Spieltheorie

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Dieser Artikel beschreibt die Spieltheorie als Teilgebiet der Mathematik. Zur Erforschung von Spielen siehe Spielwissenschaft.

Die Spieltheorie ist eine mathematische Theorie, in der Entscheidungssituationen modelliert werden, in denen mehrere Beteiligte miteinander interagieren. Sie versucht dabei unter anderem, das rationale Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen davon abzuleiten. Die Spieltheorie ist originär ein Teilgebiet der Mathematik. Sie bedient mannigfaltige Anwendungsfelder.

In diesem Artikel wird die nicht-kooperative Spieltheorie behandelt, die von der kooperativen Spieltheorie zu unterscheiden ist. Unten finden sich einige Bemerkungen zu den Unterschieden.

Begriff und Abgrenzung

Ein Spiel im Sinne der Spieltheorie ist eine mit mehreren Beteiligten, die sich mit ihren Entscheidungen gegenseitig beeinflussen. Im Unterschied zur klassischen Entscheidungstheorie modelliert diese Theorie also Situationen, in denen der Erfolg des Einzelnen nicht nur vom eigenen Handeln, sondern auch von dem anderer abhängt (interdependente Entscheidungssituation).

Der Begriff Spieltheorie (engl. game theory) entstand aus zuvor von den Begründern verwendeten Begriffsumschreibungen wie Theorie der Gesellschaftsspiele (1928)[1] bzw. theory of games (1944).[2] Obwohl bereits in den Publikationen von 1928 und 1944 ökonomische Anwendungen als primäre Zielsetzung formuliert wurden, befinden sich dort mehrfache Hinweise auf Implikationen für Gesellschaftsspiele wie Schach, das Bluffen beim Poker, Baccarat und das Signalisieren beim Bridge.[3] [4] Auch späteren Autoren dienten Gesellschaftsspiele als Beispiele, etwa für John Forbes Nash in seiner Dissertation von 1950, in der er im Anschluss an einen Existenzbeweis für das nachfolgend nach ihm benannte Gleichgewicht als einfaches Beispiel eine Berechnung für ein Drei-Personen-Poker durchführte.[5] In späterer Zeit wurde im deutschen Sprachraum wiederholt der Begriff Interaktive Entscheidungstheorie für treffender als Spieltheorie befunden. Aufgrund der weiten Verbreitung des Begriffs Spieltheorie konnten sich solche Vorschläge aber nicht durchsetzen.[6]

Der Begriff Spieltheorie taucht wiederum auch in anderen Gebieten der theoretischen Behandlung von Spielen auf – siehe Spielwissenschaft, Spielpädagogik, Ludologie oder Homo ludens.

Anwendung

Die Spieltheorie ist weniger eine zusammenhängende Theorie als mehr ein Satz von Analyseinstrumenten. Anwendungen findet die Spieltheorie vor allem im Operations Research, in den Wirtschaftswissenschaften (sowohl Volkswirtschaftslehre als auch Betriebswirtschaftslehre), in der Ökonomischen Analyse des Rechts (law and economics) als Teilbereich der Rechtswissenschaften, in der Politikwissenschaft, in der Soziologie, in der Psychologie, in der Informatik, in der linguistischen Textanalyse [7] und seit den 1980ern auch in der Biologie (insb. die evolutionäre Spieltheorie).

Kooperative vs. nicht-kooperative Spieltheorie

Robert Aumann 2008

Generell wird die nicht-kooperative von der kooperativen Spieltheorie so unterschieden: Können die Spieler bindende Verträge abschließen, so spricht man von kooperativer Spieltheorie. Sind hingegen alle Verhaltensweisen (also auch eine mögliche Kooperation zwischen Spielern) self-enforcing, d. h., sie ergeben sich aus dem Eigeninteresse der Spieler, ohne dass bindende Verträge abgeschlossen werden können, so spricht man von nicht-kooperativer Spieltheorie.

Kooperative Spieltheorie ist als axiomatische Theorie von Koalitionsfunktionen (charakteristischen Funktionen) aufzufassen und ist auszahlungsorientiert. Nicht-kooperative Spieltheorie ist dagegen aktions- bzw. strategieorientiert. Die nicht-kooperative Spieltheorie ist ein Teilgebiet der Mikroökonomik, während die kooperative Spieltheorie einen Theoriezweig eigener Art darstellt. Bekannte Konzepte der kooperativen Spieltheorie sind der Kern, die Shapley-Lösung und die Nash-Verhandlungslösung.

Die nicht-kooperative Spieltheorie spielt in der universitären Lehre eine größere Rolle als die kooperative Spieltheorie. Es gibt viele Lehrbücher zur Spieltheorie und es gibt an Universitäten viele Veranstaltungen mit dem Titel Spieltheorie, in denen die kooperative Spieltheorie gar nicht oder nur am Rande behandelt wird. Obwohl die Nobelpreisträger Robert J. Aumann und John Forbes Nash Jr. beide entscheidende Beiträge zur kooperativen Spieltheorie geleistet haben, wurde der Preis vom Nobelpreiskomitee ausdrücklich für ihre Beiträge zur nicht-kooperativen Spieltheorie vergeben.

DAged, ein N

Die Spieltheorie erlaubt es, soziale Konfliktsituationen, die strategische Spiele genannt werden, facettenreich abzubilden und mathematisch streng zu lösen. Aufgrund der unrealistischen Modellannahmen wird die empirische Erklärungskraft der Spieltheorie in der Regel in Abrede gestellt. Kein Mensch

  • Robert Gibbons: A prime in game theory. Harvester Wheatsheaf, New York 1992, ISBN 0-7450-1159-4.
  • Herbert Gintis: Game theory evolving. 2. Aufl. Princeton University Press, Princeton 2009, ISBN 978-0-691-14050-6.
  • Manfred J. Holler, Gerhard Illing: Einführung in die Spieltheorie. 6. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-540-27880-X. 
  • Alexander Mehlmann: Strategische Spiele für Einsteiger – Eine verspielt-formale Einführung in Methoden, Modelle und Anwendungen der Spieltheorie. (Reihe: Mathematik für Einsteiger). Vieweg + Teubner, 2007, ISBN 978-3-8348-0174-6.
  • Roger B. Myerson: Game Theory. Analysis of Conflict. Harvard University Press 1991, ISBN 0-674-34115-5.
  • John von Neumann, Oskar Morgenstern: Theory of Games and Economic Behavior. University Press, Princeton NJ 2004, ISBN 0-691-11993-7 (Erstveröffentlichung 1944, gilt als erste systematische Veröffentlichung zur Spieltheorie). 
  • Wolfgang Ortmanns: Entscheidungs- und Spieltheorie: eine anwendungsbezogene Einführung. Verlag Wissenschaft & Praxis, Sternenfels 2008, ISBN 978-3-89673-489-1. 
  • Martin J. Osborne, Ariel Rubinstein: Bargaining and Markets. Academic Press, San Diego 1990, ISBN 0-12-528631-7. 
  • Martin J. Osborne, Ariel Rubinstein: A Course in Game Theory. MIT Press, 1994, ISBN 0-262-65040-1. 
  • Guillermo Owen: Game Theory. Academic Press, San Diego 1995, ISBN 0-12-531151-6. 
  • Burkhard Rauhut, Norbert Schmitz und Ernst-Wilhelm Zachow: Spieltheorie. Teubner, Stuttgart 1979. 
  • Anna Karlin, Yuval Peres: Game theory, Alive, American Mathematical Society 2017, pdf
  • Michael Maschler, Eilon Solan, Shmuel Zamir: Game Theory, Cambridge University Press 2013
Commons: Spieltheorie  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Spieltheorie  – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. John von Neumann: Zur Theorie der Gesellschaftsspiele, Mathematische Annalen, Band 100, 1928, S. 295–320, doi:10.1007/BF01448847, online (frei zugänglich).
  2. John von Neumann, Oskar Morgenstern: Theory of games and economic behavior, Princeton 1944.
  3. Axel Ockenfels: Stichwort Spieltheorie im Gabler Wirtschaftslexikon, abgerufen am 30. April 2018.
  4. Jörg Bewersdorff: Glück, Logik und Bluff: Mathematik im Spiel – Methoden, Ergebnisse und Grenzen, Springer Spektrum, 6. Auflage, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-8348-1923-9, doi:10.1007/978-3-8348-2319-9 , S. 246 ff.
  5. John Nash: Non-cooperative games, 1950, Online-Version (Memento vom 17. September 2012 im Internet Archive )
  6. Bastian Fromen: Faire Aufteilung in Unternehmensnetzwerken: Lösungsvorschläge auf der Basis der kooperativen Spieltheorie, Springer, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-8244-8164-4, doi:10.1007/978-3-322-81803-4, S. 55 in der Google-Buchsuche
  7. Vgl. Reinhard Breymayer: Zur Pragmatik des Bildes. Semiotische Beobachtungen zum Streitgespräch Mk 12, 13–17 („Der Zinsgroschen") unter Berücksichtigung der Spieltheorie. In: Linguistica Biblica. Interdisziplinäre Zeitschrift für Theologie und Linguistik 13/14 (1972), S. 19–51.
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4056243-8 (lobid, OGND , AKS )
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