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Unter dem Begriff '''Mittellatein''' oder '''mittellateinische Sprache''' werden die vielfältigen Formen der [[latein]]ischen Sprache des europäischen [[Mittelalter]]s (etwa 6. bis 15. Jahrhundert) zusammengefasst. Eine genaue Abgrenzung einerseits vom vorausgehenden [[Spätlatein]] (Latein der [[Spätantike]]) und andererseits vom in der [[Renaissance]] aufkommenden [[Humanistisches Latein|Neulatein]] der [[Renaissance-Humanismus|Humanisten]] ist nicht möglich.
Das '''Mittellatein''' ist die [[mittelalter]]liche Sprachform der [[latein]]ischen Sprache, die in der Zeit von etwa [[550]] bis [[1500]] als Schrift- und Bildungssprache in Westeuropa gebräuchlich war.
Der Begriff ist eine Analogiebildung zu [[Mittelhochdeutsche Sprache|Mittelhochdeutsch]]. Die lateinische Literatur des Mittelalters wird als [[mittellateinische Literatur]] bezeichnet, die [[Latinistik|lateinische Philologie]] des Mittelalters als ''mittellateinische Philologie'' oder kurz ''Mittellatein''. Fachleute in dieser Disziplin werden als [[Liste bekannter mittellateinischer Philologen|''Mittellateiner'']] bezeichnet.
Angelehnt an die Literatursprache der [[spätantike]]n Kaiserzeit und ergänzt durch die Einflüsse des Lateins der [[Bibel]], der Kirche und der [[Jurisdiktion]] war dieses [[Konglomerat]] für mehrere Jahrhunderte die führende Sprache für überregionale Kommunikation für Belange der Kirche, Regierung, [[Diplomatie]], Schule und Wissenschaft.
Ausgehend von der Literatursprache der [[spätantike]]n Kaiserzeit, der Sprache der [[Rechtswissenschaft|Jurisprudenz]] und der [[Kirchenvater|Kirchenväter]], zuweilen, jedoch keineswegs durchgängig, beeinflusst von den romanischen Sprachen oder der jeweiligen [[Muttersprache]] des Autors, aber entgegen verbreiteten Vorurteilen („[[Küchenlatein]]") immer wieder auch im Kontakt mit der [[Antike Literatur|antiken Literatur]] der klassischen Periode, insbesondere der [[Dichtung]], entstand ein äußerst heterogenes Sprachmaterial, das die ganze Spannbreite von [[Umgangssprache|umgangssprachlicher]], [[Kolloquialismus|kolloquialer]], [[Pragmatismus|pragmatischer]] [[Diktion]] bis zu hoch[[Rhetorik|rhetorischer]] oder dichterischer Stilisierung auf höchstem Niveau umfasst und in seinen Spitzenerzeugnissen den Vergleich mit der antiken, viel stärker durch die [[Bücherverluste in der Spätantike|Selektion des Überlieferungsprozesses]] gefilterten Literaturproduktion genauso wenig zu scheuen braucht wie den mit der gleichzeitigen oder späteren volkssprachigen Literaturproduktion.
== Allgemeines ==
Das Mittellatein, d. h. die Sprache, die zwischen Spätantike und [[Humanismus]] (ca. 550–1500) als Schriftsprache verwendet wurde, nimmt in der Wissenschaft und auch in der Schule nicht den ihm zukommenden Platz ein, weil man seine Inhalte, sein Wesen und seinen Wert nicht genügend kennt.De Fabio isch de Bescht. Wer von den antiken oder volkssprachigen Literaturen her kommt, sieht es leicht als minderwertiges Anhängsel der klassisch-römischen Literatur an oder als bedauerliche Verdrängung der Muttersprache. Es ist ja in der Tat auffallend, dass sich das Abendland weit über die Grenzen des Imperium Romanum hinaus einer Sprache bediente, die ihm keine Muttersprache mehr war und die es erst erlernen musste. Zu einer richtigen Beurteilung kommt man nur, wenn man den Ursachen für diese Situation nachgeht.
== Entwicklung ==
Als sich die Schriftsteller zu Beginn des [[Mittelalter]]s mit [[Antike]] und [[Christentum]] zu befassen hatten, stand ihnen in der ''[[Romania]]'', also in dem Gebiet, in dem sich das Latein als Umgangssprache hatte festsetzen können, nur das Latein als ausgebildete Schrift- und Buchsprache zur Verfügung; die romanischen Buchliteraturen sollten sich erst im späteren Mittelalter (ca. ab 12./13. Jhr.) herausbilden. Auch in der ''[[Germania]]'' existierte außer dem Latein keine geeignete Schriftsprache. Da außerdem der Geistliche, der damals zugleich der Schreibende war, täglich von Berufs wegen mündlich und schriftlich mit jenem Latein umging, war es nur natürlich, dass man diese Sprache als Schriftsprache übernahm.
[[Datei:Prüfeninger Weiheinschrift. Pic 01.jpg|mini|[[Prüfeninger Weiheinschrift]] von 1119]]
Dieses Mittellatein unterscheidet sich nun in zahlreichen Punkten vom klassischen Latein. Diese Abweichungen von der klassischen Norm haben verschiedene Ursachen:
* Neben dem Latein als Schrift- und Bildungssprache haben sich in der ''Romania'' allmählich verschiedene Volkssprachen entwickelt, die alle Weiterentwicklungen des sogenannten ''[[Vulgärlatein]]s'' sind. Jeder Schreiber lässt nun Elemente der eigenen Muttersprache in seine Schriftsprache einfließen. Dies gilt natürlich auch für Leute nicht-romanischer Zunge. Trotz einiger nationalen Besonderheiten weist es aber eine weitgehend einheitliche Gestalt auf.
* Da das Latein – trotz aller sprachlicher Kompetenz und Differenzierungsfähigkeit vieler Schriftsteller – für alle eine erlernte Sprache ist, wird es (vor allem in der Syntax) allmählich vereinfacht. Typisch lateinische Erscheinungen werden, vor allem wenn sie in den romanischen Sprachen bereits aufgegeben worden sind oder in der jeweiligen Muttersprache nicht existieren, aufgegeben oder zumindest seltener, so z. B. der [[Accusativus cum infinitivo|AcI]], der ''[[Ablativus absolutus]]'' und die Vielfalt und Verschachtelung der Nebensätze.
* Die neuen sozialen und politischen Strukturen (Christentum, [[Feudalismus]]) wirken auch auf die Sprache, vor allem im Bereich des Wortschatzes, wo zahlreiche Neuschöpfungen nötig werden und viele Wörter mit neuen Bedeutungen gefüllt werden.
Als sich die Schriftsteller zu Beginn des Mittelalters mit [[Antike]] und [[Christentum]] befassten, stand ihnen in der ''[[Romania (Linguistik)|Romania]]'', also in dem Gebiet, in dem sich das Latein als Umgangssprache hatte festsetzen können, nur das Latein als ausgebildete Schrift- und Buchsprache zur Verfügung; die romanischen Buchliteraturen sollten sich erst im späteren Mittelalter (ca. ab 12./13. Jh.) herausbilden. Auch die ''[[Germania (Sprachwissenschaft)|Germania]]'' vermochte mit keiner geeigneteren Schriftsprache aufzuwarten, als es das Latein war, zumal die germanischen Sprachen eine von der Mittelmeerwelt ganz abweichende Kultur und (meist mündliche) Überlieferung entwickelt hatten. Da außerdem der Geistliche, der damals zugleich der Schreibende war, täglich von Berufs wegen mündlich und schriftlich mit jenem Latein umging, das er als die Sprache der [[Bibel]], ihrer [[Biblische Exegese|Exegese]], der christlichen [[Dogmatik]] und der [[Liturgie]] vorfand, lag es nahe, dass man diese Sprache als Schriftsprache übernahm.
Wichtig ist zu betonen, dass das Latein durch das ganze [[Mittelalter]] hindurch eine durchaus lebendige Sprache war, die in den gebildeten Schichten fließend beherrscht wurde. Alle, die über eine gewisse Bildung verfügten, waren also zweisprachig: Sie sprachen zum einen ihre jeweilige Muttersprache, zum andern Latein, das deshalb oft auch als „Vatersprache" des Mittelalters bezeichnet wird. Wie bereits gesagt, breitete sich das Mittellatein weit über die Grenzen des [[Imperium Romanum]] aus, so bis nach Ostdeutschland, Jütland, auf die dänischen Inseln, nach Schweden, Norwegen und Island, auch in die slawischen Gebiete bis ins eigentliche Russland hinein und nach Ungarn und Finnland.
Dieses Mittellatein entstand aus der spätantiken [[Lateinische Literatur#Silberne Latinität|Latinität]].<ref>[[Horst Kusch]]: ''Einführung in das lateinische Mittelalter'', Bd. 1: ''Dichtung''. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1957, S. XXV.</ref> Es unterscheidet sich deshalb in zahlreichen Punkten vom [[Klassisches Latein|klassischen Latein]]. Die Abweichungen von der klassischen Norm haben verschiedene Ursachen:
Die „Vatersprachlichkeit" äußerte sich darin, dass man antike Wörter mit neuen Bedeutungen ausstattete, neue Ableitungen und Wörter bildete und überhaupt mit der Sprache wie mit einer Muttersprache, die sich ja auch ständig wandelt, umging, ohne allerdings je die Vorbilder der klassischen Zeit zu vergessen, denen man immer stark verpflichtet blieb. Die Abweichungen vom klassischen Latein berechtigen also in keiner Weise dazu, das Mittellatein als minderwertig, die Schriftsteller und Dichter als halbgebildete Stümper und die Literatur dieser Zeit als banal und naiv abzustempeln.
* Neben dem Latein als [[Geschriebene Sprache|Schrift-]] und [[Bildungssprache]] haben sich in der [[Romania (Linguistik)|Romania]] allmählich verschiedene [[Volkssprache]]n entwickelt, die alle Weiterentwicklungen des sogenannten ''[[Vulgärlatein]]s'' sind. Jeder Verfasser von Texten lässt nun Elemente der eigenen Muttersprache in seine Schriftsprache einfließen. Dies gilt auch für Personen nicht-romanischer Zunge. Das Ausmaß solcher Einflüsse hängt natürlich in starkem Maße von der Ausbildung des jeweiligen Verfassers ab. Aufs Ganze gesehen halten sich die volkssprachlichen und vulgärlateinischen Einflüsse, zumal solche, die nicht durch das [[Vulgata|Bibellatein]] vermittelt sind, jedoch in Grenzen. Daher zerfällt das Mittellatein trotz einiger identifizierbarer nationaler Besonderheiten nicht in [[Dialekt]]e oder [[Regionalsprache]]n, sondern weist eine horizontale Gliederung nach Stilniveau und Gattungen auf. Weniger ausgeprägt in [[Morphologie (Linguistik)|Morphologie]] und [[Syntax]], deutlich dagegen in der [[Wortbildung]], lassen sich innerhalb des Mittellateins [[Epoche (Literatur)|epochenspezifische]] Entwicklungen beobachten.
* Da das Latein – trotz aller sprachlichen Kompetenz und Differenzierungsfähigkeit vieler Schriftsteller – für alle eine [[Zweitspracherwerb|erlernte Sprache]] ist, kommt es (vor allem in der Syntax) zu Tendenzen allmählicher Vereinfachung. Typisch lateinische Erscheinungen werden, vor allem wenn sie in den romanischen Sprachen bereits aufgegeben worden sind oder in der jeweiligen Muttersprache nicht existieren, aufgegeben oder zumindest seltener benutzt, so zum Beispiel der [[Accusativus cum infinitivo|AcI]], der ''[[Ablativus absolutus]]'' und die Vielfalt und Verschachtelung der [[Nebensatz|Nebensätze]]. Das Ausmaß, in dem diese Tendenzen beim einzelnen Autor wirksam werden, ist, z. T. epochenabhängig, sehr unterschiedlich. Auch gegenläufige Tendenzen wie [[Hyperkorrektur|Hyperurbanismen]] oder [[Manierismus]] sind häufig zu beobachten.
* Die neuen [[Sozialstruktur|sozialen]] und politischen Strukturen ([[Christentum]], [[Feudalismus]]) wirken auch auf die Sprache, vor allem im Bereich des [[Wortschatz]]es, wo zahlreiche [[Neuschöpfung]]en nötig werden und viele Wörter ihr [[Bedeutung (Sprachphilosophie)|Bedeutungsspektrum]] erweitern.
Das Latein war durch das ganze Mittelalter hindurch eine [[Lebende Sprache|lebendige Sprache]], die in den gebildeten Schichten nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich fließend beherrscht wurde, wozu auch die aktive Beherrschung der [[Vers]]e und [[Verslehre|Metrik]] gehörte. Alle, die über eine gewisse Bildung verfügten, waren also [[Bilingualismus|zweisprachig]]: Sie sprachen zum einen ihre jeweilige Muttersprache, zum andern Latein, das deshalb oft auch als „Vatersprache" des Mittelalters bezeichnet wird. Wie bereits gesagt, breitete sich das Mittellatein weit über die Grenzen des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] aus, so bis nach [[Ostdeutschland]], [[Jütland]], auf die [[Liste dänischer Inseln|dänischen Inseln]], nach [[Schweden]], [[Norwegen]] und [[Island]], auch in die [[Liste der slawischen Stämme|slawischen Gebiete]] bis ins eigentliche [[Rus]]sland hinein und nach [[Ungarn]] und [[Finnland]].
Mit dieser Sprache trachteten nun die Schriftsteller und Dichter hauptsächlich danach, eine Literatur hervorzubringen, deren Blick weniger auf die Antike als vielmehr auf die Gegenwart mit all ihren tiefgreifenden sozialen, kulturellen und politischen Umwälzungen gerichtet war. Die literarischen Gattungen, die gepflegt wurden, sind fast zahllos. Neben den traditionellen, wie [[Geschichtsschreibung]], [[Epos]] und [[Fabel]], kommen neue, wie die [[Heiligenlegende]], die [[Hymne]] und die [[Sequenz]]. Eine große Bedeutung kam natürlich der religiösen Literatur zu, die sowohl Prosa als auch poetische Werke beinhaltet und die teils das gewöhnliche Volk, teils die gebildeten Schichten als Zielpublikum hatte. An ersteres richteten sich Werke wie Heiligenlegenden (z. B. die [[Legenda aurea]] von [[Jacobus de Voragine]]) Wundergeschichten und andere ''[[Exempla]]'' (z. B. die Werke von [[Caesarius von Heisterbach]]), an letztere z. B. theologische Traktate.
Die „Muttersprachlichkeit" äußerte sich darin, dass man antike Wörter mit neuen Bedeutungen ausstattete, neue [[Derivation (Linguistik)|Ableitungen]] und Wörter bildete und überhaupt mit der Sprache wie mit einer Muttersprache, die sich ja auch ständig [[Sprachwandel|wandelt]], umging, ohne allerdings je die Vorbilder der klassischen Zeit zu vergessen, denen man immer verpflichtet blieb.
Außer der eigentlichen Literatur ist auch praktisch das gesamte wissenschaftliche, politische und diplomatische Schrifttum auf Latein abgefasst.
{{Belege fehlen|www.sglp.uzh.ch/static/MLS/files/Roelli_-_Neulatein.pdf: „Erst im 18. Jh. fangen diese [volkssprachliche Literaturen] (ausgehend von der französischen) an das Latein zu verdrängen."<br /> Demnach sollten eher der Aufstieg der Volkssprachen und die [[Aufklärung]] für das „Sterben" des Lateins verantwortlich sein als die Abkehr vom Mittellatein und die Rückkehr zum klassischen Latein.}}
Die [[mittellateinische Literatur]] steht zeitlich also vor der volkssprachigen Literatur und hat diese auch nachhaltig beeinflusst: Dichter wie z. B. [[Dante Alighieri]] oder [[Francesco Petrarca]] in Italien, die zum Teil noch Latein dichteten, übertrugen Inhalte und Stil auch auf ihre italienisch geschriebenen Werke. Die germanische Literatur geht in dieser Abhängigkeit noch weiter und beschränkt sich bis ins 12. Jahrhundert fast ausschließlich darauf, Texte aus dem Latein mehr oder weniger genau zu übersetzen. Nur in England, dessen Kultur sich freilich in den ersten Jahrhunderten ohne Anlehnung an die kontinentale entfaltete, entstand bereits im frühen Mittelalter eine Buchliteratur in der Volkssprache, deren ältestes Zeugnis das Stabreimepos [[Beowulf]] ist. Natürlich hat auch die Volksdichtung ihrerseits stark auf die mittellateinische Literatur gewirkt. Seit etwa dem 12. Jahrhundert standen dann lateinische und volkssprachliche Dichtung nebeneinander, ja es gibt sogar – z. B. in den [[Carmina Burana]] – zahlreiche Gedichte, die teils lateinisch, teils auf Deutsch geschrieben sind.
Das Ende bereiteten dem Mittellatein nicht die Volkssprachen, sondern der [[Renaissance-Humanismus]] und das durch ihn hervorgerufene sogenannte [[Neulatein]], das sich im 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts allmählich durchsetzte. Das Neulatein war durch eine strengere Orientierung am [[Klassisches Latein|klassischen Latein]] gekennzeichnet. Wenige klassische Autoren, besonders [[Marcus Tullius Cicero|Cicero]] und [[Vergil]], galten als Vorbilder. Durch diese rückwärtsgewandte Normierung wurde die lebendige Sprachentwicklung gelähmt, der Gebrauch der lateinischen Sprache im Alltag wurde erschwert. Die Virtuosität einiger Autoren täuscht darüber hinweg, dass die mangelnde Flexibilität des Neulateinischen insgesamt zu einer sprachlichen Verarmung führte. So haben gerade die leidenschaftlichsten Verfechter und Liebhaber des Lateinischen, die Humanisten, durch ihren Kampf gegen das nach ihrer Ansicht barbarische Mittellatein und ihr Insistieren auf die Norm der klassischen Antike wesentlich zur Verdrängung der lateinischen Sprache beigetragen. Erst in dieser Zeit beginnt das Latein als Sprache der Bildung und Politik zu erstarren und zu „[[Sprachtod|sterben]]".
Das Ende bereiteten dem Mittellatein nicht etwa die Volkssprachen, sondern der [[Humanismus]] und das durch ihn hervorgerufene [[Neulatein]], das im 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts seine feste Form erreichte. Die Humanisten haben sich wieder auf die [[Antike]] besonnen, die Sprache [[Cicero]]s und [[Vergil]]s als alleingültigen Maßstab hingestellt und das nach ihrer Ansicht barbarische Mittellatein bekämpft. Erst zu diesem Zeitpunkt beginnt das Latein als Sprache der Bildung und Politik zu erstarren und zu „sterben".
== Merkmale des Mittellateins und Abweichungen vom klassischen Latein ==
== Merkmale des Mittellateins und Abweichungen vom klassischen Latein ==
=== (削除) Orthographie (削除ここまで) und Aussprache ===
=== (追記) Graphie (追記ここまで) und Aussprache(追記) (Phonologie) (追記ここまで) ===
Die Darstellung der [[Phonetik]] des Mittellatein stößt vor allem aus drei Gründen auf erhebliche Schwierigkeiten, erstens den Zeitraum von rund 1000 Jahren, innerhalb dessen es zu erheblichen Veränderungen kam, zweitens die räumliche Erstreckung über große Teile Europas und die damit verbundene regionale Beeinflussung durch die verschiedensten in diesem Großraum verwendeten Volkssprachen und drittens die Schwierigkeit ihrer Rekonstruktion ausschließlich aus den handschriftlichen Zeugnissen und den [[Interferenz (Linguistik)|Interferenzen]] mit den Volkssprachen.<ref>Dazu beispielhaft: [[Rupprecht Rohr]]: ''Das Schicksal der betonten lateinischen Vokale in der [[Gallia Lugdunensis|Provincia Lugdunensis Tertia]], der späteren [[Erzbistum Tours|Kirchenprovinz Tours]]''. Duncker & Humblot, Berlin 1963.</ref> Eine einheitliche Aussprache konnte es unter diesen Umständen nicht geben. Trotzdem lassen sich einige allgemeingültige Aussagen machen.<ref>Vgl. Peter Stotz: ''Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters'', Bd. 3: Lautlehre. C.H. Beck, München 1996 (siehe Literatur).</ref>
* Seit dem 12. Jhr. werden ''æ'' und ''œ'' meist durch ''e'' wiedergegeben (und auch so ausgesprochen), z. B. ''precepit'' für ''præcepit,'' ''insule'' für ''insulæ,'' ''amenus'' für ''amœnus.'' Dazu umgekehrte („hyperkorrekte") Schreibungen wie ''æcclesia'' statt ''ecclesia,'' ''fœtus'' statt ''fetus'' und ''cœlum'' statt ''cælum.''
* Der bereits für die antike Umgangssprache belegte phonetische Zusammenfall der [[Diphthong]]e ''ae'' mit ''ĕ'' und ''oe'' mit ''ē'' führt früh zu orthographischen Konsequenzen. Das a wird zunächst, vor allem in der [[Schreibschrift|Kursive]], subskribiert, später entwickelt sich die sogenannte ''[[ę|e caudata]]'', das ''e'' mit einem Schwänzchen als Unterlänge (ę). Seit dem 12. Jh. werden ''æ'' und ''œ'' meist durch einfaches ''e'' wiedergegeben, zum Beispiel ''precepit'' für ''præcēpit,'' ''insule'' für ''īnsulæ,'' ''amenus'' für ''amœnus.'' Dazu kommen umgekehrte („hyperkorrekte") Schreibungen wie ''æcclesia'' statt ''ecclēsia,'' ''fœtus'' statt ''fētus'' und ''cœlum'' statt ''cælum.'' Die Humanisten beleben die zeitweise verschwundene ''e caudata'' wieder.
* ''y'' statt ''i'' und findet sich nicht nur in griechischen Wörtern, sondern auch in lateinischen, z. B. ''yems'' für ''hiems,'' ''yra'' für ''ira.''
* Vor allem im frühmittelalterlichen Latein begegnen häufig Vertauschungen von e und i.
* ''h'' wird fortgelassen oder [[abundieren]]d gesetzt, im Anlaut, z. B. ''iems'' für ''hiems,'' ''ora'' für ''hora'' und ''hora'' für ''ora,'' und auch sonst, z. B. ''veit'' für ''vehit;'' besonders nach ''t,'' ''p'' und ''c,'' z. B. ''thaurus'' für ''taurus,'' ''spera'' für ''sphæra,'' ''monacus'' für ''monachus,'' ''conchilium'' für ''concilium'' und ''michi'' für ''mihi.''
*(削除) Da (削除ここまで) ''(削除) t (削除ここまで)'' (削除) vor (削除ここまで) ''i'' (削除) mit Vokal wie (削除ここまで) ''(削除) c (削除ここまで)'' (削除) ''(/ts/)'' (削除ここまで)(削除) ausgesprochen (削除ここまで)(削除) wurde, (削除ここまで)(削除) wird (削除ここまで)(削除) es (削除ここまで)(削除) oft (削除ここまで) auch (削除) so (削除ここまで)(削除) geschrieben (削除ここまで), (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) tercius (削除ここまで)'' für ''(削除) tertius (削除ここまで),''(削除) seltener sind hyperkorrekte Formen wie (削除ここまで) ''(削除) Gretia (削除ここまで)'' für ''(削除) Græcia (削除ここまで).''
* ''(追記) y (追記ここまで)'' (追記) statt (追記ここまで) ''i'' (追記) und (追記ここまで) ''(追記) œ (追記ここまで)'' (追記) findet (追記ここまで) (追記) sich (追記ここまで) (追記) nicht (追記ここまで) (追記) nur (追記ここまで) (追記) in griechischen Wörtern, (追記ここまで) (追記) sondern (追記ここまで) auch (追記) in (追記ここまで) (追記) lateinischen (追記ここまで), (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(追記) yems (追記ここまで)'' für ''(追記) hiems (追記ここまで),'' ''(追記) yra (追記ここまで)'' für ''(追記) īra''; vgl (追記ここまで).(追記) den Titel (追記ここまで)''(追記) Yconomica'' (Oeconomica) [[Konrad von Megenberg|Konrads von Megenberg]]. (追記ここまで)
* ''h'' wird fortgelassen oder hinzugefügt, im Anlaut, zum Beispiel ''iems'' für ''hiems,'' ''ora'' für ''hōra'' und ''hora'' für ''ōra,'' und auch sonst, zum Beispiel ''veit'' für ''vehit;'' besonders nach ''t,'' ''p'' und ''c,'' zum Beispiel ''thaurus'' für ''taurus,'' ''spera'' für ''sphæra,'' ''monacus'' für ''monachus,'' ''conchilium'' für ''concilium'' und ''michi'' für ''mihī.''
* [[Konsonantengemination]] wird oft vereinfacht oder abundierend gesetzt, z. B. ''litera'' für ''littera,'' ''aparere'' für ''apparere'' und ''edifficare'' für ''ædificare.''
* (削除) Unbequeme (削除ここまで)(削除) Konsonantengruppen (削除ここまで) werden (削除) vereinfacht (削除ここまで), (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) salmus (削除ここまで)'' für ''(削除) psalmus, (削除ここまで)'' ''(削除) tentare (削除ここまで)'' für ''(削除) temptare (削除ここまで).''
* (追記) Da (追記ここまで) (追記) ''t'' und ''c'' vor [[halbvokal]]ischem ''i'' zusammengefallen war, (追記ここまで) werden (追記) sie auch in der Schrift sehr oft vertauscht (追記ここまで), (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(追記) tercius (追記ここまで)'' für ''(追記) tertius (追記ここまで)''(追記) , (追記ここまで) ''(追記) Gretia (追記ここまで)'' für ''(追記) Græcia (追記ここまで).''
* Konsonanten[[Gemination (Sprache)|gemination]] wird oft vereinfacht oder abundierend gesetzt, zum Beispiel ''litera'' für ''littera,'' ''aparere'' für ''apparēre'' und ''edifficare'' für ''ædificāre.''
* Sehr häufig und offensichtlich aus dem Vulgärlatein übernommen sind [[Dissimilationen]], z. B. ''pelegrinus'' für ''peregrinus'' (vgl. im Deutschen Pilger; ebenso franz. ''pèlerin'', ital. ''pellegrino''), ''radus'' für ''rarus'' (vgl. italienisch ''di rado'').
* Unbequeme Konsonantengruppen werden vereinfacht, zum Beispiel ''salmus'' für ''psalmus,'' ''tentare'' für ''temptāre.''
* Sehr häufig und offensichtlich aus dem Vulgärlatein übernommen sind [[Dissimilation (Phonologie)|Dissimilationen]], zum Beispiel ''pelegrinus'' für ''peregrīnus'' (vgl. im Deutschen Pilger; ebenso franz. ''pèlerin'', ital. ''pellegrino''), ''radus'' für ''rārus'' (vgl. italienisch ''di rado'').
* Sämtliche Vokale werden offen artikuliert. Beleg ist ein Überbleibsel im Italienischen: Das ''Credo'' im Sinne des christlichen Glaubensbekenntnisses wird mit offenem 'e' artikuliert und setzt die mittellateinische Aussprache fort. Demgegenüber spricht man die rein italienische Verbform ''credo'' („ich glaube") mit geschlossenem 'e'.
=== Morphologie ===
=== Morphologie ===
(削除) '''1. (削除ここまで) Konjugation(削除) ''' (削除ここまで)
(追記) ==== (追記ここまで) Konjugation(追記) ==== (追記ここまで)
* Verwechslung von „normalen" Verben und Deponentien, (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(ad)mirare'' statt ''(ad)(削除) mirari (削除ここまで),'' ''viari'' statt ''(削除) viare (削除ここまで)'' (= reisen).
* Verwechslung von „normalen" Verben und (追記) [[Deponens| (追記ここまで)Deponentien(追記) ]] (追記ここまで), (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(ad)mirare'' statt ''(ad)(追記) mīrārī (追記ここまで),'' ''viari'' statt ''(追記) viāre (追記ここまで)'' (= reisen).
* Zahlreich sind Konjugationswechsel anzutreffen, (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''aggrediri'' für ''(削除) aggredi (削除ここまで),''(削除) (削除ここまで) ''complectari'' für ''(削除) complecti (削除ここまで),'' ''prohibire'' für ''(削除) prohibêre (削除ここまで)''(削除) (削除ここまで) (vgl. ital. ''proibire''), ''rídere'' für ''(削除) ridêre (削除ここまで)'' (vgl. ital. ''ridere'') und ''potebat'' für ''poterat'' (vgl. ital. ''potere'').
* Zahlreich sind Konjugationswechsel anzutreffen, (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''aggrediri'' für ''(追記) aggredī (追記ここまで),'' ''complectari'' für ''(追記) complectī (追記ここまで),'' ''prohibire'' für ''(追記) prohibēre (追記ここまで)'' (vgl. ital. ''proibire''), ''rídere'' für ''(追記) rīdēre (追記ここまで)'' (vgl. ital. ''ridere'') und ''potebat'' für ''poterat'' (vgl. ital. ''potere'').
* Beim Futur finden sich Verwechslungen zwischen ''b-'' und ''e-Futur,'' (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''faciebo'' für ''faciam,'' ''negam'' für ''(削除) negabo (削除ここまで).''
* Beim Futur finden sich Verwechslungen zwischen ''b-'' und ''e-Futur,'' (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''faciebo'' für ''faciam,'' ''negam'' für ''(追記) negābō (追記ここまで).''
* (削除) Periphrastische (削除ここまで)(削除) (= (削除ここまで)(削除) zusammengesetzte) (削除ここまで)(削除) Verbalformen, (削除ここまで)(削除) in (削除ここまで)(削除) denen (削除ここまで)(削除) im Perfekt statt ''sum'' auch (削除ここまで) ''fui'' (削除) gebraucht werden kann, werden sehr beliebt, z. B. (削除ここまで) ''(削除) dicens (削除ここまで)sum(削除) , (削除ここまで)'' ''interfectus fuit(削除) ; (削除ここまで)''(削除) ''libros perditos habeo''. (削除ここまで) (Aus dieser Verwendung, die im Übrigen schon im(削除) klass. (削除ここまで) [[Latein]] vereinzelt zur Bezeichnung eines Zustandes in der Vergangenheit begegnet, hat sich das franz. ''passé composé'' (削除) bzw. (削除ここまで) das ital. ''passato prossimo'' entwickelt(削除) . (削除ここまで))
* (追記) Das (追記ここまで) (追記) Passiv (追記ここまで) (追記) Perfekt (追記ここまで) (追記) wird (追記ここまで) (追記) sehr (追記ここまで) (追記) oft (追記ここまで) (追記) mit (追記ここまで) ''fui'' (追記) statt (追記ここまで) ''sum''(追記) gebildet: (追記ここまで) ''interfectus fuit'' (Aus dieser Verwendung, die im Übrigen schon im [[(追記) Klassisches Latein|klassischen (追記ここまで)Latein]] vereinzelt zur Bezeichnung eines Zustandes in der Vergangenheit begegnet, hat sich(追記) z. B. (追記ここまで) das franz. ''(追記) [[ (追記ここまで)passé composé(追記) ]] (追記ここまで)'' (追記) und (追記ここまで) das ital. ''passato prossimo'' entwickelt)(追記) . (追記ここまで)
* Zusätzliche periphrastische Verbformen: Die Umschreibung mit ''habēre'' und Partizipium Perfekt Passiv (zum Beispiel ''lībrōs perditōs habeō''), im klassischen Latein nur zur nachdrücklichen Bezeichnung eines dauernden Zustandes verwendet, kann das gewöhnliche Perfekt Passiv oder auch Aktiv ersetzen; ''dicēns sum''.
(削除) '''2. (削除ここまで) Deklination(削除) ''' (削除ここまで)
(追記) ==== (追記ここまで) Deklination(追記) ==== (追記ここまで)
* Es ist eine gewisse Unsicherheit beim Umgang mit den verschiedenen Deklinationen feststellbar, so dass Wörter (削除) oft (削除ここまで) von einer Deklination in die andere übergehen, (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''noctuum'' für ''noctium,'' ''(削除) ignîs (削除ここまで)'' für ''(削除) ignibus, (削除ここまで)'' ''(削除) illo (削除ここまで)'' (削除) [Dat.] (削除ここまで) für ''(削除) illî (削除ここまで).'' Allgemein besteht die Tendenz, Wörter der u-Deklination in die o-Deklination und Wörter der e-Deklination in die (削除) a (削除ここまで)-Deklination überzuführen, (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) senatus (削除ここまで),-(削除) i (削除ここまで)'' statt ''(削除) senatus (削除ここまで),-(削除) us, (削除ここまで)'' ''(削除) magistratus (削除ここまで),-(削除) i (削除ここまで)'' statt ''(削除) magistratus (削除ここまで),-(削除) us (削除ここまで)'' oder ''(削除) materia (削除ここまで)'' für ''(削除) materies (削除ここまで)'' (=(削除) " (削除ここまで)Bauholz(削除) " (削除ここまで)), ''effigia'' für ''(削除) effigies (削除ここまで)'' (=(削除) " (削除ここまで)Bildnis(削除) " (削除ここまで)).
* Es ist eine gewisse Unsicherheit beim Umgang mit den verschiedenen Deklinationen feststellbar, so dass Wörter (追記) manchmal (追記ここまで) von einer Deklination in die andere übergehen, (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''noctuum'' für ''noctium,'' ''(追記) īgnīs (追記ここまで)'' für ''(追記) īgnibus (追記ここまで)''(追記) . Häufiger wird auch die [[Pronomen|pronominale]] [[Dativ]]-Endung (追記ここまで) ''(追記) -ī (追記ここまで)'' (追記) durch ''-ō'' ersetzt: ''illō'' (追記ここまで) für ''(追記) illī (追記ここまで).'' Allgemein besteht die Tendenz, Wörter der u-Deklination in die o-Deklination und Wörter der e-Deklination in die (追記) ā (追記ここまで)-Deklination überzuführen, (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(追記) senātus (追記ここまで),-(追記) ī (追記ここまで)'' statt ''(追記) senātus (追記ここまで),-(追記) ūs (追記ここまで)''(追記) (''senati'' steht aber schon bei Sallust), (追記ここまで) ''(追記) magistrātus (追記ここまで),-(追記) ī (追記ここまで)'' statt ''(追記) magistrātus (追記ここまで),-(追記) ūs (追記ここまで)'' oder ''(追記) māteria (追記ここまで)'' für ''(追記) māteria/māteriēs (追記ここまで)'' (=(追記) (追記ここまで)Bauholz), ''effigia'' für ''(追記) effigiēs (追記ここまで)'' (=(追記) (追記ここまで)Bildnis).
* Wechsel des Genus, vor allem „Niedergang" des Neutrums (vgl. romanische Sprachen), (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''cornus'' statt ''(削除) cornu (削除ここまで),'' ''maris'' statt ''mare'' (= das Meer), ''(削除) fatus (削除ここまで)'' statt ''(削除) fatum (削除ここまで),'' ''domus tuus'' statt ''domus tua,'' ''timor (削除) magna (削除ここまで)'' statt ''timor (削除) magnus (削除ここまで).''
* Wechsel des Genus, vor allem „Niedergang" des Neutrums (vgl. romanische Sprachen), (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''cornus'' statt ''(追記) cornū (追記ここまで),'' ''maris'' statt ''mare'' (= das Meer), ''(追記) fātus (追記ここまで)'' statt ''(追記) fātum (追記ここまで),'' ''domus tuus'' statt ''domus tua,'' ''timor (追記) māgna (追記ここまで)'' statt ''timor (追記) māgnus (追記ここまで).''
* (削除) Bei (削除ここまで)(削除) der (削除ここまで)(削除) Steigerung (削除ここまで)(削除) findet (削除ここまで)(削除) sich (削除ここまで)(削除) auch (削除ここまで)(削除) die (削除ここまで)(削除) (romanische (削除ここまで)) (削除) Steigerung (削除ここまで)(削除) mit (削除ここまで) ''(削除) plus (削除ここまで)'' (削除) bzw. (削除ここまで) ''magis(削除) , (削除ここまで)'' (削除) auch vor dem (削除ここまで)(削除) Komparativ (削除ここまで), (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) plus (削除ここまで)/magis nobilis'' und ''(削除) plus (削除ここまで)/magis nobilior.'' Seltener ist die Verwendung eines Komparativs statt des Superlativs, (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''Venit sibi in mente, ut maiorem principem, qui in mundo esset, quæreret.''
* (追記) Mit (追記ここまで) (追記) wenigen (追記ここまで) (追記) Ausnahmen (追記ここまで) (追記) kann (追記ここまで) (追記) (wie (追記ここまで) (追記) in (追記ここまで) (追記) den (追記ここまで) (追記) romanischen (追記ここまで) (追記) Sprachen (追記ここまで)) (追記) jedes (追記ここまで) (追記) Adjektiv durch Voransetzung von (追記ここまで) ''(追記) plūs (追記ここまで)'' (追記) oder (追記ここまで) ''magis'' (追記) gesteigert (追記ここまで) (追記) werden (追記ここまで), (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(追記) plūs (追記ここまで)/magis nobilis'' und(追記) manchmal auch zusammen mit dem [[Synthetischer Sprachbau|synthetischen]] [[Komparation|Komparativ]] (追記ここまで) ''(追記) plūs (追記ここまで)/magis nobilior.'' Seltener ist die Verwendung eines Komparativs statt des Superlativs, (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''Venit sibi in mente, ut maiorem principem, qui in mundo esset, quæreret.''
=== Syntax ===
=== Syntax ===
* Im Mittellateinischen wurde das Pronomen ''ille (illa, illud)'' auch als bestimmter Artikel und das Numerale ''ūnus (ūna, ūnum)'' auch als unbestimmter Artikel gebraucht.<ref>J. F. Niermeyer, ''Mediae Latinitatis Lexicon Minus'', S. 509 (rechte Spalte) u. 1051 (linke Spalte)</ref>
* Die Demonstrativpronomina werden meist nicht mehr so scharf geschieden wie im klassischen Latein. So können ''hic, iste, ipse, idem'' wie ''is'' verwendet werden. Der bestimmte Artikel wird häufig durch ''ille,'' aber auch durch ''ipse'' oder ''iste'' ausgedrückt, der unbestimmte durch ''quidam'' und ''unus.''
* Die Demonstrativpronomina werden meist nicht mehr so scharf geschieden wie im klassischen Latein. So können ''hic, iste, ipse, īdem'' wie ''is'' verwendet werden.
* Die beiden Partizipien ''præfatus'' und ''prædictus'' (eigtl. vorhergenannt) werden als neue Demonstrativpronomina oft wie ''ille'' gebraucht.
* Die beiden Partizipien ''præfātus'' und ''prædictus'' (eigtl. vorhergenannt) werden als neue Demonstrativpronomina oft wie ''ille'' gebraucht.
* Statt der nicht-reflexiven Pronomina stehen die reflexiven, also ''se'' = ''eum,'' ''suus'' = ''eius.''
* Statt der nicht-reflexiven Pronomina stehen oft die reflexiven, also ''sē'' = ''eum,'' ''suus'' = ''eius.''
* Der allmähliche Zerfall des Kasussystems in den romanischen Sprachen kündet sich im Mittellatein dadurch an, dass oft statt eines Kasus eine präpositionale Fügung gesetzt wird, z. B. ''poculum de vino'' für ''poculum vini,'' ''dare aliquid ad aliquem'' für ''dare aliquid alicui.''
* Verben werden(削除) oft (削除ここまで) mit einem anderen Kasus verbunden, (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) adiuvare (削除ここまで),'' ''(削除) iubere (削除ここまで),'' ''(削除) sequi (削除ここまで),'' ''(削除) vetare (削除ここまで)'' + Dat.;(削除) (削除ここまで) ''(削除) frui (削除ここまで),'' ''(削除) uti (削除ここまで),'' ''(削除) fungi (削除ここまで)'' + Akk.
*(追記) Manche (追記ここまで) Verben werden mit einem anderen Kasus verbunden, (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(追記) adiuvāre (追記ここまで),'' ''(追記) iubēre (追記ここまで),'' ''(追記) sequī (追記ここまで),'' ''(追記) vetāre (追記ここまで)'' + Dat.; ''(追記) fruī (追記ここまで),'' ''(追記) ūtī (追記ここまで),'' ''(追記) fungī (追記ここまで)'' + Akk.
* Anstelle eines (削除) AcI (削除ここまで) wird gern ein ''quod''- oder gar ein ''quia''-Satz gesetzt (so aber bereits in der Vulgata(削除) . (削除ここまで)(削除) Überhaupt wuchern die Konjunktionen (削除ここまで) ''(削除) quod (削除ここまで)'' (削除) und (削除ここまで)(削除) ''quia'' (削除ここまで)(削除) und (削除ここまで)(削除) werden zu „Allerweltskonjunktionen" (vgl. französisch und spanisch ''que,'' italienisch ''che'') (削除ここまで).
* Anstelle eines (追記) [[Accusativus cum infinitivo]] (追記ここまで) wird gern ein ''quod''- oder gar ein ''quia''-Satz gesetzt (so aber bereits in der (追記) [[ (追記ここまで)Vulgata(追記) ]]), (追記ここまで) (追記) auch (追記ここまで) ''(追記) quāliter (追記ここまで)''(追記) -Sätze (追記ここまで) (追記) begegnen (追記ここまで) (追記) in (追記ここまで) (追記) dieser (追記ここまで) (追記) Funktion (追記ここまで).
* Die Konjunktion ''dum'' wird oft statt temporalem ''cum'' verwendet.
* Die Konjunktion ''dum'' wird oft statt temporalem ''cum'' verwendet.
* Erzähltempus ist nicht mehr nur Perfekt und Praesens historicum, sondern auch das Imperfekt, ja sogar das Plusquamperfekt. Man gebraucht auch das Präsens anstelle des Futur I und das Perfekt statt Futur II.
* Erzähltempus ist nicht mehr nur Perfekt und Praesens historicum, sondern auch das Imperfekt, ja sogar das Plusquamperfekt. Man gebraucht auch das Präsens anstelle des Futur I und das Perfekt statt Futur II.
* Die cōnsecutiō temporum (Zeitenfolge) wird nicht mehr streng beachtet. So findet sich in Gliedsätzen oft Konjunktiv Plusquamperfekt statt Konjunktiv Imperfekt.
* Die finale Verwendung des Infinitivs, die im klass. Latein selten und meist nur poetisch bezeugt ist, wird häufig, z. B. ''Abiit manducare'' für ''Abiit, ut ederet'' bzw. ''manducatum abiit''.
* Die finale Verwendung des Infinitivs, die im klass. Latein selten und meist nur poetisch bezeugt ist, wird häufig, zum Beispiel ''Abiit mandūcāre'' für ''Abiit, ut ederet'' bzw. ''mandūcātum abiit''.
* Anstelle des Partizip Präsens Aktiv steht oft ein instrumentales Gerundium, z. B. ''loquendo'' für ''loquens'' (vgl. das ital. und span. ''gerundio'' sowie das franz. ''gérondif'').
* Anstelle des [[Partizip Präsens Aktiv]] steht oft ein [[Gerundium]] im [[Ablativ]], zum Beispiel ''loquendō'' für ''loquēns'' (vgl. das ital. und span. ''gerundio'' sowie das franz. ''gérondif'').
=== Vokabular ===
=== Vokabular ===
Das Latein des Mittelalters zeichnet sich durch einen erheblich umfangreicheren Wortschatz aus, der frei aus verschiedenen anderen zeitgenössischen Volkssprachen sowie dem [[Griechische Sprache|Griechischen]] Anleihen macht. (削除) Letztere (削除ここまで)(削除) dient (削除ここまで)(削除) als (削除ここまで)(削除) Hauptquelle, zumal eine große Anzahl (削除ここまで) der frühen christlichen Literatur in dieser Sprache verfasst worden war(削除) . (削除ここまで)(削除) Über (削除ここまで) die griechischen (削除) Sprachkenntnisse (削除ここまで) der mittelalterlichen Gelehrten darf (削除) man (削除ここまで)(削除) sich (削除ここまで)(削除) gleichwohl (削除ここまで)(削除) kein (削除ここまで)(削除) allzu (削除ここまで)(削除) gutes (削除ここまで)(削除) Bild (削除ここまで)(削除) machen (削除ここまで).
Das Latein des Mittelalters zeichnet sich durch einen erheblich umfangreicheren Wortschatz aus, der(追記) einerseits durch lateinische Neubildungen mithilfe von [[Präfix]]en und [[Suffix]]en sowie [[Semantik|semantische]] Fortbildungen bereichert wird, andererseits (追記ここまで) frei aus verschiedenen anderen zeitgenössischen Volkssprachen sowie dem [[Griechische Sprache|Griechischen]] Anleihen macht. (追記) Da (追記ここまで) (追記) ein (追記ここまで) (追記) großer (追記ここまで) (追記) Teil (追記ここまで) der frühen christlichen Literatur in dieser Sprache verfasst(追記) worden und auch in der lateinischen Bibelübersetzung mancher griechische Ausdruck beibehalten (追記ここまで) worden war(追記) , (追記ここまで) (追記) war griechisches Wortmaterial bereits in der Spätantike in erheblichem Umfang in (追記ここまで) die(追記) lateinische Sprache aufgenommen worden. Wenn man sich auch von den (追記ここまで) griechischen (追記) Sprachkenntnissen (追記ここまで) der(追記) meisten (追記ここまで) mittelalterlichen Gelehrten(追記) keine übertriebenen Vorstellungen machen (追記ここまで) darf(追記) , (追記ここまで) (追記) so (追記ここまで) (追記) waren (追記ここまで) (追記) sie (追記ここまで) (追記) doch (追記ここまで) (追記) in (追記ここまで) (追記) der (追記ここまで) (追記) Lage, (追記ここまで) (追記) anhand griechisch-lateinischer [[Glossar]]e oder [[Bilingue]]n weitere Neubildungen vorzunehmen (追記ここまで).
Eine weitere Quelle waren die Sprachen der germanischen Völker, die im westlichen Europa die Nachfolge der Römer antraten.
Eine weitere Quelle waren die Sprachen der germanischen Völker, die in [[Mitteleuropa]] die Nachfolge der Römer antraten.
Weiterhin wurden viele klassische lateinische Vokabeln, die nicht mehr im Gebrauch waren, durch Wortneubildungen auf der Basis des [[Vulgärlatein]]s und der [[Germanische Sprachen|germanischen Sprachen]] ersetzt.
Weiterhin wurden viele klassische lateinische Vokabeln, die nicht mehr im Gebrauch waren, durch Wortneubildungen auf der Basis des [[Vulgärlatein]]s und der [[Germanische Sprachen|germanischen Sprachen]] ersetzt.
'''Beispiele'''
'''Beispiele'''
* Allzu kurze Wörter werden durch längere (und oft regelmäßigere) ersetzt, (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) ire (削除ここまで)'' durch ''vadere,'' ''ferre'' durch ''(削除) portare (削除ここまで),'' ''(削除) flere (削除ここまで)'' durch ''(削除) plorare (削除ここまで),'' ''equus'' durch ''caballus,'' ''(削除) os (削除ここまで)'' durch ''bucca'' und ''(削除) res (削除ここまで)'' durch ''causa;''
* Allzu kurze Wörter werden durch längere (und oft regelmäßigere) ersetzt, (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(追記) īre (追記ここまで)'' durch ''vadere,'' ''ferre'' durch ''(追記) portāre (追記ここまで),'' ''(追記) flēre (追記ここまで)'' durch ''(追記) plōrāre (追記ここまで),'' ''equus'' durch ''caballus,'' ''(追記) ōs (追記ここまで)'' durch ''bucca'' und ''(追記) rēs (追記ここまで)'' durch ''causa;''
* (削除) (削除ここまで)Besonders oft verdrängen sogenannte ''Intensiva'' auf ''-(削除) tare (削除ここまで)'' das zugrunde liegende (削除) Wort (削除ここまで), (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) adiutare (削除ここまで)'' statt ''(削除) adiuvare (削除ここまで),'' ''(削除) cantare (削除ここまで)'' statt ''canere'' und ''(削除) natare (削除ここまで)'' statt ''(削除) nare (削除ここまで).''
* Besonders oft verdrängen sogenannte ''Intensiva'' auf ''-(追記) tāre (追記ここまで)'' das zugrunde liegende (追記) [[Verb]] (追記ここまで), (追記) zum (追記ここまで) (追記) Beispiel (追記ここまで) ''(追記) adiutāre (追記ここまで)'' statt ''(追記) adiuvāre (追記ここまで),'' ''(追記) cantāre (追記ここまで)'' statt ''canere'' und ''(追記) nātāre (追記ここまで)'' statt ''(追記) nāre (追記ここまで).''
* (削除) Bei (削除ここまで)(削除) den (削除ここまで)(削除) Nomina (削除ここまで)(削除) werden (削除ここまで)(削除) sehr (削除ここまで)(削除) oft (削除ここまで)(削除) Diminutiva (削除ここまで)(削除) gebraucht (削除ここまで), (削除) z. (削除ここまで)(削除) B. (削除ここまで) ''(削除) auricula (削除ここまで)'' (削除) statt (削除ここまで) ''(削除) auris (削除ここまで)'' (削除) (vgl. (削除ここまで)(削除) franz. (削除ここまで) ''(削除) oreille, (削除ここまで)'' (削除) ital. (削除ここまで) ''(削除) orecchio (削除ここまで)''), ''(削除) geniculum (削除ここまで)'' (削除) statt (削除ここまで) ''(削除) genu (削除ここまで)'' (vgl. franz. ''(削除) genou, (削除ここまで)'' ital. ''(削除) ginocchio (削除ここまで)'')(削除) und (削除ここまで) ''(削除) vetulus (削除ここまで)'' (削除) statt (削除ここまで)(削除) ''vetus'' (削除ここまで) (vgl. franz. ''(削除) vieux (削除ここまで),'' (削除) ital. (削除ここまで) ''(削除) vecchio (削除ここまで)''(削除) ) (削除ここまで).
* (追記) Oft (追記ここまで) (追記) bekommen (追記ここまで) (追記) aus (追記ここまで) (追記) der (追記ここまで) (追記) Antike (追記ここまで) (追記) übernommene (追記ここまで) (追記) Wörter (追記ここまで) (追記) neue Bedeutungen: ''breve'' der Brief (追記ここまで), (追記) die (追記ここまで) (追記) Urkunde, (追記ここまで) ''(追記) convertere (追記ここまで)'' (追記) und (追記ここまで) ''(追記) convertī (追記ここまで)'' (追記) ins (追記ここまで) (追記) Kloster gehen, (追記ここまで) ''(追記) corpus (追記ここまで)'' (追記) die Hostie, (追記ここまで) ''(追記) plēbs (追記ここまで)''(追記) die (christliche (追記ここまで))(追記) Gemeinde (追記ここまで), ''(追記) homō (追記ここまで)'' (追記) der Untergebene, (追記ここまで) ''(追記) comes (追記ここまで)''(追記) der Graf (追記ここまで) (vgl. franz. ''(追記) comte (追記ここまで)''(追記) , (追記ここまで) ital. ''(追記) conte (追記ここまで)'')(追記) , (追記ここまで) ''(追記) dux (追記ここまで)'' (追記) der (追記ここまで) (追記) Herzog (追記ここまで) (vgl. franz. ''(追記) duc'') (追記ここまで),(追記) ''nōbilis (追記ここまで)'' (追記) der Freie, (追記ここまで) ''(追記) advocātus (追記ここまで)''(追記) der Vogt (追記ここまで).
* Es werden auch zahlreiche neue Wörter geschaffen oder entlehnt: ''bannus'' (zu dt. Bann) die Gerichtsbarkeit, ''lēgista'' der Jurist, ''camis(i)a'' das Hemd; vgl. den Titel ''[[De ente et essentia]]''.
* Oft bekommen aus der Antike übernommene Wörter neue Bedeutungen: ''breve'' der Brief, die Urkunde, ''convertere'' und ''converti'' ins Kloster gehen, ''corpus'' die Hostie, ''plebs'' die (christliche) Gemeinde (vgl. rätoromanisch-sursilvan: ''la pleiv''), ''homo'' der Untergebene, ''comes'' der Graf (vgl. franz. ''comte'', ital. ''conte''), ''dux'' der Herzog (vgl. franz. ''duc''), ''nobilis'' der Freie, ''advocatus'' der Vogt;
* Es werden auch zahlreiche neue Wörter geschaffen: ''plebanus'' (zu ''plebs'') der Priester (vgl. rätoromanisch-sursilvan ''il plevon''), ''bannus'' (zu dt. Bann) die Gerichtsbarkeit, ''legista'' der Jurist, ''camis(i)a'' das Hemd
== Mittellateinische Literatur ==
{{Hauptartikel|Mittellateinische Literatur}}
=== Literaturgattungen ===
Die mittellateinischen Schriftsteller und Dichter trachteten danach, eine Literatur hervorzubringen, deren Blick weniger auf die Antike als vielmehr auf die Gegenwart mit all ihren tiefgreifenden sozialen, kulturellen und politischen Umwälzungen gerichtet war. Die literarischen Gattungen, die gepflegt wurden, sind zahllos. Zu den traditionellen Gattungen (wie [[Geschichtsschreibung]], [[Biografie]], [[Brief]], [[Epos]], [[Lehrgedicht]], [[Lyrik]], [[Satire]] und [[Fabel]]) kommen neue hinzu, wie die [[Hagiographie|Heiligenlegende]], der [[Reliquientranslation|Translationsbericht]], die [[Mirakelbuch|Mirakelsammlung]], der [[Visionsliteratur]], die [[Homilie]], das [[Figurengedicht]], der [[Hymne|Hymnus]] und die [[Sequenz (Liturgie)|Sequenz]], die [[Rätsel]]dichtung.
Eine große Bedeutung kam natürlich der religiösen Literatur zu. Sie umfasst sowohl [[Prosa]] als auch poetische Werke und hatte teils ein breiteres Publikum, teils die gebildeten Eliten als Zielpublikum. An eine breite Leserschaft richteten sich die populären Fassungen von Heiligenlegenden (zum Beispiel die [[Legenda aurea]] von [[Jacobus de Voragine]]), Wundergeschichten und andere ''[[Beispiel|Exempla]]'' (zum Beispiel die Werke von [[Caesarius von Heisterbach]]). Zum Teil wurden solche Werke schon früh in die Volkssprachen übersetzt und erreichten ihr Publikum auch auf dem Umweg über Predigten, für die sie als Materialsammlungen dienten. Theologische Traktate, Bibelkommentare und die meisten poetischen Werke hatten ihren Ort vor allem im Schulbetrieb, zum Teil auch in der Hofgesellschaft und in der Umgebung gebildeter Bischöfe.
Das antike [[Drama]] hat zunächst keine Fortsetzung erfahren, da es an die Voraussetzung der [[Stadt#Die Entwicklung der Stadt in Europa|antiken Stadtkultur]] gebunden war und vom Christentum aufgrund seiner Verbindung mit dem heidnischen Kult abgelehnt wurde. Vereinzelt stehen die Dramen der [[Hrotsvit|Hrotswith von Gandersheim]] als kontrastimitative Auseinandersetzung mit dem Vorbild des [[Terenz]]. Weit verbreitet ist die [[Parodie]] (in der Antike nur durch wenige Beispiele vertreten). Neue Formen sind das [[Geistliches Spiel|geistliche Spiel]] und die vom antiken Drama ganz unabhängige [[Commedia dell’arte|Comedia]].
Für die Dichtung stehen zwei grundsätzlich verschiedene Verstechniken zur Verfügung und werden nicht selten vom selben Autor wahlweise verwendet: die in der antiken Tradition weitergeführte metrische Technik, die sich an den Silbenlängen (Quantität) ausrichtet, und die aus der volkssprachigen Dichtung stammende Technik, bei der die Silbenzahl und die geregelte Abfolge der Betonungen (Akzente) den Vers strukturieren. Die metrische Dichtung steht auch stilistisch in der Tradition der antiken Dichtersprache, da ihre Beherrschung die intensive Auseinandersetzung mit klassischen Vorbildern wie [[Vergil]] und [[Ovid]] sowie den christlichen Dichtern der Spätantike voraussetzt. Überbietungsphänomene sind hier bei manchen Autoren der Verzicht auf die [[Synaloiphe]] und der Einsatz des Reims, vor allem der sogenannte [[Leoninischer Hexameter|leoninische Hexameter]]. Die Anfänge der akzentrhythmischen Technik stehen in engem Zusammenhang mit der [[Musik des Mittelalters]], denn es handelt sich hier fast ausnahmslos um vertonte Dichtung.
Prosa und Vers werden je nach Anlass und Zielpublikum eingesetzt, weitgehend unabhängig vom Thema. Formtypen, die Prosa und Vers in unterschiedlicher Weise kombinieren, sind [[Opus geminum]] und [[Prosimetrum]]. In der Prosa setzt sich gegenüber der quantitierenden die akzentrhythmische Klausel, der [[Cursus (Rhythmik)|Cursus]], durch. Außerdem begegnet die [[Reimprosa]].<ref>Vgl. [[Karl Polheim]]: ''Die lateinische Reimprosa'', Berlin 1925</ref><ref>Henrike Lähnemann: Reimprosa und Mischsprache bei Williram von Ebersberg. Mit einer kommentierten Ausgabe und Übersetzung seiner 'Aurelius-Vita'. In: ''Deutsche Texte der Salierzeit – Neuanfänge und Kontinuitäten im 11. Jahrhundert'', hg. von Stephan Müller und Jens Schneider, München 2010 (Mittelalter Studien 20), S. 205–237 ([https://www.academia.edu/12958901/Reimprosa_und_Mischsprache_bei_Williram_von_Ebersberg Open Acces Preprint]).</ref>
=== Bedeutung ===
Die [[mittellateinische Literatur]] steht zeitlich vor der volkssprachigen Literatur und hat diese auch nachhaltig beeinflusst: Dichter wie zum Beispiel [[Dante Alighieri]] oder [[Francesco Petrarca]] in Italien, die zum Teil noch in Latein dichteten, übertrugen Inhalte und Stil auch auf ihre italienisch geschriebenen Werke.
Die germanischen Literaturen erscheinen im Licht des heute Überlieferten sogar noch unselbständiger und weisen bis ins 12. Jahrhundert fast ausschließlich aus dem Lateinischen mehr oder weniger genau übersetzte Texte auf. Die stark von der kirchlichen Mittelmeertradition abweichende germanische Volks- und Heldendichtung war nach der Einführung des Christentums zuerst nicht mehr gepflegt worden und wurde bald verboten. Trotz vieler mittelbarer Hinweise auf ihren einstigen Reichtum wurde sie nur in den seltensten Fällen für die Nachwelt gerettet – von Mönchen. Allein in England, dessen Kultur sich in den ersten Jahrhunderten nach der Konversion recht frei von Bevormundung durch kontinentale Strömungen entfaltete (6.—9. Jahrhundert), entstand bereits im frühen Mittelalter eine Buchliteratur in der Volkssprache, deren ältestes Zeugnis das Stabreimepos ''[[Beowulf]]'' ist. Ähnliche Hinterlassenschaften aus dem Frankenreich, die zeitgenössische Geschichtsschreiber erwähnen, sind verlorengegangen.
Natürlich hat umgekehrt auch die Volksdichtung stark auf die mittellateinische Literatur gewirkt. Seit etwa dem 12. Jahrhundert gibt es sogar – zum Beispiel in den [[Carmina Burana]] – zahlreiche Gedichte, die teils lateinisch, teils auf Deutsch geschrieben sind.
Ausgehend von den antiken Voraussetzungen (Illustrationen in Fachliteratur, Dichtung, Bibel) entstehen seit der [[Karolingische Renaissance|karolingischen Renaissance]] zunehmend bebilderte Werke, deren Illustration in Einzelfällen auf den Autor selbst zurückgeführt werden kann. Literaturproduktion und [[Buchmalerei]] stehen daher in einem engen Zusammenhang.
* [[Ekkehard I. (St. Gallen)|Ekkehart I. von St. Gallen]]
* [[Flodoard von Reims]]
'''10. Jahrhundert'''
* [[Hrotsvit]]
* [[Roswitha von Gandersheim]]
* [[Liutprand von Cremona]]
* [[Rather von Verona]]
'''11. Jahrhundert'''
* [[(削除) Hermann (削除ここまで) von (削除) Reichenau (削除ここまで)]]
* [[(追記) Regino (追記ここまで) von (追記) Prüm (追記ここまで)]]
* [[Richer von Reims]]
* [[Widukind von Corvey]]
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<!-- 11. Jhdt. -->
* [[Adam von Bremen]]
* [[Anselm von Canterbury]]
* [[Anselm von Canterbury]]
* [[Brun von Querfurt]]
* [[Ekkehard IV. (St. Gallen)]]
'''12. Jahrhundert'''
* [[Frutolf von Michelsberg]]
* [[Hermann von Reichenau]]
* [[Lampert von Hersfeld]]
* [[Otloh von St. Emmeram]]
* [[Rodulfus Glaber]]
* [[Sigebert von Gembloux]]
* [[Thietmar von Merseburg]]
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!12. Jahrhundert
!13. Jahrhundert
!14. Jahrhundert
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<!-- 12. Jhdt. -->
* [[Hildegard von Bingen]]
* [[Petrus Abaelardus]]
* [[Petrus Abaelardus]]
* [[Bernhard von Clairvaux]]
* [[Bernhard von Clairvaux]]
Zeile 112:
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* [[Archipoeta]]
* [[Archipoeta]]
* [[Petrus von Blois]]
* [[Petrus von Blois]]
* [[Walter von (削除) Chatillon (削除ここまで)]]
* [[Walter von (追記) Châtillon (追記ここまで)]]
* [[Walter Map]]
* [[Walter Map]]
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<!-- 13. Jhdt. -->
'''13. Jahrhundert'''
* [[Thomas von Celano]]
* [[Thomas von Celano]]
* [[Johannes de Garlandia]]
* [[(追記) Johannes de Garlandia (Grammatiker)| (追記ここまで)Johannes de Garlandia]]
* [[Albertus Magnus]]
* [[Albertus Magnus]]
* [[Caesarius von Heisterbach]]
* [[Caesarius von Heisterbach]]
* [[Thomas von Aquin]]
* [[Thomas von Aquin]]
* [[Johannes Duns Scotus]]
* [[Johannes Duns Scotus]]
* [[Jacobus de Voragine]]
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'''14. Jahrhundert'''
<!-- 14. Jhdt. -->
* [[Wilhelm von Ockham]]
* [[Wilhelm von Ockham]]
* [[Konrad von Megenberg]]
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== Literatur ==
* Brunhölzl, Franz: ''Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters''. München: Fink 1975-1992 (2 Bde.). Behandelt die Zeit von Cassiodor bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts.
* Manitius, Max: ''Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters''. München 1911-1923 (3 Bde.; [[Handbuch der Altertumswissenschaft]] 9,2)
* Stotz, Peter: ''Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters''. München 1996-2004 (5 Bde.; [[Handbuch der Altertumswissenschaft]] 2,5)
* [http://ducange.enc.sorbonne.fr/ Glossarium ad scriptores mediæ et infimæ latinitatis (Ecole des chartes)]
* {{Webarchiv | url=http://www.mls.uzh.ch/documenta/online/sprache.html | wayback=20130403153657 | text=Peter Stotz: Die lateinische Sprache im Mittelalter}}
* [http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak9/mlat/einleitung.html Walter Berschin: Einleitung in die Lateinische Philologie des Mittelalters]
* [http://www.orbilat.com/Languages/Latin_Medieval/Dag_Norberg/index.html Dag Norberg: Manuel pratique de latin médiéval] (englisch)
== Literatur ==
* [[Johann Jakob Bäbler]]: ''Beiträge zu einer Geschichte der lateinischen Grammatik im Mittelalter.'' Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1885.
* [[Walter Berschin]]: ''Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters (Mittellatein). Eine Vorlesung.'' Hrsg. von [[Tino Licht]]. Mattes, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-86809-063-5 (Gesamteinführung).
* [[Bernhard Bischoff]]: ''Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters'' (''Grundlagen der Germanistik'' 24). Erich Schmidt, Berlin 1979, ISBN 3-503-01282-6 (Einführungswerk zur Paläographie des lateinischen Mittelalters).
* [[Franz Brunhölzl]]: ''Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters.'' 3 Bände. Fink, München 1975–2009,
** Band 1: ''Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung.'' 1975, ISBN 3-7705-1113-1 ([https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00049324_00001.html online]).
** Band 2: ''Die Zwischenzeit vom Ausgang des karolingischen Zeitalters bis zur Mitte des elften Jahrhunderts.'' 1992, ISBN 3-7705-2614-7 ([https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00049326_00001.html?leftTab=mlt online]).
** Band 3: ''Vielfalt und Blüte. Von der Mitte des elften bis zum Beginn des dreizehnten Jahrhunderts.'' 2009, ISBN 978-3-7705-4779-1.
* [[Ernst Robert Curtius]]: ''Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter.'' 2., durchgesehene Auflage. Francke, Bern 1954 (Nachschlagewerk zur Literaturgeschichte).
* Monique Goullet, [[Michel Parisse]]: ''Lehrbuch des mittelalterlichen Lateins. Für Anfänger.'' Aus dem Französischen übertragen und bearbeitet von [[Helmut Schareika]]. Buske, Hamburg 2010, ISBN 978-3-87548-514-1 (Lehrbuch, das keine Kenntnisse des klassischen Lateins voraussetzt).
* [[Gustav Gröber]]: ''Übersicht über die lateinische Litteratur von der Mitte des 6. Jahrhunderts bis 1350.'' In: Derselbe (Hrsg.): ''Grundriss der Romanischen Philologie.'' Band 2, Abteilung 1. Karl J. Trübner, Straßburg 1902, S. 97–432 (Nachdrucke des Beitrags: München 1963; München 1974).
* [[Udo Kindermann]]: ''Einführung in die lateinische Literatur des mittelalterlichen Europa.'' Brepols, Turnhout 1998, ISBN 2-503-50701-8.
* [[Paul Klopsch]]: ''Einführung in die mittellateinische Verslehre.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1972, ISBN 3-534-05339-7.
* [[Karl Langosch]]: ''Lateinisches Mittelalter. Einleitung in Sprache und Literatur.'' 5. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03019-2 (''Das lateinische Mittelalter''), (Einführung in die Besonderheiten des mittelalterlichen Latein).
* [[Elias Avery Lowe|Elias A. Lowe]]: ''Codices Latini Antiquiores. A Paleographical Guide To Latin Manuscripts Prior To The Ninth Century.'' 11 Bände. Oxford 1934–1966 (Tafelwerke zur Paläographie).
* [[Max Manitius]]: ''Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters.'' 3 Bände. München 1911–1931 (''[[Handbuch der Altertumswissenschaft]]'' 9, 2), (Nachschlagewerk zur Literaturgeschichte). Bd. 1 ({{ULBDD|urn:nbn:de:hbz:061:1-112334}}), Bd. 2 ({{ULBDD|urn:nbn:de:hbz:061:1-111626}}), Bd. 3 ({{ULBDD|urn:nbn:de:hbz:061:1-112080}})
* [[Alf Önnerfors]] (Hrsg.): ''Mittellateinische Philologie. Beiträge zur Erforschung der mittelalterlichen Latinität.'' Darmstadt 1975 (= ''Wege der Forschung.'' Band 292).
* Franz Steffens: ''Lateinische Paläographie.'' 2., vermehrte Auflage, Trier 1909 (125 Tafeln mit Transkription, Erläuterungen und systematischer Darstellung der Entwicklung der lateinischen Schrift; [http://www.paleography.unifr.ch/schrifttafeln.htm online]).
* [[Peter Stotz]]: ''Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters'' (''[[Handbuch der Altertumswissenschaft]]'' 2, 5). 5 Bände. C.H. Beck, München 1996–2004 (unter anderem eine Sprachgeschichte und Grammatik).
* [[Ludwig Traube (Philologe)|Ludwig Traube]]: ''Vorlesungen und Abhandlungen.'' Band 2: ''Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters.'' Herausgegeben von [[Paul Lehmann (Altphilologe)|Paul Lehmann]]. Beck, München 1911 (Einführung in die mittellateinische Philologie von einem der Begründer des Universitätsfachs Mittellatein).
== Wörterbücher ==
Ein umfassendes, vollständiges modernes Wörterbuch der mittellateinischen Sprache existiert bisher nicht. Grundlage der lexikalischen Arbeit<ref>Vgl. Teja Erb: ''Geschichte, Konzepte und Perspektiven der mittellateinischen Lexikographie im deutschen Sprachraum.'' In: ''Das Altertum.'' Band 47, 2002, S. 13–35.</ref> sind zunächst einmal die Wörterbücher des klassischen Latein wie der ''[[Thesaurus Linguae Latinae]]'' (bisher erschienen sind die Bände I-X 2, fasc.1-14, bis ''protego''), Karl Ernst Georges’ ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch sowie das Oxford Latin Dictionary. Für ausschließlich mittellateinisch gebräuchliche Wörter oder Bedeutungen sind darüber hinaus heranzuziehen:
;Alte umfassende und Handwörterbücher
* [[Charles du Fresne, sieur du Cange]] u. a.: ''[[Glossarium ad scriptores mediae et infimae latinitatis]]'' (einsprachig), zuerst 1678 ([http://ducange.enc.sorbonne.fr/ Glossarium ad scriptores mediæ et infimæ latinitatis], Niort: L. Favre, 1883–1887, [[École nationale des chartes]]).
* [[Lorenz Diefenbach]]: ''Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis'', Joseph Baer, Frankfurt am Main 1857; Neudrucke Darmstadt 1968 ([http://books.google.com/books?id=2J8-AAAAcAAJ Faksimiles] bei [[Google Books]]) und 1997.
* Lorenz Diefenbach: ''Novum glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis'', Sauerländer, Frankfurt am Main 1867 ([http://www.archive.org/search.php?query=creator%3Adiefenbach%20title%3A%22glossarium%20latino-germanicum%22 Faksimiles] im [[Internet Archive]]); Neudrucke Aalen 1964 und 1997.
;Moderne Handwörterbücher
* [[Albert Blaise]]: ''Lexicon latinitatis Medii Aevi'', praesertim ad res ecclesiasticas investigendas pertinens, CC Cont.med., Turnhout 1975.
* Albert Blaise: ''Dictionnaire latin-français des auteurs chrétiens'', Turnhout 1954.
* Edwin Habel: ''Mittellateinisches Glossar.'' Mit einer Einführung von Heinz-Dieter Heimann. Hrsg. von Friedrich Gröbel, 2. Auflage Paderborn/München/Wien/Zürich 1959; Nachdruck (mit neuer Einführung) 1989 (= ''Uni-Taschenbücher'', 1551).
* Friedrich A. Heinichen: ''Lateinisch-Deutsch zu den klassischen und ausgewählten mittelalterlichen Autoren.'' Stuttgart 1978 (mehrere Nachdrucke, zum Beispiel als Pons-Globalwörterbuch).
;Jüngere umfassendere Wörterbücher
* [[Otto Prinz]], Johannes Schneider u. a. (Hrsg.): ''[[Mittellateinisches Wörterbuch]] bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert''. Beck, München 1954ff. (in Erarbeitung, soll den Wortgebrauch bis Ende 13. Jahrhundert erfassen).
* [[Franz Blatt]] (Hrsg.): ''Novum Glossarium mediae latinitatis ab anno DCCC usque ad annum MCC'', Kopenhagen 1957ff. (in Erarbeitung, beginnt mit „L").
* [[Jan Frederik Niermeyer]]: ''Mediae latinitatis lexicon minus'' (''Lexique latin médiéval – Medieval Latin Dictionary – Mittellateinisches Wörterbuch''). Hrsg. von Co van de Kieft, Leiden [1954-]1976, Neudruck ebd. 2002 (nur wenige Quellenangaben).
;Speziellere Wörterbücher und Wortlisten
* J. W. Fuchs, Olga Weijers (Ggg.): ''Lexicon latinitatis Nederlandicae Medii Aevi'', Leiden 1977ff. (in Erarbeitung, bisher A bis Stu).
* R[onald] E[dward] Latham: ''Revised medieval Latin wordlist from British and Irish sources.'', London 1965; Neudrucke ebenda 1965, 1973 und öfter.
* R.E. Latham: ''Dictionary of Medieval Latin from British Sources'', London 1975ff.
* ''Lexicon mediae et infimae latinitatis Polonorum'', Warschau 1953ff. (in Erarbeitung, bisher A bis Q).
* ''Latinitatis Medii Aevi lexicon Bohemorum'', Prag 1977ff.
== Zeitschriften ==
* [[Mittellateinisches Jahrbuch]]. Begründet von Karl Langosch, zurzeit herausgegeben von Carmen Cardelle (et al.), Stuttgart 1964ff.
* The Journal of Medieval Latin. Herausgegeben im Auftrag der North American Association of Medieval Latin, Turnhout 1991ff.
Seite mit mittellateinischem Text aus den Carmina Cantabrigiensia (Cambridge University Library, Gg. 5. 35), 11. Jhd.
Unter dem Begriff Mittellatein oder mittellateinische Sprache werden die vielfältigen Formen der lateinischen Sprache des europäischen Mittelalters (etwa 6. bis 15. Jahrhundert) zusammengefasst. Eine genaue Abgrenzung einerseits vom vorausgehenden Spätlatein (Latein der Spätantike) und andererseits vom in der Renaissance aufkommenden Neulatein der Humanisten ist nicht möglich.
Ausgehend von der Literatursprache der spätantiken Kaiserzeit, der Sprache der Jurisprudenz und der Kirchenväter, zuweilen, jedoch keineswegs durchgängig, beeinflusst von den romanischen Sprachen oder der jeweiligen Muttersprache des Autors, aber entgegen verbreiteten Vorurteilen („Küchenlatein") immer wieder auch im Kontakt mit der antiken Literatur der klassischen Periode, insbesondere der Dichtung, entstand ein äußerst heterogenes Sprachmaterial, das die ganze Spannbreite von umgangssprachlicher, kolloquialer, pragmatischerDiktion bis zu hochrhetorischer oder dichterischer Stilisierung auf höchstem Niveau umfasst und in seinen Spitzenerzeugnissen den Vergleich mit der antiken, viel stärker durch die Selektion des Überlieferungsprozesses gefilterten Literaturproduktion genauso wenig zu scheuen braucht wie den mit der gleichzeitigen oder späteren volkssprachigen Literaturproduktion.
Als sich die Schriftsteller zu Beginn des Mittelalters mit Antike und Christentum befassten, stand ihnen in der Romania, also in dem Gebiet, in dem sich das Latein als Umgangssprache hatte festsetzen können, nur das Latein als ausgebildete Schrift- und Buchsprache zur Verfügung; die romanischen Buchliteraturen sollten sich erst im späteren Mittelalter (ca. ab 12./13. Jh.) herausbilden. Auch die Germania vermochte mit keiner geeigneteren Schriftsprache aufzuwarten, als es das Latein war, zumal die germanischen Sprachen eine von der Mittelmeerwelt ganz abweichende Kultur und (meist mündliche) Überlieferung entwickelt hatten. Da außerdem der Geistliche, der damals zugleich der Schreibende war, täglich von Berufs wegen mündlich und schriftlich mit jenem Latein umging, das er als die Sprache der Bibel, ihrer Exegese, der christlichen Dogmatik und der Liturgie vorfand, lag es nahe, dass man diese Sprache als Schriftsprache übernahm.
Dieses Mittellatein entstand aus der spätantiken Latinität.[1] Es unterscheidet sich deshalb in zahlreichen Punkten vom klassischen Latein. Die Abweichungen von der klassischen Norm haben verschiedene Ursachen:
Neben dem Latein als Schrift- und Bildungssprache haben sich in der Romania allmählich verschiedene Volkssprachen entwickelt, die alle Weiterentwicklungen des sogenannten Vulgärlateins sind. Jeder Verfasser von Texten lässt nun Elemente der eigenen Muttersprache in seine Schriftsprache einfließen. Dies gilt auch für Personen nicht-romanischer Zunge. Das Ausmaß solcher Einflüsse hängt natürlich in starkem Maße von der Ausbildung des jeweiligen Verfassers ab. Aufs Ganze gesehen halten sich die volkssprachlichen und vulgärlateinischen Einflüsse, zumal solche, die nicht durch das Bibellatein vermittelt sind, jedoch in Grenzen. Daher zerfällt das Mittellatein trotz einiger identifizierbarer nationaler Besonderheiten nicht in Dialekte oder Regionalsprachen, sondern weist eine horizontale Gliederung nach Stilniveau und Gattungen auf. Weniger ausgeprägt in Morphologie und Syntax, deutlich dagegen in der Wortbildung, lassen sich innerhalb des Mittellateins epochenspezifische Entwicklungen beobachten.
Da das Latein – trotz aller sprachlichen Kompetenz und Differenzierungsfähigkeit vieler Schriftsteller – für alle eine erlernte Sprache ist, kommt es (vor allem in der Syntax) zu Tendenzen allmählicher Vereinfachung. Typisch lateinische Erscheinungen werden, vor allem wenn sie in den romanischen Sprachen bereits aufgegeben worden sind oder in der jeweiligen Muttersprache nicht existieren, aufgegeben oder zumindest seltener benutzt, so zum Beispiel der AcI, der Ablativus absolutus und die Vielfalt und Verschachtelung der Nebensätze. Das Ausmaß, in dem diese Tendenzen beim einzelnen Autor wirksam werden, ist, z. T. epochenabhängig, sehr unterschiedlich. Auch gegenläufige Tendenzen wie Hyperurbanismen oder Manierismus sind häufig zu beobachten.
Das Latein war durch das ganze Mittelalter hindurch eine lebendige Sprache, die in den gebildeten Schichten nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich fließend beherrscht wurde, wozu auch die aktive Beherrschung der Verse und Metrik gehörte. Alle, die über eine gewisse Bildung verfügten, waren also zweisprachig: Sie sprachen zum einen ihre jeweilige Muttersprache, zum andern Latein, das deshalb oft auch als „Vatersprache" des Mittelalters bezeichnet wird. Wie bereits gesagt, breitete sich das Mittellatein weit über die Grenzen des Römischen Reiches aus, so bis nach Ostdeutschland, Jütland, auf die dänischen Inseln, nach Schweden, Norwegen und Island, auch in die slawischen Gebiete bis ins eigentliche Russland hinein und nach Ungarn und Finnland.
Die „Muttersprachlichkeit" äußerte sich darin, dass man antike Wörter mit neuen Bedeutungen ausstattete, neue Ableitungen und Wörter bildete und überhaupt mit der Sprache wie mit einer Muttersprache, die sich ja auch ständig wandelt, umging, ohne allerdings je die Vorbilder der klassischen Zeit zu vergessen, denen man immer verpflichtet blieb.
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www.sglp.uzh.ch/static/MLS/files/Roelli_-_Neulatein.pdf: „Erst im 18. Jh. fangen diese [volkssprachliche Literaturen] (ausgehend von der französischen) an das Latein zu verdrängen." Demnach sollten eher der Aufstieg der Volkssprachen und die Aufklärung für das „Sterben" des Lateins verantwortlich sein als die Abkehr vom Mittellatein und die Rückkehr zum klassischen Latein.
Das Ende bereiteten dem Mittellatein nicht die Volkssprachen, sondern der Renaissance-Humanismus und das durch ihn hervorgerufene sogenannte Neulatein, das sich im 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts allmählich durchsetzte. Das Neulatein war durch eine strengere Orientierung am klassischen Latein gekennzeichnet. Wenige klassische Autoren, besonders Cicero und Vergil, galten als Vorbilder. Durch diese rückwärtsgewandte Normierung wurde die lebendige Sprachentwicklung gelähmt, der Gebrauch der lateinischen Sprache im Alltag wurde erschwert. Die Virtuosität einiger Autoren täuscht darüber hinweg, dass die mangelnde Flexibilität des Neulateinischen insgesamt zu einer sprachlichen Verarmung führte. So haben gerade die leidenschaftlichsten Verfechter und Liebhaber des Lateinischen, die Humanisten, durch ihren Kampf gegen das nach ihrer Ansicht barbarische Mittellatein und ihr Insistieren auf die Norm der klassischen Antike wesentlich zur Verdrängung der lateinischen Sprache beigetragen. Erst in dieser Zeit beginnt das Latein als Sprache der Bildung und Politik zu erstarren und zu „sterben".
Merkmale des Mittellateins und Abweichungen vom klassischen Latein
Die Darstellung der Phonetik des Mittellatein stößt vor allem aus drei Gründen auf erhebliche Schwierigkeiten, erstens den Zeitraum von rund 1000 Jahren, innerhalb dessen es zu erheblichen Veränderungen kam, zweitens die räumliche Erstreckung über große Teile Europas und die damit verbundene regionale Beeinflussung durch die verschiedensten in diesem Großraum verwendeten Volkssprachen und drittens die Schwierigkeit ihrer Rekonstruktion ausschließlich aus den handschriftlichen Zeugnissen und den Interferenzen mit den Volkssprachen.[2] Eine einheitliche Aussprache konnte es unter diesen Umständen nicht geben. Trotzdem lassen sich einige allgemeingültige Aussagen machen.[3]
Der bereits für die antike Umgangssprache belegte phonetische Zusammenfall der Diphthongeae mit ĕ und oe mit ē führt früh zu orthographischen Konsequenzen. Das a wird zunächst, vor allem in der Kursive, subskribiert, später entwickelt sich die sogenannte e caudata, das e mit einem Schwänzchen als Unterlänge (ę). Seit dem 12. Jh. werden æ und œ meist durch einfaches e wiedergegeben, zum Beispiel precepit für præcēpit,insule für īnsulæ,amenus für amœnus. Dazu kommen umgekehrte („hyperkorrekte") Schreibungen wie æcclesia statt ecclēsia,fœtus statt fētus und cœlum statt cælum. Die Humanisten beleben die zeitweise verschwundene e caudata wieder.
Vor allem im frühmittelalterlichen Latein begegnen häufig Vertauschungen von e und i.
y statt i und œ findet sich nicht nur in griechischen Wörtern, sondern auch in lateinischen, zum Beispiel yems für hiems,yra für īra; vgl. den Titel Yconomica (Oeconomica) Konrads von Megenberg.
h wird fortgelassen oder hinzugefügt, im Anlaut, zum Beispiel iems für hiems,ora für hōra und hora für ōra, und auch sonst, zum Beispiel veit für vehit; besonders nach t,p und c, zum Beispiel thaurus für taurus,spera für sphæra,monacus für monachus,conchilium für concilium und michi für mihī.
Da t und c vor halbvokalischemi zusammengefallen war, werden sie auch in der Schrift sehr oft vertauscht, zum Beispiel tercius für tertius, Gretia für Græcia.
Konsonantengemination wird oft vereinfacht oder abundierend gesetzt, zum Beispiel litera für littera,aparere für apparēre und edifficare für ædificāre.
Unbequeme Konsonantengruppen werden vereinfacht, zum Beispiel salmus für psalmus,tentare für temptāre.
Sehr häufig und offensichtlich aus dem Vulgärlatein übernommen sind Dissimilationen, zum Beispiel pelegrinus für peregrīnus (vgl. im Deutschen Pilger; ebenso franz. pèlerin, ital. pellegrino), radus für rārus (vgl. italienisch di rado).
Sämtliche Vokale werden offen artikuliert. Beleg ist ein Überbleibsel im Italienischen: Das Credo im Sinne des christlichen Glaubensbekenntnisses wird mit offenem 'e' artikuliert und setzt die mittellateinische Aussprache fort. Demgegenüber spricht man die rein italienische Verbform credo („ich glaube") mit geschlossenem 'e'.
Verwechslung von „normalen" Verben und Deponentien, zum Beispiel (ad)mirare statt (ad)mīrārī,viari statt viāre (= reisen).
Zahlreich sind Konjugationswechsel anzutreffen, zum Beispiel aggrediri für aggredī,complectari für complectī,prohibire für prohibēre (vgl. ital. proibire), rídere für rīdēre (vgl. ital. ridere) und potebat für poterat (vgl. ital. potere).
Beim Futur finden sich Verwechslungen zwischen b- und e-Futur, zum Beispiel faciebo für faciam,negam für negābō.
Das Passiv Perfekt wird sehr oft mit fui statt sum gebildet: interfectus fuit (Aus dieser Verwendung, die im Übrigen schon im klassischen Latein vereinzelt zur Bezeichnung eines Zustandes in der Vergangenheit begegnet, hat sich z. B. das franz. passé composé und das ital. passato prossimo entwickelt).
Zusätzliche periphrastische Verbformen: Die Umschreibung mit habēre und Partizipium Perfekt Passiv (zum Beispiel lībrōs perditōs habeō), im klassischen Latein nur zur nachdrücklichen Bezeichnung eines dauernden Zustandes verwendet, kann das gewöhnliche Perfekt Passiv oder auch Aktiv ersetzen; dicēns sum.
Es ist eine gewisse Unsicherheit beim Umgang mit den verschiedenen Deklinationen feststellbar, so dass Wörter manchmal von einer Deklination in die andere übergehen, zum Beispiel noctuum für noctium,īgnīs für īgnibus. Häufiger wird auch die pronominaleDativ-Endung -ī durch -ō ersetzt: illō für illī. Allgemein besteht die Tendenz, Wörter der u-Deklination in die o-Deklination und Wörter der e-Deklination in die ā-Deklination überzuführen, zum Beispiel senātus,-ī statt senātus,-ūs (senati steht aber schon bei Sallust), magistrātus,-ī statt magistrātus,-ūs oder māteria für māteria/māteriēs (= Bauholz), effigia für effigiēs (= Bildnis).
Wechsel des Genus, vor allem „Niedergang" des Neutrums (vgl. romanische Sprachen), zum Beispiel cornus statt cornū,maris statt mare (= das Meer), fātus statt fātum,domus tuus statt domus tua,timor māgna statt timor māgnus.
Mit wenigen Ausnahmen kann (wie in den romanischen Sprachen) jedes Adjektiv durch Voransetzung von plūs oder magis gesteigert werden, zum Beispiel plūs/magis nobilis und manchmal auch zusammen mit dem synthetischenKomparativplūs/magis nobilior. Seltener ist die Verwendung eines Komparativs statt des Superlativs, zum Beispiel Venit sibi in mente, ut maiorem principem, qui in mundo esset, quæreret.
Im Mittellateinischen wurde das Pronomen ille (illa, illud) auch als bestimmter Artikel und das Numerale ūnus (ūna, ūnum) auch als unbestimmter Artikel gebraucht.[4]
Die Demonstrativpronomina werden meist nicht mehr so scharf geschieden wie im klassischen Latein. So können hic, iste, ipse, īdem wie is verwendet werden.
Die beiden Partizipien præfātus und prædictus (eigtl. vorhergenannt) werden als neue Demonstrativpronomina oft wie ille gebraucht.
Statt der nicht-reflexiven Pronomina stehen oft die reflexiven, also sē = eum,suus = eius.
Manche Verben werden mit einem anderen Kasus verbunden, zum Beispiel adiuvāre,iubēre,sequī,vetāre + Dat.; fruī,ūtī,fungī + Akk.
Anstelle eines Accusativus cum infinitivo wird gern ein quod- oder gar ein quia-Satz gesetzt (so aber bereits in der Vulgata), auch quāliter-Sätze begegnen in dieser Funktion.
Die Konjunktion dum wird oft statt temporalem cum verwendet.
Erzähltempus ist nicht mehr nur Perfekt und Praesens historicum, sondern auch das Imperfekt, ja sogar das Plusquamperfekt. Man gebraucht auch das Präsens anstelle des Futur I und das Perfekt statt Futur II.
Die cōnsecutiō temporum (Zeitenfolge) wird nicht mehr streng beachtet. So findet sich in Gliedsätzen oft Konjunktiv Plusquamperfekt statt Konjunktiv Imperfekt.
Die finale Verwendung des Infinitivs, die im klass. Latein selten und meist nur poetisch bezeugt ist, wird häufig, zum Beispiel Abiit mandūcāre für Abiit, ut ederet bzw. mandūcātum abiit.
Anstelle des Partizip Präsens Aktiv steht oft ein Gerundium im Ablativ, zum Beispiel loquendō für loquēns (vgl. das ital. und span. gerundio sowie das franz. gérondif).
Das Latein des Mittelalters zeichnet sich durch einen erheblich umfangreicheren Wortschatz aus, der einerseits durch lateinische Neubildungen mithilfe von Präfixen und Suffixen sowie semantische Fortbildungen bereichert wird, andererseits frei aus verschiedenen anderen zeitgenössischen Volkssprachen sowie dem Griechischen Anleihen macht. Da ein großer Teil der frühen christlichen Literatur in dieser Sprache verfasst worden und auch in der lateinischen Bibelübersetzung mancher griechische Ausdruck beibehalten worden war, war griechisches Wortmaterial bereits in der Spätantike in erheblichem Umfang in die lateinische Sprache aufgenommen worden. Wenn man sich auch von den griechischen Sprachkenntnissen der meisten mittelalterlichen Gelehrten keine übertriebenen Vorstellungen machen darf, so waren sie doch in der Lage, anhand griechisch-lateinischer Glossare oder Bilinguen weitere Neubildungen vorzunehmen.
Eine weitere Quelle waren die Sprachen der germanischen Völker, die in Mitteleuropa die Nachfolge der Römer antraten.
Weiterhin wurden viele klassische lateinische Vokabeln, die nicht mehr im Gebrauch waren, durch Wortneubildungen auf der Basis des Vulgärlateins und der germanischen Sprachen ersetzt.
Beispiele
Allzu kurze Wörter werden durch längere (und oft regelmäßigere) ersetzt, zum Beispiel īre durch vadere,ferre durch portāre,flēre durch plōrāre,equus durch caballus,ōs durch bucca und rēs durch causa;
Besonders oft verdrängen sogenannte Intensiva auf -tāre das zugrunde liegende Verb, zum Beispiel adiutāre statt adiuvāre,cantāre statt canere und nātāre statt nāre.
Oft bekommen aus der Antike übernommene Wörter neue Bedeutungen: breve der Brief, die Urkunde, convertere und convertī ins Kloster gehen, corpus die Hostie, plēbs die (christliche) Gemeinde, homō der Untergebene, comes der Graf (vgl. franz. comte, ital. conte), dux der Herzog (vgl. franz. duc), nōbilis der Freie, advocātus der Vogt.
Es werden auch zahlreiche neue Wörter geschaffen oder entlehnt: bannus (zu dt. Bann) die Gerichtsbarkeit, lēgista der Jurist, camis(i)a das Hemd; vgl. den Titel De ente et essentia.
Eine große Bedeutung kam natürlich der religiösen Literatur zu. Sie umfasst sowohl Prosa als auch poetische Werke und hatte teils ein breiteres Publikum, teils die gebildeten Eliten als Zielpublikum. An eine breite Leserschaft richteten sich die populären Fassungen von Heiligenlegenden (zum Beispiel die Legenda aurea von Jacobus de Voragine), Wundergeschichten und andere Exempla (zum Beispiel die Werke von Caesarius von Heisterbach). Zum Teil wurden solche Werke schon früh in die Volkssprachen übersetzt und erreichten ihr Publikum auch auf dem Umweg über Predigten, für die sie als Materialsammlungen dienten. Theologische Traktate, Bibelkommentare und die meisten poetischen Werke hatten ihren Ort vor allem im Schulbetrieb, zum Teil auch in der Hofgesellschaft und in der Umgebung gebildeter Bischöfe.
Das antike Drama hat zunächst keine Fortsetzung erfahren, da es an die Voraussetzung der antiken Stadtkultur gebunden war und vom Christentum aufgrund seiner Verbindung mit dem heidnischen Kult abgelehnt wurde. Vereinzelt stehen die Dramen der Hrotswith von Gandersheim als kontrastimitative Auseinandersetzung mit dem Vorbild des Terenz. Weit verbreitet ist die Parodie (in der Antike nur durch wenige Beispiele vertreten). Neue Formen sind das geistliche Spiel und die vom antiken Drama ganz unabhängige Comedia.
Für die Dichtung stehen zwei grundsätzlich verschiedene Verstechniken zur Verfügung und werden nicht selten vom selben Autor wahlweise verwendet: die in der antiken Tradition weitergeführte metrische Technik, die sich an den Silbenlängen (Quantität) ausrichtet, und die aus der volkssprachigen Dichtung stammende Technik, bei der die Silbenzahl und die geregelte Abfolge der Betonungen (Akzente) den Vers strukturieren. Die metrische Dichtung steht auch stilistisch in der Tradition der antiken Dichtersprache, da ihre Beherrschung die intensive Auseinandersetzung mit klassischen Vorbildern wie Vergil und Ovid sowie den christlichen Dichtern der Spätantike voraussetzt. Überbietungsphänomene sind hier bei manchen Autoren der Verzicht auf die Synaloiphe und der Einsatz des Reims, vor allem der sogenannte leoninische Hexameter. Die Anfänge der akzentrhythmischen Technik stehen in engem Zusammenhang mit der Musik des Mittelalters, denn es handelt sich hier fast ausnahmslos um vertonte Dichtung.
Prosa und Vers werden je nach Anlass und Zielpublikum eingesetzt, weitgehend unabhängig vom Thema. Formtypen, die Prosa und Vers in unterschiedlicher Weise kombinieren, sind Opus geminum und Prosimetrum. In der Prosa setzt sich gegenüber der quantitierenden die akzentrhythmische Klausel, der Cursus, durch. Außerdem begegnet die Reimprosa.[5][6]
Die mittellateinische Literatur steht zeitlich vor der volkssprachigen Literatur und hat diese auch nachhaltig beeinflusst: Dichter wie zum Beispiel Dante Alighieri oder Francesco Petrarca in Italien, die zum Teil noch in Latein dichteten, übertrugen Inhalte und Stil auch auf ihre italienisch geschriebenen Werke.
Die germanischen Literaturen erscheinen im Licht des heute Überlieferten sogar noch unselbständiger und weisen bis ins 12. Jahrhundert fast ausschließlich aus dem Lateinischen mehr oder weniger genau übersetzte Texte auf. Die stark von der kirchlichen Mittelmeertradition abweichende germanische Volks- und Heldendichtung war nach der Einführung des Christentums zuerst nicht mehr gepflegt worden und wurde bald verboten. Trotz vieler mittelbarer Hinweise auf ihren einstigen Reichtum wurde sie nur in den seltensten Fällen für die Nachwelt gerettet – von Mönchen. Allein in England, dessen Kultur sich in den ersten Jahrhunderten nach der Konversion recht frei von Bevormundung durch kontinentale Strömungen entfaltete (6.—9. Jahrhundert), entstand bereits im frühen Mittelalter eine Buchliteratur in der Volkssprache, deren ältestes Zeugnis das Stabreimepos Beowulf ist. Ähnliche Hinterlassenschaften aus dem Frankenreich, die zeitgenössische Geschichtsschreiber erwähnen, sind verlorengegangen.
Natürlich hat umgekehrt auch die Volksdichtung stark auf die mittellateinische Literatur gewirkt. Seit etwa dem 12. Jahrhundert gibt es sogar – zum Beispiel in den Carmina Burana – zahlreiche Gedichte, die teils lateinisch, teils auf Deutsch geschrieben sind.
Ausgehend von den antiken Voraussetzungen (Illustrationen in Fachliteratur, Dichtung, Bibel) entstehen seit der karolingischen Renaissance zunehmend bebilderte Werke, deren Illustration in Einzelfällen auf den Autor selbst zurückgeführt werden kann. Literaturproduktion und Buchmalerei stehen daher in einem engen Zusammenhang.
Johann Jakob Bäbler: Beiträge zu einer Geschichte der lateinischen Grammatik im Mittelalter. Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1885.
Walter Berschin: Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters (Mittellatein). Eine Vorlesung. Hrsg. von Tino Licht. Mattes, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-86809-063-5 (Gesamteinführung).
Bernhard Bischoff: Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters (Grundlagen der Germanistik 24). Erich Schmidt, Berlin 1979, ISBN 3-503-01282-6 (Einführungswerk zur Paläographie des lateinischen Mittelalters).
Franz Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. 3 Bände. Fink, München 1975–2009,
Band 1: Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung. 1975, ISBN 3-7705-1113-1 (online).
Band 2: Die Zwischenzeit vom Ausgang des karolingischen Zeitalters bis zur Mitte des elften Jahrhunderts. 1992, ISBN 3-7705-2614-7 (online).
Band 3: Vielfalt und Blüte. Von der Mitte des elften bis zum Beginn des dreizehnten Jahrhunderts. 2009, ISBN 978-3-7705-4779-1.
Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. 2., durchgesehene Auflage. Francke, Bern 1954 (Nachschlagewerk zur Literaturgeschichte).
Monique Goullet, Michel Parisse: Lehrbuch des mittelalterlichen Lateins. Für Anfänger. Aus dem Französischen übertragen und bearbeitet von Helmut Schareika. Buske, Hamburg 2010, ISBN 978-3-87548-514-1 (Lehrbuch, das keine Kenntnisse des klassischen Lateins voraussetzt).
Gustav Gröber: Übersicht über die lateinische Litteratur von der Mitte des 6. Jahrhunderts bis 1350. In: Derselbe (Hrsg.): Grundriss der Romanischen Philologie. Band 2, Abteilung 1. Karl J. Trübner, Straßburg 1902, S. 97–432 (Nachdrucke des Beitrags: München 1963; München 1974).
Udo Kindermann: Einführung in die lateinische Literatur des mittelalterlichen Europa. Brepols, Turnhout 1998, ISBN 2-503-50701-8.
Paul Klopsch: Einführung in die mittellateinische Verslehre. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1972, ISBN 3-534-05339-7.
Karl Langosch: Lateinisches Mittelalter. Einleitung in Sprache und Literatur. 5. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03019-2 (Das lateinische Mittelalter), (Einführung in die Besonderheiten des mittelalterlichen Latein).
Elias A. Lowe: Codices Latini Antiquiores. A Paleographical Guide To Latin Manuscripts Prior To The Ninth Century. 11 Bände. Oxford 1934–1966 (Tafelwerke zur Paläographie).
Alf Önnerfors (Hrsg.): Mittellateinische Philologie. Beiträge zur Erforschung der mittelalterlichen Latinität. Darmstadt 1975 (= Wege der Forschung. Band 292).
Franz Steffens: Lateinische Paläographie. 2., vermehrte Auflage, Trier 1909 (125 Tafeln mit Transkription, Erläuterungen und systematischer Darstellung der Entwicklung der lateinischen Schrift; online).
Peter Stotz: Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters (Handbuch der Altertumswissenschaft 2, 5). 5 Bände. C.H. Beck, München 1996–2004 (unter anderem eine Sprachgeschichte und Grammatik).
Ludwig Traube: Vorlesungen und Abhandlungen. Band 2: Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters. Herausgegeben von Paul Lehmann. Beck, München 1911 (Einführung in die mittellateinische Philologie von einem der Begründer des Universitätsfachs Mittellatein).
Ein umfassendes, vollständiges modernes Wörterbuch der mittellateinischen Sprache existiert bisher nicht. Grundlage der lexikalischen Arbeit[7] sind zunächst einmal die Wörterbücher des klassischen Latein wie der Thesaurus Linguae Latinae (bisher erschienen sind die Bände I-X 2, fasc.1-14, bis protego), Karl Ernst Georges’ ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch sowie das Oxford Latin Dictionary. Für ausschließlich mittellateinisch gebräuchliche Wörter oder Bedeutungen sind darüber hinaus heranzuziehen:
Lorenz Diefenbach: Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis, Joseph Baer, Frankfurt am Main 1857; Neudrucke Darmstadt 1968 (Faksimiles bei Google Books) und 1997.
Lorenz Diefenbach: Novum glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis, Sauerländer, Frankfurt am Main 1867 (Faksimiles im Internet Archive); Neudrucke Aalen 1964 und 1997.
Moderne Handwörterbücher
Albert Blaise: Lexicon latinitatis Medii Aevi, praesertim ad res ecclesiasticas investigendas pertinens, CC Cont.med., Turnhout 1975.
Albert Blaise: Dictionnaire latin-français des auteurs chrétiens, Turnhout 1954.
Edwin Habel: Mittellateinisches Glossar. Mit einer Einführung von Heinz-Dieter Heimann. Hrsg. von Friedrich Gröbel, 2. Auflage Paderborn/München/Wien/Zürich 1959; Nachdruck (mit neuer Einführung) 1989 (= Uni-Taschenbücher, 1551).
Friedrich A. Heinichen: Lateinisch-Deutsch zu den klassischen und ausgewählten mittelalterlichen Autoren. Stuttgart 1978 (mehrere Nachdrucke, zum Beispiel als Pons-Globalwörterbuch).
Jüngere umfassendere Wörterbücher
Otto Prinz, Johannes Schneider u. a. (Hrsg.): Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert. Beck, München 1954ff. (in Erarbeitung, soll den Wortgebrauch bis Ende 13. Jahrhundert erfassen).
Franz Blatt (Hrsg.): Novum Glossarium mediae latinitatis ab anno DCCC usque ad annum MCC, Kopenhagen 1957ff. (in Erarbeitung, beginnt mit „L").
Jan Frederik Niermeyer: Mediae latinitatis lexicon minus (Lexique latin médiéval – Medieval Latin Dictionary – Mittellateinisches Wörterbuch). Hrsg. von Co van de Kieft, Leiden [1954-]1976, Neudruck ebd. 2002 (nur wenige Quellenangaben).
Speziellere Wörterbücher und Wortlisten
J. W. Fuchs, Olga Weijers (Ggg.): Lexicon latinitatis Nederlandicae Medii Aevi, Leiden 1977ff. (in Erarbeitung, bisher A bis Stu).
R[onald] E[dward] Latham: Revised medieval Latin wordlist from British and Irish sources., London 1965; Neudrucke ebenda 1965, 1973 und öfter.
R.E. Latham: Dictionary of Medieval Latin from British Sources, London 1975ff.
Lexicon mediae et infimae latinitatis Polonorum, Warschau 1953ff. (in Erarbeitung, bisher A bis Q).
Latinitatis Medii Aevi lexicon Bohemorum, Prag 1977ff.
↑Vgl. Peter Stotz: Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, Bd. 3: Lautlehre. C.H. Beck, München 1996 (siehe Literatur).
↑J. F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexicon Minus, S. 509 (rechte Spalte) u. 1051 (linke Spalte)
↑Vgl. Karl Polheim: Die lateinische Reimprosa, Berlin 1925
↑Henrike Lähnemann: Reimprosa und Mischsprache bei Williram von Ebersberg. Mit einer kommentierten Ausgabe und Übersetzung seiner 'Aurelius-Vita'. In: Deutsche Texte der Salierzeit – Neuanfänge und Kontinuitäten im 11. Jahrhundert, hg. von Stephan Müller und Jens Schneider, München 2010 (Mittelalter Studien 20), S. 205–237 (Open Acces Preprint).
↑Vgl. Teja Erb: Geschichte, Konzepte und Perspektiven der mittellateinischen Lexikographie im deutschen Sprachraum. In: Das Altertum. Band 47, 2002, S. 13–35.