Arabisches Einheitsstreben, das Streben nach der Einheit (wahda) des arabischen Vaterlandes (watan), ist eines der Hauptanliegen des arabischen Nationalismus bzw. Panarabismus, vor allem seiner nasseristischen und baathistischen Vertreter. Auf den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi gehen zahlreiche Versuche zum Zusammenschluss mit anderen arabischen Staaten zurück. Die Varianten reichen von der Vereinigung der politischen Führung zweier oder dreier Staaten über Konföderationen und Föderationen bis zum Einheitsstaat. Trotz einiger dynastischer Aspekte (bis 1958) hat das Einheitsstreben vor allem einen antikolonialistischen Charakter. Faktisch alle Projekte scheiterten an den Rivalitäten ihrer politischen Führer, faktisch wurde keines verwirklicht. Die meisten Projekte kamen über die Ankündigung eines Vorschlages kaum hinaus.
Die Hochphase dieses Einheitsstrebens liegt zwischen 1920 (erster Pansyrischer Kongress) und 1990 (Einheit Jemens, aber Scheitern der libysch-sudanesischen Union bzw. der irakischen Annexion Kuwaits).
1958 Arabische Föderation: dagegen die Vereinigung der haschemitischen Königreiche Irak und Jordanien als Gegengewicht zur VAR. Großbritannien kündigt die Übergabe Kuwaits an die Föderation an. Sie zerbricht nach kaum sechs Monaten an der Revolution im Irak.
1946–1948
Großsyrien
Jordanien, Libanon, Palästina, Syrien
Vereinigungspläne des transjordanischen Königs Abdallah scheitern an den Parlamenten Libanons und Syriens, Jordanien besetzt aber Teile Palästinas
1943–1951
Arabische Union
Irak, Syrien (Großsyrien)
Pläne des irakischen Premiers Nuri as-Said (1943) bzw. syrischer Putschisten (1949) zum Anschluss Syriens (und Jordaniens) an den Irak scheitern an syrischen Gegenputschen
1960–1962
Großmarokko
Marokko, Mauretanien, Algerien
1960–1961 unterstützte die Arabische Liga den Anspruch des Sultans bzw. Königs in Rabat auf den Anschluss Mauretaniens an Marokko, welchen Frankreich ablehnte. Marokkos Ansprüche auf Algerien hingegen wurden 1961–1962 von der Arabischen Liga zurückgewiesen, von Frankreich aber unterstützt.
1961
Vereinigter Irak
Irak, Kuwait
Großbritannien und eine Interarabische Sicherheitstruppe verhindern den Anschluss Kuwaits an den Irak, Kuwait wird unabhängig.
1963
Vereinigte Arabische Republik
Ägypten, Irak, Syrien
politisch-militärisch-wirtschaftliche Föderation zwischen Ägypten, Syrien und dem Irak, scheitert nach nasseristischem Putschversuch in Syrien
1964–1967
Vereinigte Arabische Republik
Ägypten, Nordjemen
Vereinigte Politische Führung zur allmählichen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Verflechtung, Nasser lehnt schnellen Anschluss ab, faktisch jedoch ist Nordjemen unter ägyptischer Kontrolle
1964–1965
Gemeinsamer Arabischer Markt
Ägypten, Irak, Jordanien, Syrien
Nasser warnt 1965 vor einer zu schnellen arabischen Vereinigung ohne vorherige wirtschaftliche Integration,[1] Kuwait nimmt vom geplanten Beitritt Abstand
1964–1970
Union des Arabischen Maghreb
Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien
wirtschaftliche Integration, gemeinsamer Markt
1967–1968
Einheitsstaat der sozialistischen Araber
Ägypten, Algerien, Irak, Syrien
Aufforderung des links-baathistischen Präsidenten Atassi an sozialistisch-orientierte Regimes, sich mit Syrien zusammenzuschließen, scheitert mit dem rechts-baathistischen Putsch im Irak
1968
Föderation Arabischer Emirate
die späteren VAE, Katar und Bahrain
wirtschaftliches, politisches und militärisches Bündnis der Golfemirate gegen Saudi-Arabien und Iran nach Ende des britischen Protektorats
1969
Vereinigte Arabische Republik
Ägypten, Irak, Syrien
syrische Unionspläne mit Ägypten und anderen revolutionären Staaten, irakische Unionspläne mit Syrien und anderen arabischen Staaten, letztlich nur syrisch-irakisches Militärbündnis
1969–1970
Revolutionäre Arabische Front
Ägypten, Libyen, Sudan
wirtschaftliches, politisches und militärisches Bündnis als Vorstufe einer späteren Föderation
1972–1977
Jemenitische Volksrepublik
Jemenitische Arabische Republik (JAR), Volksdemokratische Republik Jemen (VDRJ)
Erster Anlauf zur „Wiedervereinigung" Nordjemens (JAR) und Südjemens (VDRJ)
1972–1974
Vereinigtes Arabisches Königreich
Jordanien, Palästina
Personalunion als Teil eines Friedens mit Israel, der Vorschlag des jordanischen Königs wird von Palästinensern, Israel und Arabischer Liga zurückgewiesen
1972–1974
Arabische Islamische Republik
Libyen, Tunesien
1972 Einladung Tunesiens zum Anschluss an die FAR, 1973 Vorschlag Tunesiens zur Vereinigung mit Algerien und Libyen, 1974 libysch-tunesischer Einheitsstaat scheitert an der Neo-Destur-Partei
1975–1976
Oberster Politischer Kommandorat
Jordanien, Syrien
wirtschaftliche, politische und militärische Integration scheitert an syrischer Wiederhinwendung zu Ägypten
1978–1979
Charta der gemeinsamen nationalen Aktion
Irak, Syrien
wirtschaftliche, politische, militärische und ideologische Union der beiden baathistischen Staaten scheitert an irakischer Forderung nach Wiedervereinigung der Baath-Partei
1979–1982
Jemenitische Volksrepublik
Jemenitische Arabische Republik (JAR), Volksdemokratische Republik Jemen (VDRJ)
Zweiter Anlauf zur „Wiedervereinigung" Nordjemens (JAR) und Südjemens (VDRJ), gemeinsame Verfassung
1980
Organische Union
Libyen, Syrien
sozialistischer Einheitsstaat scheitert an syrischer Militärbürokratie
1982–1985
Integrale Union
Ägypten, Sudan
wirtschaftliche, militärische und politische Verflechtung scheitert am Umsturz im Sudan
1982–83, 1985–86
Konföderation Arabischer Staaten
Jordanien, Palästina
Das geplante Bündnis scheitert am Streit um die Staatsform (Föderation oder Personalunion) und der Blockade Israels
1983
Union des Arabischen Maghreb
Algerien, Mauretanien, Tunesien
wirtschaftliches und militärisches Bündnis gegen Marokko
1984–1986
Arabisch-Afrikanische Föderation
Libyen, Marokko
wirtschaftliches und politisches Bündnis gegen die algerisch-mauretanisch-tunesische Allianz scheitert an marokkanischen Israel-Kontakten
1986–1987
Arabische Union
Libyen, Sudan
wirtschaftliche und politische Verflechtung scheitert an der inneren Zerrissenheit Sudans
1987
Arabische Union
Algerien, Libyen
wirtschaftliche und politische Verflechtung scheitert an algerischen Bedenken
1988–1989
Vereinigte Arabische Front
Irak, Syrien
Militärbündnis gegen Israel, scheitert am syrisch-irakischen Gegensatz im Libanon-Konflikt
1989–1990
Arabischer Kooperationsrat
Ägypten, Irak, Jordanien, Nordjemen
wirtschaftliches und politisches Bündnis gegen den Golfkooperationsrat, Syrien tritt wegen des Libanon-Konflikts nicht bei, scheitert am ägyptisch-irakischen Gegensatz im Kuwait-Krieg
1990–1991
Vereinigter Irak
Irak, Kuwait
Der Irak besetzt und annektiert die „Volksrepublik Kuwait", der Anschluss wird international und völkerrechtlich nicht anerkannt
1990–1994
Integrale Union
Libyen, Sudan
politische, wirtschaftliche, militärische und ideologische Verflechtung, Einladung an Ägypten (1990) und Irak (1994)
1991–1993
Konföderation Arabischer Staaten
Jordanien, Palästina
gemeinsame Delegation bei der Madrider Konferenz als erster Schritt für eine politische und wirtschaftliche Integration
Günter Kettemann: Atlas zur Geschichte des Islam. (Der Pan-Arabismus: Pakte und Zusammenschlüsse) Darmstadt 2001, ISBN 3-534-14118-0, S. 163–166.
Lothar Rathmann (Hrsg.): Geschichte der Araber – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bände 6 und 7. Akademie-Verlag, Berlin 1983.
Günther Barthel (Hrsg.): Die arabischen Länder – Eine wirtschaftsgeographische Darstellung. Haack, Gotha 1987.
Johannes Berger, Friedemann Büttner und Bertold Spuler: Nahost-PLOETZ – Geschichte der arabisch-islamischen Welt zum Nachschlagen. Freiburg/Würzburg 1987.