Von-Neumann-Algebra
Eine Von-Neumann-Algebra oder W*-Algebra ist eine mathematische Struktur in der Funktionalanalysis. Historisch beginnt die Theorie der Von-Neumann-Algebren mit den grundlegenden von 1936 bis 1943 erschienenen Arbeiten von Francis J. Murray und John von Neumann On rings of operators.[1] [2] [3] Der Name Von-Neumann-Algebra für derartige Algebren geht auf einen Vorschlag von Jean Dieudonné zurück.[4]
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Eine Von-Neumann-Algebra {\displaystyle A} (benannt nach John von Neumann) oder (mittlerweile veraltet) ein Ring von Operatoren ist eine *-Unteralgebra mit Eins der Algebra {\displaystyle L\left(H\right)} der beschränkten linearen Operatoren eines Hilbertraums {\displaystyle H}, die eine (und damit alle) der drei folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt:
- {\displaystyle A=A''}.
- {\displaystyle A} ist abgeschlossen in der starken Operatortopologie.
- {\displaystyle A} ist abgeschlossen in der schwachen Operatortopologie.
Hierbei ist {\displaystyle A':={\bigl \{}x\in L(H),円|,円\forall a\in A:,円xa=ax{\bigr \}}} die Kommutante von {\displaystyle A} und entsprechend {\displaystyle A''} die Kommutante von {\displaystyle A'}.
Die Äquivalenz der drei obigen Aussagen nennt man den von Neumannschen Doppelkommutantensatz oder Bikommutantensatz. Diese Aussage kann wie folgt verschärft werden:
- Ist {\displaystyle A\subset L(H)} eine *-Unteralgebra mit Eins, so ist {\displaystyle A''} der Abschluss von {\displaystyle A} sowohl in der schwachen als auch in der starken Operatortopologie.
Auch diese Formulierung, die eine Äquivalenz zwischen der rein algebraischen Kommutanten-Bildung und der rein topologischen Dichte-Beziehung bzw. Abschluss-Bildung herstellt, wird als Bikommutantensatz bezeichnet. Damit erweist sich der Bikommutantensatz als ein Dichtheitssatz. Zusammen mit dem weiteren Dichtheitssatz von Kaplansky stellt er den Ausgangspunkt der Theorie der Von-Neumann-Algebren dar.
Eine Von-Neumann-Algebra kann nach einem Satz von Shōichirō Sakai auch abstrakt ohne einen zugrundeliegenden Hilbertraum definiert werden:
- Eine Von-Neumann-Algebra {\displaystyle A} ist eine C*-Algebra, die der topologische Dualraum eines Banachraums {\displaystyle A_{\star }} ist.
Faktoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Von-Neumann-Algebra {\displaystyle A} heißt Faktor, falls sie eine der beiden folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt:
- {\displaystyle A\cap A'=\mathbb {C} \cdot 1_{H}}.
- {\displaystyle A\cup A'} erzeugt {\displaystyle L\left(H\right)}.
Da {\displaystyle A\cap A'} die Menge der Operatoren aus {\displaystyle A} ist, die mit allen Operatoren aus {\displaystyle A} kommutieren, ist {\displaystyle A\cap A'} das Zentrum von {\displaystyle A}. Faktoren sind daher die Von-Neumann-Algebren mit kleinst möglichem Zentrum. Man kann Von-Neumann-Algebren als direktes Integral (eine Verallgemeinerung der direkten Summe) von Faktoren darstellen, das heißt, Von-Neumann-Algebren sind in diesem Sinne aus Faktoren zusammengesetzt.
{\displaystyle L\left(H\right)} und {\displaystyle \mathbb {C} \cdot 1_{H}} sind Beispiele für Faktoren. Mit {\displaystyle A} ist auch {\displaystyle A'} ein Faktor; offenbar gilt {\displaystyle L\left(H\right)'=\mathbb {C} \cdot 1_{H}} und {\displaystyle (\mathbb {C} \cdot 1_{H})'=L\left(H\right)}.
Bei den Faktoren können 3 Typen, die Typ I, Typ II und Typ III heißen, unterschieden werden.
Kommutative Von-Neumann-Algebren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Sei {\displaystyle (X,{\mathfrak {X}},\mu )} ein {\displaystyle \sigma }-endlicher Maßraum. Dann ist {\displaystyle H=} L2 {\displaystyle (X,{\mathfrak {X}},\mu )} ein Hilbertraum, und jede wesentlich beschränkte Funktion {\displaystyle f\in L^{\infty }(X,{\mathfrak {X}},\mu )} definiert via Multiplikation einen Operator {\displaystyle M_{f}\in L(H),M_{f}(g):=f\cdot g}. Die Menge aller {\displaystyle M_{f}} ist eine kommutative Von-Neumann-Algebra {\displaystyle {\mathcal {M}}\subset L(H)}, und die Abbildung {\displaystyle f\mapsto M_{f}} ist ein *-Isomorphismus {\displaystyle L^{\infty }(X,{\mathfrak {X}},\mu )\to {\mathcal {M}}}. Man kann {\displaystyle {\mathcal {M}}'={\mathcal {M}}} zeigen, das heißt, die Algebra {\displaystyle {\mathcal {M}}} stimmt mit ihrem Kommutanten überein. Keine echte Oberalgebra kann daher kommutativ sein, {\displaystyle {\mathcal {M}}} ist also eine maximale kommutative Von-Neumann-Algebra.
Betrachtet man speziell den Maßraum {\displaystyle ([0,1],{\mathcal {B}},\lambda )} (Einheitsintervall mit dem Lebesgue-Maß), so kann man zeigen, dass der Bikommutant von {\displaystyle \{M_{f};,円f\in C([0,1])\}} mit {\displaystyle {\mathcal {M}}\cong L^{\infty }([0,1])} zusammenfällt. Der Übergang vom topologischen Konstrukt {\displaystyle C([0,1])} zum maßtheoretischen Konstrukt {\displaystyle L^{\infty }([0,1])} entspricht dem Übergang von C*-Algebren zu Von-Neumann-Algebren. Während man bei C*-Algebren wegen des Satzes von Gelfand-Neumark von nicht-kommutativer Topologie spricht, gibt die hier angestellte Betrachtung Anlass, eine Von-Neumann-Algebra als einen nicht-kommutativen Maßraum anzusehen, man spricht daher auch von nicht-kommutativer Maßtheorie.
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Jede Von-Neumann-Algebra ist eine C*-Algebra und somit auch eine Banachalgebra.
Wie sich aus dem beschränkten Borel-Funktionalkalkül ergibt, enthalten Von-Neumann-Algebren sehr viele Orthogonalprojektionen; jeder Operator ist in der Normtopologie Limes von Linearkombinationen von Orthogonalprojektionen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den C*-Algebren, die, wie das Beispiel C([0,1]) zeigt, neben 0 und 1 keine weiteren Projektionen enthalten müssen. Man kann aus der Menge der Projektionen einen Verband konstruieren; die Struktur dieses Verbandes wird zur Typklassifikation der Von-Neumann-Algebren herangezogen.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Typ I Von-Neumann-Algebra
- Typ II Von-Neumann-Algebra
- Typ III Von-Neumann-Algebra
- Tomita-Takesaki-Theorie
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Jacques Dixmier: Von Neumann algebras. North-Holland Publishing, Amsterdam u. a. 1981 (North-Holland Mathematical Library, Band. 27), ISBN 0-444-86308-7.
- R.V. Kadison, J. R. Ringrose: Fundamentals of the Theory of Operator Algebras. Band I und II, Academic Press 1983, ISBN 0-123-93301-3 bzw. 1986, ISBN 0-123-93302-1
- Shôichirô Sakai: C*-Algebras and W*-Algebras. Springer, Berlin u. a. 1971 (Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete, Band. 60) ISBN 3-540-05347-6 (Nachdruck. ebenda 1998, ISBN 3-540-63633-1).
- Jacob T. Schwartz: W*-Algebras. Gordon & Breach, New York NY u. a. 1967.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ F.J. Murray, J. von Neumann: On rings of operators. Ann. of Math. (2), Band 37, 1936, Seiten 116–229.
- ↑ F.J. Murray, J. von Neumann: On rings of operators II. Trans. Amer. Math. Soc., Band 41, 1937, Seiten 208–248
- ↑ F.J. Murray, J. von Neumann: On rings of operators IV. Ann. of Math. (2), Band 44, 1943, Seiten 716–808.
- ↑ Newsletter of the EMS, Juni 2009, Interview mit Jacques Dixmier, Seite 36