Unter Evolutionstheorie (früher auch Evolutionslehre genannt) versteht man die wissenschaftliche und in sich stimmige Beschreibung der Entstehung und Veränderung biologischer Einheiten, speziell der Arten, als Ergebnis der organismischen Evolution, d. h. eines Entwicklungsprozesses im Laufe der Erdgeschichte, der mit der Entstehung des Lebens einsetzte und weiterhin andauert. Evolutionstheorien sind naturgemäß jeweils ein Produkt der Zeit ihrer Entstehung und spiegeln die jeweiligen Erkenntnisse, die Faktenlage und die wissenschaftlichen Herangehensweisen der Zeit wider. Da sich die moderne Evolutionsbiologie mit zahlreichen Ansätzen und Analysen beschäftigt, liegt mittlerweile ein Theoriengebäude vor, in welchem viele Erkenntnisstränge von der Paläontologie bis zur Molekularbiologie zusammenfließen und sich wechselseitig zu einer Gesamtsicht ergänzen. Der biologischen Evolutionstheorie – als Konzepte für deren Vorgeschichte – vorgelagert sind die Hypothesen und Theorien, welche die Entstehung des Lebens aus anorganischen und organischen Stoffen erklären, wie sie zum Beispiel im Rahmen der unterschiedlichen Konzepte der chemischen Evolution erforscht werden.
Vage Ideen darüber, wie oder wo Leben entstanden sei, wurden verschiedentlich schon von Gelehrten des antiken Griechenlands geäußert. Thales von Milet vermutete den Ursprung des Lebens im Wasser, Anaximander sprach direkt von einer Urzeugung in feuchter Umgebung, Aristoteles vermutete die Urzeugung im Schlamm und Schmutz. Judentum, Christentum und Islam gingen von einem göttlichen Akt der Schöpfung aus und vertraten das Konzept einer Artkonstanz, dem bis etwa zur Aufklärung auch viele Gelehrte Europas folgten. Alle diese Hypothesen schienen in ihrer jeweiligen Zeit und unter Beachtung des damaligen Wissensstandes mehr oder weniger überzeugend.[1] Sie stellten jedoch keine Theorie dar. Erst im Anschluss entwickelten sich umfassende wissenschaftliche Theoriengebäude auf Basis empirischer Befunde.
Jean-Baptiste de Lamarck schlug 1809 in seiner Philosophie zoologique einen Artenwandel vor. Er ging von einer Vererbungerworbener Merkmale aus (Arten galten ihm also nicht als unveränderlich), eine Betrachtungsweise, die im 19. Jahrhundert – vor der Kenntnis der Grundlagen der Genetik – noch lange unter Naturforschern verbreitet war. Selbst Charles Darwin ging 50 Jahre später (1859) davon aus, dass erworbene Eigenschaften weiter gegeben werden können. Das Theoriengebäude Lamarcks wird üblicherweise als „Lamarckismus" bezeichnet, wenngleich der Begriff in der Praxis auf den Aspekt der Vererbung erworbener Eigenschaften reduziert wird. Als weitere Komponente seines Theoriengebäudes ist zu nennen, dass er von einer auch heute noch ablaufenden kontinuierlichen Urzeugung von Kleinlebewesen ausging. Ferner nahm er an, dass zu jeder rezenten Art eine eigene Evolutionslinie führe, dass sich alle Arten aus getrennten Urzeugungen entwickelt haben.
Diese Vorstellung wurzelt in der damaligen Bedeutung des Evolutionsbegriffes als vorherbestimmte „Höherentwicklung" auf der Stufenleiter der Natur, die gottgegeben von primitiven Lebensformen bis hin zum Menschen als „Krone der Schöpfung" führt – ohne eine gemeinsame Abstammungsgeschichte, wie sie Darwin einführte. Darwin sprach ursprünglich von seiner Deszendenztheorie (Abstammungslehre), ließ sich jedoch später durch den Einfluss von Herbert Spencer (der den Begriff in seiner Theorie einer kulturellen Evolution verwendete) hinreißen, Evolution und Deszendenz synonym zu verwenden.[2]
Georges Cuvier kam als vergleichender Anatom und Begründer der Paläontologie durch die Untersuchung zahlreicher Fossilien in verschiedenen Ablagerungen zur Erkenntnis, dass die Baupläne der Lebewesen verwandt sind und dass Lebewesen aussterben können. Er maß dem wiederkehrenden Massenaussterben, beispielsweise durch Meerestransgressionen, wie er damals annahm, eine zentrale Rolle bei und war dadurch ein Hauptvertreter des Katastrophismus.
Étienne Geoffroy Saint-Hilaire stellte sich gegen Thesen von Cuvier und vertrat eine Kontinuität der Entwicklung von den nur fossil bekannten Organismen zu den rezent lebenden. Er postulierte einen Grundplan aller Tiere, der Wirbellosen und der Wirbeltiere, und lieferte sich diesbezüglich weit herum beachtete Auseinandersetzungen (den Pariser Akademiestreit von 1830) mit Georges Cuvier, der von vier verschiedenen Hauptbauplantypen (Wirbeltiere, Weichtiere, Strahlentiere und Gliedertiere) im Tierreich ausging.