Ein Wingsuit bzw. Flügelanzug ist ein spezieller Anzug zum Fallschirmspringen und Base-Jumping mit Flächen aus Stoff zwischen Armen und Beinen, die, von Luft umströmt, als Flügel wirken. Damit kann der vertikale Fall teilweise in eine horizontale Flugbewegung umgewandelt werden. Wingsuits erreichen eine Gleitzahl bis zu 3, d. h. auf einen Meter Sinkflug werden drei Meter Horizontalflug erreicht. In Deutschland müssen zunächst mindestens 200 Fallschirmsprünge absolviert werden, um, zunächst unter Anleitung, mit einem Wingsuit fliegen zu dürfen.
Anfang der 1910er-Jahre wurde versucht, den freien Fall mit Hilfe künstlicher Flügel zu beeinflussen. Einer der ersten war womöglich der österreichische Schneider Franz Reichelt, der 1912 mit seinem zum Fliegen gedachten, aber ungeeigneten „Fledermaus-Anzug" vom Eiffelturm in den Tod sprang. Mehr als 70 Fallschirmspringer starben bei verschiedenen Sprung-Experimenten. Die bekanntesten unter ihnen waren die Franzosen Clem Sohn und Léo Valentin. Die häufigste Unfallursache war die Verwicklung der noch sehr starren Konstruktionen mit dem Hauptfallschirm. Einige der Birdmen (deutsch „Vogelmenschen"), wie sie sich selbst nannten, versuchten bewusst, ohne Öffnen des Fallschirms nur mit den Flügeln zu landen.[1]
Auf dem Klausheider Flugtag am 15. September 1963 verunglückte der „Vogelmensch" Gérard Masselin bei einem Sprung aus 3.000 Metern Höhe mit einem Vorläufer der Wingsuits tödlich.[2][3] Schon sein älterer Bruder Guy war 1961 in Nancy bei einem dieser früher „Schwingenflug" genannten Experimentalsprünge ebenfalls tödlich verunglückt.
Anfang der 1970er Jahre führte der Deutsche Peter Böttgenbach bei Flugschauen mit einem selbstgeschneiderten Spezialanzug sichtbare Streckenflüge durch, blieb dabei aber aufgrund des damit einhergehenden Risikos ein Einzelfall.
Mitte der 1990er Jahre entwickelte der Franzose Patrick de Gayardon einen Wingsuit, bei dem er einen neuartigen Spoiler am Rücken mit seinem Schirm vernähte. Seine Versuche endeten am 13. April 1998 mit einem tödlichen Absturz.[4]
Im Herbst 1998 begannen der Finne Jari Kuosma und der Kroate Robert Pečnik die Entwicklung eines leicht beherrschbaren Wingsuits, der von einem durchschnittlichen Fallschirmspringer verwendet werden konnte. Ab Juni 1999 war der erste Wingsuit unter dem Namen BirdMan im Handel erhältlich. Der Ausdruck BirdMan-Anzug oder Birdmansuit wird weiterhin wie ein Synonym und Gattungsname für Wingsuits verwendet.
Moderne Wingsuits haben Kammern, die sich mit Luft füllen, um ein aerodynamisch günstiges Profil zu erreichen. 2016 wurde am Mont Blanc nach Chamonix ein Slalom zwischen zwölf Meter hohen kegeligen luftgefüllten Pylonen realisiert. 2016 wurde ein Rückenflug in 4er-Formation durchgeführt.[5]
De Gayardon sprang Ende des Jahres 1997 das erste Mal mit dem Wingsuit von einem festen Standort, dem Monte Brento in der Nähe von Arco, Italien. Sein Sprung von diesem Standort in 1500 Metern Höhe gilt als erster WiSBASE-Sprung.[6] 6 Jahre später begannen andere Base-Jumper, Wingsuits zu nutzen.[7] Bekannte Orte, an denen Wisbase in Europa praktiziert wird, sind der Kjerag, der Trollstigen in Norwegen, die Gruppe Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch sowie Chamonix-Mont-Blanc in Frankreich.
Am 5. Mai 2013 sprang der Russe Waleri Rosow vom Pfeilerkopf in der Südwand des Changtse, gegenüber der Nordwand des Mount Everest, aus der Weltrekordabsprunghöhe von 7220 Metern. Mit einem speziell für die niedrige Luftdichte entwickelten Wingsuit fiel und flog er hinunter bis zum mehr als 1500 Meter tiefer gelegenen Rongbukgletscher und landete per Fallschirm.[8]