Sinussatz
In der ebenen und sphärischen Trigonometrie stellt der Sinussatz eine Beziehung zwischen den Winkeln eines allgemeinen Dreiecks und den gegenüberliegenden Seiten her.
Sinussatz für ebene Dreiecke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Sind {\displaystyle a}, {\displaystyle b} und {\displaystyle c} die Seiten eines Dreiecks mit dem Flächeninhalt {\displaystyle A}, den Winkeln {\displaystyle \alpha }, {\displaystyle \beta } und {\displaystyle \gamma }, die der zugehörigen Seite gegenüber liegen, und dem Radius {\displaystyle R} des Umkreises, dann gilt mit der Sinusfunktion:
- {\displaystyle {\frac {a}{\sin \alpha }}={\frac {b}{\sin \beta }}={\frac {c}{\sin \gamma }}={\frac {a\cdot b\cdot c}{2\cdot A}}=2\cdot R}
Wenn mit Hilfe des Sinussatzes Winkel im Dreieck errechnet werden sollen, muss darauf geachtet werden, dass es im Intervall [0°;180°] im Allgemeinen zwei verschiedene Winkel mit demselben Sinuswert gibt. Diese Zweideutigkeit entspricht der des Kongruenzsatzes SSW.
Zum Zusammenhang mit den Kongruenzsätzen und zur Systematik der Dreiecksberechnung siehe den Artikel zum Kosinussatz.
In der sphärischen Trigonometrie gibt es einen entsprechenden Satz, der ebenfalls als Sinussatz bezeichnet wird.
Beweis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die eingezeichnete Höhe {\displaystyle h_{c}} zerlegt das Dreieck in zwei rechtwinklige Teildreiecke, in denen man den Sinus von {\displaystyle \alpha } und {\displaystyle \beta } jeweils als Quotient von Gegenkathete und Hypotenuse ausdrücken kann:
- {\displaystyle \sin \alpha ={\frac {h_{c}}{b}}}
- {\displaystyle \sin \beta ={\frac {h_{c}}{a}}}
Auflösen nach {\displaystyle h_{c}} ergibt:
- {\displaystyle h_{c}=b\cdot \sin \alpha }
- {\displaystyle h_{c}=a\cdot \sin \beta }
Durch Gleichsetzen erhält man
- {\displaystyle a\cdot \sin \beta =b\cdot \sin \alpha }.
Dividiert man nun durch {\displaystyle \sin \alpha \cdot \sin \beta }, so erhält man den ersten Teil der Behauptung:
- {\displaystyle {\frac {a}{\sin \alpha }}={\frac {b}{\sin \beta }}}
Die Gleichheit mit {\displaystyle {\tfrac {c}{\sin \gamma }}} ergibt sich entsprechend durch Benutzung der Höhe {\displaystyle h_{a}} oder {\displaystyle h_{b}}. Um auch noch die Übereinstimmung mit {\displaystyle 2R} zu zeigen, die streng genommen nicht zum Sinussatz gehört, benötigt man den bekannten Satz über Peripheriewinkel (Umfangswinkel) oder den Kosinussatz zusammen mit dem Peripherie-/Zentriwinkelsatz (siehe weiter unten).
Da diese Herleitung nur für Dreiecke mit spitzen Winkeln anwendbar ist, wird bei Dreiecken mit einem stumpfen Winkel {\displaystyle \alpha }, bei welchem die Höhe außerhalb des Dreiecks liegt, der Sinussatz folgendermaßen bewiesen:
- {\displaystyle \sin(180^{\circ }-\alpha )={\frac {h_{c}}{b}}}
- {\displaystyle \sin \beta ={\frac {h_{c}}{a}}}
durch Auflösen nach {\displaystyle h_{c}} und Gleichstellen erhält man
- {\displaystyle b\cdot \sin(180^{\circ }-\alpha )=a\cdot \sin \beta }.
Dividieren beider Seiten durch {\displaystyle b} und {\displaystyle \sin \beta } ergibt
- {\displaystyle {\frac {\sin(180^{\circ }-\alpha )}{\sin \beta }}={\frac {a}{b}}}.
Da für stumpfe Winkel {\displaystyle \sin \alpha =\sin(180^{\circ }-\alpha )} gilt, ergibt sich auch bei stumpfen Winkeln
- {\displaystyle {\frac {a}{\sin \alpha }}={\frac {b}{\sin \beta }}}.
Zusammenhang mit dem Umkreis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Auf dem Umkreis des Dreiecks ABC soll D der Punkt sein, der zusammen mit dem Punkt A einen Durchmesser bildet, sodass die Verbindung von A und D durch den Mittelpunkt des Umkreises verläuft (siehe Abbildung). Dann ist ABD nach dem Satz des Thales ein rechtwinkliges Dreieck und es gilt
- {\displaystyle \sin \delta ={\frac {c}{2\cdot R}}}.
Nach dem Umfangswinkelsatz sind die Umfangswinkel {\displaystyle \gamma } und {\displaystyle \delta } über der Seite {\displaystyle c} gleich groß, also gilt:
- {\displaystyle \sin \delta =\sin \gamma ={\frac {c}{2\cdot R}}}
- {\displaystyle {\frac {c}{\sin \gamma }}=2\cdot R}
Entsprechend gilt auch {\displaystyle {\frac {a}{\sin \alpha }}=2\cdot R} und {\displaystyle {\frac {b}{\sin \beta }}=2\cdot R}, also insgesamt
- {\displaystyle {\frac {a}{\sin \alpha }}={\frac {b}{\sin \beta }}={\frac {c}{\sin \gamma }}=2\cdot R}
Anwendungsbeispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die folgenden Zahlenwerte sind grobe Näherungen. In einem Dreieck ABC sind folgende Seiten- und Winkelgrößen bekannt (Bezeichnungen wie üblich):
- {\displaystyle a=5{,}4,円\mathrm {cm} ;\ b=3{,}8,円\mathrm {cm} ;\ \alpha =73^{\circ }}
Gesucht sind die Größen der restlichen Seiten und Winkel. Als erstes verwendet man den Sinussatz zur Berechnung von {\displaystyle \beta }. Danach gilt
- {\displaystyle {\frac {a}{\sin \alpha }}={\frac {b}{\sin \beta }}},
was sich umformen lässt zu
- {\displaystyle \sin \beta ={\frac {b\cdot \sin \alpha }{a}}={\frac {3{,}8,円\mathrm {cm} \cdot \sin 73^{\circ }}{5{,}4,円\mathrm {cm} }}\approx 0{,}67}
woraus sich mit Hilfe des Arkussinus, der Umkehrfunktion des Sinus,
- {\displaystyle \beta \approx \arcsin(0{,}67)\approx 42^{\circ }}
errechnen lässt.
Eigentlich gibt es noch einen zweiten Winkel mit demselben Sinuswert, nämlich {\displaystyle \beta '=180^{\circ }-\beta \approx 138^{\circ }}. Dieser kommt als Lösung aber nicht in Betracht, da sonst die Winkelsumme des Dreiecks die vorgeschriebenen {\displaystyle 180^{\circ }} überschreiten würde.
{\displaystyle \gamma } erhält man nun mit Hilfe der Winkelsumme
- {\displaystyle \gamma =180^{\circ }-\alpha -\beta \approx 180^{\circ }-73^{\circ }-42^{\circ }=65^{\circ }}
Die Seitenlänge {\displaystyle c} soll wieder mit dem Sinussatz ermittelt werden. (Auch der Kosinussatz wäre hier möglich.) Es gilt
- {\displaystyle {\frac {a}{\sin \alpha }}={\frac {c}{\sin \gamma }}}
Durch Umformung gelangt man so zum Ergebnis
- {\displaystyle c={\frac {a\cdot \sin \gamma }{\sin \alpha }}\approx {\frac {5{,}4,円\mathrm {cm} \cdot \sin 65^{\circ }}{\sin 73^{\circ }}}\approx 5{,}1,円\mathrm {cm} }
Sinussatz für Kugeldreiecke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Für Kugeldreiecke gelten die Gleichungen
- {\displaystyle {\frac {\sin \alpha }{\sin a}}={\frac {\sin \beta }{\sin b}}={\frac {\sin \gamma }{\sin c}}}
Dabei sind {\displaystyle a}, {\displaystyle b} und {\displaystyle c} die Seiten (Kreisbögen) des Kugeldreiecks und {\displaystyle \alpha }, {\displaystyle \beta } und {\displaystyle \gamma } die gegenüberliegenden Winkel auf der Kugeloberfläche.
Beweis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Der Radius der Einheitskugel ist gegeben durch
- {\displaystyle OA=OB=OC=1}
Der Punkt {\displaystyle D} liegt auf dem Radius {\displaystyle OB} und der Punkt {\displaystyle E} liegt auf dem Radius {\displaystyle OC}, sodass {\displaystyle \angle ADO=\angle AEO=90^{\circ }}. Der Punkt {\displaystyle A'} liegt auf der Ebene {\displaystyle OBC}, sodass {\displaystyle \angle A'DO=\angle A'EO=90^{\circ }}gilt. Daraus folgt {\displaystyle \angle ADA'=\beta } und {\displaystyle \angle AEA'=\gamma }. Weil {\displaystyle A'} die senkrechte Projektion von {\displaystyle A} auf die Ebene {\displaystyle OBC} ist, gilt {\displaystyle \angle AA'D=\angle AA'E=90^{\circ }}. Nach Definition des Sinus gilt:
- {\displaystyle \sin c={\frac {AD}{OA}}=AD}
- {\displaystyle \sin b={\frac {AE}{OA}}=AE}
Außerdem ist {\displaystyle AA'=AD\cdot \sin \beta =AE\cdot \sin \gamma }. Einsetzen ergibt
- {\displaystyle \sin c\cdot \sin \beta =\sin b\cdot \sin \gamma }
Entsprechend erhält man {\displaystyle \sin b\cdot \sin \alpha =\sin a\cdot \sin \beta }, also insgesamt
- {\displaystyle {\frac {\sin \alpha }{\sin a}}={\frac {\sin \beta }{\sin b}}={\frac {\sin \gamma }{\sin c}}}
Herleitung aus dem Seiten-Kosinussatz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Der Sinussatz für Kugeldreiecke kann auch algebraisch und ohne geometrische Betrachtungen aus dem Seiten-Kosinussatz für Kugeldreiecke hergeleitet werden. Wegen {\displaystyle \sin ^{2}\alpha =1-\cos ^{2}\alpha } (trigonometrischer Pythagoras) folgt daraus[1]
- {\displaystyle {\begin{aligned}\sin ^{2}\alpha &=1-\cos ^{2}\alpha \\&=1-\left({\frac {\cos a-\cos b\cdot \cos c}{\sin b\cdot \sin c}}\right)^{2}\\&={\frac {1-\cos ^{2}b}{\sin ^{2}b}}\cdot {\frac {1-\cos ^{2}c}{\sin ^{2}c}}-\left({\frac {\cos a-\cos b\cdot \cos c}{\sin b\cdot \sin c}}\right)^{2}\\&={\frac {(1-\cos ^{2}b)\cdot (1-\cos ^{2}c)-(\cos a-\cos b\cdot \cos c)^{2}}{\sin ^{2}b\cdot \sin ^{2}c}}\\&={\frac {1-\cos ^{2}a-\cos ^{2}b-\cos ^{2}c+2\cdot \cos a\cdot \cos b\cdot \cos c}{\sin ^{2}b\cdot \sin ^{2}c}}\\\end{aligned}}}
Division der Gleichung durch {\displaystyle \sin ^{2}a} und anschließendes Ziehen der Quadratwurzel ergibt
- {\displaystyle {\begin{aligned}{\frac {\sin ^{2}\alpha }{\sin ^{2}a}}&={\frac {1-\cos ^{2}a-\cos ^{2}b-\cos ^{2}c+2\cdot \cos a\cdot \cos b\cdot \cos c}{\sin ^{2}a\cdot \sin ^{2}b\cdot \sin ^{2}c}}\\{\frac {\sin \alpha }{\sin a}}&={\frac {\left(1-\cos ^{2}a-\cos ^{2}b-\cos ^{2}c+2\cdot \cos a\cdot \cos b\cdot \cos c\right)^{\frac {1}{2}}}{\sin a\cdot \sin b\cdot \sin c}}\\\end{aligned}}}
Die rechte Seite der letzten Gleichung ist ebenfalls gleich {\displaystyle {\frac {\sin \beta }{\sin b}}} und gleich {\displaystyle {\frac {\sin \gamma }{\sin c}}}, weil dort die Variablen {\displaystyle a}, {\displaystyle b} und {\displaystyle c} zyklisch vertauscht werden können. Die Herleitung ist analog wie für {\displaystyle {\frac {\sin \alpha }{\sin a}}}. Daraus ergibt sich insgesamt
- {\displaystyle {\frac {\sin \alpha }{\sin a}}={\frac {\sin \beta }{\sin b}}={\frac {\sin \gamma }{\sin c}}}
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Manfred Leppig (Hrsg.): Lernstufen Mathematik. 1. Auflage, 4. Druck. Girardet, Essen 1981, ISBN 3-7736-2005-5, S. 189–190.
- H. S. M. Coxeter, S. L. Greitzer: Geometry Revisited. Washington, DC: Math. Assoc. Amer., S. 1–3 (Online-Kopie)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Der Sinussatz – Satz, Beweis, Illustrationen auf der Homepage von Arndt Brünner
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ Sudipto Banerjee, University of Minnesota: Revisiting Spherical Trigonometry with Orthogonal Projectors