Mandelbox
In der Mathematik ist die Mandelbox ein Fraktal mit einer kastenartigen Form, das 2010 von Tom Lowe entdeckt wurde.[1] [2] Benannt ist sie nach dem französischen Mathematiker Benoît Mandelbrot, da die Mandelbox eine mögliche Verallgemeinerung der Mandelbrot-Menge für den euklidischen Raum ist.
Motivation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Mandelbrot-Menge lässt sich definieren als die Menge aller komplexen Zahlen {\displaystyle c}, für die die durch
- {\displaystyle f_{c}(0):=0,}
- {\displaystyle f_{c}(n+1):=f_{c}(n)^{2}+c} für alle {\displaystyle n\in \mathbb {N} _{0}}
rekursiv definierte Folge {\displaystyle \left(f_{c}(n)\right)_{n\in \mathbb {N} _{0}}} beschränkt ist. Man erkennt, dass die Bildungsvorschrift „erst quadrieren und dann {\displaystyle c} addieren" ausgehend von 0 immer wieder iteriert wird. Statt Fraktale in {\displaystyle \mathbb {C} } zu betrachten, könnte man auch eine Verallgemeinerung zum {\displaystyle \mathbb {R} ^{d}} versuchen. Dabei interpretiert man das Quadrieren als eine Art „Aufblähung" zu einer Box oder Kugel.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Geometrische Funktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Wir definieren {\displaystyle f_{\text{Box}}\colon \mathbb {R} ^{d}\to \mathbb {R} ^{d}} folgendermaßen:[3] Für {\displaystyle d=1} setze man
- {\displaystyle f_{\text{Box}}(x)={\begin{cases}-2-x&x<-1\\x&-1\leq x\leq 1\2円-x&x>1\\\end{cases}}}
Anschaulich gesagt „faltet" man hier die Teile der Zahlengerade die {\displaystyle <-1} bzw. {\displaystyle >1} an den Rändern des Intervalls {\displaystyle [-1,1]} zusammen. Für jedes {\displaystyle |x|>1} gibt es eine Zahl von Faltungen (Anwendungen der Funktion {\displaystyle f_{\text{Box}}}), die {\displaystyle x} ins Intervall bringt, wo es dann bei allen weiteren Anwendungen von {\displaystyle f_{\text{Box}}} bleibt. Für {\displaystyle d>1} und {\displaystyle x=(x_{1},\dotsc ,x_{d})} setze man
- {\displaystyle f_{\text{Box}}(x_{1},\dotsc ,x_{d}):=(f_{\text{Box}}(x_{1}),\dotsc ,f_{\text{Box}}(x_{d})).}
In den einzelnen Komponenten rechts soll {\displaystyle f_{\text{Box}}} die Funktion im Eindimensionalen bezeichnen.
Die Funktion {\displaystyle f_{\text{Ball}}\colon \mathbb {R} ^{d}\to \mathbb {R} ^{d}} definiere man durch
- {\displaystyle f_{\text{Ball}}(x)={\begin{cases}4x&\lVert x\rVert <{\frac {1}{2}}\\{\frac {x}{\lVert x\rVert ^{2}}}&{\frac {1}{2}}\leq \lVert x\rVert \leq 1\\x&\lVert x\rVert >1\\\end{cases}}}
Hier bezeichnet {\displaystyle \lVert x\rVert } die Norm des Vektors {\displaystyle x}. Die Funktion {\displaystyle f_{\text{Ball}}} lässt, anschaulich gesagt, das Innere einer Sphäre „explodieren", wobei die erste Bedingung vor allem wegen des Punktes {\displaystyle 0} notwendig ist, da man durch {\displaystyle 0} nicht dividieren kann.
Anschließend benötigen wir die zwei Rechenoperationen Vektoraddition und Skalarmultiplikation.
Mandelbox und Juliabox
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Mandelbox {\displaystyle M_{d,\mu }\subseteq \mathbb {R} ^{d}} bezüglich eines reellen Parameters {\displaystyle \mu } ist die Menge aller Punkte {\displaystyle c\in \mathbb {R} ^{d}}, für die die rekursiv definierte Folge {\displaystyle (m_{\mu ,c}(n))}
- {\displaystyle m_{\mu ,c}(0)=0,}
- {\displaystyle m_{\mu ,c}(n+1)=\mu \cdot f_{\text{Ball}}(f_{\text{Box}}(m_{\mu ,c}(n)))+c,}
beschränkt ist. Die Zahl {\displaystyle \mu } wird hierbei Skalierungsfaktor genannt.
Eine Julia-Box definiert man als Menge aller Punkte {\displaystyle v\in \mathbb {R} ^{d}}, sodass für ein festes {\displaystyle c\in \mathbb {R} ^{d}} die Folge {\displaystyle (j_{\mu ,v}(n))} definiert durch
- {\displaystyle j_{\mu ,v}(0)=v,}
- {\displaystyle j_{\mu ,v}(n+1)=\mu \cdot f_{\text{Ball}}(f_{\text{Box}}(j_{\mu ,c}(n)))+c,}
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Für {\displaystyle d=2} und {\displaystyle \mu =1} erhält man (nach der üblichen Identifikation des {\displaystyle \mathbb {R} ^{2}} mit {\displaystyle \mathbb {C} }) die Mandelbrot-Menge. Ansonsten hängt das Aussehen der Mandelbox im Wesentlichen von {\displaystyle \mu } ab. Für {\displaystyle d=3} kann man folgende computergenerierte Grafiken angeben:
-
{\displaystyle \mu =-2}
-
{\displaystyle \mu =-1,5}
-
{\displaystyle \mu =-1}
-
{\displaystyle \mu =3}
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Für {\displaystyle \mu <-1} gilt: Gilt für ein {\displaystyle (v_{1},\dots v_{d})\in \mathbb {R} ^{d}} die Ungleichung {\displaystyle \vert \max(v_{1},\dots v_{d})\vert >2}, so ist {\displaystyle v\notin M_{d,\mu }}. Daraus folgt unmittelbar, dass {\displaystyle [-2,2]^{d}} die größtmögliche in dem Fraktal erhaltene Box ist. Rechts sieht man ein Beispiel, wenn die Skalierung auf -1,5 gesetzt wird.[6]
- Für {\displaystyle \mu >1} ist ein Punkt {\displaystyle (v_{1},\dots v_{d})\in \mathbb {R} ^{d}} nicht in {\displaystyle M_{d,\mu }} enthalten, wenn[6]
- {\displaystyle \vert \max(v_{1},\dots v_{d})\vert >{\frac {2(\mu +1)}{\mu -1}}.}
- Im Allgemeinen ergeben sich abhängig vom Wert {\displaystyle \mu } unterschiedliche Fraktale. Zum jetzigen Stand (2024) sind die Fraktale noch nicht zufriedenstellend charakterisiert worden.[7]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Tom Lowe: Mandelbox. In: sites.google.com. 18. März 2010; abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
- Jos Leys: Gallery: Mandelbox. In: josleys.com. 28. Mai 2010; abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
- Rudi Chen: The Mandelbox Set. In: digitalfreepen.com. 23. März 2014; abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
- Krzysztof Marczak: Flight through Mandelbox fractal. In: youtube.com. 7. März 2010; abgerufen am 12. November 2024.
- Studio Motu: The Mandelbox Fractal. In: youtube.com. 7. Februar 2024; abgerufen am 12. November 2024.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ Andrzej Katunin: A Concise Introduction to Hypercomplex Fractals, CRC Press, 2017, S. 32 f.
- ↑ Jos Leys: Mandelbox. Images des Mathématiques. cnrs.fr, 27. Mai 2010; abgerufen am 12. November 2024 (französisch).
- ↑ Die Darstellung orientiert sich im Folgenden an Rudi Chen: The Mandelbox Set. In: digitalfreepen.com. Abgerufen am 24. März 2024.
- ↑ Chen, The Mandelbox Set., Kapitel Definitions, Definition Juliabox set
- ↑ Leys, Mandelbox. Images des Mathématiques., Kapitel Variations sur un cube, vor dem 3. Bild
- ↑ a b Chen, The Mandelbox Set., Kapitel Bounds, Theorem Bounds for negative boxes.
- ↑ Sophia D. Merow: Tricky Math, but Trippy Graphics: The Quixotic Search for the "3D Mandelbrot". In: Notices of the American Mathematical Society. Band 69, Nr. 4, April 2022, S. 624, doi:10.1090/noti2458 (ams.org [PDF]).