Die Stachelschweine (Parabel)
Die Stachelschweine ist eine Parabel, die 1851 von Arthur Schopenhauer in Parerga und Paralipomena mit weiteren Aphorismen zur Lebensweisheit veröffentlicht wurde.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]An einem kalten Tag entwickelt eine Gruppe Stachelschweine ein allen gemeines Wärmebedürfnis. Um es zu befriedigen, suchen sie die gegenseitige Nähe. Doch je näher sie aneinanderrücken, desto stärker schmerzen die Stacheln der Nachbarn. Da aber das Auseinanderrücken wieder mit Frieren verbunden ist, verändern sie ihren Abstand, bis sie die erträglichste Entfernung gefunden haben.
Interpretation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Auf Englisch wird das von Schopenhauer beschriebene Problem hedgehog's dilemma, auf Französisch dilemme du hérisson genannt; beides heißt wörtlich auf Deutsch Igeldilemma.
In einer abstrakten Lesart wird die Optimierung einer komplexeren Situation beschrieben, jedoch bietet Arthur Schopenhauer im Anschluss an die Erzählung eine eigene Interpretation an: Die Stachelschweine repräsentieren die Menschen. Ihr Bedürfnis nach Solidarität und Gemeinschaft lässt sie die Nähe ihrer Mitmenschen suchen. Gleichzeitig werden sie aber von deren schlechten Charaktereigenschaften abgestoßen.
Im Spannungsfeld zwischen diesen Polen wird durch das Gebot von Höflichkeit und Sitte (bis hin zu Vorschriften, Gesetzen etc.) ein Gleichgewicht hergestellt. So wird das Solidaritätsbedürfnis nicht vollkommen, sondern nur so weit befriedigt, dass der Vorteil (Wärme, Eintracht) den damit zwingend verbundenen Nachteil (Stacheln, Streit) noch überwiegt.
Somit enthält die Parabel eine Moral und gibt den Hinweis, einen „gesunden Abstand" zu wahren, denn, je näher man sich kommt, desto mehr unangenehme Eigenschaften treten zum Vorschein. Ein gewisses Maß an gesellschaftlichen Interaktionen sollte man jedoch beibehalten, um einen einsamen Lebensweg zu vermeiden – es sei denn, wie es im Schlusssatz heißt, man habe genügend eigene Wärme, dann könne man sich die lästige Nähe der anderen sparen.
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Sowohl Friedrich Nietzsche als auch Sigmund Freud schätzten die Parabel.[1] Sowohl Freud wie auch Theodor W. Adorno zitierten sie als Illustration eines an Thomas Hobbes erinnernden pessimistisches Menschenbilds: Jeder sei vom Egoismus getrieben und werde nur durch Eigennutz zu sozialem Verhalten gebracht.[2] [3]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Arthur Schopenhauer: Sämtliche Werke / textkrit. bearb. und hrsg. von Wolfgang Frhr. von Löhneysen; [Stuttgart] [u. a.] : Cotta [u. a.], Bd. 5: Parerga und Paralipomena : kleine philosophische Schriften, Teil 2, Kap. 31: Gleichnisse, Parabeln und Fabeln, § 396; 1965 (S. 765)
- Parerga und Paralipomena: kleine philosophische Schriften. A.W. Hahn, 1851, S. 524/25 (gescannter Originaltext bei Google Books).
- Abschrift im Projekt Gutenberg-DE
- Lösungen zum Training: Interpretation einer Parabel, Interpretationsaufsatz zu einem Kurzprosatext (Die Stachelschweine), zu deutsch.kompetent, Arbeitsheft schriftliches Abitur, Ernst Klett Verlag, ISBN 978-3-12-350481-5
- Vincent Valentin: Die Stacheln der anderen. In: Philosophie Magazin. Nr. 14, 2014 (philomag.de).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Die Stachelschweine. In: literatpro.de. Abgerufen am 8. Februar 2025 (Text und Interpretation).
- Claudia-Simone Dorchain: SR 2 - Philosophie-ABC: Die Stachelschweine. 11. Oktober 2016; abgerufen am 8. Februar 2025.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ Vincent Valentin: Die Stacheln der anderen. In: Philosophie Magazin. Nr. 14, 2014 (philomag.de).
- ↑ Sophie Salin: Kryptologie des Unbewussten: Nietzsche, Freud und Deleuze im Wunderland. 2008, ISBN 978-3-8260-3918-8, S. 85 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Wolfgang Bock: Dialektische Psychologie. Springer, 2017, ISBN 978-3-658-15324-3, S. 265 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).