Große Dasselfliege

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Große Dasselfliege

Große Dasselfliege (Hypoderma bovis)

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Zweiflügler (Diptera)
Familie: Dasselfliegen (Oestridae)
Unterfamilie: Hautdasseln (Hypodermatinae)
Art: Große Dasselfliege
Wissenschaftlicher Name
Hypoderma bovis
(Linnaeus, 1758), De Geer, 1776

Die Große Dasselfliege oder Rinderdasselfliege (Hypoderma bovis) ist eine zu den Hautdasseln gehörende Fliegenart, die bei Rindern die Hypodermose, eine Form der Myiasis, auslöst.[1] Auch der Mensch und andere Säugetiere können von ihr befallen werden, allerdings kommt das nur sehr selten vor.[2] [3] Der Parasit ist in Europa, Asien und Nordamerika verbreitet, durch intensive Bekämpfungsmaßnahmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa aber selten.

Die hummelähnliche Große Dasselfliege ist 13 bis 15 mm lang. Der Körper ist stark beborstet, im Vorderteil gelblich weiß, hinten schwarz. Das Abdomen weist ein schwarzes Querband auf.[1]

Die Drittlarve ist an der Oberseite bedornt. Der Hinterrand des zweiten bis achten Körpersegments ist mit Dornenleisten besetzt. Die Platten, auf denen die trichterförmigen Atemöffnungen sitzen, sind nierenförmig.[1] Von der Drittlarve der ebenfalls beim Rind vorkommenden Kleinen Dasselfliege unterscheidet sie sich dadurch, dass die halbmondförmigen Mundhaken sich vorn gabeln und stumpf enden und kein zurückgebogener spitzer Zahn ausgebildet ist.[4] Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die hintere hervorragende Atemöffnung (Peritrema), deren Kanal bei der Großen Dasselfliege länger und enger ist.[5]

Ei, Larve von unten, reife Puppe von oben und leeres Puppengehäuse nach dem Schlupf der Großen Dasselfliege

Das Weibchen heftet seine Eier im Flug einzeln an die Haare der unteren Körperbereiche (Gliedmaßen, Bauch) des Rindes.[6] Der Anflug der Fliegen, meist an warmen sonnigen Tagen (in Mitteleuropa Mai bis September), kann bei Rindern panikartige Fluchtbewegungen auslösen, die als „Biesen" bezeichnet werden (‚Biesfliege‘ ist ein veralteter Name für die Dasselfliege[7] ). Ein Weibchen kann 600 bis 800 etwa 1 mm große Eier legen.[1] Die daraus schlüpfende Larve 1 dringt über die Haarfollikel durch die Haut und wandert entlang der Nerven in das Fettgewebe des Epiduralraums im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule. Dort verweilen sie über den Winter.[6] Die Larven wandern anschließend in die Rückenmuskulatur des Rindes, danach bohren sie sich ein Loch in die Rückenhaut und häuten sich zum zweiten und dritten Larvenstadium. Durch Entzündungsvorgänge entsteht am Sitz der Larve eine fistelnde Umfangsvermehrung, die hasel- bis walnussgross ist und als „Dasselbeule" bezeichnet wird.[8] Durch die Hautspannung werden die Larven aus dieser Beule gedrückt, fallen zu Boden und verpuppen sich dort. Die tonnenförmigen, schwarzen und bedornten Puppen haben einen markanten Deckel. Nach 15 bis 65 Tagen schlüpfen die Adulten, die sich sofort paaren und nach zwei Tagen mit der Eiablage beginnen. Die Adulten leben meist nur wenige Tage, bei kühler Witterung bis zu vier Wochen.[9] Ihr Flugradius beträgt nur wenige Kilometer. Sie haben stark reduzierte Mundwerkzuge und nehmen keine Nahrung auf.[8]

Selten kommen Larven der Großen Dasselfliege bei anderen Säugetieren vor, diese stellen Fehlwirte dar. Es gibt Einzelfallberichte einer Myiasis in der Mundhöhle eines Kindes[10] , im Gehirn eines Kindes[11] sowie der Augen bei Menschen[12] und Hunden[13] .

Forschungsgeschichte

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Eine der Hypodermose vergleichbare Erkrankung wird bereits im Veterinär-Papyrus Kahun LV.2 (ca. 1830 v. Chr.) bei einem Kalb beschrieben. Im antiken Griechenland kannte man bereits den panikauslösenden Effekt (‚oistros‘) von Dasselfliegen und Bremsen bei Rinderherden. Auch im Antiken Rom waren Dasselfliegen bekannt und wurden als ‚asilus‘ bezeichnet. Der römische Dichter Vergil (70 bis 19 v. Chr.) beschrieb in seinem landwirtschaftlichen Lehrbuch Georgics eine „geflügelte Pest", welche Rinder zu panikartiger Flucht treibt. Im 10. Jahrhundert wurde dieses Verhalten in der Landwirtschaftsenzyklopädie Geoponica ebenfalls dargestellt. Der jüdische Gelehrte Raschi beschrieb im 11. Jahrhundert die „Würmer des Fleisches". Im 16. Jahrhundert stellte der englische Arzt und Naturforscher Thomas Muffet eine Fliege namens ostrum dar, die Rinder ‚irre macht‘.[14]

Die erste wissenschaftliche Darstellung stammt vom italienischen Arzt Antonio Vallisneri, der für sein 1713 erschienenes Werk Esperienze, ed osservazioni intorno all'origine, sviluppi, e costumi di varj insetti auch detaillierte Zeichnungen der Adulten und Larven der Großen Dasselfliege anfertigte. René-Antoine Ferchault de Réaumur stellte 1738 im Band 4 der Mémoires pour servir à l'histoire des insectes auch den Lebenszyklus der Rinderdasselfliegen dar. Etwa zur gleichen Zeit beschäftigte sich der schwedische Naturwissenschaftler Carl von Linné mit den Hautdasseln und schuf für diese Hautparasiten mit reduzierten Mundwerkzeugen die Gattung Oestrus , in die er die Große Dasselfliege als Oestrus bovis einordnete. Die britische Entomologin Eleanor Anne Ormerod führte erstmals Schätzungen zu wirtschaftlichen Schäden durch die Rinderdasseln durch und stellte die Vermutung auf, dass die Larven die Haut des Rindes durchbohren. 1912 erarbeitete der US-amerikanische Parasitologe Brayton Howard Ransom ein Sanierungskonzept für die durch die ersten Europäer mit Rindern nach Amerika eingeschleppte Hypodermose. 1926 verfasste der US-Amerikaner Fred Corry Bishopp eine Monographie über alle Aspekte der Großen Dasselfliege.[14] .

Einzelnachweise

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  1. a b c d H.-J. Bürger, Johannes Eckert, Erich Kutzer, Wolfgang Körting, Michel Rommel: Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2006, ISBN 978-3-83044202-8, S. 284.
  2. Wilhelm Meigel, Andreas Plettenberg, Helmut Schöfer: Infektionskrankheiten der Haut: Grundlagen, Diagnostik, Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. 3. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2010, ISBN 978-3-13154633-3, S. 380.
  3. Tanmoy Rana: Organ-Specific Parasitic Diseases of Dogs and Cats. Elsevier, 2023, ISBN 978-0-323-95863-9, S. 143.
  4. R. P. Lane, R. W. Crosskey: Medical Insects and Arachnids. Springer Science & Business Media, 2012, ISBN 978-940111554-4, S. 441.
  5. Haroon Ahmed, Sami Şimşek, Cem Ecmel Şaki, Harun Kaya Kesik, Şeyma Günyaktı Kılınç: Molecular Characterization ofHypodermaSPP. in Domestic Ruminants from Turkey and Pakistan. In: Journal of Parasitology. 2017, Band 103, Nummer 4, S. 303–308 doi:10.1645/16-185 .
  6. a b Domenico Otranto, Richard Wall: Veterinary Parasitology. 5. Auflage. Wiley 2024, ISBN 978-1-394-17634-2, S. 254.
  7. Biesfliegen. Brockhaus 1911. Abgerufen am 4. Februar 2025.
  8. a b Gerrit Dirksen: Innere Medizin und Chirurgie des Rindes. Georg Thieme Verlag, 2006, ISBN 978-3-83044169-4, S. 105.
  9. H.-J. Bürger, Johannes Eckert, Erich Kutzer, Wolfgang Körting, Michel Rommel: Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2006, ISBN 978-3-83044202-8, S. 285.
  10. Behçet Erol, Gülten Ünlü, Kadri Balcı, Rezzan Tanrıkulu: Oral myiasis caused by hypoderma bovis larvae in a child. A case report.. In: Journal of Oral Science. 2000, Band 42, Nummer 4, S. 247–249 doi:10.2334/josnusd.42.247 .
  11. M. Kalelioğlu, G. Aktürk, F. Aktürk, S. S. Komsuoğlu, K. Kuzeyli, Y. Tiğin, Z. Karaer, R. Bingöl: Intracerebral myiasis from Hypoderma bovis larva in a child. Case report. In: Journal of Neurosurgery. Band 71, Nummer 6, Dezember 1989, S. 929–931, doi:10.3171/jns.1989716.0929 , PMID 2585086.
  12. Rosario Panadero Fontán, Domenico Otranto: Arthropods affecting the human eye. In: Veterinary Parasitology. 2014, Band 208, Nummer 1–2, S. 84–93 doi:10.1016/j.vetpar.2014年12月02日2 .
  13. Tanmoy Rana: Organ-Specific Parasitic Diseases of Dogs and Cats. Elsevier, 2023, ISBN 978-0-323-95863-9, S. 143.
  14. a b Douglas D. Colwell, Martin J. R. Hall, Philip J. Scholl: The Oestrid Flies: Biology, Host-parasite Relationships, Impact and Management. CABI, 2006, ISBN 978-1-84593-168-1, S. 8–8.
Commons: Hypoderma bovis  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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