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'''Sowilō''' (<big>{{Runen|ᛊ}}</big>) ist die sechzehnte [[Rune]] des älteren [[Futhark]] (die achte Rune im [[Hagal Aett|zweiten Ætt]]) und die elfte Rune des [[Runen#Das jüngere Futhark: Die altnordische Runenreihe|altnordischen Runenalphabets]]<ref name="Düwel">[[Klaus Düwel]]: ''Runenkunde'' (= ''Sammlung Metzler.'' Bd. 72). 3., vollständig neu bearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart u. a. 2001, ISBN 3-476-13072-X.</ref><ref>[[Raymond Ian Page|Raymond I. Page]]: ''Runes.'' University of California Press, Berkeley CA u. a. 1987, ISBN 0-520-06114-4.</ref> mit dem Lautwert s.
[[Datei:Runic letter sowilo.png|framed|Sowilo]]
Der Name bedeutet „Sonne". Er erscheint in den [[Runengedicht]]en als [[altnordisch]] ''sōl'', [[altenglisch]] ''sigel'' bzw. [[Gotische Sprache|gotisch]] ''sugil''.<ref name="TITUS">[http://titus.fkidg1.uni-frankfurt.de/didact/idg/germ/runennam.htm Thesaurus Indogermanischer Text- und Sprachmaterialien]</ref>
<gallery class="float-right">
'''Sowilo''', "Sonne", ist eine [[Rune]] des, "älteren [[Futhark]]" genannten, [[Runenalphabet]]s. Sie ist die sechzehnte Rune des älteren Futhark und die zwölfte Rune des altnordischen Runenalphabets.<ref>Klaus Düwel: Runenkunde. Metzler, Stuttgart 2001, 3. erw. Aufl., ISBN 3-476-13072-X</ref> <ref>Page, R.I. "Runes", University of California Press/British Museum, 1987, ISBN 0-520-06114-4</ref> Die [[Siegrune]] wird oft fälschlicherweise mit der "Sowilo Rune" verwechselt, da sie sich optisch ähnlich sind. Die Sonnen Rune ist die historische "S"-Rune der germanischen Völker und die "Sig-Rune" eine Erfindung des Okkultisten [[Guido von List]].<ref>Guido v. List "Geheimnis der Runen" -Verl., Berlin; Auflage: 3. Aufl., (November 1922)</ref>
Runic letter sowilo.svg|''Sowilo''-Rune, ältere („[[Σ]]"-)Variante
Runic letter sowilo variant.svg|''Sowilo''-Rune, jüngere („S"-)Variante
Long-branch Sol.svg|Variante des Jüngeren [[Futhark]] ''(Sigel/Sol)''
</gallery>
== Etymologie ==
*Variante: Sowulo
*Lautwert: S
Die [[Germanische Sprachen|germanischen]] Worte für „Sonne" [[Alternanz (Linguistik)|alternieren]] zwischen einem ''l''- und einem ''n''-Stamm. Die rekonstruierte [[Urgermanisch|protogermanische]] Form *''sowilō'' oder *''sōwulō'' konkurriert mit der Form *''sunnon''.
*Zahlwert: 16
Es handelt sich hierbei wohl um Überreste einer ''heteroklitischen'' (unregelmäßigen) Deklination des [[Indogermanische Ursprache|Urindogermanischen]] (möglicherweise *''seh2-wōl'', Genitiv *''seh2-wén-s'' o. ä.).<ref>Benjamin W. Fortson: ''Indo-European Language and Culture. An Introduction'' (= ''Blackwell Textbooks in Linguistics.'' Bd. 19). Blackwell Publishing, Malden MA u. a. 2004, ISBN 1-4051-0316-7, S. 110 f.</ref> In den einzelnen germanischen Sprachen existierten Varianten beider Formen wohl zumindest im lyrischen Bereich auch nebeneinander:
{{Zitat|''Sol heitir meþ monnom, / enn svnna meþ goþom ...''|lang=non|Übersetzung=‚Sol‘ sagen die Menschen / und ‚Sunna‘ die Götter ...|Quelle=''[[Alvíssmál]]'', 16<ref>[http://etext.old.no/Bugge/alviss.html Sophus Bugge]</ref>}}
Weitere Beispiele sind im [[Althochdeutsch]]en ''sunna'' gegenüber ''suhil'' sowie im [[Altenglisch]]en ''sunne'' gegenüber ''sigel''.
== Lautwert ==
{{Hauptartikel|S#Lautgeschichte|titel1=„Lautgeschichte" im Artikel S}}
Der Lautwert der {{Runen|ᛊ}}-Rune ist das germanische ''s'', also der [[Stimmloser alveolarer Frikativ|stimmlose alveolare Frikativ]] {{IPA-Phon|s}}, oder auch der im [[Althochdeutsch]]en und im frühen [[Mittelhochdeutsch]]en noch vorhandene [[Stimmloser alveolopalataler Frikativ|stimmlose alveolo-palatale Frikativ]] {{IPA-Phon|ɕ}}.
Die [[Transkription (Schreibung)|Transkription]] erfolgt üblicherweise durch den lateinischen Buchstaben [[s]].
== Entwicklung und Varianten ==
[[Datei:Evolution of Sowilo rune.jpg|mini|hochkant=1.5|Die Evolution der Sowilo-Rune im Lauf der Zeit (AD = [[n. Chr.]]).]]
Die Sowilo-Rune ist in zwei Varianten nachgewiesen: einer [[Sigma]]-förmigen mit vier, sechs oder sogar acht Strichen, die bevorzugt in älteren Inschriften (3. bis 5. Jahrhundert n. Chr.) auftaucht,<ref>z. B. auf dem ''Kylverstein'' (schwed.: [[Kylversten]])</ref> sowie einer [[S]]-förmigen mit drei Strichen (überwiegend in Inschriften aus dem 5. bis 7. Jahrhundert).<ref>z. B. [[Goldhörner von Gallehus]], [[Seeland-II-C]]</ref>
Im jüngeren Futhark, sowohl in der [[Runen#Das jüngere Futhark: Die altnordische Runenreihe|skandinavischen]] ''(Sol)'' wie auch in der [[Runen#Das Futhork: Die angelsächsische Runenreihe|angelsächsischen]] Variante ''(Sigel)'', wird die Rune leicht gedreht, sodass die äußeren Linien senkrecht stehen.
Bei den ''Kurzzweigrunen'', einer Variante des jüngeren Futhark, wurde das Zeichen zu einem oben liegenden senkrechten Strich vereinfacht, der an das [[Apostroph#Typografisch falsch|Apostroph-Ersatzzeichen]] (<big>'</big>) erinnert.
== Runengedichte ==
{{Hauptartikel|Runengedicht}}
{| class="wikitable"
! Runengedicht<ref>Originaltexte und englische Übersetzungen von der {{Webarchiv|url=http://www.ragweedforge.com/poems.html |wayback=19990501094729 |text=''Rune Poem Page'' |archiv-bot=2019年05月14日 19:44:07 InternetArchiveBot }}.</ref>
! Übersetzung
|-
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'''[[Altnorwegisch]]'''
<poem lang="non">
Sól er landa ljóme;
lúti ek helgum dóme.
</poem>
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<poem>
Sonne ist das Licht der Welt;
Ich beuge mich der göttlichen Entscheidung.
</poem>
|-
|
'''[[Altisländisch]]'''
<poem lang="non">
Sól er skýja skjöldr
ok skínandi röðull
ok ísa aldrtregi.
</poem>
|
<poem>
Sonne ist der Schild der Wolken
und scheinender Strahl
und Zerstörer des Eises.
</poem>
|-
|
'''[[Altenglisch|Angelsächsisch]]'''
<poem lang="ang">
Sigel semannum symble biþ on hihte,
ðonne hi hine feriaþ ofer fisces beþ,
oþ hi brimhengest bringeþ to lande.
</poem>
|
<poem>
Die Sonne ist ewig eine Freude für die Hoffnung der Seefahrer,
wenn sie über das Bad der Fische reisen,
bis das Gefährt über der Tiefe sie an Land bringt.
</poem>
|}
== Verwendung in der Neuzeit ==
{{Hauptartikel|Siegrune}}
Die sogenannte „Siegrune" ist eine Erfindung des [[Völkische Bewegung|völkischen]] Autors und [[Esoteriker]]s [[Guido von List]] aus dem Jahr 1902<ref name="List">[[Guido von List]]: ''Das Geheimnis der Runen'' (= ''Guido-List-Bücherei.'' Reihe 1: ''Forschungsergebnisse.'' Bd. 1, {{ZDB|1225024-7}}).
Zillmann, Groß-Lichterfelde 1907 (Edition Geheimes Wissen, Graz 2007, ISBN 978-3-902640-50-5).</ref> aus dem „[[Armanen-Futhark]]", deren Form im Gegensatz zum erfundenen Namen und der ebenso fiktiven Deutung lose auf der Sowilo-Rune basiert.
Die [[Nationalsozialisten]] übernahmen von Lists Runenzeichen unter dem eingedeutschten Namen „Siegrune" unter anderem für das Logo der [[Schutzstaffel]] (SS) und in einfacher Form als Zeichen des [[Deutsches Jungvolk|Deutschen Jungvolks]] und der [[Hitlerjugend]].
Die germanischen Worte für „Sonne" alternieren zwischen einem l- und einem n-Stamm. Die rekonstruierte protogermanische Form *sowilō oder *sōwulō konkurriert mit der Form *sunnon.
Es handelt sich hierbei wohl um Überreste einer heteroklitischen (unregelmäßigen) Deklination des Urindogermanischen (möglicherweise *seh2-wōl, Genitiv *seh2-wén-s o. ä.).[4] In den einzelnen germanischen Sprachen existierten Varianten beider Formen wohl zumindest im lyrischen Bereich auch nebeneinander:
Sol heitir meþ monnom, / enn svnna meþ goþom ...
„‚Sol‘ sagen die Menschen / und ‚Sunna‘ die Götter ..."
Die Evolution der Sowilo-Rune im Lauf der Zeit (AD = n. Chr.).
Die Sowilo-Rune ist in zwei Varianten nachgewiesen: einer Sigma-förmigen mit vier, sechs oder sogar acht Strichen, die bevorzugt in älteren Inschriften (3. bis 5. Jahrhundert n. Chr.) auftaucht,[6] sowie einer S-förmigen mit drei Strichen (überwiegend in Inschriften aus dem 5. bis 7. Jahrhundert).[7]
Im jüngeren Futhark, sowohl in der skandinavischen(Sol) wie auch in der angelsächsischen Variante (Sigel), wird die Rune leicht gedreht, sodass die äußeren Linien senkrecht stehen.
Bei den Kurzzweigrunen, einer Variante des jüngeren Futhark, wurde das Zeichen zu einem oben liegenden senkrechten Strich vereinfacht, der an das Apostroph-Ersatzzeichen (') erinnert.
Sigel semannum symble biþ on hihte,
ðonne hi hine feriaþ ofer fisces beþ,
oþ hi brimhengest bringeþ to lande.
Die Sonne ist ewig eine Freude für die Hoffnung der Seefahrer,
wenn sie über das Bad der Fische reisen,
bis das Gefährt über der Tiefe sie an Land bringt.
Die sogenannte „Siegrune" ist eine Erfindung des völkischen Autors und EsoterikersGuido von List aus dem Jahr 1902[9] aus dem „Armanen-Futhark", deren Form im Gegensatz zum erfundenen Namen und der ebenso fiktiven Deutung lose auf der Sowilo-Rune basiert.
↑Benjamin W. Fortson: Indo-European Language and Culture. An Introduction (= Blackwell Textbooks in Linguistics. Bd. 19). Blackwell Publishing, Malden MA u. a. 2004, ISBN 1-4051-0316-7, S. 110 f.