Collegium (Rom)

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Inschrift aus Ostia zu Ehren eines Marcus Licinius Privatus, der magister in einem collegium von Zimmerleuten war (CIL 000014XIV, 374)

Als collegium wird das Institut des antiken römischen Vereinsrechts bezeichnet. Collegia waren nichtstaatliche Zusammenschlüsse, die aufgrund ihrer Aufgaben häufig ein öffentlich-rechtlicher Charakter auswies. Zu beachten ist, dass das antike Vereinsrecht eine von den modernen Vorstellungen und Voraussetzungen abweichende Entität aufweist, was nicht nur an den mitgliedschaftlichen Grundzügen liegt, sondern auch am einst verfolgten Prinzip der verrechtlichten Religion.

Das Mitglied eines collegiums wurde als collega bezeichnet. Insbesondere die Zusammenschlüsse von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, die sogenannten Handwerker- und Händlervereine, existierten in großer Zahl im gesamten Römischen Reich. Neben collegium finden sich für diese Vereine auch diverse andere Bezeichnungen, darunter die lateinischen Begriffe corpus und sodalitas sowie die griechischen Bezeichnungen koinon, synodos, synergion und hetaira.[1]

Zu nennen sind besonders die zunftähnlichen Zusammenschlüsse von Berufsgruppen, etwa die der Handwerker (collegia opificum), die im Kontext zur societas oder den Regelungen zur locatio conductio stehen, oder der Kaufleute (collegia mercatorum), aber auch Kultverbände (sodalitates oder socii cultores) sowie Begräbnisvereine (collegia funeraticia). Daneben existierten auch Vereine von Staatsbeamten (decuriae apparitorum) und die aus der römischen Frühzeit stammenden collegia der Stadtviertel oder der Bezirke des ländlichen Raumes (montani , vicani , pagani ).[2] Neben den zahlreichen öffentlichen und traditionell-sakralen Aufgaben,[3] gehörte zu den Tätigkeiten der Institutionen auch der Austausch und das gemeinsame Vergnügen. So nannten sich die Mitglieder untereinander „Freund" oder „Gefährte" (socius, sodalis). Ebenfalls als collegia angesehen wurden von den römischen Juristen die jüdischen Gemeinden. In den justinianischen Quellen korrespondieren Begriffe des Rechts der excusatio und immunitas mit dem Begriffshof des collegium.

Der Umfang des Begriffs führt zu sehr unterschiedlichen interdisziplinären Ansätzen bei der Interpretation von Inschriften zum Vereinsrecht. Beteiligt sind daran verschiedene Zweige der Altertumswissenschaft, der Rechtsgeschichte, der Religionswissenschaft und der Wirtschaftsgeschichte.[4]

Römische Frühzeit

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In der römischen Frühzeit war die Bildung der Vereine frei und erfolgte schlicht durch den Zusammenschluss interessierter Personen. Mit dem Zwölftafelgesetz wurde festgeschrieben, dass ein collegium sich eine beliebige Satzung geben darf, solange diese nicht gegen geltendes Recht verstößt.[5] Spätestens seit dem Bacchanalienskandal konnte der Staat jedoch Vereine auflösen oder ihre Gründung verbieten. 64 v. Chr. wurden alle politisch verdächtigen Vereine wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (coetus) verboten, 58 v. Chr. wurde das Verbot durch Publius Clodius Pulcher wieder aufgehoben. Zwei Jahre später hingegen wurden schließlich alle politischen Vereine verboten. Hintergrund war, dass sich politische Parteien in dieser Zeit unter dem Deckmantel einer Vereinsgründung dazu organisierten, Wähler zu bestechen oder gar offen gewalttätig wurden.

Gaius Iulius Caesar schließlich soll alle Vereine aufgelöst haben, soweit diesen der Nachweis „alter und rechtmäßiger" Begründung und Führung nicht gelang.[6] Augustus bestätigte derartige Maßnahmen während seiner Regentschaft. Dann jedoch erließ er die lex Iulia de collegiis, die – wie nahezu alle collegia betreffende Vereinsregularien[7] – nur durch eine Inschrift bekannt, aber nicht vollständig überliefert ist.[8] Nunmehr bedurfte jede Neugründung einer staatlichen Genehmigung,[9] wurde bei unpolitisch aktiven Vereinen des einfachen Volkes im Regelfall erteilt. In den spätantiken Digesten findet sich zum Vereinsrecht mit De collegiis et corporis lediglich eine habhafte schriftliche Quelle,[10] im Übrigen ist man nahezu ausschließlich auf die Analyse von Inschriften angewiesen.

Die inneren Angelegenheiten waren in der Regel dem Verein selbst überlassen. Die wesentlichen Bestimmungen zur Aufnahme sowie den Rechten und Pflichten von Mitgliedern wie auch zur juristischen Vertretung der Organisation wurden in einer Satzung (lex collegii) festgeschrieben. Wenn die Zahl der Mitglieder unter drei sank, galt ein collegium als aufgelöst[11] (dieser Grundsatz wurde als tres faciunt collegium zusammengefasst). Dies hatte den Hintergrund, dass ein collegium schon wortgemäß nur aus mindestens zwei Personen bestehen konnte, es bei einer Abstimmung zur Vermeidung einer Patt-Situation aber einer ungeraden Mitgliederanzahl bedurfte, sodass die kleinste ungerade Mitgliederanzahl bei drei Personen liegen musste.[12] Nicht selten konnten auch Frauen und Sklaven Mitglieder werden. Nach außen hin durfte ein Verein als Träger privater Rechte agieren und in Form einer juristischen Person im Zivilprozess als Partei auftreten. Aus der Mitgliedschaft konnten jedoch keine Ansprüche abgeleitet und eingeklagt werden. Das Vereinsvermögen war vom Privatvermögen der Mitglieder getrennt und stand unter der gemeinschaftlichen Verwaltung.[13]

In der Kaiserzeit wurde in einigen Senatsbeschlüssen und kaiserlichen Erlassen die Vereinsbildung weitergehend geregelt. Insbesondere die für die Armee wichtigen Collegia der Maultiertreiber, Pferdepfleger, Wagner, Veterinäre, Schiffseigner sowie der Metzger, Müller und Bäcker wurden in der Spätantike zunehmend staatlicher Überwachung unterworfen, zu Dienstleistungen verpflichtet und in das staatliche Versorgungssystem der Armee eingegliedert, nachdem die Sklavenarbeit an Bedeutung verloren hatte. Die Zwangsmitgliedschaft wurde zur Regel; Bäcker und Müller durften sich zum Beispiel nicht aus der Zunft entfernen.[14] Aber auch andere Gruppen der Bevölkerung in staatlichen Handwerksbetrieben unterlagen einer immer stärkeren, oft sogar vererbbaren beruflichen Bindung, sodass seit dem 4. Jahrhundert immer mehr Menschen versuchten, der ruinösen Dienstleistungspflicht zu entgehen.[15]

Im Byzantinischen Reich lebten die Zwangskollegien fort, verloren aber vom 7. bis zum 11. Jahrhundert außer in den staatlichen Betrieben fortwährend an Bedeutung. Zeitweise wurden Monopole und Monopolpreise verboten, dann wieder erlaubt. In größerer Abhängigkeit befanden sich die an die Grundherren gebundenen Zünfte im byzantinischen Ägypten.[16]

Das Sassanidenreich und die Araber übernahmen die Strukturen der collegia zunächst nahezu unverändert von den Byzantinern.[17]

  • Frank Martin Ausbüttel: Untersuchungen zu den Vereinen im Westen des römischen Reiches (= Frankfurter althistorische Studien. Band 11). Michael Laßleben, Kallmünz 1982.
  • Beate Bollmann: Römische Vereinshäuser. Untersuchungen zu den Scholae der römischen Berufs-, Kult- und Augustalen-Kollegien in Italien. Philipp von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2505-3.
  • Wendy Cotter: The collegia and roman law. State restrictions on voluntary associations, 64 BC–200 AD. In: John S. Kloppenborg, Stephen G. Wilson (Hrsg.): Voluntary Associations in the Graeco-Roman World. Routledge, London 2002, S. 74–89 (online).
  • Herbert Hausmaninger: Collegium. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 1, Stuttgart 1964, Sp. 1553 f.
  • François Jaques, John Scheid: Rom und das Reich. Staatsrecht–Religion–Heerwesen–Verwaltung–Gesellschaft–Wirtschaft. Lizenzausgabe, Nikol Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-86820-012-6, S. 363 ff.
  • Ernst Kornemann: Collegium. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,1, Stuttgart 1900, Sp. 380–480.
  • Jinyu Liu: Professional Associations. In: Paul Erdkamp (Hrsg.): Cambridge Companion to Ancient Rome. Cambridge University Press, Cambridge 2013, S. 352–368.
  • Dorothea Rohde: Zwischen Individuum und Stadtgemeinde. Die Integration von collegia in Hafenstädten (= Studien zur Alten Geschichte. Band 15). Verlag Antike, Mainz 2012, ISBN 978-3-938032-44-2.
  • Jean Pierre Waltzing: Étude historique sur les corporations professionnelles chez les Romains depuis les origines jusqu'à la chute de l’empire d’Occident. 4 Bände, Charles Peeters, Löwen 1895–1900 (grundlegendes Werk, wenngleich teils veraltet; Digitalisat: Band 1, Band 2, Band 3, Band 4).
  • Carola Zimmermann: Handwerkervereine im griechischen Osten des Imperium Romanum (= Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Band 57). Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz 2002, ISBN 3-88467-078-6, DOI:10.11588/propylaeum.1537 (Open Access).

Einzelnachweise

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  1. Zu den Synonymen: Jinyu Liu: Professional Associations. In: Paul Erdkamp (Hrsg.): Cambridge Companion to Ancient Rome. Cambridge University Press, Cambridge 2013, S. 352–368, hier S. 352.
  2. Marcus Tullius Cicero, De domo sua ad pontifices 28,74.
  3. Hans G. Kippenberg, in: Hans Gerhard Kippenberg, Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von Religionsgemeinschaften. (2005).
  4. Vgl. auch Greco-roman-associations: „An expanding collection of inscriptions, Papyri an other sources in translation" (online-Biographie)
  5. Zwölftafelgesetz 8,27.
  6. Sueton, Caesar 42,3.
  7. Wilhelm Liebenam: Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswesens. Drei Untersuchungen. (1964); José Luis Alonso, Ulrike Babusiaux: Papyrologische und epigraphische Quellen. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Band 1 §§ 1–58. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5, S. 222–317, hier S. 313–315 (Rn. 216).
  8. Adolf Berger: Encyclopedic Dictionary of Roman Law (= Transactions of the American Philosophical Society, Band 43.2). Reprint 1991, S. 553 (online).
  9. Bezüglich der Pflege des Kultes für Diana, CIL 6, 2193
  10. Digesten 47,22.
  11. Digesten 50,16,85.
  12. Sören A. Croll: Problem – Anzahl von Versammlungsteilnehmern, in: Jura Online, abgerufen am 9. April 2020.
  13. Digesten 3,4,7,1.
  14. Codex Theodosianus 14,3,8 (aus dem Jahr 365).
  15. Am Beispiel der Bäcker: Codex Theodosianus 14,3,11.
  16. Itskhok Fishelevich Fikhman: Wirtschaft und Gesellschaft im spätantiken Ägypten. Kleine Schriften. Hrsg. von Andrea Jördens (= Historia Einzelschriften. Band 192). Franz Steiner, Stuttgart 2006, S. 36 f.
  17. Franz Georg Maier: Die Verwandlung der Mittelmeerwelt (= Fischer Weltgeschichte. Band 9). Frankfurt 1968, S. 251.
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