„Apostrophitis" – Versionsunterschied

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#WEITERLEITUNG [[Apostroph#Diskussion über fehlerhafte Verwendung]]
[[Bild:Apostrophitis.jpg|thumb|Wegweiser in einem Skigebiet]]
'''Apostrophitis''' ist eine [[Polemik|polemische]] Bezeichnung von [[Sprachkritik]]ern und [[Sprachpflege]]rn für die normwidrige Verwendung des [[Apostroph]]s.


[[Kategorie:(追記) Sprachkritik (追記ここまで)]]
Den auf solche Weise falsch gesetzten Apostroph bezeichnen manche Sprachkritiker auch als '''Deppenapostroph''' oder '''Idiotenapostroph''', seltener auch als '''Kapostroph''' oder '''Katostroph'''.

Die griechische Endung ''[[-itis]] (-ίτις'' bzw. neugriechisch ''-ίτιδα)'' bezeichnet im medizinischen Sprachgebrauch eine Entzündung. In der [[Umgangssprache]] wird als „krankhaft" angesehenes und in epidemischer Häufigkeit vorkommendes Verhalten oft mit Begriffen mit der Endung ''-itis'' bezeichnet.

== Ausprägungen ==

[[Bild:Hübner's Biergart'l.JPG|200px|thumb|Restaurantschild in Wien]]
[[Bild:Deppenapostroph.jpg|thumb|Werbeplakat]]
[[Bild:nudeln.jpg|thumb|Angebot eines Supermarktes]]

Falsche Apostrophe sind in folgenden Fällen anzutreffen:

* Beim [[Genitiv]]: Die häufigste Form der Apostrophitis ist das abgetrennte Genitiv-S, der sogenannte (angel)sächsische Genitiv, wie bei ''[[Bios Bahnhof|Bio’s Bahnhof]].'' Diese Schreibweise wird bei Personennamen in der [[Neue deutsche Rechtschreibung|neuen deutschen Rechtschreibung]] in Ausnahmefällen toleriert, wenn damit die Grundform des Namens hervorgehoben werden soll: ''Andrea’s Friseursalon'' (statt ''Andreas Friseursalon'') zur deutlicheren Unterscheidung von ''Andreas’ Friseursalon''. Nach den [[Deutsche Rechtschreibung im 20. Jahrhundert|alten deutschen Rechtschreibregeln]] war diese Schreibweise generell falsch. Noch selten ist die auch nach neuer Rechtschreibung normwidrige Abtrennung bei Genitiven mit der Endung ''-es'', zum Beispiel ''Spezialität des Hause’s''.

* Als Abtrennung des [[Fugen-S]] bei [[Komposition (Grammatik)|Komposita]]: In [[Dresden]] gibt es ein ''Einkauf’seck'', in [[Templin]] und [[Zittau]] ein ''Bahnhof’s-Restaurant''.

* Beim [[Plural]]: Häufig werden Apostrophe auch bei der Mehrzahlbildung von [[Lehnwort|Lehnwörtern]] und [[Abkürzung]]en gesetzt. Beispiele: ''Auto’s'', ''Snack’s'', ''CD’s''. In Großbritannien bezeichnet man den normwidrigen Gebrauch des Apostrophs beim Plural-''s'' als ''greengrocers’ apostrophe'' und unterstellt damit, Gemüsehändler könnten mit diesem Zeichen nicht richtig umgehen und verwechselten den [[Plural]] mit dem [[Genitiv]] (''fresh carrot’s''). In der niederländischen Schreibnorm hingegen wird das Plural-''s'' mit Apostroph vom Substantiv dann getrennt, wenn dieses auf [[Vokal]] endet: ''twee piano’s'', ''drie taxi’s''.

* Bei der Zusammensetzung [[Präposition]] + bestimmter Artikel. Beispiele: ''in’s'', ''an’s'', ''um’s'', ''zu’r''. Einige dieser Verwendungen des Apostrophs waren bis zur Rechtschreibreform 1996 zulässig. Nach den seither gültigen Regeln darf ein Apostroph nur gesetzt werden, wenn die Zusammensetzung ohne Apostroph „undurchsichtig" wäre (z.&nbsp;B. ''mit’m Fahrrad'').<ref>§ 97 der Amtlichen Regelung [http://www.ids-mannheim.de/reform/]</ref>

* Beim [[Imperativ]]: Ebenfalls normwidrig ist der Apostroph gemäß der neuen Rechtschreibung bei der Befehlsform der 2. Person (z.&nbsp;B. ''Geh’ mit mir.''), da der [[Apokope|Schwund]] der früheren Imperativendung ''-e'' als regelmäßig akzeptiert ist.

* Bei [[Adjektiv]]en, die von Personennamen abgeleitet sind: Diese sind nur dann richtig, wenn der Name besonders hervorgehoben werden soll und groß geschrieben wird. Nach alter deutscher Rechtschreibung wird der Name der Person stets ohne Apostroph geschrieben. Ursprünglich stand an dieser Stelle ''-i-'', das später durch einen Apostroph ersetzt wurde, der aber seit langem als veraltet und regelwidrig gilt. Regelgerecht nach neuer deutscher Rechtschreibung ist also ''[[Zipfsches Gesetz|zipfsches Gesetz]]'' oder zur besonderen Betonung auch ''[[Zipfsches Gesetz|Zipf’sches Gesetz]],'' nie jedoch ''zipf’sches Gesetz'' und auch nicht, wie nach der alten deutschen Rechtschreibung, ''Zipfsches Gesetz'' (außer natürlich am Satzanfang).

* Vereinzelt treten auch willkürliche Apostrophe in anderen Fällen auf wie bei ''nicht’s'', ''abend’s'', ''recht’s'', ''mittwoch’s'' oder ''samstag’s''. Meist werden dabei Wortendungen aus [[Konsonant]] und ''s'' getrennt. Ein weiteres Beispiel ist ''staunst’e'' statt ''staunste'' oder ''Prenz’lberg'' statt ''Prenzl’berg'' (oder einfach ''Prenzlberg''), oder, wie nebenstehend: ''Nudel’n'' statt ''Nudeln''. Ein Geschäft in [[Bochum]]-Mitte heißt ''Gute’s von Anna'', in Wien gibt es ''Schmied ’ chens Oase'' (mit Leerzeichen).

Eine Nebenentwicklung der Apostrophitis ist, dass heute häufig eines der [[Diakritisches Zeichen|diakritischen Zeichen]] ''' ́''' ([[Akut]]) und '''`''' ([[Gravis (Typografie)|Gravis]]) anstelle des eigentlichen Apostrophs ('''’''') gesetzt wird. Dies ist ein Eingabefehler – statt des richtigen Zeichens wird ` oder ́ + Leertaste auf der ''deutschen'' [[Tastatur]] getippt. Die Eingabe von Umschalttaste („Shift") + # wird in manchen Programmen sofort vom [[Fuß (Einheit)|Fußzeichen]] (') zum echten Apostroph (’) umgesetzt. Falls nicht, bleibt das ebenfalls falsche Fußzeichen stehen, ähnlich den [[Zoll (Einheit)|Zollzeichen]] (") statt der verschiedenen echten Anführungen.

== Geschichte ==
[[Bild:Goethe_Vollst%C3%A4ndige_Ausgabe_letzter_Hand.jpg|thumb|Goethe’s Werke von 1827]]
Die Verwendung von Apostrophen ist insbesondere vor dem Genitiv-''s'' keine neue Erscheinung. Bis zum 19. Jahrhundert war diese Schreibweise üblich.

Der [[Duden]] missbilligte diese Verwendung des Apostrophs zunächst nur: Bei Genitiven sei es „nicht erforderlich", einen Apostroph zu setzen. Erst in der [[Reform der deutschen Rechtschreibung von 1901]] wurde diese Verwendungsweise für normwidrig erklärt. In allen Epochen des 20.&nbsp;Jahrhunderts sind jedoch Fälle des nunmehr fehlerhaften Apostrophgebrauchs belegt. Wer vor 1901 schreiben gelernt hatte, verwendete weiterhin den Apostroph. So setzte auch [[Thomas Mann]] regelmäßig den Genitiv-Apostroph: ''Baron Harry’s'', ''Johnny’s'', ''Amra’s''.

Die erste nach der Eroberung durch die Alliierten erschienene Ausgabe einer deutschen Zeitung, die [[Aachener Nachrichten]] vom 24.&nbsp;Januar 1945, hatte als Titelschlagzeile ''„Alliierte Flugzeuge zerschlagen Rundstedt’s Rückzugskolonnen"''.

Traditionsreiche Handelsmarken mit Genitiv-Apostroph sind unter anderem [[Beck’s|Beck’s Bier]], [[Kaiser’s Tengelmann|Kaiser’s Kaffee Geschäft]] oder [[Hoffmann’s Gardinenneu]].

== Der englische Genitiv als Ausnahme im Deutschen ==
Englische Handelsmarken und [[Franchising|Franchise]]-Geschäfte enthalten als Markennamen gelegentlich einen Namen mit Apostroph und angehängtem Genitiv-s, wie beispielsweise ''[[McDonald’s]]''. Dies ist im Englischen korrekt und stellt eine [[Ellipse (Sprache)|elliptische]] Veränderung von ''McDonald’s restaurant'' oder ''McDonald’s corporation'' dar, was im Englischen im Gegensatz zum Deutschen korrekt ist. So heißt es auch korrekt im Englischen ''I’m going to the grocer’s'' (ergänze: ''shop'').

Es liegt die Vermutung nahe, dass sich einige deutsche Restaurants bei ihrer eigenen Namensgebung entweder bewusst an dieser Schreibweise orientieren oder aber dies im fälschlichen Glauben tun, dass es sich dabei auch im Deutschen um die richtige Schreibweise handele. Dabei handelt es sich zumeist um eine Form der [[Hyperkorrektur|Überanpassung]], die auch schon das sogenannte [[Deppenleerzeichen]] mitverbreitete.

In der überarbeiteten Fassung des Dudens (August 2006) wird bei Personennamen der Genitiv mit Apostroph geduldet. Der Sinn dieser neuen Schreibtoleranz wird derzeit diskutiert und regt die Presse zu Abhandlungen in Kommentaren und Glossen an. <ref>Der [http://www.dradio.de Deutschlandfunk] zum „Sieg des Deppenapostrophs": ''[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/530340/ Schluss mit lustig]''</ref>

== Kritik ==

Als Kritik am zusätzlichen Apostroph wird vorgetragen, dass er (wie auch das „[[Deppenleerzeichen]]") die Lesegeschwindigkeit verringere, da er zum Innehalten führe. Er erschwere also das Überfliegen von Texten, da die Aufmerksamkeit von den sinntragenden Wörtern weg zu sinnarmen Syntaxzeichen hin gelenkt werde.

Zudem verändere der Apostroph das Schriftbild: Ein Apostroph hat eine Überlänge, ragt also aus den Buchstabenzeilen nach oben heraus und füge zusätzliche Leerstellen zwischen Buchstaben ein. Beides führe zu einem unruhigeren, zerrissenen Schriftbild.

== Siehe auch ==
* [[Plenk]]
* [[Klempen]]
* [[Kein Bund für's Leben]]

== Quellen ==
<references />

== Weblinks ==
* [http://linuxwiki.de/ApoStrophen Apostrophen und andere Katastrophen]
* [http://www.apostroph.de Das „Kapostropheum"]
* [http://www.apostrophen-alarm.de Apo’strophen-Alarm]
* [http://www.apostrophe.fsnet.co.uk Zur Apostrophitis im Englischen: The Apostrophe Protection Society]
* [http://www.zeit.de/2005/34/Stimmts_P_34 Zur Geschichte des Genitiv-Apostrophs in der Rubrik „Stimmt’s" der Wochenzeitschrift „Die Zeit"]
* [http://www.uni-erfurt.de/sprachgeschichte/pub/KleinWP2002.pdf Der Apostroph in der deutschen Gegenwartssprache (PDF)]
* [http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,283781,00.html Der Gebrauch des Apostrophs im Überblick (Spiegel Online)] – Artikel „[[Zwiebelfisch (Kolumne)]]"
* [http://www.wildwechsel.de/artikel/input/apostr.htm Immer Ärger mit dem Apostrophen]
* [http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/790/81709/ Artikel in der [[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]] mit dem Apostrophen-Sammler Gerd M. Hofmann]

[[Kategorie:(削除) Typografie (削除ここまで)]]
[[Kategorie:Deutsche Rechtschreibung]]
[[Kategorie:Deutsche Sprache]]

[[en:Apostrophe#Greengrocers.E2.80.99 apostrophes]]

Aktuelle Version vom 5. Juli 2023, 20:49 Uhr

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