Baum
Als Baum (von westgermanisch mittelhochdeutsch, althochdeutsch boum, Herkunft ungeklärt,[1] Teil der Swadesh-Liste; im Behördendeutsch auch Großgrün[2] ) wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine verholzte Pflanze verstanden, die aus einer Wurzel, einem daraus emporsteigenden, hochgewachsenen Stamm und einer belaubten oder benadelten Krone besteht.
Die Botanik definiert Bäume als ausdauernde und verholzende Samenpflanzen, die eine dominierende Sprossachse aufweisen, die durch sekundäres Dickenwachstum an Umfang zunimmt. Diese Merkmale unterscheiden einen Baum von Sträuchern, Farnen, Palmen und anderen verholzenden Pflanzen. Im Gegensatz zu ihren entwicklungsgeschichtlichen Vorläufern verfügen die meisten Bäume zudem über wesentlich differenziertere Blattorgane, die mehrfach verzweigten Seitentrieben (Lang- und Kurztrieben) entspringen. Stamm, Äste und Zweige verlängern sich jedes Jahr durch Austreiben von End- und Seitenknospen, verholzen dabei und nehmen kontinuierlich an Umfang zu. Im Gegensatz zum Strauch ist es besonderes Merkmal der Bäume, dass die Endknospen über die Seitenknospen dominieren (Apikaldominanz) und sich dadurch ein vorherrschender Haupttrieb herausbildet (Akrotonie).
Entwicklung in der Erdgeschichte
Die Voraussetzungen für die Entstehung und Verbreitung der Bäume waren:
- die Entwicklung des Kormus (Differenzierung zwischen Blatt, Spross und Wurzel) als Organisationsform der höheren Pflanzen,
- die Entwicklung des Samens als Fortpflanzungsmethode,
- die Entwicklung des Lignins für die Bildung von Dauergewebe,
- die Entwicklung des sekundären Dickenwachstums für die Bildung mehrjähriger Organismen.
Die Vorläufer der Bäume kennt man aus dem Karbon. Sie gehörten zu den Schachtelhalmgewächsen, den Bärlappgewächsen und den Farnen. Sie besaßen verholzte Stämme, die auch ein sekundäres Dickenwachstum aufwiesen. Fossile Gattungen sind beispielsweise Lepidodendron und Sigillaria . Die verdichteten Sedimente dieser Wälder bilden die Steinkohle.
Die weitere Evolution der Pflanzen brachte im Perm die Samenpflanzen hervor. Die Nacktsamer breiteten sich als erste Bäume rasch aus, erreichten wohl in der Trias (vor etwa 200 Millionen Jahren) ihre größte Artenvielfalt, bis sie im Paläogen (vor etwa 60 Millionen Jahren) von den Angiospermen in ihrer Bedeutung abgelöst wurden.[3] Von den bekannten 220.000 Blütenpflanzen sind etwa 30.000 Holzarten, so dass etwa jede achte Blütenpflanze ein Baum oder Strauch ist. Die meisten Baumarten zählen zu den Bedecktsamern (Angiospermen). Die Gymnospermen (Nacktsamer) umfassen nur ungefähr 800 Arten, bedecken aber immerhin ein Drittel der Waldfläche der Erde.
Die globale Verteilung der Baumarten wurde vor allem durch die klimatischen Verhältnisse und durch die Kontinentalverschiebung geprägt. Während zum Beispiel die Buchengewächse (Fagaceae) eine typische Familie der Nordhemisphäre sind, ist beispielsweise die Familie Podocarpaceae vorwiegend in der Südhemisphäre verbreitet. Die heutige natürliche Artenverteilung wurde stark von den quartären Eiszeiten beeinflusst. Das gleichzeitige Vordringen der skandinavischen und alpinen Gletschermassen Europas hat zu einer Verdrängung zahlreicher Spezies geführt und die im Vergleich zu Nordamerika auffällige Artenarmut in Zentraleuropa verursacht. So stehen etwa der einzigen in den montanen Regionen Mitteleuropas heimischen Fichtenart, der Gemeinen Fichte (Picea abies), zahlreiche Fichtenarten auf dem nordamerikanischen Kontinent gegenüber.
Systematik
Baumförmige Lebensformen kommen in verschiedenen Pflanzengruppen vor: „Echte" Bäume sind die Laubbäume unter den Bedecktsamern und die baumförmigen Nacktsamer, zu denen Nadelholzgewächse wie die Koniferen gehören, aber auch Ginkgo biloba (als einziger noch existierender Vertreter der Ginkgogewächse) sowie zahlreiche Vertreter der fiederblättrigen Nacktsamer (Cycadophytina). Eigentümlichster Baum ist wohl die in Namibia vorkommende Welwitschia mirabilis , deren Stamm im Boden verbleibt. Daneben können auch die Palmen und die Baumfarne eine baumähnliche Form ausbilden. Diese Gruppen besitzen aber kein echtes Holz (sekundäres Xylem) und gelten daher nicht als Bäume. Eine Sonderstellung nimmt der Drachenbaum (Dracaena) ein. Dieser gehört zwar zu den Einkeimblättrigen, hat aber ein atypisches sekundäres Dickenwachstum.
Baumähnliche Formen finden sich hauptsächlich in rund 50 höheren Pflanzenfamilien. Dagegen fehlt die Baumform bei Algen, Moosen, Liliengewächsen, Iridaceae, Hydrocharitaceae, Orchideen, Chenopodiaceae, Primelgewächsen und meist auch bei den Convolvulaceae, Glockenblumengewächsen, Cucurbitaceae, Doldengewächsen, Saxifragaceae, Papaveraceae, Ranunculaceae oder Caryophyllaceae.
Bäume kommen heute innerhalb der Nacktsamer (Gymnospermae) einerseits in Form der Ginkgoopsida mit der Art Ginkgo, andererseits der nadelblättrigen Nacktsamer (Coniferopsida, „Nadelbäume") vor. Dominiert werden die Arten vor allem von der Ordnung Pinales mit den Familien Pinaceae (Fichten, Kiefern, Tannen, Douglasien, Zedern, Lärchen, Goldlärche), Cupressaceae (Zypressen, Scheinzypressen, Sumpfzypressen, Lebensbäume, Wacholder, Mammutbäume), Podocarpaceae (Steineiben, Harzeiben), Araucariaceae (Araukarien, Kauri-Bäume), Taxaceae (Eiben) und Cephalotaxaceae (Kopfeiben).
Viele Baumarten kommen aber auch innerhalb der Bedecktsamer (Angiospermen) vor. Die verschiedenen Unterklassen haben hier unterschiedliche Laubbaumtypen hervorgebracht. Zu den bedeutendsten gehören die Buchengewächse (Fagaceae), zu denen neben den Buchen (Fagus spp.) auch die Eichen (Quercus spp.) und die Kastanien (Castanea) gezählt werden. Ebenfalls bedeutend sind die Birkengewächse (Betulaceae) mit den Birken und Erlen sowie die Nussbäume (Juglandaceae), die Ulmen (Ulmaceae) und die Maulbeergewächse (Moraceae). Zu den Rosiden zählen die Linden aus der Familie der Malvengewächse, die Obstgehölze aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae) sowie die Leguminosen (Fabales) mit sehr zahlreichen, vor allem tropischen Arten. Neben der Gattung Dalbergia (Palisanderbäume) gehört auch die Gattung Robinia in diese Gruppe. Wirtschaftlich bedeutsam sind die Zedrachgewächse (Meliaceae) mit den Gattungen Entandrophragma (Mahagonibäume) und Cedrela sowie die Familie der Dipterocarpaceae mit der Gattung Shorea (Meranti, Bangkirai).
Morphologie
Baumartige Lebensformen zeigen eine große Variationsbreite in ihrem Aufbau (Morphologie). Assoziiert wird mit dem Begriff Baum (bzw. Bäumlein) der Aufbau aus Baumkrone, Baumstamm und Baumwurzeln. Bei den baumartigen Farnen und den meisten Palmen finden sich einfache Stämme, die keine Äste ausbilden, sondern schopfartig angeordnete, häufig gefiederte Blätter. Vor allem zeigen sie kein sekundäres Dickenwachstum und sind damit keine echten Bäume.
Wachstum
Bei den echten Bäumen wächst aus dem Spross der Keimpflanze durch Längen- und sekundäres Dickenwachstum der künftige Baumstamm heran: Es bildet sich der Spross an der Spitze durch die sich ständig erneuernde Gipfelknospe aufrecht weiter und wird zum geraden, bis zur höchsten Kronenspitze durchgehenden Baumstamm (Monopodium). In der Spitzenknospe gebildete Wuchsstoffe (Auxine) unterdrücken die Aktivität der Seitenknospen. Bei vielen Baumarten lässt diese Dominanz des Haupttriebs mit dem Alter nach und es bildet sich eine typische, verzweigte Laubbaumkrone.
Bei anderen Gehölzen wie der Buche oder der Hainbuche übernimmt eine subterminale Seitenknospe die Führung (Sympodium). Bei Bäumen entsteht so eine aufrechte „Scheinachse" (Monochasium). Im späteren Verlauf lässt die Dominanz der führenden Knospe nach und aus weiteren Seitenknospen entwickeln sich stärkere Äste, die schließlich eine Krone bilden. Dies geschieht meist früher als bei Bäumen mit monopodialem Wuchs.
Sträucher hingegen sind durch das völlige Fehlen der apikalen Dominanz gekennzeichnet. Zahlreiche bodenbürtige Seitentriebe bilden hier eine weit verzweigte Wuchsform.
Bei Gehölzen bildet sich an den Wuchsachsen während der Vegetationsperiode je ein Triebabschnitt (Jahrestrieb), dessen Beginn lange an den schmalen ringförmigen Blattnarben der ehemaligen Knospenschuppen erkennbar ist. Ein weiterer Austrieb nach der Vegetationsperiode wird als Johannistrieb (Prolepsis) bezeichnet. Tropische Arten neigen zu mehrfachem Austrieb.
Alter
Aus der Zahl der Jahrestriebe und dem Grad der Verzweigung lässt sich das Alter eines Astes ermitteln. Diese Altersbestimmung wird jedoch bei zahlreichen Arten (zum Beispiel Fichte oder Tanne) und regelmäßig bei älteren Bäumen durch die Ausbildung von sogenannten Proventivtrieben erschwert, die aus „schlafenden" Knospen austreiben. Die regelmäßige Bildung von Proventivtrieben wird als Reiteration (sprich: Re-Iteration) bezeichnet. Diese Wiederholungstriebe dienen der Erneuerung der Krone und verschaffen Bäumen die Möglichkeit, alternde Äste zu ersetzen sowie auf Stress (Schneebruch, Insektenkalamitäten) zu reagieren.
Bäume können ein Alter von mehreren hundert Jahren, an bestimmten Standorten sogar von mehreren tausend Jahren erreichen. Die ältesten bekannten Individuen sind über 5000 Jahre alt. Die nachweislich ältesten Bäume Deutschlands werden auf etwa 600 Jahre datiert. Die ältesten bekannten Klonkolonien der Welt hingegen sind 60–70 Mio. Jahre alt.[4] [5] [6]
Wächst der Baum unter im Jahresrhythmus schwankenden klimatischen Bedingungen, wird während der Vegetationsperiode ein Jahresring angelegt. Mit Hilfe dieser Ringe lassen sich das Alter eines Baumes und dessen Wuchsbedingungen in den einzelnen Jahren ablesen. Die Dendrochronologie nutzt dies, um altes Holz zu datieren und das Klima einer Region bis zu mehreren 1000 Jahren zu rekonstruieren.
Schädigungen
Seine Entwicklung bringt für den Baum zahlreiche Probleme und Schädigungen mit sich. Hierunter fallen vor allem:
- Pilzbefall,
- Insektenschaden,
- Windbruch (Baumteile brechen ab),
- Windwurf (der Baum wird mit den Wurzeln aus dem Boden gehebelt),
- Schneebruch (Baumteile unter schweren Schneelasten brechen ab),
- Blitzschaden (Stammteile werden abgesprengt),
- Frost (Trockenschaden durch Transpiration bei gefrorenem Boden, Stammrisse).
Bei Jungbäumen kommt es insbesondere zu:
- übermäßigem Wildverbiss,
- Schälung der Rinde,
- Wühlmausschaden an der Wurzel.
Einige wichtige Krankheiten, von denen Bäume befallen werden können, sind Brand, Krebs, Rost, Mehltau, Rotfäule, Weißfäule, Braunfäule und Harzfluss. Zu Missbildungen an Bäumen zählen die Maserkröpfe, die Hexenbesen oder Wetterbüsche sowie die Gallen.
Stamm
Definition
Der Baumstamm, in der Dendrologie Schaft genannt, ist die verholzende Hauptachse (Caulom) der Baumpflanze.
Bestandteile
Ein Querschnitt durch einen Baumstamm zeigt verschiedene Zonen. Ganz innen befinden sich das aus Primärgewebe bestehende Mark und das tote Kernholz. Bestimmte Baumarten (z. B. Buche, Esche) bilden fakultativ einen Falschkern aus, der sich in den Eigenschaften vom echten Kernholz unterscheidet. Weiter außen befindet sich das Splintholz, das der Leitung und Speicherung dient und sich bei sogenannten Kernholzbäumen farblich meist deutlich vom Kernholz abhebt. Bei der Eiche, der Eibe und der Robinie ist dies sehr gut sichtbar. Die Fichte hat einen farblosen Kern (Reifholz).
Die äußerste Schicht bildet die Baumrinde. Sie besteht aus der Bastschicht, die in Wasser gelöste Nährstoffe transportiert, und der Borke, die den Stamm vor Umwelteinflüssen (UV-Einstrahlung, Hitze, mechanische und biotische Schäden) schützt.
Zwischen der Bastschicht und dem Holz befindet sich bei Gymnospermen und Dikotyledonen das Kambium. Diese Wachstumsschicht bildet durch sekundäres Dickenwachstum nach innen Holz (Xylem) und nach außen Bast (Phloem). Das Holz zeichnet sich durch die Einlagerung von Lignin in die Zellwand aus. Dadurch werden die Zellen versteift und bilden ein festes Dauergewebe. Das sekundäre Dickenwachstum, die Lignifizierung der hölzernen Zellwand und die Vermehrung durch Samen verschafften den Bäumen in den meisten Biomen der Erde einen Vorteil gegenüber anderen Pflanzen und haben dort zur Entwicklung großflächiger Waldbestände geführt. Ausnahmen bilden die Wüsten, die arktischen Tundren und die zentralkontinentalen Steppen.
Hinsichtlich des inneren Baus des Baumstamms weichen die zu den Einkeimblättrigen gehörenden Palmen von den echten Bäumen erheblich ab. Bei ersteren stehen die Gefäßbündel im Grundgewebe zerstreut, weshalb es keinen Kambiumring, keinen Holzzylinder und somit kein fortdauerndes sekundäres Dickenwachstum des Stammes gibt. Bei den zu den Dikotyledonen oder Gymnospermen gehörenden Bäumen besitzt der Stamm schon in der frühesten Jugend als dünner Stängel einen unter der Rinde gelegenen Kreis von Leitbündeln, der den Rindenbereich vom innen liegenden Mark scheidet. Dieser Leitbündelring stellt in seiner inneren, dem Mark anliegenden Hälfte das Holz und im äußeren, an die Rinde angrenzenden Teil den Bast dar; zwischen beiden zieht sich der Kambiumring hindurch. Dieser wird aus zarten, saftreichen, sich ständig teilenden Zellen gebildet und vergrößert durch seinen laufenden Zellvermehrungsprozess die beiderseits ihm anliegenden Gewebe. So wird alljährlich an der Außenseite des Holzringes eine neue Zone Holzgewebe angelegt, wodurch die Jahresringe des auf diese Weise erstarkenden Holzkörpers entstehen, die als konzentrische Linien am Stammquerschnitt wahrnehmbar sind. Andererseits erhält aber auch der weiter außen liegende Bast an seiner Innenseite einen jährlichen, wenn auch weit geringeren Zuwachs. Auf diese Weise kommt die dauernde Verdickung des Stammes und aller Äste sowie auch der Wurzeln zustande.
Wurzel
Auch in der Wurzelbildung unterscheiden sich die Bäume untereinander. Neben der genetischen Festlegung steuern die Erfordernisse der Verankerung des Baumes im Boden ebenso wie die Notwendigkeit der Versorgung der Pflanze mit Wasser und Nährstoffen die Intensität und Art des Wurzelwachstums. Man spricht entsprechend der Form des Wurzelstocks von Pfahlwurzel, Flachwurzel oder Herzwurzel. Bei der Pfahlwurzel wächst die Hauptwurzel senkrecht in den Boden hinab, was besonders für die Eiche charakteristisch ist. Flachgründige Böden und hoch anstehendes Grundgestein oder Grundwasser begünstigen z. B. die Bildung von Flachwurzeln. Trockene Böden begünstigen eine Bildung von Pfahlwurzeln. Die überwiegende Masse des Wurzelstocks machen bei den Bäumen nicht die verholzten Wurzelteile, sondern die mit einer Mykorrhiza vergesellschafteten Feinwurzeln aus.[7] Im Boden verbinden sich viele Wurzeln symbiotisch mit Pilzmycelen. Bäume erhalten Mineralien wie Phosphor von den Pilzen, während Pilze von den Bäumen die Kohlenhydratprodukte der Photosynthese gewinnen.[8] Die Pilze können verschiedene Bäume miteinander verbinden, und es bildet sich ein Netzwerk, das Nährstoffe und Signale überträgt.[9] [10] Die Gesamtwurzelmasse reicht oft an die Masse der oberirdischen Pflanzenteile heran. Bei einkeimblättrigen baumähnlichen Lebensformen endet der Stamm nahe unter der Bodenfläche und es entwickelt sich ein sprossbürtiges Wurzelsystem (Homorhizie).
An alten Bäumen finden sich meist junge Adventivwurzeln, die alte, ineffektive Wurzeln ersetzen. Bei einigen Baumarten bilden oberflächennahe Wurzeln eine sogenannte Wurzelbrut, eine Form der vegetativen Vermehrung. Wurzelkappungen infolge von Baumaßnahmen können das Absterben von Wurzelteilen bewirken und führen zum Eindringen von holzzerstörenden Pilzen in den Baum. Dies ist die häufigste Ursache von irreparablen Baumschäden im städtischen Bereich.