An die Redaktion «MONITOR»

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An die Redaktion «MONITOR» ist ein Brief, den Hans Martin Sutermeister 1976 an die Redaktion der Fernsehsendung Monitor der ARD in Frankfurt sandte. Er wurde im selben Jahr auf Seite 90 des Buches Exportinteressen gegen Muttermilch veröffentlicht. Gerhard Lehmann bezeichnete den Brief als „das wohl bedenklichste Dokument", das Nestlé im Prozess Nestlé tötet Babys vorgelegt hat.[1] Der vierte Satz des Briefes („...Niggerregierungen...") wurde als Beispiel für Rassismus und missratene Risikokommunikation rezipiert.

Mit dem Brief An die Redaktion «MONITOR», datiert auf den 17. November 1975,[1] richtete sich Hans Martin Sutermeister an die Redaktion der Fernsehsendung Monitor der ARD in Frankfurt. Der Brief zählt im Fliesstext (nach Anrede und vor Grussformel) 146 Wörter, der in zwei Absätze gegliedert ist. Sutermeister äussert sich darin kritisch zu einem Beitrag der Sendung Berichte zur Zeit über den multinationalen Konzern Nestlé. Er bezeichnet die Berichterstattung über den Nestlé-Milchpulverskandal in Afrika als eine absichtliche und böswillige Verzerrung der Tatsachen. Sutermeister hebt die positiven Errungenschaften von Nestlé hervor, insbesondere die Verringerung der Säuglingssterblichkeit und die Versorgung hungernder Kinder nach den Weltkriegen. Gleichzeitig kritisiert er im vierten Satz seines Briefes, dass in Ländern der Dritten Welt unsachgemässer Umgang mit Produkten wie Babynahrung herrsche, ohne grundlegende Versorgungsstandards wie sauberes Trinkwasser sicherzustellen:

„Wenn nun heute die «befreiten» analphabetischen Niggerregierungen mit Nestlémilch Unfug treiben, ohne zunächst einmal sauberes Trinkwasser zu besorgen, ist das nicht die Schuld der «multinationalen Konzerne»..."

Sutermeister weist Vorwürfe gegen Nestlé zurück und greift dabei den Geistlichen an, der in der Sendung zitiert wurde. Abschliessend fordert Sutermeister rechtliche Konsequenzen für die Redaktion. Er verschickte Kopien des Briefes an die Nestlé AG, an das Berner Obergericht und an die Schweizerische Ärztegesellschaft.[1]

Nestlé verwendete diesen Brief vor Gericht gegen die Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern. Der Verteidiger der AG3W Gerhard Lehmann bezeichnet den Brief als „das wohl bedenklichste Dokument, das die Privatklägerin vorgelegt hat".[1]

Machtkritische Rezeption

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Peter Krieg übt in seinem Artikel Plädoyer für die Unduldsamkeit (1976)[2] eine indirekte Kritik an der Haltung von Hans Martin Sutermeister:

„Unser ‚Analphabetentum‘ besteht darin, dass wir den Mechanismen unserer Weltwirtschaft gegenüberstehen wie ein Kleinkind einem Flugzeug gegenübersteht."

Krieg widerspricht in der Folge Sutermeisters herablassender Rhetorik gegenüber afrikanischen Regierungen. Stattdessen zeigt er auf, dass Unwissenheit eine global orchestrierte Strategie ist, die sowohl die Betroffenen in der Dritten Welt als auch die privilegierten Gesellschaften der Industrienationen betrifft. Er verweist auf die zentralen Verantwortlichkeiten multinationaler Konzerne wie Nestlé. Er argumentiert, dass diese Konzerne gezielt Abhängigkeiten schaffen, indem sie beispielsweise Krankenhäuser in der Dritten Welt mit kostenloser Babynahrung versorgen und dadurch Werbung in sensiblem Umfeld etablieren. Dieser Hinweis steht im direkten Widerspruch zu Sutermeisters simplifizierender Perspektive, die komplexe Abhängigkeitsverhältnisse ignoriert und stattdessen kolonialistische Schuldzuweisungen reproduziert.[2]

Traude Bührmann bezeichnet Sutermeister 1978 in ihrem Artikel Sterben Kinder durch Nestlé?[3] „als Rassisten bekannten Schweizer Arzt". Ihre Einordnung stützt sie auf Sutermeisters Aussage:

„Die Schuld liegt bei den 'befreiten analphabetischen Nigger-Regierungen, die mit Nestlé-Milch Unfug treiben, ohne zunächst einmal sauberes Trinkwasser zu besorgen..."

Sutermeister apud Traude Bührmann [3]

Bührmann suggeriert, dass Sutermeisters Aussage nicht nur abwertend ist, sondern kolonialistische Narrative reproduziert, die afrikanischen Staaten mangelnde Kompetenz und Unfähigkeit unterstellen: Strukturelle Probleme wie Analphabetismus, fehlendes sauberes Wasser und wirtschaftliche Zwänge werde von Akteuren wie Nestlé oft ignoriert oder instrumentalisiert. Sie hebt Sutermeisters Aussage hervor, um aufzuzeigen, wie solche Denkweisen die komplexen Ursachen der Problematik vereinfachen und rassistische Vorurteile perpetuieren.[3]

Auch die indische Zeitschrift Yojana zitierte den Begriff „Niggerregierungen", mit dem Sutermeister abwertend Regierungen in ehemaligen Kolonien bezeichnete, denen er die Verantwortung für unsachgemäßen Umgang mit Nestlé-Milchpulver zuschrieb.[4]

Missratene Risikokommunikation

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Otto-Peter Obermeier (1999)[5] zitiert den einen Satz als Beispiel missratener Risikokommunikation:

„Und in einem Beweisdokument der Nestlé AG lesen wir die von einem Arzt für Allgemeinmedizin verfaßten Zeilen: »Wenn nun heute die befreiten, analphabetischen Niggerregierungen mit Nestlémilch Unfug treiben, ohne zunächst einmal sauberes Trinkwasser zu besorgen, ist das nicht die Schuld der ›multinationalen Konzerne‹«. Das letzte Zitat kennzeichnet zugleich die ursprüngliche Legitimationsstrategie von Nestlé. Das haben wir immer so gemacht, wir haben die Sachautorität und die Fachkenntnisse. Wir liefern einwandfreie Produkte. Die Schuld liegt quasi bei den Opfern, wie dies das Zitat auch ausdrückt."

Auch Norbert Baumgärtner (2006)[6] zitiert den Satz als Beispiel missratener Risikokommunikation:

„Als Nestlé wegen seiner Exportpraktiken von Säuglings-Trockenmilch in Länder der Dritten Welt, die für diese Ernährungsform nicht die erforderlichen hygienischen Standards bereitstellen können, in die öffentliche Diskussion geriet, wusste ein für den Konzern arbeitender Allgemeinarzt dies wie folgt zu kommentieren: „Wenn nun heute die befreiten, analphabetischen Niggerregierungen mit Nestlémilch Unfug treiben, ohne zunächst einmal sauberes Trinkwasser zu besorgen, ist das nicht die Schuld der ‚multinationalen Konzerne‘." (zitiert nach Obermeier 1999b, S. 180)."

Norbert Baumgärtner[6]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern: Exportinteressen gegen Muttermilch: der tödliche Fortschritt durch Babynahrung . Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1976, ISBN 3-499-14065-9, S. 89–90. 
  2. a b c Peter Krieg: Plädoyer für die Unduldsamkeit. In: Jane Cottingham (Hrsg.): Flaschenkinder: Dokumentation zum Problem der künstlichen Babynahrung. Internationaler Fraueninformationsdienst, Carouge 1976, S. 35–37.
  3. a b c Traude Bührmann: Sterben Kinder durch Nestlé? In: Courage: Berliner Frauenzeitung. Nr. 3, 1978, Heft 2, S. 26–27.
  4. Dadri: A Pyrrhic Victory For Multinationals. In: Yojana , Band XX/16, 15.-13. September 1976, .
  5. a b Otto-Peter Obermeier: Die Kunst der Risikokommunikation: Über Risiko, Kommunikation und Themenmanagement. Gerling Akademie Verlag, München 1999, ISBN 3-932425-19-7, Milchpulver für die »Kinder der Armen«: die Kontroverse um die Legitimität von Marketingpraktiken, S. 180. 
  6. a b Norbert Baumgärtner: Vertrauen als Zielwert in der PR technologieorientierter Industrieunternehmen. In: Heinz Pürer, Wolfgang Eichhorn, Karl Pauler (Hrsg.): Medien, Politik, Kommunikation: Festschrift für Heinz-Werner Stuiber . Verlag Reinhard Fischer, München 2006, ISBN 978-3-88927-407-6, S. 406. 
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