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Logo des CERNLogo zum 50. Jubiläum von CERNAufbau der gegenwärtigen Anlage
Das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, ist eine Großforschungseinrichtung bei Meyrin im Kanton Genf in der Schweiz.
Das AkronymCERN leitet sich vom französischen Namen des Rates ab, der mit der Gründung der Organisation beauftragt war, dem Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire.
Die offiziellen Namen des CERN sind European Organization for Nuclear Research im Englischen beziehungsweise Organisation Européenne pour la Recherche Nucléaire im Französischen.[1]
Derzeit hat das CERN 20 Mitgliedstaaten. Mit seinen etwa 3.400 Mitarbeitern (Stand: 31. Dezember 2007) ist das CERN das weltgrößte Forschungszentrum auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Über 8.000 Gastwissenschaftler aus 85 Nationen arbeiten an CERN-Experimenten.[2] Das Jahresbudget des CERN belief sich 2009 auf ungefähr 1,1 Milliarden Schweizer Franken (724 Millionen Euro).[3]
Mit den Teilchenbeschleunigern des CERN wird die Zusammensetzung der Materie erforscht, indem Teilchen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht werden. Mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Teilchendetektoren werden dann die Flugbahnen der in den Kollisionen entstehenden Teilchen rekonstruiert. Daraus lassen sich die Eigenschaften der kollidierten und neu entstandenen Teilchen bestimmen. Dies ist mit enormem technischem Aufwand für den Betrieb und mit extremen Rechenleistungen zur Datenauswertung verbunden. Auf Grund des Aufwandes ist das Großforschungsprojekt ein international finanziertes Projekt. Teile der Beschleunigeranlagen sind unter anderem das Super Proton Synchrotron (SPS) für die Vorbeschleunigung und der Large Hadron Collider (LHC; Großer Hadronen-Speicherring) für die eigentlichen Experimente.
Lage
Übersicht des Geländes
Das Hauptgelände des CERN liegt bei Meyrin (nahe Genf) in der Schweiz, nahe der Grenze zu Frankreich; große Teile der Beschleunigerringe und auch einige unterirdische Experimentierplätze befinden sich geografisch auf französischem Staatsgebiet, gehören aber trotzdem administrativ zur Schweiz.
Rechtliche Situation
Von der UNESCO wurde das Gebiet des CERN als exterritoriales Gebiet ausgewiesen. Aufgrund von Sitzabkommen des CERN mit der Schweiz und Frankreich gilt hier kein nationales Recht.[4][5] Daher kann CERN auch vor keinem nationalen Gericht verklagt werden. Bürger, die sich an nationale Gerichte gewandt hatten, um die Aussetzung der von ihnen als gefährlich erachteten Experimente am LHC des CERN zu erreichen, wurden regelmäßig wegen Nichtzuständigkeit der angerufenen Gerichte abgewiesen.[6][7][8] Zur Zeit ist noch eine Klage von Gegnern der LHC-Experimente vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig.[9]
Das CERN hat damit, wie auch das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie, als internationales Forschungszentrum eine besondere Stellung. Das oberste Entscheidungsgremium der Organisation ist der Rat des CERN, in welchen alle Mitgliedsstaaten jeweils zwei Delegierte entsenden: einen Repräsentanten der Regierung und einen Wissenschaftler.[10]
Die Anteile der Finanzierung haben dabei übrigens keinen beziehungsweise nur geringen Einfluss auf die Vertretung der einzelnen Nationalitäten.
Dies spiegelt sich beispielsweise bei den offiziellen Arbeitssprachen (englisch und französisch,[11]) als auch den beschäftigten Mitarbeitern wider, bei denen beispielsweise Deutschland im Vergleich zu seinem Finanzierungsanteil deutlich unterrepräsentiert ist.[2]
Auch auf die Anzahl der in den Rat des CERN entsandten Vertreter haben die Anteile an der Finanzierung keinen Einfluss.
Weitere 36 Staaten sind als Nichtmitglieder an CERN-Programmen beteiligt: Algerien, Argentinien, Armenien, Australien, Aserbaidschan, Brasilien, Canada, Chile, China, Estland, Georgien, Island, Iran, Irland, Kolumbien, Kroatien, Kuba, Litauen, Mexiko, Montenegro, Marokko, Neuseeland, Pakistan, Peru, Rumänien, Serbien, Slowenien, Südafrika, Südkorea, Taiwan, Thailand, Ukraine, Vietnam, Weißrussland und Zypern.
Geschichte
Gründung
Nach zwei UNESCO-Konferenzen in Florenz und Paris unterzeichneten elf europäische Regierungen die Vereinbarung zu einem provisorischen CERN. Im Mai 1952 traf sich der provisorische Rat zum ersten Mal in Paris. Am 29. Juni 1953, auf der 6. Konferenz des provisorischen CERN in Paris, unterzeichneten Vertreter der zwölf europäischen Staaten die Gründungsurkunde. Im Oktober 1953 wurde auf einer Konferenz in Amsterdam der Sitz des CERN und dessen Laboratoriums in der Nähe von Genf bestimmt. Am 24. Februar 1954 erfolgte die 1. Konferenz des CERN-Rates nach der Gründung in Genf. Am 29. September 1954 ratifizierten sieben der zwölf Mitgliedstaaten den Staatsvertrag zur Gründung. Am 10. Juni 1955 erfolgte die Grundsteinlegung des CERN-Laboratoriums durch Felix Bloch, den ersten regulären Generaldirektor des CERN.
Erste Beschleuniger
Ursprünglich war das CERN vor allem für Forschung im Bereich der Kernenergie vorgesehen, schon bald entstanden aber die ersten Teilchenbeschleuniger. 1957 wurde das Synchro-Zyklotron (SC), das Protonen auf bis zu 600 MeV beschleunigt, in Betrieb genommen, das erst nach über 33 Jahren Betrieb 1990 abgeschaltet werden sollte. Am 24. November 1959 folgte das Protonen-Synchrotron (PS) mit einer (damals weltweit höchsten) Protonenergie von 28 GeV, es arbeitet heute noch als Vorbeschleuniger. 1965 erfolgte eine Vereinbarung mit Frankreich, die geplanten Protonen-Speicherringe, Intersecting Storage Rings (ISR) genannt, auch auf französischen Boden auszubauen. 1968 erfand Georges Charpak einen Teilchendetektor, der in einer gasgefüllten Kammer eine große Anzahl parallel angeordneter Drähte zur besseren Orts- und Energieauflösung enthielt. Er revolutionierte mit dieser Drahtkammer den Teilchennachweis und erhielt 1992 den Nobelpreis für Physik. 1970 belief sich das Budget des CERN auf 370 Millionen Schweizer Franken. Die Kosten wurden 1970 zu 23 Prozent durch die Bundesrepublik Deutschland, zu 22 Prozent durch das Vereinigte Königreich und zu 20 Prozent von Frankreich getragen.
LEAR – Hier wurden 1996 im CERN erstmals Antiwasserstoffatome erzeugt.
Im August 1989 ging der Large Electron-Positron Collider (LEP) in Betrieb. In einem Tunnel von 27 km Länge trafen hier an ausgewählten Stellen Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, mit Energien von 100 GeV aufeinander. 1996 wurden am LEAR-Speicherring (Low Energy Antiproton Ring) erstmals Antiwasserstoffatome produziert, es gab dabei erste Hinweise auf geringfügige Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie (CP-Verletzung), was 2001 durch ein weiteres Experiment bestätigt wurde.
1999 begannen die Bauarbeiten für den Large Hadron Collider (LHC), der den Tunnel des LEP übernahm, der dafür im Jahr 2000 abgeschaltet wurde. Noch im selben Jahr hatte es einen ersten Hinweis auf die Entstehung eines Quark-Gluon-Plasmas am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) gegeben, Folgeexperimente am LHC mit dem ALICE-Detektor sind vorgesehen. 2002 gelang die Produktion und Speicherung von mehreren tausend „kalten" Antiwasserstoff-Atomen durch die ATHENA-Kollaboration, ebenso begann die Datenaufnahme im COMPASS-Experiment. Mit mehreren Staaten, die nicht zu CERN gehören, wurden Kooperationsvereinbarungen für die LHC-Nutzung abgeschlossen, bisher mit Indien, Japan, Kanada, Russland und den USA.
Am LHC sollen Energien erreicht werden, die in bisherigen Teilchenbeschleunigern noch nicht möglich waren (bis 14 TeV). Die sind für die Suche nach dem Higgs-Boson sowie schweren supersymmetrischen Teilchen notwendig; weiterhin für die genauere Untersuchung des Quark-Gluon-Plasmas.
Damit Kollisionen bei sehr hohen Energien durchgeführt werden können, muss der Speicherring auf Betriebstemperatur heruntergekühlt und dann kontrolliert hochgefahren werden. Am 8. August 2008 wurden die ersten Protonen in den LHC geschossen, am 10. September 2008 folgte der erste offizielle Rundumlauf von Protonen. Noch vor dem 21. Oktober 2008 sollte es zu den ersten Protonen-Kollisionen kommen; dieser Termin konnte jedoch auf Grund der erzwungenen Abschaltung nach einem Problem nicht eingehalten werden. Am 23. Oktober 2009 wurden erneut Protonen in den Tunnel injiziert.[12] Am 30. März 2010 gelang es erstmals, Protonen mit einer Rekordenergie von jeweils 3,5 TeV aufeinander treffen zu lassen.[13] Ab wann die volle Teilchenenergie im LHC erreicht wird, ist noch unbekannt.
DELPHI (DEtector with Lepton PHoton and Hadron Identification): Teilchenidentifikation sowie dreidimensionale Teilchenspuren
OPAL(Omni Purpose Apparatus for Lep) ist ein großer, zwiebelförmig aufgebauter Vielzweckdetektor zur Messung von Reaktionsprodukten
L3-Detektor: Der größte LEP-Detektor enthält mehr als 10.000 Kristalle aus Bismutgermanat (BGO) zum Nachweis von Elektronen und Photonen. L3 erhielt diesen Namen, weil es sich um den dritten eingereichten Vorschlag für einen LEP-Detektor handelte.
ALICE(A Large Ion Collider Experiment) ist ein Vielzweckdetektor, optimiert für Kollisionen von Schwerionen, zum Beispiel Blei, bei denen extreme Energiedichten eintreten. Ionen, mit denen das Quark-Gluon-Plasma erzeugt werden soll, werden aber erst am Ende der Laufzeit von LHC eingesetzt.
ATLAS(A Toroidal Lhc ApparatuS) soll hochenergetische Proton-Proton-Kollisionen untersuchen und dem Higgs-Teilchen auf die Spur kommen; eventuell Teilchennachweis aus Supersymmetriemodellen: ATLAS hat einen zwiebelförmigen Aufbau zum Nachweis unterschiedlichster Teilchenspuren. Datei:CMS Yep2 descent.jpgInstallation von CMS (→Animation)
CMS(Compact Muon Solenoid) untersucht ebenfalls Proton-Proton-Kollisionen; Besonderheit ist ein Kalorimeter aus Bleiwolframat-Kristallen für hochenergetische Photonen, zusätzlich Halbleiterspurdetektoren und Myon-Nachweissystem. CMS und ATLAS sind so konzipiert, dass sie eine gegenseitige Überprüfung wissenschaftlicher Resultate garantieren.
TOTEM: Total Cross Section, Elastic Scattering and Diffraction Dissociation at the LHC.
Weitere bedeutende Experimente
COMPASS-Experiment: COMPASS ist ein Experiment aus dem Bereich der Hochenergiephysik am Super Proton Synchrotron (SPS). Ziel des Experiments ist zum einen die Erforschung der Hadronstruktur und zum anderen Hadronspektroskopie mit Myon- und Hadronstrahlen hoher Intensität. Das COMPASS-Spektrometer wurde in den Jahren 1999 bis 2000 aufgebaut und im Rahmen eines technischen Runs 2001 in Betrieb genommen. Die Datennahme begann im Sommer 2001 und wird nach einjähriger Unterbrechung 2005 voraussichtlich mindestens bis 2010 fortgesetzt. 240 Wissenschaftler aus 12 Ländern und 28 Instituten sind bei COMPASS engagiert.
CNGS: CERN Neutrinos to Gran Sasso; Ziel dieses Experiments ist es, die Neutrinooszillation zu untersuchen. Dazu wird mit Hilfe des SPS-Beschleunigers ein Neutrino-Strahl erzeugt, der mit dem OPERA im italienischen Labor Gran Sasso National Laboratory (LNGS) detektiert und untersucht werden soll. Die Konstruktion begann im September 2000. Am 18. August 2006 hat OPERA den ersten Neutrino-Strahl detektiert.
ISOLDE (Isotope On-line Detector): ist ein on-line Isotopen-Massenseparator. Damit kann eine Vielzahl radioaktiver Ionenstrahlen erzeugt werden, die in Experimenten der Atom-, Kern-, Astro- und Festkörperphysik und biomedizinischen Studien Verwendung finden. Mehr als 600 Isotope von 60 verschiedenen Elementen mit Lebensdauern bis in den Millisekunden-Bereich wurden bisher untersucht.
CAST-Experiment: In diesem Experiment wird versucht, mittels eines sehr starken Magnetfelds so genannte solare Axionen nachzuweisen. Dies sind hypothetische, subatomare, mit gewöhnlicher Materie nur sehr schwach wechselwirkende Teilchen, die als Hauptkandidaten für „Dunkle Materie" gelten (siehe auch: Primakoff-Effekt).
Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleinerer Experimente.
CERN und Computertechnik
Rechenzentrum im CERNServer im Rechenzentrum von CERN
Derzeit ist man am CERN intensiv mit der Entwicklung eines LHC Computing Grid beschäftigt, einem System für verteiltes Rechnen. Dieses wird benötigt, um die ungeheuren Datenmengen, die seit November 2009[15] an den vier großen Experimenten (ALICE, ATLAS, CMS, LHCb) des LHC anfallen, zu verarbeiten.
Hannelore Dittmar-Ilgen: 50 Jahre CERN – Ein Beitrag Europas für die Zukunft. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. 57, 12, Stuttgart 2004, ISSN0028-1050, S. 653–660.
Rolf Landua: Am Rande der Dimensionen. Gespräche über die Physik am CERN. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, ISBN 3-518-26003-0.
Weblinks
Commons: CERN – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien