Umkehrregel
{\displaystyle {\color {Periwinkle}f'}(x_{0})={\frac {1}{4}}}
{\displaystyle {\color {Salmon}(f^{-1})'}({\color {Blue}f}(x_{0}))=4~}
Die Umkehrregel (manchmal auch Inversenregel genannt) ist eine Regel der Differentialrechnung. Sie besagt, dass für eine umkehrbare (das heißt bijektive) reelle Funktion {\displaystyle f},
- die an der Stelle {\displaystyle x} differenzierbar ist und
- dort keine waagerechte Tangente besitzt, d. h. für die {\displaystyle f'(x)\neq 0} gilt,
auch ihre Umkehrfunktion {\displaystyle f^{-1}} an der Stelle {\displaystyle y=f(x)} differenzierbar ist mit Ableitung
- {\displaystyle (f^{-1})'(y)={\frac {1}{f'(f^{-1}(y))}}={\frac {1}{f'(x)}}.}
Die Gültigkeit dieser Gleichung kann man sich gut an einer Skizze verdeutlichen: Die Bildung der Umkehrfunktion entspricht einer Vertauschung der Koordinaten {\displaystyle x} und {\displaystyle y}. Die Graphen der Funktion {\displaystyle f} und ihrer Umkehrfunktion {\displaystyle f^{-1}} sind also zueinander symmetrisch bezüglich der Winkelhalbierenden des I. und III. Quadranten mit der Gleichung {\displaystyle y=x}. Die Ableitung einer Funktion an einer bestimmten Stelle entspricht der Steigung der zugehörigen Tangente, also gleich dem Tangens des Neigungswinkels gegenüber der Waagrechten. Damit erhält man:
- {\displaystyle f'(x)=\tan \alpha =\tan(90^{\circ }-\beta )={\frac {1}{\tan \beta }}={\frac {1}{(f^{-1})'(f(x))}}.}
Beweisskizzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Umkehrregel kann direkt gezeigt werden, indem man den Differenzenquotient
- {\displaystyle f'(x)\approx {\frac {f(x+h)-f(x)}{h}}}
dahingehend umformt, dass er zu
- {\displaystyle f'(x)\approx {\frac {1}{\frac {f^{-1}(f(x+h))-f^{-1}(f(x))}{f(x+h)-f(x)}}}}
wird, um anschließend mit {\displaystyle t=f(x+h)-f(x)} zu substituieren. Beim Grenzübergang für {\displaystyle h\to 0} und damit auch {\displaystyle t\to 0} (man beachte, dass differenzierbare Funktionen insbesondere stetig sind) folgt:
- {\displaystyle f'(x)\approx {\frac {1}{\frac {f^{-1}(f(x)+t)-f^{-1}(f(x))}{t}}}={\frac {1}{(f^{-1})'(f(x))}}}
und somit
- {\displaystyle {\frac {1}{f'(x)}}\approx (f^{-1})'(f(x))}
Alternativ ergibt unter Nutzung der Kettenregel die Eigenschaft
- {\displaystyle f\left(f^{-1}(y)\right)=y}
der Umkehrfunktion bei Differenzieren nach {\displaystyle y} auf beiden Seiten der Gleichung ebenfalls die Umkehrregel (mit {\displaystyle f^{-1}(y)=x}):
- {\displaystyle f'\left(f^{-1}(y)\right)\cdot \left(f^{-1}\right)'(y)=1.}
Allerdings wird dabei die Differenzierbarkeit von {\displaystyle f^{-1}} an der Stelle {\displaystyle y} schon vorausgesetzt, während sie in der ersten Beweisskizze mitbewiesen wird.
Ganz ähnlich erhält man auch einen Ausdruck für die 2. Ableitung der Umkehrfunktion {\displaystyle \left(f^{-1}\right)''(y)}, indem man die letzte Gleichung erneut nach {\displaystyle y} differenziert unter Anwendung der Produktregel (wieder ist {\displaystyle f^{-1}(y)=x} bzw. {\displaystyle f(x)=y}):
- {\displaystyle \left(f^{-1}\right)''(y)=-{\frac {f''(x)}{\left(f'(x)\right)^{3}}}.}
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion {\displaystyle y=f(x)=e^{x}} ist der natürliche Logarithmus
- {\displaystyle f^{-1}(y)=\ln(y),円.}
Wegen {\displaystyle f'(x)=e^{x}} gilt also
- {\displaystyle \ln '(y)={\frac {1}{e^{\ln(y)}}}={\frac {1}{y}},円.}
Eine weitere wichtige Anwendung der Umkehrregel sind die Ableitungen der Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen. So gilt z. B. für die Ableitung des Arkussinus für {\displaystyle -1<y<1} wegen {\displaystyle \sin '=\cos }
- {\displaystyle \arcsin '(y)={\frac {1}{\cos \left(\arcsin(y)\right)}},円.}
Stellt man den trigonometrischen Pythagoras nach dem Kosinus um, erhält man
- {\displaystyle \cos(y)={\sqrt {1-\sin ^{2}(y)}}}.
Wegen {\displaystyle f(f^{-1}(y))=y} folgt daraus:
- {\displaystyle \arcsin '(y)={\frac {1}{\sqrt {1-\sin ^{2}\left(\arcsin(y)\right)}}}={\frac {1}{\sqrt {1-y^{2}}}},円.}
Analoges gilt für die Ableitungen des Arkuskosinus und des Arkustangens.
Alternative Formulierungen und Verallgemeinerungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Fordert man die Stetigkeit der ersten Ableitung von {\displaystyle f}, so genügt bereits die Voraussetzung {\displaystyle f'(x)\neq 0}, da daraus direkt {\displaystyle f'\neq 0} auf einem kleinen Bereich um {\displaystyle x} und daraus wiederum die Existenz der Umkehrfunktion von {\displaystyle f} auf diesem kleinen Bereich folgt (man betrachte dazu die Monotonie von {\displaystyle f}!). Von dieser Grundidee geht man bei der mehrdimensionalen Verallgemeinerung der Umkehrregel, dem Satz von der inversen Abbildung, aus.
Abweichende Schreibweisen in der Physik und anderen Naturwissenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]In der Physik und anderen Naturwissenschaften wird manchmal die leibnizsche Schreibweise mit Differentialen benutzt. Die Umkehrregel nimmt dann die folgende Gestalt an:
- {\displaystyle {\frac {\mathrm {d} y}{\mathrm {d} x}}={\frac {1}{\frac {\mathrm {d} x}{\mathrm {d} y}}}.}
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Konrad Königsberger: Analysis 1. 6. durchgesehene Auflage. Springer, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-540-40371-X, (Springer-Lehrbuch).