Henselsches Lemma
Das henselsche Lemma (nach Kurt Hensel) ist eine Aussage aus dem mathematischen Teilgebiet der Algebra.
Es wurde schon 1846 vor Hensel von Theodor Schönemann bewiesen.[1] Das henselsche Lemma ist (im Wesentlichen) das Newtonverfahren angewendet auf {\displaystyle \mathbb {Q} _{p}}[2] .
Formulierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Es sei {\displaystyle K} ein vollständiger, nicht-archimedisch bewerteter Körper mit Bewertungsring {\displaystyle A} und Restklassenkörper {\displaystyle k}. Ist nun {\displaystyle f\in A[X]} ein Polynom, dessen Reduktion {\displaystyle {\bar {f}}\in k[X]} das Produkt zweier teilerfremder Polynome {\displaystyle {\bar {g}},{\bar {h}}\in k[X]} ist, so gibt es Polynome {\displaystyle g,h\in A[X]}, so dass {\displaystyle f=gh} gilt und {\displaystyle {\bar {g}}} bzw. {\displaystyle {\bar {h}}} die Reduktion von {\displaystyle g} bzw. {\displaystyle h} ist.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Mit dem henselschen Lemma kann man zeigen, dass der Körper der {\displaystyle p}-adischen Zahlen die {\displaystyle (p-1)}-ten Einheitswurzeln enthält:
- Für eine Primzahl {\displaystyle p} sei {\displaystyle K=\mathbb {Q} _{p}} der Körper der {\displaystyle p}-adischen Zahlen, {\displaystyle A=\mathbb {Z} _{p}} und {\displaystyle k=\mathbb {F} _{p}}. Das Polynom {\displaystyle f(X):=X^{p-1}-1} zerfällt über {\displaystyle k} in Linearfaktoren
- {\displaystyle {\bar {f}}(X)=X^{p-1}-{\bar {1}}=(X-{\bar {1}})(X-{\bar {2}})\cdots (X-{\overline {p-1}})}.
- Es gibt also Polynome {\displaystyle g_{1},\ldots ,g_{p-1}\in \mathbb {Z} _{p}[X]}, so dass
- {\displaystyle f=g_{1}\cdots g_{p-1},\qquad g_{i}(X)\equiv X-i{\pmod {p}}}
- gilt. Die Polynome {\displaystyle g_{i}} haben notwendigerweise die Form {\displaystyle g(X)=aX+b} mit {\displaystyle a\in 1+p\mathbb {Z} _{p}}, man kann also {\displaystyle a=1} annehmen, d. h. es gibt {\displaystyle \zeta _{1},\ldots ,\zeta _{p-1}\in \mathbb {Z} _{p}}, so dass
- {\displaystyle X^{p-1}-1=(X-\zeta _{1})\cdots (X-\zeta _{p-1})}
- gilt. Die {\displaystyle \zeta _{1},\ldots ,\zeta _{p-1}} sind die {\displaystyle (p-1)}-ten Einheitswurzeln und sie können immer so angeordnet werden, dass {\displaystyle \zeta _{i}\equiv i{\pmod {p}}}.
- Ist die Primzahl {\displaystyle p\equiv 1{\pmod {4}}}, dann gibt es nach dem Obigen ein {\displaystyle \eta \in \mathbb {Q} _{p}} mit {\displaystyle \eta ^{2}=-1}.
- Denn unter den {\displaystyle (p-1)}-ten Einheitswurzeln gibt es eine, sie sei mit {\displaystyle \zeta } bezeichnet, die die zyklische Gruppe der {\displaystyle (p-1)}-ten Einheitswurzeln erzeugt. Mit {\displaystyle \eta :=\zeta ^{\tfrac {p-1}{4}}} ergibt sich {\displaystyle \eta ^{2}=-1}.
- Im Körper {\displaystyle \mathbb {Q} _{p}} der {\displaystyle p}-adischen Zahlen ist 0 durch eine nicht-triviale Summe von Quadraten darstellbar. Damit ist −1 durch eine Summe von Quadraten darstellbar, und {\displaystyle \mathbb {Q} _{p}} kann nicht angeordnet werden.
- Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
- {\displaystyle p=2}: Hier ist bei Quadratwurzeln wegen der fehlenden Teilerfremdheit der Polynome über {\displaystyle \mathbb {F} _{2}} das henselsche Lemma nicht direkt anwendbar. Es lässt sich aber mit der Vorgehensweise im Beweis desselben zeigen, dass {\displaystyle {\sqrt {-7}}\in \mathbb {Q} _{2}}. Sei nämlich {\displaystyle m_{3}:=1\in \mathbb {Z} } mit {\displaystyle {m_{3}}^{2}\equiv -7{\pmod {2^{3}}}}. Für {\displaystyle i=3,4,...} sei nun {\displaystyle m_{i}\in \mathbb {Z} } derart, dass {\displaystyle {m_{i}}^{2}\equiv -7{\pmod {2^{i}}}}. Da {\displaystyle {m_{i}}^{2}+7} durch 2 teilbar ist, können wir
{\displaystyle m_{i+1}:\equiv m_{i}-{\frac {{m_{i}}^{2}+7}{2m_{i}}}{\pmod {2^{i+1}}}}
bilden. Dann ist
{\displaystyle m_{i+1}^{2}\equiv {m_{i}}^{2}-({m_{i}}^{2}+7)\equiv -7{\pmod {2^{i+1}}}}.
Somit gibt es eine in {\displaystyle \mathbb {Q} _{2}} konvergente Folge {\displaystyle m:=\lim _{i\to \infty }m_{i}} mit {\displaystyle m^{2}=-7}. Die Summe von 5 Quadraten {\displaystyle 1^{2}+1^{2}+1^{2}+2^{2}+m^{2}=7+m^{2}=7-7=0} verschwindet. - {\displaystyle p>2}: Mit {\displaystyle m_{2}:=1+{\tfrac {p-1}{2}}p} ist wegen
{\displaystyle 1-p\equiv 1+(p-1)p+\left({\tfrac {p-1}{2}}p\right)^{2}=\left(1+{\tfrac {p-1}{2}}p\right)^{2}={m_{2}}^{2}{\pmod {p^{2}}}}
die Zahl {\displaystyle 1-p} quadratischer Rest in {\displaystyle p^{2}\mathbb {Z} _{p}.} Die Folge {\displaystyle \{m_{i}\}} lässt sich mit der Vorgehensweise im Beweis des henselschen Lemmas zu einem Element {\displaystyle m:=\lim _{i\to \infty }m_{i}\in \mathbb {Z} _{p}} entwickeln, für das {\displaystyle m^{2}=1-p} gilt. Man nehme nur
{\displaystyle m_{i+1}:\equiv m_{i}-({m_{i}}^{2}+1-p),円{\tfrac {p-1}{2}}{\pmod {p^{i+1}}}}
Im Ergebnis verschwindet die Summe der {\displaystyle p} Quadrate {\displaystyle (p-1)\times 1^{2}+m^{2}=(p-1)+(1-p)=0.}
- Es seien {\displaystyle K,A,k} wie oben, aber {\displaystyle f(X)=X^{p}-1}. Dann ist {\displaystyle {\bar {f}}(X)=X^{p}-{\bar {1}}=(X-{\bar {1}})^{p}} mit Faktoren {\displaystyle X-{\bar {1}}}, die alle gleich, also nicht teilerfremd sind. Das henselsche Lemma ist nicht anwendbar.
Henselscher Ring
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Voraussetzung, dass {\displaystyle K} vollständig ist, ist eigentlich stärker als es für den Beweis des henselschen Lemmas erforderlich wäre. Allgemein nennt man bewertete Körper {\displaystyle K} beziehungsweise Ringe {\displaystyle A}, in denen das henselsche Lemma in der oben angegebenen Form gilt, henselsch.
Hebungsbaum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Ein Hebungsbaum ist ein Hilfsmittel um das Verhalten eines Polynoms {\displaystyle f(X)\in \mathbb {Z} [X]}, genauer das Verhalten der Nullstellen modulo {\displaystyle p^{k}} des Polynoms, zu beschreiben. Anhand eines Hebungsbaumes kann man p-adische Zahlen leichter untersuchen und damit auf das Verhalten des Polynoms schließen.
Der Hebungsbaum hat in seiner k-ten Ebene die Nullstellen modulo {\displaystyle p^{k}} und diese werden mit ihren Hebungen modulo {\displaystyle p^{k+1}} verbunden, falls diese ebenfalls wieder Nullstellen sind.
Nullstellen und ihre Hebungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Sei {\displaystyle f(X)\in \mathbb {Z} [X]} ein rational irreduzibles Polynom. Sei p prim. Sei {\displaystyle k\geq 1} die Ebene des Hebungsbaumes.
Sei {\displaystyle a\in \mathbb {Z} }. Ist
- {\displaystyle f(a)\equiv 0\mod p^{k}},
so sagen wir, {\displaystyle a} ist eine Nullstelle von f(X) in {\displaystyle \mathbb {Z} /p^{k}} oder modulo {\displaystyle p^{k}}.
Sei {\displaystyle a\in \mathbb {Z} } eine Nullstelle von {\displaystyle f(X)} modulo {\displaystyle p^{k}}. Sei {\displaystyle l\geq 1} . Ist {\displaystyle b\in \mathbb {Z} } eine Nullstelle von f(X) modulo {\displaystyle p^{k+l}} und ist
- {\displaystyle b\equiv a\mod p^{k}} ,
dann sagen wir, dass {\displaystyle b} eine Nullstelle modulo {\displaystyle p^{k+l}} ist, die die Nullstelle a modulo {\displaystyle p^{k}} hebt.
Beschreibung des Hebungsbaumes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]In einem Hebungsbaum werden alle Nullstellen eines Polynoms in {\displaystyle \mathbb {Z} /p^{k}} eingetragen, wobei {\displaystyle k\in \mathbb {Z} } die jeweilige Ebene des Hebungsbaumes ist.
Die erste Ebene des Baumes befindet sich ganz unten. Mit wachsendem {\displaystyle k} wächst der Baum von unten nach oben und es werden alle Nullstellen in der jeweiligen Ebene eingetragen.
In der untersten und damit ersten Ebene ({\displaystyle k=1}) werden alle Nullstellen des Polynoms in {\displaystyle \mathbb {Z} /p} eingetragen. Die Nullstellen nehmen Werte in dem Intervall {\displaystyle [0,p-1]} an.
In der darüberliegenden zweiten Ebene ({\displaystyle k=2}) werden alle Nullstellen des Polynoms in {\displaystyle \mathbb {Z} /p^{2}} eingetragen. Die Nullstellen des Polynoms nehmen Werte in dem Intervall {\displaystyle [0,p^{2}-1]} an. Reduziert eine solche Nullstelle in der zweiten Ebene zu einer Nullstelle in der darunterliegenden ersten Ebene in {\displaystyle \mathbb {Z} /p}, so werden diese beiden Nullstellen mit einer Linie verbunden.
In der nächsthöhergelegenen Ebene ({\displaystyle k=3}) werden alle Nullstellen des Polynoms in {\displaystyle \mathbb {Z} /p^{3}} eingetragen. Die Nullstellen des Polynoms nehmen Werte in dem Intervall {\displaystyle [0,p^{3}-1]} an. Auch hier gilt: Reduziert eine Nullstelle in der dritten Ebene zu einer Nullstelle in der darunterliegenden zweiten Ebene in {\displaystyle \mathbb {Z} /p^{2}}, so werden diese Nullstellen mit einer Linie verbunden.
Dies gilt für alle folgenden Ebenen {\displaystyle k\in \mathbb {Z} }.
Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Sei das Polynom
- {\displaystyle f(x)=x^{4}-3x^{3}-3x^{2}+x-1}
gegeben. Sei {\displaystyle p=5} prim.
Wir erhalten folgenden Hebungsbaum:
In der ersten Ebene ({\displaystyle k=1}) befinden sich die Nullstellen 1 und 3 in dem Intervall {\displaystyle [0,4]}. In der zweiten Ebene ({\displaystyle k=2}) sind die Nullstellen 3, 8, 13, 18 und 23 in dem Intervall {\displaystyle [0,24]} vorhanden. In der darauffolgenden dritten Ebene ({\displaystyle k=3}) sehen wir die Nullstellen 8, 33, 58, 83 und 108 in dem Intervall {\displaystyle [0,124]}. Für dieses Polynom gilt, dass alle Nullstellen in der zweiten Ebene zu der Nullstelle {\displaystyle a=3} in der ersten Ebene reduziert werden. Sie werden mit jeweils einer Linie verbunden. Man sagt kurz: Die Nullstelle {\displaystyle a=3} aus der ersten Ebene wird in die zweite Ebene gehoben.
Analog für die dritte Ebene.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Jürgen Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Springer-Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-540-54273-6.
- David Eisenbud: Commutative algebra. (= Graduate Texts in Mathematics. 150). Springer-Verlag, Berlin / New York 1995, ISBN 3-540-94268-8.
- Atilla Pethö: Algebraische Algorithmen. Hrsg.: Michael Pohst. Vieweg, 1999, ISBN 3-528-06598-2, S. 187.
- Michael Kaplan: Computeralgebra. Springer, 2005, ISBN 3-540-21379-1, S. 51.
- K. Hensel: Theorie der Algebraischen Zahlen. Teubner, Leipzig 1908.
- Helmut Koch: Zahlentheorie – Algebraische Zahlen und Funktionen. Vieweg, 1997.
- Matthias Künzer: Heben von Nullstellen. Universität Stuttgart, 2011.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ David A. Cox: Why Eisenstein proved the Eisenstein Criterion and why Schönemann discovered it first. In: American Mathematical Monthly. Band 118, 2011, S. 3–21.
- ↑ F. Lemmermeyer: Elliptische Kurven 1.