„Umgebindehaus" – Versionsunterschied
Version vom 27. November 2011, 18:05 Uhr
Das Umgebindehaus ist ein besonderer Haustyp, der Blockbau-, Fachwerk- und Massivbauweise miteinander verbindet. Das heutige Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Niederschlesien über die Oberlausitz und Nordböhmen bis ins Elbsandsteingebirge. Weitere Vorkommen der Bauweise finden sich in der Niederlausitz, dem Erzgebirge, im Vogtland, in Nordwest- und Westsachsen sowie in Ostthüringen.[1]
Charakteristik
Das Umgebindehaus zeichnet sich durch die bauliche Trennung von Stubenkörper und Dach bzw. Stubenkörper und Obergeschoss aus. Das Hauptkennzeichen des Normaltyps ist „ein hölzernes Stützensystem, welches auf zwei oder drei Seiten um eine Block- oder Bohlenstube des Hauses herumgeführt wird mit der Aufgabe, den Stubenkörper von der Last des Daches (bei einstöckigen Häusern) bzw. des Daches und Oberstockes (bei zweistöckigen Häusern) zu befreien."[2]
Umgebindehäuser sind quererschlossene Ernhäuser. Der Hausflur verläuft quer durch das Haus und trennt das Erdgeschoss in Wohn- und Wirtschaftsbereich. Die Blockstube (Wohnbereich) befindet sich meist an der östlichen oder südlichen Giebelseite, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Der Wirtschaftsbereich in Massivbauweise (meist aus Feldsteinmauerwerk) befindet sich der Blockstube gegenüber. Hier sind Stall-, Speicher- und Gewölberäume untergebracht. Gebäude, bei denen der Massivteil durch eine weitere Blockstube ersetzt ist, bezeichnet man als Doppelstubenhaus.
Über der Blockstube (Handweberstube) ruhen Obergeschoss oder Dach auf Holzsäulen, die im Dreiecksverbund über Knagge oder Kopfverbund stabilisiert sind. Sie liegt so unabhängig von den tragenden Elementen unter dieser Konstruktion und kann frei arbeiten. Das Obergeschoss ist in der Regel als Stockwerksbau oder Geschossbau (Fachwerk) ausgeführt. Besonders in Nordböhmen ist hingegen eine Bauweise verbreitet, deren Oberstockwandbereiche statt aus Fachwerk in Blockbauweise ausgebildet wurden.
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Doppelstubenumgebindehäuser in Schirgiswalde.
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Das Raschkehaus in Niesky. Ein Geschossbau mit Kreuzstreben.
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„Dom Kołodzieja" (Stellmacherhaus) in Zgorzelec, Polen. Stockwerkbau mit Streben.
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Ein Umgebindehaus im Böhmischen Mittelgebirge mit Blockbau im Oberstock (Winney).
Entstehung der Bauweise
Die Blockstube hatte sich bei der slawischen Bevölkerung (siehe auch Schrotholzhäuser) in den regionalen Klimaten bewährt. Die deutschen Siedler, hauptsächlich aus Franken und Thüringen, die im Mittelalter hier ansässig wurden, brachten das bereits den Germanen bekannte Fachwerk als holzsparende, stabile Bauweise mit: sie ermöglichte auch, mehrstöckige Gebäude zu errichten. Eine Vereinigung der beiden Konstruktionsweisen war aber schwierig, da der Längenverlust von Holz mit dem Faserverlauf deutlich geringer ist. Daher entwickelten die Dorfhandwerker über Jahrhunderte das Umgebinde als eigene Volksbauweise. Ende des 18. Jahrhunderts entsteht der typische Umgebindebogen, der den Häusern ihren Namen gibt.
Umgebinde und Weberei
Das Weberhaus ist typisch für Umgebindehäuser. Im Volksmund ist als Erklärung dieser Bauweise überliefert, dass sie erreichen sollte, die Schwingungen des Handwebstuhles nicht auf das gesamte Gebäude zu übertragen: jedoch scheint dies gegenüber der verbesserten Statik eher von untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein. Vermutlich sind hier Beobachtungen im Zusammenhang mit industriellen Webstühlen auf Handwebstühle übertragen worden. Dennoch ist diese Bauweise für die Weberei von Vorteil, da Blockstuben im Vergleich mit Fachwerkstuben ein gleichmäßiges Klima gewährleisten und somit eine annähernd gleichbleibende Qualität der Webereierzeugnisse.
Besonderheiten
Ein interessantes Element vieler Umgebindehäuser ist der aus Granit oder Sandstein gefertigte Türstock, meist mit der Jahreszahl der Erbauung des Gebäudes. Wurden sie kunstvoll verziert, repräsentierten sie zudem oft den gesellschaftlichen Stand des Besitzers. Typisch sind außerdem Holzverschläge (Oberlausitzer Verschlag) und Verschieferungen. Vereinzelt sind Sonnen (strahlenförmige Holzverschläge am Giebel), Blitzschlangen und Sonnenuhren anzutreffen.
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Typischer Türstock in Waltersdorf aus Sandstein
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Ortstypische Verschieferung in Obercunnersdorf
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Verschieferung in Kopec (Hemmehübel), Nordböhmen
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Weberhaus in Ebersbach/Sa. mit Blitzschlange im Giebel
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Typischer Verschlag und Sonnenuhr in Taubenheim/Spree
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Umgebinde mit Sonne und Blitzschlange in Kouřim, Mittelböhmen
Heutige Situation
Heute gibt es vielfältige Bestrebungen die einmalig historisch gewachsene Hauslandschaft der Umgebindehäuse der südlichen Oberlausitz und der angrenzenden polnischen und nordböhmischen Gebiete zu erforschen und erhalten. Schätzungen gehen von rund 19.000 erhaltenen Häusern im „Umgebindeland" aus.[3] [4] Allein in der Oberlausitz finden sich noch über 6000 Umgebindehäuser.[5] [6] Bekannte Umgebindehäuser sind das Reiterhaus in Neusalza-Spremberg, oder das sogenannte „Schunkelhaus" in Obercunnersdorf, das durch seine nicht rechtwinklige Form auffällt.[7]
Verweise
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Frank Delitz: Umgebinde im Überblick. Zu Fragen der Geschichte, Verbreitung und landschaftlichen Ausprägung einer Volksbauweise. Graphische Werkstättem Zittau GmbH, Zittau 1987 (mit Aufnahmen von Jürgen Cieslak, L. Lobeck und Frank Delitz, Karten von Frank Delitz, Zeichnungen von Irmgard Cieslak).
- ↑ Delitz 1987, S. 12
- ↑ Die Oberlausitz entdecken. In: oberlausitz.com. Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH, abgerufen am 21. November 2011.
- ↑ Entstehung und Verbreitung. In: umgebindeland.de. Landkreis Görlitz, abgerufen am 21. November 2011.
- ↑ Vorwort von Karl Bernert im Bildwörterbuch der Oberlauitzer Umgebindebauweise, S. 5
- ↑ Heutiger Bestand. In: umgebindeland.de. Landkreis Görlitz, abgerufen am 21. November 2011.
- ↑ Schunkelhaus Obercunnersdorf. In: zittauer-gebirge.com. Touristische Gebietsgemeinschaft Naturpark Zittauer Gebirge/Oberlausitz e.V., abgerufen am 21. November 2011: „Original erhaltenes Umgebindehaus von 1740 mit Oberlausitzer Blockstube, die Seiten des Hauses stehen schief zueinander."
Literatur
- Manfred Hammer: Bauernhäuser, Bauernhöfe, Dörfer. Historisch wertvolle Gebäude und Dorfanlagen im Kreis Löbau-Zittau. Verein Ländliche Bauwerte in Sachsen e.V., Dresden 2009.
- Arnd Matthes: Kleines Lexikon vom Umgebindehaus. 2. Auflage. Lusatia Verlag, Bautzen 2009, ISBN 978-3-936758-42-9.
- Jürgen Cieslak (Hrsg.): Umgebinde: eine einzigartige Bauweise im Dreiländereck Deutschland - Polen - Tschechien. Sächsischer Verein für Volksbauweise e.V., Langewiesche, Königstein i. Ts. 2007, ISBN 978-3-7845-5210-1.
- Karl Bernert (Hrsg.): Bildwörterbuch der Oberlauitzer Umgebindebauweise. und der angrenzenden tschechischen und polnischen Gebiete. Sächsischer Verein für Volksbauweise e.V., 1995 (in vier Sprachen: Deutsch, Tschechisch, Polnisch und Obersorbisch).
- Karl Bernert: Umgebindehäuser. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1988, ISBN 3-345-00001-6.
- Frank Delitz: Umgebinde im Überblick. Zu Fragen der Geschichte, Verbreitung und landschaftlichen Ausprägung einer Volksbauweise. Graphische Werkstättem Zittau GmbH, Zittau 1987 (mit Aufnahmen von Jürgen Cieslak, L. Lobeck und Frank Delitz; Karten von Frank Delitz; Zeichnungen von Irmgard Cieslak).
- Karl Bernert, Jürgen Cieslak: Wir wohnen in einem Umgebindehaus. Arbeitsmaterial zur Erhaltung und sachgemäßen Pflege der Umgebindebauweise in der Oberlausitz. Gesellschaft für Denkmalpflege im Kulturbund der DDR, Dresden 1982.
Weblinks
- www.umgebindeland.de
- www.fachring-umgebindehaus.eu
- www.stiftung-umgebindehaus.de
- Bildergalerie zu Umgebindehäusern in der Oberlausitz
- Informationszentrum Umgebindehaus der Hochschule Zittau/Görlitz - University of Applied Sciences