Delta-Distribution
Die Delta-Distribution (auch δ-Funktion; Dirac-Funktion, -Impuls, -Puls, -Stoß (nach Paul Dirac), Stoßfunktion, Nadelimpuls, Impulsfunktion oder Einheitsimpulsfunktion genannt) als mathematischer Begriff ist eine spezielle singuläre Distribution mit kompaktem Träger. Ihr übliches Formelsymbol ist δ (kleines Delta).
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Delta-Distribution ist eine stetige lineare Abbildung von einem Funktionenraum der Testfunktionen {\displaystyle {\mathcal {E}}} in den zugrunde liegenden Körper {\displaystyle \mathbb {K} }:
- {\displaystyle \delta \colon ,円{\mathcal {E}}\to \mathbb {K} ,,円,円f\mapsto f(0)}.
Der Testfunktionenraum für die Delta-Distribution ist der Raum der beliebig oft differenzierbaren Funktionen {\displaystyle C^{\infty }(\Omega )} mit {\displaystyle \Omega \subset \mathbb {R} ^{n}} bzw. {\displaystyle \Omega \subset \mathbb {C} ^{n}} offen und {\displaystyle 0\in \Omega }. Somit entspricht {\displaystyle \mathbb {K} } entweder den reellen {\displaystyle \mathbb {R} } oder den komplexen Zahlen {\displaystyle \mathbb {C} }.
Die Delta-Distribution ordnet jeder beliebig oft differenzierbaren Funktion {\displaystyle f} eine reelle bzw. komplexe Zahl {\displaystyle \delta (f)=f(0)} zu, nämlich die Auswertung der Funktion an der Stelle 0. Der Wert, den die Delta-Distribution nach Anwendung auf eine Testfunktion {\displaystyle f\in {\mathcal {E}}} liefert, schreibt man (mit der Notation der dualen Paarung) auch als
- {\displaystyle \delta (f)=\langle \delta ,f\rangle =f(0)}
beziehungsweise auch als
- {\displaystyle \delta (f)=\int _{\Omega }\delta (x),円f(x),円\mathrm {d} x=f(0),円.}
Diese Schreibweise ist eigentlich nicht richtig und nur symbolisch zu verstehen, weil die Delta-Distribution eine singuläre Distribution ist, das heißt, sie lässt sich nicht durch eine lokal integrierbare Funktion in obiger Weise darstellen. Es gibt also keine Funktion {\displaystyle \delta }, welche der obigen Definition genügt. Insbesondere bei technisch orientierten Anwendungen des Konzepts sind dennoch mathematisch nicht präzise Bezeichnungen wie „Delta-Funktion", „Dirac-Funktion" oder „Impulsfunktion" gebräuchlich. Bei Verwendung der Integral-Schreibweise ist zu beachten, dass es sich nicht um ein Riemann-Integral oder Lebesgue-Integral bzgl. des Lebesgue-Maßes, sondern um die Auswertung des Funktionals {\displaystyle \delta } an der Stelle {\displaystyle f}, also {\displaystyle \delta (f)=f(0)}, handelt.
Definition über Dirac-Maß
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Das durch ein positives Radon-Maß {\displaystyle \mu } erzeugte Funktional {\displaystyle \textstyle \langle \mu ,f\rangle =\int f(x),円\mathrm {d} \mu } (für {\displaystyle f\in {\mathcal {D}}}) ist eine Distribution. Die Delta-Distribution wird von folgendem Radon-Maß – man spricht hier speziell vom Diracmaß – erzeugt:
- {\displaystyle \delta (A)={\begin{cases}1,\ &{\text{ falls }}0\in A,\0,円\ &{\text{ sonst,}}\end{cases}}}
wobei {\displaystyle A\subseteq \mathbb {R} }. Ein Maß lässt sich physikalisch interpretieren, z. B. als Massenverteilung oder Ladungsverteilung des Raums. Dann entspricht die Delta-Distribution einem Massenpunkt der Masse 1 oder einer Punktladung der Ladung 1 im Ursprung.
- {\displaystyle \langle \delta ,f\rangle =\int f(x),円\mathrm {d} \delta =f(0).}
Befinden sich an den Stellen {\displaystyle x_{i}\in \mathbb {R} } Punktladungen {\displaystyle q_{i}}, wobei die Summe über alle Ladungen endlich bleibt, dann wird für {\displaystyle A\subset \mathbb {R} } ein Maß auf der {\displaystyle \sigma }-Algebra aller Teilmengen von {\displaystyle \mathbb {R} } definiert, das der Ladungsverteilung entspricht ({\displaystyle i_{A}} durchlaufe alle {\displaystyle i} mit {\displaystyle x_{i}\in A}):
- {\displaystyle \rho (A):=\sum _{i_{A}}q_{i}.}
Für dieses Maß ist dann die zugehörige Distribution:
- {\displaystyle \langle \rho ,f\rangle =\int f(x),円\mathrm {d} \rho =\sum _{i_{A}}f(x_{i})q_{i}.}
Approximation der Delta-Distribution
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Man kann die Delta-Distribution wie alle anderen Distributionen auch als Grenzwert einer Funktionenfolge darstellen. Die Menge der Dirac-Folgen ist die wichtigste Klasse von Funktionenfolgen, mit denen die Delta-Distribution dargestellt werden kann. Jedoch gibt es noch weitere Folgen, die gegen die Delta-Distribution konvergieren.
Dirac-Folge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Eine Folge {\displaystyle (\delta _{k})_{k\in \mathbb {N} }} integrierbarer Funktionen {\displaystyle \delta _{k}\in L^{1}(\mathbb {R} ^{n})} wird Dirac-Folge genannt, falls
- für alle {\displaystyle x\in \mathbb {R} ^{n}} und alle {\displaystyle k\in \mathbb {N} } die Bedingung {\displaystyle \delta _{k}(x)\geq 0,,円}
- für alle {\displaystyle k\in \mathbb {N} } die Identität {\displaystyle \int _{\mathbb {R} ^{n}}\delta _{k}(x),円\mathrm {d} x=1} und
- für alle {\displaystyle \epsilon >0} die Gleichheit {\displaystyle \lim _{k\to \infty }\int _{\mathbb {R} ^{n}\setminus B_{\epsilon }(0)}\delta _{k}(x)\mathrm {d} x=0}
gilt. Manchmal versteht man unter einer Dirac-Folge auch nur einen Spezialfall der hier definierten Dirac-Folge. Wählt man nämlich eine Funktion {\displaystyle \phi \in L^{1}(\mathbb {R} ^{n})} mit {\displaystyle \phi (x)\geq 0} für alle {\displaystyle x\in \mathbb {R} ^{n}} und {\displaystyle \textstyle \int _{\mathbb {R} ^{n}}\phi (x)\mathrm {d} x=1} und setzt {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x):=\epsilon ^{-n}\phi ({\tfrac {x}{\epsilon }})} für {\displaystyle \epsilon >0}, dann erfüllt diese Funktionenschar die Eigenschaften 1 und 2. Betrachtet man den Grenzwert {\displaystyle \epsilon \to 0} anstatt {\displaystyle k\to \infty }, so ist auch Eigenschaft 3 erfüllt. Daher nennt man die Funktionenschar {\displaystyle \delta _{\epsilon }} ebenfalls Dirac-Folge.[1]
Bemerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Funktion {\displaystyle \delta _{k}} kann man nun mit einer regulären Distribution
- {\displaystyle \delta _{k}(f):=\langle \delta _{k},f\rangle :=\int _{\mathbb {R} ^{n}}\delta _{k}(x),円f(x),円\mathrm {d} x}
identifizieren. Nur im Limes {\displaystyle k\to \infty } erhält man das ungewöhnliche Verhalten der Delta-Distribution
- {\displaystyle \lim _{k\to \infty }\delta _{k}(f)=\lim _{k\to \infty }\langle \delta _{k},f\rangle =f(0)=\langle \delta ,f\rangle }
wobei zu beachten ist, dass die Limes-Bildung nicht unter dem Integral, sondern davor erfolgt. Würde man den Limes unter das Integral ziehen, so wäre {\displaystyle \delta _{\epsilon }} fast überall Null, nur nicht bei {\displaystyle x=0}. Ein einzelner Punkt hat jedoch das Lebesgue-Maß Null und das ganze Integral würde verschwinden.
Anschaulich stellt man sich die Delta-Distribution als eine beliebig hohe und beliebig schmale Funktion vor, die über der x-Achse eine Fläche mit Größe 1 Flächeneinheit einschließt. Man lässt nun die Funktion immer schmaler und dafür immer höher werden – die Fläche darunter muss konstant 1 bleiben. Es existieren auch mehrdimensionale Dirac-Distributionen, diese werden anschaulich zu mehrdimensionalen „Keulen" mit dem Volumen 1.
Beispiele für Dirac-Folgen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Im Folgenden werden verschiedene Approximationen (Dirac-Folgen) {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)} angegeben, zunächst stetig differenzierbare:
- {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)={\frac {1}{\sqrt {2\pi \epsilon }}},円\exp \left(-{\frac {x^{2}}{2\epsilon }}\right)}
- Die angegebenen Funktionen besitzen ein sehr schmales und sehr hohes Maximum bei {\displaystyle x=0}, die Breite ist etwa {\displaystyle {\sqrt {\epsilon }}\to 0} und die Höhe etwa {\displaystyle 1/{\sqrt {\epsilon }}\to \infty }. Für alle {\displaystyle \epsilon } ist der Flächeninhalt unter der Funktion 1.
- {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)={\frac {1}{\pi }}{\frac {\epsilon }{x^{2}+\epsilon ^{2}}}}
- Fresnel-Darstellung
- {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)={\frac {1}{\sqrt {\mathrm {i} \pi \epsilon }}},円\exp \left({\frac {\mathrm {i} x^{2}}{\epsilon }}\right)}
- die man sich vorstellen kann als eine Linie, die auf einen Zylinder gewickelt ist, und deren Wicklungen durch das {\displaystyle x^{2}} immer enger werden; die Grundfläche (in {\displaystyle x}-{\displaystyle y}-Ausrichtung) des Zylinders wird aus dem Imaginär- und Realteil der Funktion gebildet, die Funktion entwickelt sich dann in {\displaystyle z}-Richtung.
Es sind aber auch Approximationen möglich, die nur stückweise stetig differenzierbar sind:
- {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)={\frac {\operatorname {rect} (x/\epsilon )}{\epsilon }}={\begin{cases}{\frac {1}{\epsilon }}&\ |x|\leq {\frac {\epsilon }{2}}\0円&\ {\text{sonst}}\end{cases}}}
- {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)={\begin{cases}{\frac {\epsilon +x}{\epsilon ^{2}}}&\ -\epsilon \leq x\leq 0\\{\frac {\epsilon -x}{\epsilon ^{2}}}&\ 0<x\leq \epsilon \0円&\ {\text{sonst}}\end{cases}}}
- Exponentialfunktion um Ursprung abfallend
- {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)={\frac {1}{2\epsilon }}\exp \left(-{\frac {|x|}{\epsilon }}\right)}
Weitere Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Die Funktionenfolge der Sinc-Funktionen
- {\displaystyle \delta _{\epsilon }(x)={\frac {1}{\pi x}}\sin \left({\frac {x}{\epsilon }}\right)}
ist keine Dirac-Folge, da ihre Folgenglieder auch negative Werte annehmen. Betrachtet man allerdings den Ausdruck - {\displaystyle \lim _{\epsilon \to 0}\int _{-\infty }^{\infty }{\frac {1}{\pi x}}\sin \left({\frac {x}{\epsilon }}\right)\phi (x)\mathrm {d} x}
- so konvergiert für alle {\displaystyle \phi \in {\mathcal {D}}} diese Folge im distributionellen Sinn gegen die Delta-Distribution.
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Definierende Eigenschaft der Delta-Distribution: Faltungseigenschaft, auch Ausblendeigenschaft[2] , Siebeigenschaft genannt
- {\displaystyle \langle \delta ,f\rangle =\int _{-\infty }^{\infty }\delta (x),円f(x),円\mathrm {d} x=f(0)}
- bzw. mit den Eigenschaften Translation und Skalierung (siehe unten) folgt:
- {\displaystyle \int _{-\infty }^{\infty }f(x),円\delta (x-a),円\mathrm {d} x=\int _{-\infty }^{\infty }f(x),円\delta (a-x),円\mathrm {d} x=f(a),}
- speziell für den Fall der konstanten Funktion 1:
- {\displaystyle \int _{-\infty }^{\infty }\delta (x-a),円\mathrm {d} x=1}
- Linearität:
- {\displaystyle \langle \delta ,f+g\rangle =\langle \delta ,f\rangle +\langle \delta ,g\rangle =f(0)+g(0)}
- Translation:
- {\displaystyle \langle \delta (\cdot -a),f\rangle =\langle \delta ,f(\cdot +a)\rangle =f(a)}
- für {\displaystyle \delta (\cdot -a)} ist auch die Bezeichnung {\displaystyle \delta _{a}} gebräuchlich.
- Skalierung:
- {\displaystyle \langle \delta (a\cdot ),f\rangle ={\frac {1}{|a|}}\langle \delta ,f({\tfrac {\cdot }{a}})\rangle ={\frac {1}{|a|}}f(0)}
- und
- {\displaystyle \delta (\alpha x)={\frac {1}{|\alpha |}}\delta (x)}
- das heißt die Delta-Distribution ist positiv homogen vom Grad −1.
- Dimension
- Eine direkte Folgerung aus der Skalierungseigenschaft ist die Dimension bzw. Maßeinheit der Delta-Distribution. Sie entspricht genau der reziproken Dimension ihres Arguments. Hat {\displaystyle x} beispielsweise die Dimension einer Länge, so hat {\displaystyle \delta (x)} die Dimension (1/Länge).
- Hintereinanderausführung:
- {\displaystyle \int _{-\infty }^{\infty }\phi (x),円\delta (g(x)),円\mathrm {d} x=\sum _{i=1}^{n}\int _{-\infty }^{\infty }\phi (x){\frac {\delta (x-x_{i})}{|g'(x_{i})|}},円\mathrm {d} x=\sum _{i=1}^{n}{\frac {\phi (x_{i})}{|g'(x_{i})|}},}
- {\displaystyle \delta (g(x))=\sum _{i=1}^{n}{\frac {\delta (x-x_{i})}{|g^{\prime }(x_{i})|}}}
- wobei {\displaystyle x_{i}} die einfachen Nullstellen von {\displaystyle g(x)} sind (sofern {\displaystyle g(x)} nur endlich viele und nur einfache Nullstellen hat). Damit folgt als ein Spezialfall die Rechenregel
- {\displaystyle \delta (x^{2}-\alpha ^{2})={\frac {1}{2|\alpha |}}[\delta (x-\alpha )+\delta (x+\alpha )].}
Singularität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Singularität der Delta-Distribution lässt sich mit einem Widerspruchsbeweis zeigen:
Angenommen {\displaystyle \delta } wäre regulär, dann gäbe es eine lokal integrierbare Funktion {\displaystyle \delta (x)\in L_{\text{lok}}^{1}}, also eine Funktion, die über jedes kompakte Intervall {\displaystyle [a,b]} bzgl. des Lebesgue-Maßes integrierbar ist
- {\displaystyle \int _{a}^{b}|\delta (x)|\mathrm {d} x<\infty }
so dass für alle Testfunktionen {\displaystyle f(x)} gilt:
- {\displaystyle \langle \delta ,f\rangle =\int _{-\infty }^{\infty }\delta (x),円f(x),円\mathrm {d} x=f(0).}
Insbesondere muss dies für folgende Testfunktion {\displaystyle \phi _{b}(x)} mit kompaktem Träger {\displaystyle [-b,b]} gelten:
- {\displaystyle \phi _{b}(x)={\begin{cases}\exp {\Big (}{\frac {b^{2}}{x^{2}-b^{2}}}{\Big )}&|x|<b\0円&|x|\geq b.\end{cases}}}
Die Wirkung der Delta-Distribution auf diese ist:
- {\displaystyle \langle \delta ,\phi _{b}\rangle =\phi _{b}(0)=\exp(-1)=\mathrm {const} _{,円b}.}
Mit der angenommenen regulären Distribution
- {\displaystyle \langle \delta ,\phi _{b}\rangle =\int _{-\infty }^{\infty }\delta (x),円\phi _{b}(x),円\mathrm {d} x=\int _{-b}^{b}\delta (x),円\phi _{b}(x),円\mathrm {d} x}
lässt sich folgende Abschätzung durchführen:
- {\displaystyle \phi _{b}(0)=|\langle \delta ,\phi _{b}\rangle |=\left|\int _{-b}^{b}\delta (x),円\phi _{b}(x),円\mathrm {d} x\right|\leq \underbrace {\|\phi _{b}(x)\|_{\infty }} _{\phi _{b}(0)},円\int _{-b}^{b}|\delta (x)|,円\mathrm {d} x{\underset {(b<b_{c})}{<}}\phi _{b}(0).}
Weil {\displaystyle \delta (x)\in L_{lok}^{1}} wird das Integral {\displaystyle \textstyle \int _{-b}^{b}|\delta (x)|,円\mathrm {d} x} für {\displaystyle b<b_{c}} (wobei {\displaystyle b_{c}} ein von der Funktion {\displaystyle \delta (x)} abhängiger kritischer Wert ist) kleiner 1 (und konvergiert gegen 0 für {\displaystyle b} gegen 0). Man erhält {\displaystyle \phi _{b}(0)<\phi _{b}(0)}, also einen Widerspruch; somit ist die Delta-Distribution nicht durch eine lokal integrierbare Funktion darstellbar. Der Widerspruch ergibt sich, weil die Menge {0} für das Lebesgue-Maß vernachlässigbar ist, nicht aber für das Dirac-Maß.
Ableitungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Ableitung der Delta-Distribution
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Delta-Distribution kann wie jede Distribution beliebig oft distributiv differenziert werden:
- {\displaystyle \langle \delta ',f\rangle =-\langle \delta ,f'\rangle =-f'(0).}
Dies gilt auch für die {\displaystyle n}-te distributive Ableitung:
- {\displaystyle \langle \delta ^{(n)},f\rangle =(-1)^{n}\langle \delta ,f^{(n)}\rangle =(-1)^{n}f^{(n)}(0).}
Ableitung der Dirac-Folge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Ableitungen der regulären Distributionen {\displaystyle \delta _{\epsilon }} können mittels partieller Integration berechnet werden (hier exemplarisch für erste Ableitung, analog für höhere)
- {\displaystyle {\begin{aligned}\langle \delta _{\epsilon }^{\prime },f\rangle &=\int _{-\infty }^{\infty }\delta _{\epsilon }^{\prime }(x),円f(x),円\mathrm {d} x\\&=\underbrace {\left[\delta _{\epsilon }(x),円f(x)\right]_{-\infty }^{\infty }} _{=0}-\int _{-\infty }^{\infty }\delta _{\epsilon }(x),円f^{\prime }(x),円\mathrm {d} x\\&=-\int _{-\infty }^{\infty }\delta _{\epsilon }(x),円f^{\prime }(x),円\mathrm {d} x\\&=-\langle \delta _{\epsilon },f^{\prime }\rangle \end{aligned}}}
und ergeben im Limes {\displaystyle \epsilon \to 0} das Verhalten der distributiven Ableitung:
- {\displaystyle \lim _{\epsilon \to 0}\langle \delta _{\epsilon }^{\prime },f\rangle =-f^{\prime }(0)=\langle \delta ^{\prime },f\rangle .}
Ableitung der Heaviside-Distribution
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Heaviside-Funktion {\displaystyle \Theta (x)} ist nicht stetig differenzierbar, aber die distributive Ableitung existiert, diese ist nämlich die Delta-Distribution:
- {\displaystyle \langle \Theta ',f\rangle =-\langle \Theta ,f'\rangle =-\int _{-\infty }^{\infty }\Theta (x),円f'(x),円\mathrm {d} x=-\int _{0}^{\infty }f'(x),円\mathrm {d} x=-\underbrace {f(\infty )} _{=0}+f(0)=\langle \delta ,f\rangle .}
Da die Heaviside-Distribution keinen kompakten Träger hat, müssen hier die Testfunktionen beliebig oft differenzierbare Funktionen mit kompaktem Träger sein {\displaystyle f\in C_{0}^{\infty }\cong {\mathcal {D}}}, das heißt {\displaystyle f} muss im Unendlichen verschwinden.
Fourier-Laplace-Transformation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Da die Delta-Distribution einen kompakten Träger hat, ist es möglich, die Fourier-Laplace-Transformation dieser zu bilden. Für diese gilt
- {\displaystyle {\hat {\delta }}=1,円.}
Fourier-Transformation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Fourier-Laplace-Transformation ist ein Spezialfall der Fourier-Transformation und somit gilt auch
- {\displaystyle {\mathcal {F}}(\delta )(\phi )=\delta ({\mathcal {F}}(\phi ))=\delta \left(\int _{-\infty }^{\infty }\mathrm {e} ^{-\mathrm {i} x\xi }\phi (x)\mathrm {d} x\right)=\langle 1,\phi \rangle ,円.}
Es gibt auch die Konvention, den Faktor {\displaystyle {\tfrac {1}{\sqrt {2\pi }}}} mit der Fourier-Transformation zu multiplizieren. In dem Fall ist {\displaystyle {\tfrac {1}{\sqrt {2\pi }}}} ebenfalls das Ergebnis der Fourier-Transformation der Delta-Distribution. Anschaulich bedeutet das Resultat der Transformation, dass in der Delta-Distribution alle Frequenzen enthalten sind, und zwar mit gleicher Stärke. Die Darstellung {\displaystyle \delta (x)={\mathcal {F}}^{-1}(1)} (beziehungsweise {\displaystyle \delta (x)={\mathcal {F}}^{-1}({\tfrac {1}{\sqrt {2\pi }}})} bei der anderen Konvention für den Vorfaktor) ist eine in der Physik wichtige Darstellung der Delta-Distribution.
Laplace-Transformation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Laplace-Transformation {\displaystyle {\mathcal {L}}} der Delta-Distribution erhält man als Spezialfall der Fourier-Laplace-Transformation. Es gilt nämlich auch hier
- {\displaystyle {\mathcal {L}}(\delta )=1,円.}
Im Gegensatz zur Fourier-Transformation gibt es hier keine anderen Konventionen.
Anmerkung bezüglich der Darstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Oftmals werden die Fourier beziehungsweise die Laplace-Transformation durch die gewöhnliche Integralschreibweise dargestellt. Jedoch sind diese Darstellungen
- {\displaystyle {\mathcal {F}}(\delta )(\xi )=\int _{-\infty }^{\infty }\mathrm {e} ^{-\mathrm {i} \xi x},円\delta (x),円\mathrm {d} x}
für die Fourier-Transformation beziehungsweise
- {\displaystyle {\mathcal {L}}(\delta )(\xi )=\int _{0}^{\infty }\mathrm {e} ^{-\xi x},円\delta (x),円\mathrm {d} x}
für die Laplace-Transformation nur symbolisch zu verstehen und mathematisch nicht definiert.
Transformation der verschobenen Delta-Distribution
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Es ist ebenfalls möglich die Fourier-Transformation beziehungsweise die Laplace-Transformation für die um {\displaystyle a>0} verschobene Delta-Distribution {\displaystyle \delta _{a}} zu berechnen. Es gilt
- {\displaystyle {\begin{aligned}{\mathcal {F}}(\delta _{a})&=\mathrm {e} ^{-\mathrm {i} \xi a}\\{\mathcal {L}}(\delta _{a})&=\mathrm {e} ^{-\xi a}.\end{aligned}}}
Praktische Anwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Praktische Bedeutung hat der Dirac-Stoß bei der Ermittlung der Impulsantwort in der Akustik (in anderen Sparten der Physik spricht man auch von einer {\displaystyle \delta }-Größe, wenn man meint, dass die betreffende Größe einer schmalst-möglichen Verteilung genügt). So hat jeder Raum ein eigenes Schallverhalten. Mit einem Dirac-Impuls (angenähert durch ein Klatschen mit den Händen) kann dieses Verhalten (durch Messen des „Echos", also der Systemantwort) ermittelt werden.
Typische, technisch realisierbare Dirac-Werte:
- Hochspannungstechnik ca. 1–100 ns Halbwertsbreite
- Hochfrequenztechnik ca. 10–100 ps Halbwertsbreite
- Pulslasertechnik ca. 10–100 fs Halbwertsbreite
Eine wichtige Anwendung der Delta-Distribution ist die Lösung inhomogener linearer gewöhnlicher und partieller Differentialgleichungen mit der Methode der Greenschen Funktion.
Mehrdimensionale Delta-Distribution
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Im Mehrdimensionalen ist der Raum der Testfunktionen {\displaystyle {\mathcal {E}}} gleich {\displaystyle C^{\infty }(\mathbb {R} ^{n})}, der Raum der beliebig oft total differenzierbaren Funktionen {\displaystyle f\colon ,円\mathbb {R} ^{n}\to \mathbb {R} }.
Die Delta-Distribution hat auf die Testfunktion {\displaystyle f\colon ,円\mathbb {R} ^{n}\to \mathbb {R} } die folgende Wirkung:
- {\displaystyle \delta \colon ,円{\mathcal {E}}\to \mathbb {R} ,,円\ f\mapsto f({\vec {0}})}
In der informellen Integralschreibweise unter Verwendung von Translation und Skalierung:
- {\displaystyle \int f({\vec {x}}),円\delta ({\vec {x}}-{\vec {a}}),円\mathrm {d} ^{n}x=\int f({\vec {x}}),円\delta ({\vec {a}}-{\vec {x}}),円\mathrm {d} ^{n}x=f({\vec {a}})}.
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die „mehrdimensionale" Delta-Distribution lässt sich als Produkt von „eindimensionalen" Delta-Distributionen schreiben:
- {\displaystyle \delta ({\vec {x}}-{\vec {a}})=\delta (x_{1}-a_{1}),円\delta (x_{2}-a_{2}),円\dots ,円\delta (x_{n}-a_{n})}.
Speziell im Dreidimensionalen gibt es eine Darstellung der Delta-Distribution, die häufig in der Elektrodynamik eingesetzt wird, um Punktladungen darzustellen:
- {\displaystyle \delta ({\vec {x}}-{\vec {a}})=-{\frac {1}{4\pi }}\Delta {\frac {1}{\|{\vec {x}}-{\vec {a}}\|_{2}}}}.
Delta-Distribution in krummlinigen Koordinatensystemen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]In krummlinigen Koordinatensystemen muss die Funktionaldeterminante
- {\displaystyle \mathrm {d} ^{3}r=\mathrm {d} x~\mathrm {d} y~\mathrm {d} z=\det {\frac {\partial (x,y,z)}{\partial (a,b,c)}}~\mathrm {d} a~\mathrm {d} b~\mathrm {d} c}
berücksichtigt werden.[3]
Der Ansatz
- {\displaystyle \delta ({{\vec {r}}-{\vec {r}}_{0}})=\gamma (a,b,c)~\delta (a-a_{0})~\delta (b-b_{0})~\delta (c-c_{0})}
mit {\displaystyle {\vec {r}}=(a,b,c)} und {\displaystyle {\vec {r}}_{0}=(a_{0},b_{0},c_{0})} führt dabei auf die Gleichung
- {\displaystyle \int _{V}\delta ({\vec {r}}-{\vec {r}}_{0})~\mathrm {d} ^{3}r=\iiint _{V}\det {\frac {\partial (x,y,z)}{\partial (a,b,c)}}~\gamma (a,b,c)~\delta (a-a_{0})~\delta (b-b_{0})~\delta (c-c_{0})~\mathrm {d} a~\mathrm {d} b~\mathrm {d} c~{\stackrel {!}{=}}~1}, falls {\displaystyle {\vec {r}}_{0}\in V}.
Daran lässt sich ablesen, dass gelten muss
- {\displaystyle \gamma =\left(\left.\det {\frac {\partial (x,y,z)}{\partial (a,b,c)}}\right|_{{\vec {r}}_{0}}\right)^{-1}}.
In krummlinigen Koordinatensystem muss die Delta-Distribution also mit einem Vorfaktor versehen werden, der dem Kehrwert der Funktionaldeterminante entspricht.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]In Kugelkoordinaten mit {\displaystyle {\vec {r}}=(r,\theta ,\phi )} und {\displaystyle {\vec {r}}_{0}=(r_{0},\theta _{0},\phi _{0})} gilt:
- {\displaystyle \delta ({\vec {r}}-{\vec {r}}_{0})={\frac {1}{r^{2}\sin \theta }}~\delta (r-r_{0})~\delta (\theta -\theta _{0})~\delta (\phi -\phi _{0})}
In Zylinderkoordinaten mit {\displaystyle {\vec {r}}=(\rho ,\phi ,z)} und {\displaystyle {\vec {r}}_{0}=(\rho _{0},\phi _{0},z_{0})} gilt:
- {\displaystyle \delta ({\vec {r}}-{\vec {r}}_{0})={\frac {1}{\rho }}~\delta (\rho -\rho _{0})~\delta (\phi -\phi _{0})~\delta (z-z_{0})}
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Dieter Landers, Lothar Rogge: Nichtstandard Analysis. Springer-Verlag, Berlin u. a. 1994, ISBN 3-540-57115-9 (Springer-Lehrbuch).
- Wolfgang Walter: Einführung in die Theorie der Distributionen. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. BI-Wissenschafts-Verlag, Mannheim u. a. 1994, ISBN 3-411-17023-9.
- F. G. Friedlander: Introduction to the Theory of Distributions. With additional material by M. Joshi. 2. edition. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1998, ISBN 0-521-64015-6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ Hans Wilhelm Alt: Lineare Funktionalanalysis: eine anwendungsorientierte Einführung. 5. überarb. Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a., 2006, ISBN 3-540-34186-2, Seite 109.
- ↑ Rüdiger Hoffmann: Grundlagen der Frequenzanalyse. Eine Einführung für Ingenieure und Informatiker. Mit 11 Tabellen Expert Verlag, 2005, ISBN 978-3-8169-2447-0, S. 26.
- ↑ Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 3. Elektrodynamik. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2007, ISBN 978-3-540-71251-0.