Stadtkirche St. Nikolaus (Frauenfeld)

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Frauenfeld, Stadtkirche St. Nikolaus

Die römisch-katholische Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld gehört zu den wichtigsten Zeugnissen neubarocker Sakralarchitektur im Kanton Thurgau. Sie steht auf einem Molassefelsen über dem Murgbogen, an prominenter Lage.

Vorgeschichte und Namensgebung

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Die Stadt Frauenfeld in der Chronik von Johannes Stumpf (1548)

Die ersten kirchlichen Bauten auf dem Stadtgebiet von Frauenfeld gehen auf das 9. Jahrhundert zurück. Nach der Kirche St. Laurentius im Frauenfelder Ortsteil Oberkirch ist spätestens seit 1285 eine Kapelle am heutigen Standort der Stadtkirche St. Nikolaus bezeugt. Belegt ist der Namenspatron der Kapelle, der heilige Nikolaus von Myra, für das Jahr 1463. Mehrere Umbauten veränderten in dieser Zeit das Aussehen der Kapelle.

Die Reformation, in Frauenfeld 1529 eingeführt, brachte weitgehende Veränderungen mit sich. Für die St. Nikolaus-Kapelle, wie auch für die Laurentius-Kirche, etablierten die beiden Konfessionen 1531 eine paritätische Nutzung. Mit dem Bau der evangelischen Kirche 1647 endete diese Phase. Die Umbauten von 1648 betrafen das Kirchenschiff, es wurde komplett neu gebaut, Chor und Kirchturm blieben erhalten.[1] : S. 15

Der erste Stadtbrand von 1771 zerstörte nicht nur die Hälfte der Stadt, auch von der St. Nikolauskirche blieb wenig übrig, nur der Turmschaft hatte überlebt. Der Baumeister Peter Bein errichtete den Neubau, der 1781 geweiht wurde und der dem zweiten Stadtbrand von 1788 entging.[1] : S. 16

Entstehungs- und Baugeschichte

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St. Nikolaus in Frauenfeld

Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Einwohner und damit auch der Katholiken in Frauenfeld stark an. Die alte Stadtkirche St. Nikolaus, mit 600 Plätzen, war immer öfter zu klein, um alle Gläubigen aufzunehmen. In seinem Gutachten vom 1. Oktober 1890 kam August Hardegger zum Schluss, dass die einfache Verlängerung des Kirchenschiffes auf dem bestehenden Grundstück nicht möglich sei, und schlug einen nach Westen gerichteten, neobarocken Kirchbau vor. Die finanzielle Situation der Kirchgemeinde erlaubte es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, die Pläne umzusetzen.[1] : S. 17

Eine neue Dynamik um den Kirchenbau entstand 1893, als Pläne der Stadt Frauenfeld bekannt wurden, eine neue Zufahrtsstrasse vom Bahnhof zum Regierungsgebäude des jungen Kantons Thurgau zu bauen, wofür auch Land vom Areal der Kirche beansprucht werden sollte. Um das zu verhindern und die Platznot zu beenden, trieb vor allem der Dekan Konrad Kuhn das Neubauprojekt weiter voran. Besondere Schärfe nahmen die Diskussionen an, als Albert Rimli 1895 einen Gegenvorschlag zu Hardeggers Projekt machte. Dabei lehnte sich der, nach Rimlis Plänen, nach Osten gerichtete Bau sehr stark an den Vorschlag Hardeggers an. In den langwierigen, gehässigen Auseinandersetzungen konnte sich der lokal viel besser abgestützte Rimli durchsetzen. Dies gelang ihm auch dank dem neuen Entwurf eines vielgestaltigen Baus, den er als genaue perspektivische Zeichnung, effektvoll in Szene gesetzt, präsentierte. Die Kirchgemeindeversammlung beschloss am 8. November 1903 den Neubau der Stadtkirche. Nach der Grundsteinlegung am 10. Juli 1904 erfolgte am 18. November 1906 die Weihe der katholischen Stadtkirche St. Nikolaus.[1] : S. 31 Durch ihre Lage und den auffallend hohen Turm ist die Kirche im Stil zwischen Neobarock und Jugendstil stadtbildprägend.

Baubeschreibung

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Hauptportal von St. Nikolaus

Die Grundkonzeption der St. Nikolauskirche besteht aus einem, nach Westen gerichteten, breiten Langhaus flankiert von schmalen Seitenschiffen, die durch barockisierende Obergadenfenster betont werden. Der Chor mit angegliederter Sakristei schliesst den Kirchraum im Westen ab. Ein Querhaus teilt die Hauptachse nach drei Fünftel der Länge. Es ist wenig ausladend, trägt aber sehr zur starken Gliederung der Fassade und der Kirchenraums bei. Die seitlichen Eingangsportale sind in das Querhaus verlegt.[1] : S. 33f.

Die Frontseite bildet das Hauptportal im Osten der Kirche. Dieses wird vom mächtigen Kirchturm überhöht. Der Aussenbau ist reich gegliedert mit Lisenen, Konsolen und Voluten. Die Fassade aus Haustein trägt ein Relief von Sockeln und Gesimsen. An den Portalen dominieren die Portalaufsätze und die zehn überlebensgrossen Aussenfiguren von Heiligen.[1] : S. 35f.

Für das Geläut entschied man sich, in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchgemeinde, für zusammenstimmende Geläute der beiden Stadtkirchen. Die Glockengiesserei Rüetschi in Aarau stellte die Glocken von St. Nikolaus in der Hauptstimmung Des-Dur her.[1] : S. 32f.

Innenansicht

Durch das Hauptportal gelangt man unter dem Turm hindurch in die Vorhalle. Über ihr bildet die von Säulenpaaren getragene Orgelempore den Abschluss, bis sich die Decke mit dem grossen Tonnengewölbe über dem Hauptschiff weitet. Auf beiden Seiten werden die Seitenschiffe mit einer Reihe gepaarter Säulen begrenzt. Das Querschiff gliedert den Innenraum und weitet ihn am Übergang zu den Seitenportalen. Die hohen Fenster der Seitenschiffe und die nierenförmigen Obergadenfenster lassen viel Licht einströmen. Stuckaturen akzentuieren die Raumgestaltung und heben die Aufteilung weiter hervor.[1] : S. 39 Die Kirche bietet etwa 750 Sitzplätze.

Bei der Renovation im Jahr 1967 wurde das ehemalige, durch braunrot, weiss und goldene Töne geprägte Farbschema zugunsten der heutigen Vielfarbigkeit aufgegeben.[1] : S. 37 Eine weitere Innensanierung erfolgte von April bis November 2015.

Metzler-Orgel (1969)

Die erste Orgel in der 1906 eingeweihten Stadtkirche war das op. 288 von Carl Theodor Kuhn. Es handelte sich um ein pneumatisches Instrument mit 37[2] resp. 39[3] Registern auf drei Manualen und Pedal. Der Prospektentwurf stammte von Architekt Rimli.

Die heutige Orgel aus dem Jahr 1969 stammt von Metzler Orgelbau. Sie hat 44 Register auf drei Manualen (Rückpositiv, Hauptwerk und Brustwerk) und Pedal, Spiel- und Registertraktur sind mechanisch. Planung und Gestaltung erfolgten durch Bernhardt Edskes.[4] Die Disposition:[5] [6]

I Rückpositiv C–g3
1. Prinzipal 08′
2. Gedackt 08′
3. Quintadena 08′
4. Oktave 04′
5. Rohrflöte 04′
6. Oktave 02′
7. Sesquialter II 0 0223
8. Nasard 0113
9. Scharff IV 01′
10. Dulzian 16′
11. Krummhorn 08′
II Hauptwerk C–g3
12. Prinzipal 16′
13. Pommer 16′
14. Oktave 08′
15. Hohlflöte 08′
16. Dolkan 08′
17. Oktave 04′
18. Koppelflöte 04′
19. Quinte 0223
20. Oktave 02′
21. Mixtur IV 02′
22. Cymbel IV 023
23. Trompete 08′
III Brustwerk[7] C–g3
24. Holzgedackt 08′
25. Prinzipal 04′
26. Gedacktflöte 04′
27. Spitzflöte 02′
28. Terzian II 0135
29. Sifflöte 01′
30. Cymbel II 012
31. Oboe 8′[8]
32. Vox humana 08′
Tremulant
Pedal C–f1
33. Prinzipal 16′
34. Subbass 16′
35. Oktave 08′
36. Gedackt 08′
37. Quinte 0513
38. Oktave 04′
39. Nachthorn 02′
40. Rauschpfeife V 0 02′
41. Posaune 16′
42. Trompete 08′
42. Trompete 04′
43. Cinq 02′
  • Koppeln: I/II, III/II, I/P, II/P (mechanisch, als Tritte). Pleno-Tritte «an» und «ab». Tritt «Pedalzungen ab». Schwelltritt für III. Manual Brustwerk.

Im Turm von St. Nikolaus hängt ein sechsstimmiges Bronzegeläut, welches 1906 von der Glockengiesserei Rüetschi (Aarau) gegossen wurde. Die Glocken hängen in einem Stahlglockenstuhl an Stahljochen.[9] [10]

Nr.  Name der Glocke Schlagton Gewicht
1 Dreifaltigkeits-Glocke b0 3281 kg
2 Heilig-Kreuz-Glocke des1 2070 kg
3 St.-Nikolaus-Glocke es1 1490 kg
4 Armenseelen-Glocke ges1 0800 kg
5 Schutzengel-Glocke b1 0 473 kg
6 Messglöcklein des2 0 257 kg
  • Beatrice Sendner: Bollwerk des Glaubens, Leuchtturm unsterblichen Lebens, Centrum der Liebe. Die neubarocke Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld (1904–1906). In: Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau (Hrsg.): Denkmalpflege im Thurgau. Band 16. Schwabe, Basel 2014, ISBN 978-3-7965-3355-6. 
  • Hans Peter Mathis: Wie die Frauenfelder St.-Nikolaus-Kirche zu ihrer neubarocken Form kam – 80 Jahre St.-Nikolaus-Kirche. In: Thurgauer Volkszeitung. Frauenfeld 6. Dezember 1986, S. 8–9. 
Commons: St. Nikolaus (Frauenfeld)  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i Beatrice Sendner: Bollwerk des Glaubens, Leuchtturm unsterblichen Lebens, Centrum der Liebe. Die neubarocke Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld (1904–1906). In: Denkmalpflege im Thurgau. Band 16, 2014.
  2. Carl Theodor Kuhn-Orgel (1906). Orgelbau Kuhn AG, abgerufen am 15. Januar 2025. 
  3. Angelus Hux: Frauenfeld, katholische Stadtkirche St. Nikolaus. In: Angelus Hux, Alexander Troehler: Klangräume – Kirchen und Orgeln im Thurgau. Huber, Frauenfeld 2007. S. 189–195; hier S. 190/192.
  4. Frauenfeld TG, St. Nikolaus. In: Organ index. Abgerufen am 15. Januar 2025. 
  5. 1992 und 2016 Revisionen durch Metzler.
  6. Die Schreibweise der Registernamen folgt den Beschriftungen am Spieltisch.
  7. Im Schwellkasten.
  8. Metzler 1992, anstelle von Rankett 16' (Metzler 1969).
  9. CH - Frauenfeld (TG) Katholische Stadtkirche St. Nikolaus. In: YouTube. 3. Februar 2014, abgerufen am 15. Januar 2025. 
  10. Christof Kaiser, Leiter Hausdienst/Mesmerdienst: Kirchenglocken von St. Nikolaus. Abgerufen am 15. Januar 2025. 

47.5571258.897913408Koordinaten: 47° 33′ 25,7′′ N, 8° 53′ 52,5′′ O; CH1903: 709830 / 268400

Normdaten (Geografikum): GND: 1064018734 (lobid, OGND , AKS ) | VIAF: 313253391