NATO-Codename
Die NATO-Codenamen sind Bezeichnungen für Waffen, Waffensysteme, Ausrüstungsteile und Fahrzeuge der Warschauer-Pakt-Staaten bzw. ihrer Nachfolger oder anderer sozialistischer Staaten wie der Volksrepublik China und Nordkorea. In einigen Veröffentlichungen werden die Bezeichnungen als DIA-Code geführt.
Die Vergabe von Codenamen hatte bereits vor dem Kalten Krieg Tradition: Im Zweiten Weltkrieg erhielten japanische Flugzeuge von den Amerikanern Codenamen, da deren offizielle Bezeichnungen unbekannt, schwer auszusprechen oder schlecht zu merken waren. Allerdings erhielten auch auf einen rein zivilen Verwendungszweck ausgerichtete Systeme NATO-Codes, wie etwa die Verkehrsflugzeuge des Konstruktionsbüros Tupolew.
Russland verwendet für die Katalogisierung der eigenen Waffensysteme den GRAU-Index.
US-Air-Force-Katalog
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die USAF benutzte nach dem Zweiten Weltkrieg für mehrere Jahre eine aus fortlaufenden Nummern bestehende Methode zur Katalogisierung neuer sowjetischer Flugzeugkonstruktionen. Die USAF nummerierte die sowjetischen Typen in der Reihenfolge ihres Bekanntwerdens oder eingegangener Informationen und Vermutungen.
Luftparade Tuschino
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Der USAF-Katalog begann mit der Aufzählung der am 18. August 1946 bei der Luftparade in Tuschino gezeigten Maschinen.
- Type 1 – MiG-9; später „Fargo"
- Type 2 – Jak-15
- Type 3 – La-150
- Type 4 – La-152
- Type 5 – La-156
- Type 6 – La-160
- Type 7 – Jak-19
- Type 8 – Su-9 (K)
- Type 9 – Tu-12
- Type 10 – Il-22
- Type 11 – MiG I-270
- Type 12 – Tu-14; später „Bosun"
- Type 13 – nicht verwendet
- Type 14 – MiG-15; später „Falcon", „Fagot-A"
- Type 15 – La-168
- Type 16 – Jak-17
- Type 17 – Su-11(LK)
- Type 18 – Su-15(P)
- Type 19 – MiG KS-1 „Sopka"-Flugkörper
- Type 20 – MiG-17
- Type 21 – La-15; später „Fantail"
- Type 22 – Tupolew Projekt 64
- Type 23 – Su-12
- Type 24 – Jak-14
- Type 25 – Zybin Z-25
- Type 26 – Jak-17UTI
- Type 27 – Il-28
- Type 28 – Jak-23; später „Flora"
- Type 29 – MiG-15UTI; später „Midget"
- Type 30 – Il-28U / Tu-14UTB ?
- Type 31 – Tu-85; später „Barge"
- Type 32 – Mi-1; später „Hare"
- Type 33 – Be-8; später „Mole"
- Type 34 – Be-6; später „Madge"
- Type 35 – Tu-14; später „Bosun"
- Type 36 – Mi-4; später „Hound"
- Type 37 – M-4; später „Bison"
- Type 38 – Jak-24; später „Horse"
- Type 39 – Tu-16; später „Badger"
- Type 40 – Tu-95; später „Bear"
Dieses Bezeichnungsschema war jedoch alles andere als einfach und systematisch. Einige vergebene Bezeichnungen stellten sich schlicht als Fälschungen der Fachpresse heraus, was damals relativ weit verbreitet war. Anderen Flugzeugtypen wurden gleich mehrfach Typ-Bezeichnungen gegeben, da sie entweder mehrfach identifiziert wurden oder es sich nur um eine andere Version handelte.
System nach Buchstaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Als Lösung für dieses Dilemma führte die USAF im Jahre 1955 ein neues Bezeichnungsschema für sowjetische Flugzeuge ein, das die Typenummern durch besser zu merkende Codenamen ersetzte und auch von dem „Air Standards Coordinating Committee" der NATO übernommen wurde. Insbesondere bei Flugzeugen, Schiffen und Raketen waren die NATO-Codes auch Bestandteil westlicher öffentlicher Nachrichten. Man verwendete nicht die Originalbezeichnungen der (meist) sowjetischen Hersteller, denn diese waren oft nicht bekannt. Meistens wurden neue Flugzeuge zuerst auf Bildern von Aufklärungssatelliten entdeckt und selbst wenn Fotos in sowjetischen Medien veröffentlicht wurden, wurde der Name geheim gehalten. Auch wenn die Namen später bekannt waren, behielt man den NATO-Codenamen bei, schon allein deshalb, weil die russischen Namen für west-europäische Muttersprachler teilweise schwer auszusprechen sind. Manchmal wurden Originalbezeichnungen mit dem Code kombiniert. Während für die eigenen Waffen Namen vergeben wurden, die gefährlich und schlagkräftig klangen, z. B. Tornado, Lightning (Blitz) oder Fighting Falcon (kämpfender Falke), wurden für die NATO-Codenamen eher verharmlosende Bezeichnungen, z. B. Atoll, Curl (Locke), oder wenig schmeichelhafte Namen wie Fishpot (Fischtopf), Sandal (Sandale) oder Galosh (Galosche) verwendet.
Die Namen waren englische Wörter und wurden nach einem bestimmten System vergeben, so dass man vom Namen auf die Art des Waffensystems schließen konnte. Sämtliche festgestellte Maschinen (auch amerikanische Konstruktionen im Dienst der Sowjetunion!), die sich im Einsatz oder der Erprobung befanden, erhielten eine Bezeichnung, deren erster Buchstabe auf den Haupteinsatzzweck oder ihre Bauart hinweist. Bei Flugzeugen wurden Namen mit einer Silbe für Maschinen mit Propellerantrieb und Namen mit zwei Silben für Strahlflugzeuge vergeben. Dabei war der Anfangsbuchstabe das wichtigste Kriterium:
- A: Air to Air: Luft-Luft-Raketen
- B: Bomber
- C: Cargo: Transportflugzeuge
- F: Fighter: Jagdflugzeuge
- G: Ground to Air: Luftabwehrraketen
- H: Helicopter: Hubschrauber
- K: Luft-Boden-Raketen
- M: Miscellaneous: sonstige Flugzeuge
- S: Surface to Surface: Boden-Boden-Raketen
Unterschiedliche Versionen wurden bei diesem System durch einen nach dem Codenamen angehängten Buchstaben unterschieden, der je nach Zeitpunkt der Identifizierung vergeben wurde. Die erste Version wurden also -A genannt, die zweite identifizierte Version -B usw. Da die Buchstaben I (India) und J (Juliett) (siehe: NATO-Alphabet) je nach Schreibweise verwechselt werden können, wurde der Buchstabe I (India) nicht benutzt.
Bei Raketen wurde zusätzlich zum Namen noch eine Buchstaben-Bezeichnung mit laufender Nummer vergeben. Dabei erhielten Luft-Luft-Raketen die Buchstaben AA (Air-to-Air), Boden-Luft-Raketen SA (Surface-to-Air), Boden-Boden-Raketen SS (Surface-to-Surface) und Luft-Boden-Raketen AS (Air-to-Surface). Ein angehängtes N (Navy, bzw. Naval), wie z. B. bei der SA-N-2, bedeutete, dass es sich um eine seegestützte Waffe handelte. Im Sprachgebrauch wurde oft ein M für Missile (z. B. SAM) angehängt. Chinesischen Raketen wurde der Gattungsabkürzung ein C vorangestellt.
Auch für Radar- oder Funksysteme und Kriegsschiffe (insbesondere U-Boote) wurden solche Codenamen vergeben (siehe: Liste russischer U-Boot-Klassen). Code-Bezeichnungen anderer Waffentypen (Handfeuerwaffen, Artillerie, Überwasserschiffe) wurden schnell durch vereinfachte Originalbezeichnungen ersetzt.
Liste der NATO-Codenamen (Flugzeuge)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Bomber (bomber)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Transporter (cargo)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Jäger (fighter)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Hubschrauber (helicopters)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Verschiedene Typen (miscellaneous types)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Liste der NATO-Codenamen (Raketen)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Militärische Raketen werden nach ihrem Träger und ihrem Ziel mit einer aus zwei Buchstaben und einer Zahl bestehenden Kennung klassifiziert; dabei wird zuerst der Träger (S = Surface für bodengestützte Raketen und A = Air für luftgestützte Waffen) und anschließend mit denselben Buchstaben das Ziel genannt. Ausnahme von dieser Regelung sind gelenkte Panzerabwehrraketen, die die Kennung AT (Anti-Tank) erhalten. Eine weitere Ausnahme stellen die Artillerieraketen der FROG-Serie (Free Rocket Over Ground) dar.
Für schiffgestützte Waffen wird ein -N (naval) an die Buchstabenkennung angehängt, wobei für seegestützte Boden-Boden-Raketen allerdings keine weitere Unterscheidung nach Einsatzart und Verwendungszwecken (SLBM, Seezielflugkörper, Marschflugkörper, Anti-U-Boot-Waffen etc.) getroffen wird (wohingegen es sich bei praktisch sämtlichen landgestützten Waffen mit SS-Kennung um ballistische Raketen handelt). Für landgestützte Seezielflugkörper wird ein -C (coastal) angehängt. Experimentelle Waffen werden mit einem an die Kennung angehängten -X bezeichnet.
In der Volksrepublik China hergestellte Waffen werden mit einem vorangestellten C bezeichnet.
Der Codename der Waffen richtet sich ähnlich wie bei den Flugzeugen nach dem Verwendungszweck, der den Anfangsbuchstaben des Codenamens bestimmt. Diese lauten wie folgt:
- Luft-Luft-Raketen (AA): A
- Luft-Boden-Raketen (AS): K
- Boden-Boden-Raketen (SS und AT): S
- Boden-Luft-Raketen (SA): G
Varianten und Ableitungen werden analog zu Luftfahrzeugen mit an die Codenamen angehängten Buchstaben beschrieben.
Luft – Luft (air to air)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Luft – Boden (air to surface)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Panzerabwehr-Flugkörper (anti-tank)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Boden – Boden (surface to surface)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Boden – Boden, seegestützt (surface to surface, naval)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Boden – Luft (surface to air)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Boden – Luft, seegestützt (surface to air, naval)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]CADS-N-1 „Grison" SA-19-Raketen mit 30-mm-Gatling-Kanone
Abwehrraketen gegen ballistische Raketen (ABM)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Für die Benennung von Anti-Ballistic Missiles existiert zumindest in der Buchstabenkennung kein einheitliches System; es wird entweder auf die von der amerikanischen Defense Intelligence Agency (DIA) verwendete Bezeichnung ABM oder auf die Bezeichnung SAM zurückgegriffen. Zwischenzeitlich verwendete die DIA zur Klassifizierung der Raketen auch die Abkürzung SH. Die Bezeichnung SA-5 für die erste sowjetische ABM wurde später für die so bezeichnete Boden-Luft-Rakete wiederverwendet und die Abwehrrakete nicht neu bezeichnet.
Die Benennung mit Codenamen entspricht der Benennung von Boden-Luft-Raketen; ergo beginnen alle Codenamen mit einem G.
Raumflug-Trägerraketen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Für Raumflug-Trägerraketen der Sowjetunion wurden zusätzlich zwei Bezeichnungssysteme verwendet. Das einfachere verwendet die Bezeichnung SL für (Satellite Launcher bzw. Space Launcher) und die Reihenfolge des Bekanntwerdens. Die zweite Form bezieht Informationen zu Grundtypen (z. B. A für Ableger der R-7, D für Proton) mit ein. Eine Ziffer für die Anzahl der Oberstufen und Kleinbuchstaben zur Erläuterung konnten folgen:
- e für Escape (Verlassen der Erdumlaufbahn für Mond- u. Planetensonden)
- m – maneuverable (mehrfach zündbar)
- r – recoverable (für rückführbare Satelliten)
US-Bezeichnungen | Raketentyp | typische Nutzlast (Auswahl) | |
---|---|---|---|
SL-1 | A | Sputnik | Sputnik 1 |
SL-2 | A | Sputnik | Sputnik 2, 3 |
A-m | Wostok | Poljot | |
SL-3 | A-1 | Wostok | Wostok, Lunik, Kosmos |
A-1-m | Wostok | Kosmos | |
SL-4 | A-2 | Sojus | Woschod, Sojus, Progress, Kosmos |
SL-5 | B-1 | Kosmos 1. Typ | Kosmos, Interkosmos |
SL-6 | A-2-e | Molnija | Molnija, Luna 4-14, Venera 1-8, Kosmos |
A-2-m | Molnija | Kosmos | |
SL-7 | C-1 | Kosmos 2. Typ | Kosmos, Interkosmos, Oreol, Bhaskara |
SL-8 | F-1 | Zyklon 2-stufig | Kosmos |
SL-9 | D | Proton 2-stufig | Proton 1-3 |
SL-10 | F-1-r | Zyklon | Kosmos < ein Erdumlauf |
SL-11 | F-1-m | Zyklon | Kosmos |
SL-12 | D-1-e | Proton 4-stufig | Luna 15-24, Mars 2-4, Sond 5-8, Fobos |
D-1-m | Proton 4-stufig | Gorisont, Raduga, Ekran, Granat | |
SL-13 | D-1-H | Proton 3-stufig | Saljut, Mir, Kwant, Kosmos |
SL-14 | F-2 | Zyklon 3-stufig | Meteor, Kosmos |
SL-15 | G-1 | N1 | Orbitalstation (Projekt) |
G-1-e | N1 | Mondflug (Projekt) | |
SL-16 | J-1 | Zenit | Kosmos |
SL-17 | Energija 2-stufig | Raumfähre Buran | |
CSL-1 | CZ-1 | Dong-Fang-Hong-Satelliten | |
CSL-2 | CZ-2 | Double Star, Iridium, KOMPSat, Shenzhou, Yaogan | |
CSL-3 | CZ-3 | Dong Fang Hong |
Liste der NATO-Codenamen (Schiffe)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Wo möglich werden für sowjetische und russische Kriegsschiffe Codenamen verwendet, welche dem Namen des Typschiffes entsprechen (z. B. Udaloy-Klasse, Kirow-Klasse). Durch die restriktive Informationspolitik zu Zeiten des Kalten Krieges waren diese Schiffsnamen allerdings oft der NATO nicht bekannt. Daher wurden neue Klassen anfangs nach den Orten benannt, an denen sie erstmals gesichtet wurden. (z. B. Riga-Klasse)
Da die Anzahl sowjetischer Marinebasen beschränkt war, stieß diese Nomenklatur schon bald an ihre Grenzen. Spätere Benennungen orientierten sich daher an folgenden Richtlinien:
- für Schnellboote wurden russische Insektennamen verwendet. Da die Sowjetunion ebenfalls diese Nomenklatur verwendete, kam es zu Überschneidungen. So ist z. B. das Raketenschnellboot vom Projekt 1241.1 „Molnija" bei der NATO unter dem Namen „Tarantul" bekannt, umgekehrt war dies aber wieder der russische Eigenname des Projektes 205 (NATO: Stenka).
- Kleinere Einheiten wie Minenräumer, Korvetten und leichte Fregatten erhielten verkleinerte russische Vornamen (z. B. Grischa, Petya)
- Luftkissenboote wurden mit russischen Vogelnamen versehen (z. B. Aist, deutsch: Storch)
- Größere Einheiten wie Zerstörer und Kreuzer erhielten vage slawisch klingende, mit K beginnende Namen (z. B. Kara, Kresta)
Im Gegensatz zu den Schiffsklassen, welche nach dem Typschiff benannt wurden, sind diese Namen innerhalb der NATO entstanden. Es wird daher häufig auch im deutschen Sprachraum die scheinbar falsche Schreibweise nach englischer Transkription verwendet.
Neben dieser Namenskonvention wurden neue Sichtungen temporär manchmal mit einem Code benannt, z. B. BAL-COM 1-10, wobei die Abkürzung für Baltic Combatant (sinngemäß: Ostsee-Kampfeinheit) steht.
Nach dem Ende des Kalten Krieges verbesserte sich die Informationslage, so dass derzeit neue Klassen stets nach dem Typschiff benannt werden.
Chinesische Schiffe wurden mit verschiedenen chinesischen Begriffen und Namen wie Jianghu oder Jiangwei bezeichnet.
Liste der NATO-Codenamen (U-Boote)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die U-Boot-Klassen der sowjetischen Marine wurden zunächst nach Buchstaben des ICAO-Alphabets bezeichnet, mittlerweile werden aber auch darüber hinausgehende Bezeichnungen verwendet. Modernisierungen werden mit einer römischen Ziffer bezeichnet. Zusätzlich werden zusätzliche Wörter zur Bezeichnung von Varianten angehängt.
Chinesische U-Boote erhielten von der NATO als Codenamen Begriffe aus der chinesischen Sprache oder Geschichte wie Han, Ming, Yuan. Die chinesischen Eigenbezeichnungen hingegen folgten meist einer einfachen, fortlaufenden Typnummerierung.
Liste der NATO-Codenamen (Radargeräte)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- NATO Code Names for Submarines and Ships (englisch)
- Designations of Soviet and Russian Military Aircraft and Missiles (englisch)
- Normal Polmar: The Naval Institute Guide to the Soviet Navy (englisch) auf books.google.com