Mengenverband
In der Mathematik ist ein Mengenverband ein Grundbegriff der Maßtheorie und der Verbandstheorie. Er bezeichnet ein nicht leeres Mengensystem, das vereinigungs- und durchschnittsstabil ist.
Felix Hausdorff nannte aufgrund „einer ungefähren Analogie" zur algebraischen Struktur eines Ringes in der algebraischen Zahlentheorie einen Mengenverband „Ring".[1] Unter einem Ring versteht man heute in der Maßtheorie jedoch einen speziellen Mengenverband, weil dieser in einem engen Zusammenhang zu einem Ring im Sinne der Algebra steht – im Unterschied zu einem allgemeinen Mengenverband.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Sei {\displaystyle \Omega } eine beliebige Menge. Ein System {\displaystyle {\mathcal {V}}} von Teilmengen von {\displaystyle \Omega } heißt ein Mengenverband oder Verband über {\displaystyle \Omega }, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind:
- {\displaystyle {\mathcal {V}}\neq \emptyset } ({\displaystyle {\mathcal {V}}} ist nicht leer).
- {\displaystyle A,B\in {\mathcal {V}}\Rightarrow A\cup B\in {\mathcal {V}}} (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Vereinigung).
- {\displaystyle A,B\in {\mathcal {V}}\Rightarrow A\cap B\in {\mathcal {V}}} (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Durchschnitt).
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Über jeder beliebigen Menge {\displaystyle \Omega } ist mit {\displaystyle \{A\},A\subseteq \Omega ,} ein kleinster und mit der Potenzmenge {\displaystyle {\mathcal {P}}(\Omega )} der größte mögliche Mengenverband gegeben.
- Jede σ-Algebra ist ein Mengenverband (aber nicht jeder Mengenverband ist eine σ-Algebra).
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Aus der Vereinigungs- sowie Durchschnittsstabilität folgt jeweils induktiv, dass auch jede nicht leere, endliche Vereinigung und jeder nicht leere, endliche Durchschnitt von Elementen des Mengenverbandes {\displaystyle {\mathcal {V}}} in ihm enthalten ist, d. h. für alle {\displaystyle n\in \mathbb {N} } gilt:
- {\displaystyle A_{1},\dots ,A_{n}\in {\mathcal {V}}\Rightarrow A_{1}\cup \dots \cup A_{n}\in {\mathcal {V}}} und {\displaystyle A_{1}\cap \dots \cap A_{n}\in {\mathcal {V}}.}
Äquivalente Definitionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Wenn {\displaystyle {\mathcal {V}}} ein System von Teilmengen von {\displaystyle \Omega } ist, dann sind folgende Aussagen äquivalent:
- {\displaystyle {\mathcal {V}}} ist ein Mengenverband.
- {\displaystyle ({\mathcal {V}},\cup )} und {\displaystyle ({\mathcal {V}},\cap )} sind Halbverbände im Sinne der Algebra.
- {\displaystyle ({\mathcal {V}},\cup ,\cap )} ist ein Verband im Sinne der Algebra.
- {\displaystyle ({\mathcal {V}},\cup ,\cap )} ist ein distributiver Verband im Sinne der Algebra.
- {\displaystyle ({\mathcal {V}},\cup ,\cap )} ist ein idempotenter kommutativer Halbring im Sinne der Algebra.[2]
- {\displaystyle ({\mathcal {V}},\cup ,\cap )} ist ein Halbring im Sinne der Algebra.
Verwandte Strukturen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Ein Mengenring ist ein Mengenverband, der zusätzlich differenzstabil ist.
- Eine Mengenalgebra ist ein Mengenverband, der sogar komplementstabil ist. Mengenalgebren sind spezielle Mengenringe.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Marcel Erné: Einführung in die Ordnungstheorie. Bibliographisches Institut, Mannheim 1982, ISBN 3-411-01638-8.
- U. Hebisch, H. J. Weinert: Halbringe – Algebraische Theorie und Anwendungen in der Informatik. Teubner, Stuttgart 1993, ISBN 3-519-02091-2.
- Ernst Henze: Einführung in die Maßtheorie. 2. überarb. Auflage. Bibliographisches Institut, Mannheim/Zürich 1985, ISBN 3-411-03102-6.
- Hans Hermes: Einführung in die Verbandstheorie. 2. erw. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 1967.
Anmerkungen und Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ Felix Hausdorff: Grundzüge der Mengenlehre . Veit & Comp., Leipzig 1914, S. 14. Hausdorff bezeichnete dabei die Vereinigung als „Summe".
- ↑ Der hier verwendete Begriff des Halbringes unterscheidet sich grundlegend von dem eines (Mengen-)Halbringes im Sinne der Maßtheorie, also eines speziellen Mengensystems, beide stehen nicht im Zusammenhang!