsentation einzelner Biografien mitfühlbar zu machen. Gezeigt wurden in den Fahrzeugen auf Bildern auch die Zustellung der Deportationsbescheide, das Herrichten und Verlassen der Wohnungen (Räumung), der letzte Weg mitten durch den Wohnort zu den Sammellagern und zu den wartenden Zügen. In einem eigenen Ausstellungsbereich wurden mehrere Täter der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgestellt. Menschen aus dem Reichsverkehrsministerium, Logistikplaner der Reichsbahn (zum Lauf und der Kostenabrechnung der Sonderzüge), SS-Angehörige.
Vorgesehen war von Beginn an auch eine Beteiligung des Publikums an den Halteorten, zum Beispiel durch Schulklassen. Am Ende des zweiten Wagens gab es noch leere, durch die örtliche Recherche von Schulen und anderen Organisationen zu füllende Tafeln für Fotos und Biografien einzelner Kinder aus den Gemeinden und Städten entlang der Fahrstrecke. Das Konzept der Initiatoren schien sich durch das rege Interesse von Besuchenden zu bestätigen und machte mehrmals Fahrtverlängerungen um mehrere tausend Kilometer und viele Haltebahnhöfe notwendig.
Es gab im Zug eine Recherche-Einheit, bei der Computer und Handbibliothek den Anfang einer Spurensuche ermöglichten. Die Handbibliothek wurde jeweils vor Ort ergänzt. Schülern vermittelte die Initiative dazu auch das Wissen, wie historische Projektarbeit gelingen kann. Der Verein bat ausdrücklich um die Mithilfe bei der Suche nach weiteren Informationen über Kinder, deren Schicksal in der Öffentlichkeit bis heute noch unbekannt geblieben ist. Als Ausgangspunkt für Recherchen gab es Listen mit Namen und Geburtsdaten von Kindern und Jugendlichen pro Ort, die aus dem Gedenkbuch „Opfer der Verfolgung", einer Datenbank des Bundesarchivs Koblenz, zusammengestellt worden sind.[3] Der Verein Zug der Erinnerung konnte bisher 12.089 deutsche Kinder und Jugendliche identifizieren (Stand: November 2007). Damit folgte Deutschland dem Vorbild der französischen Organisationen und Forscher, denen es gelungen war, den meisten deportierten Kindern wieder zu ihrem Namen, ihren Personalien und oft auch zu einem Foto – dem eigenen Gesicht – zu helfen. Das mehrbändige Gedenkbuch, herausgegeben von Serge Klarsfeld, ist in Europa in diesem Umfang bisher einmalig.
Im Jahr 2013 wurde die Ausstellung überarbeitet und mit mehreren Stationen in Deutschland wieder auf Schiene gebracht. Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibór sowie die Deportationen aus dem niederländischen Durchgangslager Westerbork rückten in den Mittelpunkt der Darstellung.
Derzeit liegt ein Fokus der Ausstellung auf die Deportation der Juden aus Thessalonike.
Stationen des Zuges | |
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8. November 2007
Frankfurt am Main
9. November 2007
Frankfurt-Mainkai
9.–13. November 2007
Darmstadt
14.–17. November 2007
Mannheim
18.–20. November 2007
Karlsruhe
21. November 2007
Ettlingen
22. November 2007
Vaihingen an der Enz
22.–24. November 2007
Stuttgart
25.–27. November 2007
Tübingen
29. November 2007
Mühlacker
3.–4. Dezember 2007
Kaiserslautern
5.–8. Dezember 2007
Saarbrücken
9.–11. Dezember 2007
Fulda
12. Dezember 2007
Hann. Münden
13.–16. Dezember 2007
Göttingen
17.–18. Dezember 2007
Kassel
7.–11. Januar 2008
Hannover
12.–13. Januar 2008
Lehrte
14.–15. Januar 2008
Braunschweig (1)
16. und 18.–19. Januar 2008
Halle (Saale)
17. Januar 2008
Bernburg
20.–22. Januar 2008
Gotha
23.–25. Januar 2008
Erfurt
26.–28. Januar 2008
Weimar
28. Januar 2008
Apolda
29.–31. Januar 2008
Leipzig
1.–3. Februar 2008
Braunschweig (2)
5.–6. Februar 2008
Hildesheim
7.–9. Februar 2008
Osnabrück
10.–13. Februar 2008
Dortmund
14.–16. Februar 2008
Bochum
17.–18. Februar 2008
Gelsenkirchen
19.–21. Februar 2008
Duisburg
22.–23. Februar 2008
Essen
24.–25. Februar 2008
Hagen
26.–28. Februar 2008
Wuppertal
2.–4. März 2008
Aachen
5.–6. März 2008
Siegen
7.–8. März 2008
Wiehl
9.–12. März 2008
Düsseldorf
13.–15. März 2008
Köln
24. März 2008
Hamburg Hauptbahnhof
25.–29. März 2008
Hamburg-Altona
30.–31. März 2008
Lüneburg
1. April 2008
Bremen
2.–3. April 2008
Nordenham
4.–5. April 2008
Cuxhaven
6. April 2008
Rotenburg (Wümme)
7.–9. April 2008
Kiel
10.–11. April 2008
Rathenow
13.–14. April 2008
Berlin-Ostbahnhof
15.–16. April 2008
Berlin-Lichtenberg
17.–18. April 2008
Berlin-Schöneweide
19.–20. April 2008
Berlin-Westhafen
21.–22. April 2008
Berlin-Grunewald
23.–24. April 2008
Brandenburg an der Havel
25.–26. April 2008
Potsdam
27. April 2008
Cottbus
28. April–1. Mai 2008
Dresden
2.–3. Mai 2008
Bautzen
4.–6. Mai 2008
Görlitz
7. Mai 2008
Zgorzelec (Görlitz)
7. Mai 2008
Wrocław (Breslau)
8.–9. Mai 2008
Auschwitz
14.–15. Mai 2008
Chemnitz
16. Mai 2008
Mittweida
18.–19. Mai 2008
Eisenach
20. Mai 2008
Marburg
21. Mai 2008
Gießen
29.–30. Mai 2008
Gütersloh
8. November 2008
Oranienburg/Bund der Generationen
2.–5. März 2009
Bonn
6.–8. März 2009
Koblenz
9.–12. März 2009
Mainz
13.–15. März 2009
Worms
16.–18. März 2009
Ludwigshafen am Rhein
19.–21. März 2009
Speyer
22.–23. März 2009
Baden-Baden
24.–26. März 2009
Offenburg
29. März–1. April 2009
Freiburg im Breisgau
2.–4. April 2009
Konstanz
5.–6. April 2009
Biberach an der Riß
7.–8. April 2009
Laupheim
20.–22. April 2009
Ulm
23.–25. April 2009
Augsburg
26. April 2009
Kaufering
27. April–1. Mai 2009
München
4.–6. Mai 2009
Regensburg
7.–9. Mai 2009
Nürnberg
10. Mai 2009
Hersbruck r. Pegn.
11.–12. Mai 2009
Fürth
13. Mai 2009
Erlangen
14.–16. Mai 2009
Würzburg
17. Mai 2009
Bamberg
18.–20. Mai 2009
Aschaffenburg
21.–23. Mai 2009
Offenbach am Main
24.–27. Mai 2009
Wiesbaden
6.–7. Oktober 2009
Zweibrücken
8.–9. Oktober 2009
Pirmasens
12.–16. Oktober 2009
Saarbrücken
19.–21. Oktober 2009
Delmenhorst
22.–24. Oktober 2009
Oldenburg (Oldenburg)
26.–28. Oktober 2009
Wilhelmshaven
29. Oktober–1. November 2009
Vechta
2.–3. November 2009
Soltau
4.–5. November 2009
Walsrode
6.–7. November 2009
Schwarmstedt
8.–12. November 2009
Hannover
13.–14. November 2009
Lehrte
16.–18. November 2009
Magdeburg
19.–21. November 2009
Blankenburg (Harz)
22.–24. November 2009
Dessau
25.–27. November 2009
Wittenberg
29. November–1. Dezember 2009
Cottbus
2.–5. Dezember 2009
Guben
30. April – 1. Mai 2010
Eisenhüttenstadt
3.–4. Mai 2010
Cybinka (Polen)
5.–7. Mai 2010
Frankfurt (Oder)
8.–10. Mai 2010
Berlin-Grunewald
11.–12. Mai 2010
Berlin-Spandau
17.–19. Mai 2010
Berlin-Schöneweide
20.–21. Mai 2010
Berlin-Friedrichstraße
10.–12. März 2011
Mönchengladbach
13.–15. März 2011
Viersen
16.–17. März 2011
Grevenbroich
18.–19. März 2011
Neuss
20.–22. März 2011
Krefeld
23.–24. März 2011
Heinsberg
25.–26. März 2011
Geilenkirchen
27.–29. März 2011
Herzogenrath
30.–31. März 2011
Stolberg
1.–2. April 2011
Düren
3.–6. April 2011
Aachen
7. April 2011
Schleiden
8. April 2011
Hellenthal
10.–12. Oktober 2011
Düsseldorf
14.–16. Oktober 2012
Landau (Pfalz)
17.–18. Oktober 2012
Germersheim
19.–20. Oktober 2012
Schifferstadt
22.–24. Oktober 2012
Neustadt (Weinstraße)
25.–27. Oktober 2012
Haßloch
29.–31. Oktober 2012
Pirmasens Nord
29. Mai 2013
Braunschweig
30. Mai 2013
Wolfsburg
31. Mai 2013
Wittenberge
1.–2. Juni 2013
Berlin-Ostbahnhof
3. Juni 2013
Berlin-Spandau
3. Juni 2013
Berlin-Friedrichstraße
5. Juni 2013
Frankfurt (Oder)
6. Juni 2013
Magdeburg
7. Juni 2013
Hannover
10.–12. Juni 2013
Dortmund
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Auseinandersetzungen mit der Deutschen Bahn
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Zwischen dem Trägerverein des Zugs der Erinnerung und der Deutschen Bahn entwickelte sich Anfang 2008 ein zunehmender Streit über die rollende Ausstellung.
Trassen- und Stationspreise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Der Verein wandte sich bereits im Oktober 2007 an das Bundesverkehrsministerium mit der Bitte um Freistellung oder Übernahme der Trassengebühren und sonstigen Entgelte, welche die Deutsche Bahn berechnen würde. Das Ministerium lehnte dies aufgrund der wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit der Bahnunternehmen sowie fehlender Haushaltsermächtigung ab und erteilte auch der Verwendung von Haushaltsmitteln des Bundes prinzipiell eine Absage. Es stellte jedoch 15.000 Euro für den Aufenthalt des Zuges in Berlin zur Verfügung, wobei dieser Betrag auf Berechnungen der Organisatoren fußt. Die Stadt Berlin hatte 8.000 Euro zur Verfügung gestellt.[1] [4]
Zwischen November 2007 bis Januar 2008 berechnete die Deutsche Bahn Trassenentgelte in Höhe von 6.549 Euro, 20.818 Euro an Stationsentgelten sowie 507 Euro an Nebenkosten für Strom und Wasser.[1] Bis September 2012 zahlte der Verein nach eigenen Angaben insgesamt über 200.000 Euro an die DB AG.
Die Organisatoren kritisierten die fehlende Bereitschaft der Deutschen Bahn, auf die Erhebung von Trassen- und Stationspreisen zu verzichten oder – falls das nicht möglich sei – durch Spenden auszugleichen. Das Unternehmen sollte sich der geschichtlichen Verantwortung der Deutschen Bahn stellen und sich daran erinnern, wie viel Profit die Bahn aus Deportationen während der NS-Zeit geschlagen habe. Nach Angaben des Trägervereins summierten sich die zu erwartenden Entgelte über die gesamte Reise auf mehr als 150.000 Euro.[5] Die Deutsche Bahn verwies auf die geltende Rechtslage, welche eine Gleichbehandlung aller Eisenbahnverkehrsunternehmen vorschreibt und daher eine Nicht-Erhebung von Trassengebühren und weiteren Entgelten nicht zuließ. Im Frühjahr 2008 sprach sich der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG dafür aus, 100.000 Euro an eine internationale jüdische Organisation zu spenden.[6]
Anfang Juli 2009 spendete das Unternehmen 175.000 Euro an die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft".[7]
Gutachten über die Einnahmen der „Deutschen Reichsbahn" bei den NS-Massendeportationstransporten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Im November 2009 veröffentlichte der Trägerverein ein Gutachten über Einnahmen der Deutschen Reichsbahn bei den NS-Massendeportationen. Demnach ließ sich die Reichsbahn die Verschleppungen mit etwa 445 Millionen Euro heutiger Währung bezahlen. Inklusive Zinsen seien seit 1945 mehr als 2 Milliarden Euro aufgelaufen.[8]
Der Verein forderte die DB AG auf, einen hohen Betrag für die Überlebenden der Deportationen zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen wiederholte, dass es nicht Rechtsnachfolger der Reichsbahn sei und deswegen förmliche Verpflichtungen ablehne.[9]
Im April 2012 meldeten mehrere Medien, dass sich die Deutsche Bahn AG auf gerichtliche Forderungen nach Restitution einstelle und deswegen in den USA juristische Vorkehrungen treffe. Auch eine PR-Agentur sei in den USA beauftragt worden, um Klagen abzuwehren.[10] Klagevorhaben in Europa stützen sich auf das Gutachten des Zug der Erinnerung e. V.
Halte in Berlin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Heftige Kritik an der Deutschen Bahn kam auch auf, als diese es mit Hinweis auf „betriebstechnische Gründe" ablehnte, den Zug der Erinnerung im Bahnhof Berlin-Grunewald und im Berliner Hauptbahnhof halten zu lassen. So bezeichnete der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz das Verhalten der Deutschen Bahn gegenüber der Initiative als „absolut unverständlich, peinlich und provinziell". Das Verhalten der Deutschen Bahn schadete seiner Meinung nach „nicht nur dem Ansehen des Unternehmens, sondern auch den Bemühungen Berlins, sich seiner Geschichte als Machtzentrum des NS-Regimes zu stellen".[11] [12] Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hob hervor, dass die Juden Berlins von den Nationalsozialisten systematisch in die Vernichtungslager gebracht worden waren, „und zwar mit der Eisenbahn". Deshalb müsse es möglich sein, dass ein verdienstvolles Gedenkprojekt „jede Form von Unterstützung erfährt".[13]
Als Reaktion auf die Kritik, den Zug nicht am Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Berlin-Grunewald einfahren zu lassen, verwies die Bahn darauf, dass das Gleis nach Umbauten im Bahnhof nicht mehr befahrbar sei. Alternativ schlug die Bahn einen Aufenthalt am S-Bahn-Bahnhof Grunewald vor. Nach Ansicht der Bahn leitete die Initiative aus „unleugbaren Fakten böse Absichten" ab. Das Unternehmen habe aber auch Halte in Lichtenberg, Gesundbrunnen, Westhafen, Südkreuz, Charlottenburg und Schöneweide angeboten.[14] In der westlichen Hälfte des „Gleis 17" wachsen heute Sträucher und Bäume. Die Zufahrt des Gleises (im Westen) ist nach einem teilweisen Rückbau des Bahnhofs nicht mehr möglich (52° 29′ 20,2′′ N, 13° 15′ 52,2′′ O 52.48893333333313.264494444444).
Die Bundesnetzagentur bestätigte am 10. April 2008, aus eisenbahnrechtlicher Sicht, die Begründung der Deutschen Bahn.[15] Gleichzeitig appellierte der Präsident der Behörde, Matthias Kurth, an den Vorstand der Deutschen Bahn, den Halt des Zuges am Hauptbahnhof zu ermöglichen.[16] In einem Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, betonte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee Mitte April 2008, das Unternehmen habe sich mit seiner bisherigen Haltung „weitgehend isoliert"; das Ansehen des Unternehmens drohe damit Schaden zu nehmen. Er forderte Mehdorn auf, seine Haltung zu revidieren und die Trassenpreise an den Verein zu spenden.[17]
Am 13. April fuhr der Zug am Ostbahnhof ein.[18] Als weitere Stationen in Berlin waren Lichtenberg, Schöneweide, Westhafen und Grunewald geplant.
Deportations-Mahnmale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Weitere Deportations-Mahnmale im (ehemaligen) Deutschland im Kontext von Bahnhöfen:
- Berlin – Mahnmal Gleis 17, Bahnhof Berlin-Grunewald
- Darmstadt – Denkzeichen Güterbahnhof
- Hamburg – Denk-Mal Güterwagen, Hamburg-Winterhude
- Köln – Bahnhof Köln Messe/Deutz
- Stuttgart – Gedenkstätte am Nordbahnhof
- Wien – Aspangbahnhof
- Wiesbaden – Deportationsmahnmal Schlachthoframpe
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Sonderzüge in den Tod, eine Wanderausstellung zum selben Themenkreis
- Deportation von Juden aus Deutschland
- Geschichte der Eisenbahn in Deutschland
- Viehwaggon#Holocaust und künstlerische Verarbeitung
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- DB Museum Nürnberg (Hrsg.): Im Dienst von Demokratie und Diktatur. Die Reichsbahn 1920–1945. Katalog zur Dauerausstellung im DB Museum, Nürnberg 2002, ISBN 3-9807652-2-9.
- Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die „Judendeportationen" aus dem Deutschen Reich 1941–1945. Eine Kommentierte Chronologie. Wiesbaden, Marix 2005, ISBN 3-86539-059-5.
- Raul Hilberg: Sonderzüge nach Auschwitz. Mainz 1981, ISBN 3921426189.
- Christian Bachelier: La SNCF sous l'Occupation allemande (Memento vom 16. Februar 2001 im Internet Archive ) (Die frz. Staatsbahn unter der dt. Besatzung). Hrsg. v. Institut du temps présent (Teil des CNRS). Paris 2000.
- Serge Klarsfeld: Le Mémorial des enfants juifs déportés de France. La Shoah en France. Bd. 4. Gedenkband an die aus Frankreich deportierten Kinder. Édition Fayard, Paris 2001, ISBN 2213610525. (frz., nennt alle Züge und die Zahl der darin deportierten Kinder und von der Mehrzahl auch die Personalien und Fotografien)
- Heiner Lichtenstein: Mit der Reichsbahn in den Tod. Massentransporte in den Holocaust 1941 bis 1945. Köln 1985, ISBN 3766308092.
- Janusz Piekałkiewicz: Die Deutsche Reichsbahn im Zweiten Weltkrieg. Transpress, Stuttgart 1998, ISBN 3344708120.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Offizielle Website
- Auf dem deutschen Schienennetz nach Auschwitz: 11.000 Kinder
- Chronologie der Deportationen aus dem Deutschen Reich (auf der Gedenkbuchseite des Dt. Bundesarchivs)
- Heide Platen: Zug der Erinnerung fährt nach Auschwitz. In: die tageszeitung , 9. November 2007
- „Zug der Erinnerung" trotz Widerstand. In: taz, 16. Februar 2008 (Über einen Initiator des Zugs)
- Verena Walter: „Zug der Erinnerung" soll nach Berlin
- Der Zug der Erinnerung in Berlin auf dem Gelände des Westhafens, April 2008
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ a b c Deutscher Bundestag: auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Petra Pau, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 16/7875 –. 11. Februar 2008 (PDF-Datei, 4 Seiten; 61 kB).
- ↑ Pressemitteilung Nr. 04-07 von der Initiative „Zug der Erinnerung" zu Kassel: „Kassel war zentraler Umschlagplatz für Deportationen aus Nordhessen. Einer dieser Bahntransporte, in die über 1000 Menschen gepfercht wurden, verließ Kassel am 9. Dezember 1941".
- ↑ Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945. 2006 vom Bundesarchiv als Online-Datenbank als überarbeitete Auflage. Die Recherche konnte über Namen, Geburts-, Wohn- und Deportationsort sowie Geburts- und Deportationsdatum erfolgen. Die Datenbank enthielt 158.726 Namen (Stand 11. Januar 2008). URL https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/
- ↑ Mehdorn zeigt Vertreter Jüdischer Gemeinde an (Memento vom 13. Mai 2008 im Internet Archive ). In: Netzeitung, 12. März 2008
- ↑ Auf Gleis 35 steht Deutschlands Vergangenheit (Memento vom 14. September 2012 im Webarchiv archive.today ) sueddeutsche.de
- ↑ Bahn fordert weiter Gebühren. In: Frankfurter Rundschau. 6. April 2008, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen im April 2008.@1 @2 Vorlage:Toter Link/www.fr-online.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
- ↑ Deutsche Bahn AG: DB spendet an Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (Memento vom 8. Juli 2009 im Internet Archive ). Presseinformation vom 3. Juli 2009
- ↑ Gutachten über die unter der NS-Diktatur erzielten Einnahmen der "Deutschen Reichsbahn" aus Transportleistung zur Verbringung von Personen aus dem Deutschen Reich und dem okkupierten Europa in Konzentrationslager und ähnliche Einrichtungen einschließlich ihrer Nebenstellen. Ohne Berücksichtigung der von der "Deutschen Reichsbahn" durchgeführten Transporte von Zwangsarbeitern. Vorgelegt vom Zug der Erinnerung, eingetragener und gemeinnütziger Verein, November 2009
- ↑ NS-Opfer fordern Hilfe von Deutscher Bahn. In: dw.de
- ↑ Entschädigungsansprüche gegen Deutsche Bahn. In: Der Spiegel, 2. April 2012
- ↑ Isabell Jürgens: "Zug der Erinnerung" darf doch nach Berlin. In: morgenpost.de. 5. Mai 2010, abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ Bahn stellt «Zug der Erinnerung» auf Abstellgleis (Memento vom 25. Oktober 2008 im Internet Archive ). In: Netzeitung, 8. April
- ↑ Wowereit fordert Bahn zur Unterstützung von Ausstellung auf. In: Tagesspiegel . 4. April 2008 (Online).
- ↑ Deutsche Bahn AG: „Zug der Erinnerung": Halt am S-Bahnhof Grunewald möglich – DB bietet Alternative zum Mahnmal Gleis 17. Presseinformation vom 8. April 2008
- ↑ Deutsche Bahn AG Zug der Erinnerung: Haltung der DB bestätigt. Presseinformation vom 10. April 2008
- ↑ Bundesnetzagentur: Kurth appelliert an Vorstand der Deutschen Bahn, „Zug der Erinnerung" sollte Präsentation im Berliner Hauptbahnhof ermöglicht werden. Presseinformation vom 10. April 2008 (online als PDF-Datei) (Memento vom 11. Dezember 2009 im Internet Archive )
- ↑ Verkehrsminister rüffelt Bahnchef. (Memento vom 21. Juni 2008 im Internet Archive ) In: Rheinische Post, 19. April 2008
- ↑ Hans-Rüdiger Minow: „Da schaudert es mich". In: sueddeutsche.de , 13. April 2008