Hermitesches Polynom
Die Hermiteschen Polynome (nach Charles Hermite) sind Polynome mit folgenden äquivalenten Darstellungen:
- {\displaystyle H_{n}(x)=(-1)^{n}e^{x^{2}}{\frac {\mathrm {d} ^{n}}{\mathrm {d} x^{n}}}e^{-x^{2}},,円}
bzw. {\displaystyle H_{n}(x)=e^{x^{2}/2},円\left(x-{\frac {\mathrm {d} }{\mathrm {d} x}}\right)^{n},円e^{-x^{2}/2},円.}
Die Hermiteschen Polynome (mit einem festen {\displaystyle n}) sind Lösungen der Hermiteschen Differentialgleichung, einer linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung:
- {\displaystyle H_{n}''(x)-2,円x\cdot H_{n}'(x)+2,円n\cdot H_{n}(x)=0\qquad (n=0,1,2,\dots ).}
Explizite Darstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Aus der ersten Darstellung erhält man mit der Formel von Faà di Bruno die explizite Darstellung
- {\displaystyle H_{n}(x)=(-1)^{n}\sum _{k_{1}+2k_{2}=n}{\frac {n!}{k_{1}!k_{2}!}}(-1)^{k_{1}+k_{2}}(2x)^{k_{1}}}
also
- {\displaystyle H_{0}(x)=1}
- {\displaystyle H_{1}(x)=2x}
- {\displaystyle H_{2}(x)=(2x)^{2}-2=4x^{2}-2}
- {\displaystyle H_{3}(x)=(2x)^{3}-6(2x)=8x^{3}-12x}
- {\displaystyle H_{4}(x)=(2x)^{4}-12(2x)^{2}+12=16x^{4}-48x^{2}+12}
Hermitesche Polynome lassen sich durch folgende Rekursionsformeln berechnen {\displaystyle (n\in \mathbb {N} _{0},H_{-1}(x):=0)}:
- {\displaystyle H_{n+1}(x)=2,円x,円H_{n}(x)-2,円n,円H_{n-1}(x)}
- {\displaystyle H_{n}'(x)=2,円n,円H_{n-1}(x)}
Da bei jedem Iterationsschritt ein {\displaystyle x} hinzumultipliziert wird, sieht man schnell, dass {\displaystyle H_{n}(x)} ein Polynom von Grade {\displaystyle n} ist. Der Koeffizient der höchsten Potenz {\displaystyle x^{n}} ist {\displaystyle 2^{n}}. Für gerade {\displaystyle n} treten ausschließlich gerade Potenzen von {\displaystyle x} auf, entsprechend für ungerade {\displaystyle n} nur ungerade Potenzen, was sich mathematisch durch die Identität
- {\displaystyle H_{n}(-x)=(-1)^{n}\cdot H_{n}(x)}
ausdrücken lässt.
Die rekursive Darstellung der o. g. Hermiteschen Polynome lässt sich durch die einfache Substitution {\displaystyle n'=n+1} auch wie folgt schreiben:
- {\displaystyle H_{n}(x)=2xH_{n-1}(x)-2(n-1)H_{n-2}(x),円,円,円,円,円\quad \quad (n=1,2\ldots )}
Orthogonalität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Hermiteschen Polynome erfüllen bezüglich der Gewichtsfunktion {\displaystyle e^{-x^{2}}} die Orthogonalitätsrelation
- {\displaystyle \int \limits _{-\infty }^{+\infty }e^{-x^{2}}\cdot H_{n}(x)\cdot H_{m}(x),円dx=2^{n}\cdot n!\cdot {\sqrt {\pi }}\cdot \delta _{nm}.}
Das heißt, dass bestimmte reelle Funktionen nach den Hermiteschen Polynomen in eine Reihe entwickelt werden können.
Erzeugende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Eine erzeugende Funktion für die Hermite-Polynome ist
- {\displaystyle F(x,t)=e^{2xt-t^{2}}=\sum _{n=0}^{\infty }{\frac {t^{n}}{n!}}H_{n}(x)} .
Andere Darstellung der Hermiteschen Polynome
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Eine andere Definitionsmöglichkeit der Hermiteschen Polynome (Statistiker-Konvention) ist
- {\displaystyle He_{n}(x)=2^{-n/2}H_{n}(x/{\sqrt {2}})=(-1)^{n}e^{x^{2}/2}{\frac {\mathrm {d} ^{n}}{\mathrm {d} x^{n}}}e^{-x^{2}/2}.}
Sie sind bezüglich der Gewichtsfunktion {\displaystyle e^{-x^{2}/2}} orthogonal
- {\displaystyle \int \limits _{-\infty }^{\infty }e^{-x^{2}/2},円He_{n}(x),円He_{m}(x),円dx={\sqrt {2,円\pi }},円n!,円\delta _{mn}}
und erfüllen die Differentialgleichung
- {\displaystyle y''-x,円y'+n,円y=0.}
Sie lassen sich rekursiv durch
- {\displaystyle He_{n+1}(x)=x,円He_{n}(x)-n,円He_{n-1}(x)}
bestimmen.
Binomischer Lehrsatz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Für die Hermiteschen Polynome gilt eine Formel, die eine ähnliche Gestalt hat wie der binomische Lehrsatz. Für {\displaystyle a^{2}+b^{2}=1} ist
- {\displaystyle H_{n}(ax+by)=\sum _{k=0}^{n}{\binom {n}{k}}a^{k}b^{n-k}H_{k}(x)H_{n-k}(y).}
Index mit negativem Wert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Die Ableitung der komplementären Fehlerfunktion {\displaystyle 1-\operatorname {erf} (x)=\operatorname {erfc} (x)} ist
- {\displaystyle {\frac {\mathrm {d} }{\mathrm {d} x}}\operatorname {erfc} (x)=-{\frac {2}{\sqrt {\pi }}}e^{-x^{2}}}.
Damit kann die Darstellung der Hermiteschen Polynome auch folgendermaßen geschrieben werden:[1]
- {\displaystyle H_{n}(x)={\frac {\sqrt {\pi }}{2}}(-1)^{(n+1)}e^{x^{2}}{\frac {\mathrm {d} ^{n+1}}{\mathrm {d} x^{n+1}}}\operatorname {erfc} (x)},
sodass man für {\displaystyle n=-1} findet:
- {\displaystyle H_{-1}(x)={\frac {\sqrt {\pi }}{2}}e^{x^{2}}\operatorname {erfc} (x)}.
Die Funktionen höherer Indizes berechnen sich als:
- {\displaystyle H_{n-1}(x)={\frac {(-1)^{n}}{2^{-n}(-n)!}}{\frac {\mathrm {d} ^{-n}}{\mathrm {d} x^{-n}}}H_{-1}(x)} oder rekursiv {\displaystyle H_{n-1}(x)={\frac {1}{2n}}H_{n}'(x)} mit {\displaystyle n=(-1,-2,-3,\dotsc )}.
Die so erhaltenen Funktionen genügen wie die Polynome mit positivem Index der hermiteschen Differentialgleichung.
Sie lauten:
- {\displaystyle H_{-1}(x)={\tfrac {1}{2}}{\sqrt {\pi }}e^{x^{2}}\operatorname {erfc} (x)}
- {\displaystyle H_{-2}(x)={\tfrac {1}{2}}(1-x{\sqrt {\pi }}e^{x^{2}}\operatorname {erfc} (x))}
- {\displaystyle H_{-3}(x)={\tfrac {1}{8}}(-2x+(1+2x^{2}){\sqrt {\pi }}e^{x^{2}}\operatorname {erfc} (x))}
- {\displaystyle \ldots }
Anwendungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Ihre Bedeutung erhalten die Hermite-Polynome durch ihre vielseitige Anwendbarkeit in der Physik. Zum Beispiel werden sie zur Konstruktion der orthonormierten Lösungsfunktionen des quantenmechanischen harmonischen Oszillators benötigt. Diese entsprechen den Hermiteschen Funktionen, die man durch Multiplikation mit der gaußschen Normalverteilung und geeigneter Normierung erhält.
Eine weitere Anwendung finden sie in der Finite-Elemente-Methode als Formfunktionen.
Die Wahrscheinlichkeitsdichte der nicht-zentralen Studentschen t-Verteilung lässt sich ausdrücken mittels Hermitescher Polynomfunktionen, deren Index negative Werte hat.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- I.N. Bronstein u. a.: Taschenbuch der Mathematik . 5. Auflage. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main / Thun 2001, ISBN 3-8171-2005-2
- Milton Abramowitz, Irene Stegun: Pocketbook of Mathematical Functions
- Murray R. Spiegel: Höhere Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler. McGraw-Hill
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Eric W. Weisstein: Hermite Polynomial. MathWorld.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ Eric W. Weisstein: Hermite Polynomial. In: MathWorld (englisch).