Mindestbesteuerung

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Regelungen zur Mindestbesteuerung sollen den Besteuerungsanspruch des erhebenden Staates sicherstellen. Teilweise richten sie sich unmittelbar gegen Strategien zur Steuervermeidung, teilweise sollen sie einen regelmäßigen Steuerfluss sicherstellen.

Unabhängig von ihrer genauen Ausgestaltung wirken Mindestbesteuerungsvorschriften verzerrend und vermindern die Neutralität eines Steuersystems. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, diese steuersystematischen Nachteile gegen die angestrebten Ziele abzuwägen.

Regelungen zur Mindestbesteuerung existieren in vielen Staaten. Üblich sind dabei

Verlustverrechnungsbeschränkungen

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Seit 2004 können in Deutschland gem. § 10d (2) EStG nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen

  • bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro unbeschränkt,
  • darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte

vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abgezogen werden (Regelung zum Verlustvortrag).

Bei einem bestehenden Verlustvortrag in Höhe von 3 Millionen Euro und einem zu versteuernden Einkommen vor Verlustausgleich im aktuellen Jahr in Höhe von 2 Millionen Euro bedeutet das, dass lediglich 1,6 Mio. Euro der Verluste ausgeglichen werden können, während für 400.000 Euro Steuern anfallen.

Mindeststeuern in Form von Festbeträgen

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  • In Österreich fällt für Kapitalgesellschaften – sowohl bei Gewinn als auch bei Verlust – eine so genannte Mindestkörperschaftsteuer an. Diese Mindeststeuer beträgt für GmbHs seit 2024 EUR 500 pro Jahr und ist bereits im Voraus zu je einem Viertel zu entrichten (grundsätzlich am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November).
  • In Luxemburg fällt für Kapitalgesellschaften eine mit der österreichischen Mindestkörperschaftsteuer vergleichbare Steuer in Höhe von 3.000 Euro an.
  • Die Vereinigten Staaten haben mit der für Einkommen- und Körperschaftsteuerpflichtige geltenden alternativen Mindeststeuer (alternative minimum tax, AMT) einen anderen Weg beschritten. Dabei handelt es sich um eine von der Ermittlung der regulären Steuerschuld weitgehend unabhängige Parallelrechnung für eine separate Bemessungsgrundlage, auf die dann spezielle Steuersätze anzuwenden sind. Ziel der AMT ist die Sicherstellung einer Mindeststeuerzahlung für natürliche und juristische Personen. Die AMT ersetzt die reguläre Steuerschuld, sofern sie diese übersteigt. Kompliziert ist die Berechnung der AMT vor allem für Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften.
  • Auch in Kanada greift eine Regelung zur Mindestbesteuerung, wenn Personen mit hohen Einkünften nur zu einem geringen Anteil des Einkommens der regulären Besteuerung unterliegen. Dieser Effekt kann beispielsweise auftreten, wenn ein Großteil des Einkommens aus Quellen erzielt wird, die steuerlich begünstigt sind.

Mindeststeuersätze oder Mindesthebesätze

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In Deutschland beträgt der Hebesatz der Gewerbesteuer 200 Prozent, wenn die Gemeinde nicht einen höheren Hebesatz bestimmt hat (§ 16 (4) 2 GewStG).

Soweit innerhalb der EU Steuern harmonisiert sind, gelten Mindeststeuersätze (z. B. bei der Umsatzsteuer, der Mineralölsteuer), die von den Mitgliedstaaten nicht unterschritten werden dürfen.

Globale Mindestbesteuerung

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Anfang Juni 2021 verständigten sich die Finanzminister der G7-Staaten auf dem Gipfeltreffen in St Ives auf Eckpunkte einer weltweit geltenden Mindestbesteuerung der digitalen Wirtschaft (Digitalsteuer für international agierende Großunternehmen), um angesichts zunehmender Digitalisierung der Wirtschaft das „Steuerdumping" zu unterbinden. Die 136 Länder, darunter alle Mitglieder der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und auch einige Steueroasen wie die Cayman-Inseln, repräsentieren über 90 % des globalen Bruttoinlandsprodukts. Unter dem Dach des OECD-Projekts Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting einigten sich die Staaten im Oktober 2021 auf die Grundzüge jener umfassenden Steuerreform, die unter anderem einen weltweit geltenden Mindeststeuersatz für große Konzerne in Höhe von 15 % beinhaltet. Steuern sollen zudem künftig unabhängig vom rechtlichen Sitz der Firmen dort entrichtet werden müssen, wo die Unternehmen operieren und ihre Profite generieren. Der globalen Steuerreform nicht zugestimmt haben Kenia, Nigeria, Pakistan und Sri Lanka. Die OECD schätzt, dass durch die Maßnahmen jährlich weltweit rund 150 Milliarden Dollar mehr Steuereinnahmen anfallen.[1] Die globale Mindestbesteuerung soll ab 2023 für Großunternehmen gelten.[2]

Umsetzung in der EU (Richtlinie 2022/2523)

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Die entsprechende Richtlinie (EU) 2022/2523 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen ist bis zum 31. Dezember 2023 von den Mitgliedstaaten umzusetzen.[3]

Entwicklungsgeschichte der Umsetzung in Deutschland[4] [5]
20.03.2023 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der FinanzenEntwurf eines Gesetzes für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG).
07.07.2023 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen – Referentenentwurf eines Gesetzes für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union und die Umsetzung weiterer Begleitmaßnahmen (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) [PDF, 2 MB].
16.08.2023 Die Bundesregierung beschließt den Entwurf für ein Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Regierungsentwurf, hinterlegt auf den Seiten des Bundesministeriums der Finanzen).
18.08.2023 Die Bundesregierung leitet ihren Gesetzentwurf dem Bundesrat zu (BR-Drs. 365/23).
19.09.2023 Die Ausschüsse des Bundesrats geben ihre Empfehlungen ab (BR-Drs. 365/1/23).
29.09.2023 Der Bundesrat berät denGesetzentwurf im ersten Durchgang und gibt seine Stellungnahme ab (BR-Drs. 365/23 Beschluss).
06.10.2023 Die Bundesregierung leitet ihren Gesetzentwurf dem Deutschen Bundestag zu (BT-Drs. 20/8668).
11.10.2023 Der Deutsche Bundestag berät den Gesetzentwurf in erster Lesung und überweist ihn in die Ausschüsse (Pressemitteilung).
18.10.2023 Vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags findet eine öffentliche Anhörung statt (Pressemitteilung).
8.11.2023 Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags stimmt dem Gesetzentwurf zu (Pressemitteilung).
10.11.2023 Der Deutsche Bundestag berät den Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung und nimmt ihn in Ausschussfassung an (Pressemitteilung). Dafür stimmten die Fraktionen der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP sowie die Union als größte Oppositionspartei. Die Linke und die AfD votierten dagegen.[6]
31.12.2023 Das Mindeststeuergesetz ist am 28. Dezember 2023 in Kraft getreten und gemäß seinem § 101 erstmals auf nach dem 30.12.2023 beginnende Geschäftsjahre anwendbar.[7]

Umsetzung in der Schweiz

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Per 1. Januar 2024 wird die OECD/G20-Mindestbesteuerung auch in der Schweiz eingeführt.[8]

Rückzug der Vereinigten Staaten

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Mit Beginn seiner zweiten Amtszeit erließ Präsident Donald Trump eine Executive Order, in der er erklärte, dass die Vereinigten Staaten sich aus dem Global Tax Deal zurückziehen und dessen Bestimmungen nicht weiter anwenden würden.[9]

Einzelnachweise

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  1. Globale Steuerreform: OECD verkündet Einigung von 136 Staaten. In: Der Spiegel. 8. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 8. Oktober 2021]). 
  2. David Böcking: Pandora Papers: Die Steuertrickser sind längst nicht am Ende. In: Der Spiegel. 4. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 5. Oktober 2021]). 
  3. Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union
  4. Deutscher Bundestag Parlamentsdokumentation: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen. In: dip.bundestag.de. Deutscher Bundestag, abgerufen am 2. Dezember 2023. 
  5. Entwicklungsgeschichte. In: rsw.beck.de. C.H. BECK, abgerufen am 2. Dezember 2023. 
  6. Till Bücker: Wie sich die globale Mindeststeuer auswirkt. Abgerufen am 11. November 2023. 
  7. Bundesgesetzblatt Teil I - Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen - Bundesgesetzblatt. Abgerufen am 27. Dezember 2023. 
  8. Einführung der OECD/G20-Mindestbesteuerung auf den 1. Januar 2024. In: admin.ch. Der Bundesrat, Eidgenössisches Finanzdepartement, 22. Dezember 2023, abgerufen am 22. Dezember 2023. 
  9. The Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) Global Tax Deal (Global Tax Deal). In: The White House. 21. Januar 2025, abgerufen am 21. Januar 2025 (amerikanisches Englisch). 
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