Kernwaffe
Eine Kernwaffe (Atomwaffe, Nuklearwaffe, Atombombe, Atomsprengkopf) ist eine Waffe, deren Wirkung auf kernphysikalischen Reaktionen – Kernspaltung und/oder Kernfusion – beruht. Konventionelle Waffen beziehen dagegen ihre Explosionsenergie aus chemischen Reaktionen, bei denen die Atomkerne unverändert bleiben. Die Entwicklung der Kernwaffentechnik begann mit dem Zweiten Weltkrieg.
Zusammen mit biologischen und chemischen Waffen gehören Kernwaffen zu den Massenvernichtungswaffen. Bei der Explosion einer Kernwaffe wird sehr viel Energie in Form von Hitze, Druckwelle und ionisierender Strahlung frei. Dadurch kann eine Kernwaffe innerhalb kürzester Zeit eine ganze Stadt zerstören und hunderttausende Menschen töten. Die Strahlung verursacht akute Strahlenkrankheit und gesundheitliche Langzeitschäden. Durch den radioaktiven Niederschlag (Fallout) werden größere Gebiete verseucht.
Durch die Kernspaltung eröffnete sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Möglichkeit, die Sprengkraft von tausenden Tonnen TNT in militärisch einsetzbaren Sprengkörpern zu realisieren. Die Weiterentwicklung zur technisch anspruchsvolleren Fusionsbombe versprach im Rahmen des Wettrüstens zu Beginn des Kalten Kriegs Bomben mit mehreren Millionen Tonnen TNT-Äquivalent.
Die Atombombe wurde zuerst von den USA im Manhattan-Projekt entwickelt. Am 16. Juli 1945 fand der erste Kernwaffentest mit einer Kernwaffenexplosion unter dem Projektnamen Trinity (engl. ‚Dreifaltigkeit‘) statt. Am 6. und 9. August 1945 folgten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, die hunderttausende Opfer forderten.
Seitdem wurden Atombomben nicht mehr als Waffen eingesetzt. Es fanden aber über 2000 Kernwaffentests, überwiegend durch die USA und die Sowjetunion, statt (siehe Liste von Kernwaffentests).
Auch die Sowjetunion entwickelte ab 1949 Kernwaffen. Am 30. Oktober 1961 zündete die Sowjetunion über der Insel Nowaja Semlja die Zar-Bombe, die mit 57 Megatonnen stärkste jemals gezündete Kernwaffe.
Während des Kalten Krieges kam es zu einem Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion, auf dessen Höhepunkt die beiden Staaten zusammen rund 70.000 Atomsprengköpfe besaßen.[1] Ihr Kernwaffenarsenal hatte gegen Ende des Kalten Krieges insgesamt eine Sprengkraft von mehr als 800.000 Hiroshima-Bomben.[2]
Die Notwendigkeit, Plutonium beziehungsweise angereichertes Uran zum Kernwaffenbau herzustellen, führte zur Entwicklung und zum Bau von Urananreicherungsanlagen sowie der ersten Kernreaktoren. Die dabei gewonnenen Erfahrungen beschleunigten den Aufbau einer zivilen Nutzung der Kernenergie. Das noch heute meistgenutzte Verfahren der nuklearen Wiederaufarbeitung, PUREX, hat seinen Ursprung in der Gewinnung waffenfähigen Plutoniums aus niedrig abgebranntem Brennstoff und ist deswegen bis heute als Dual-Use-Technologie in der Kritik, auch wenn aus dem kommerziellen abgebrannten Brennstoff von Reaktoren moderner Bauformen kein bombenfähiges Material gewonnen werden kann.[3]
Kernwaffen wurden im Kalten Krieg auch eine hemmende Wirkung zugeschrieben: gerade die Drohung einer totalen Auslöschung der Menschheit habe das „Gleichgewicht des Schreckens" aufrechterhalten und damit eine direkte Konfrontation vermieden. Dies trug nach Ansicht einiger Politiker und Politikwissenschaftler dazu bei, dass es zu keinem direkten Krieg zwischen den beiden Militärblöcken kam. Nach und nach erlangten weitere Staaten Kernwaffen; heute gelten neun Staaten als Atommächte: USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea (in chronologischer Reihenfolge).
Zusammen haben diese Staaten heute (Januar 2019) ca. 13.865 Atomsprengköpfe; Mitte der 1980er Jahre waren es etwa 70.000.[4] Das ist genug, um die Menschheit mehrfach zu vernichten (sog. Overkill).[5] Weltweit wird der Einsatz dieser Massenvernichtungswaffen hauptsächlich gegen die Zivilbevölkerung als unmoralisch und ethisch nicht verantwortbar verurteilt. Die Entwicklung der Atombombe wird heute von vielen als das dunkelste Kapitel der Technik- und Wissenschaftsgeschichte angesehen, und die Atombombe ist zu einem Inbegriff des „Fluches der Technik" geworden.[6]
Die Weiterverbreitung von Kernwaffen zu verhindern, gilt als eine große Herausforderung für die internationale Sicherheit im 21. Jahrhundert. Seit dem ersten Kernwaffeneinsatz wurde angesichts der katastrophalen humanitären Folgen und der Gefahr, die Kernwaffen und insbesondere ein Atomkrieg für die Menschheit darstellen, vielfach ihre komplette Abrüstung gefordert. Einige internationale Verträge haben zu Einschränkungen und Reduktionen der Kernwaffenarsenale (Rüstungskontrolle) und zu atomwaffenfreien Zonen geführt.
Geschichte
Begriff
Kurz nach der Entdeckung der Radioaktivität gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde klar, dass beim Zerfall radioaktiver Elemente über lange Zeiträume ungeheuer große Energiemengen freigesetzt werden. Bald entstanden daher Spekulationen über die technische und militärische Nutzung dieser neuartigen Energie. Das Wort atomic bomb ‚Atombombe‘, wurde von H. G. Wells in seinem 1914 erschienenen Roman The World Set Free ‚Befreite Welt ‘ geprägt, der damit eine Waffe beschrieb, die mit Hilfe induzierter Radioaktivität eine sich über lange Zeit fortsetzende Explosion bewirken sollte. Der Begriff der Atombombe entstand damit zwei Jahrzehnte vor der Entdeckung der Kernspaltung, der Grundlage für die seit den 1940er Jahren entwickelten Nuklearwaffen, auf welche die literarisch bereits eingeführte Bezeichnung schließlich übertragen wurde. Wells hatte sein Buch dem Chemiker Frederick Soddy gewidmet, einem Mitarbeiter des damals führenden Atomphysikers Ernest Rutherford.
Rutherford beschrieb 1911 mit seinem Atommodell den grundsätzlichen Aufbau der Atome aus einem schweren Kern und einer leichten Hülle aus Elektronen. In der Folgezeit wurden die sogenannten atomphysikalischen Vorgänge, zu denen auch chemische Reaktionen gehören und an denen im Wesentlichen die Elektronenhülle beteiligt ist, von den energiereicheren Vorgängen im Atomkern (wie der Radioaktivität und der Kernspaltung) unterschieden, die zum Gegenstand der Kernphysik wurden. Daher werden in der neueren Fachsprache oft Bezeichnungen wie Kernwaffe oder Nuklearwaffe (zu lateinisch nuclearis ‚den Kern betreffend‘) und Kernkraftwerk gegenüber Atombombe und Atomkraftwerk vorgezogen; zuweilen wird ein solcher Gebrauch aber auch als euphemistisch angesehen.[7] [8] Auch die Behördensprache verwendet zum Teil weiterhin die Zusammensetzungen mit Atom-: So werden in Deutschland die für die Kernenergie fachlich zuständigen Genehmigungsbehörden teilweise als Atomaufsicht bezeichnet, es gibt ein Atomgesetz , und ein Vorgänger des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hatte den Titel Atomministerium. Auch im Sprachgebrauch der meisten anderen Nationen sind die herkömmlichen Bezeichnungen verbreitet, wie der Name der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zeigt.
Der Begriff Atombombe umfasste zunächst nur die auf der Kernspaltung (Fission) beruhenden Kernwaffen (A-Bombe), im Gegensatz dazu wurden Fusionswaffen Wasserstoffbombe (H-Bombe) genannt; daneben gibt es Spezialentwicklungen wie die Kobaltbombe und die Neutronenbombe . Die Ausdrücke Kernwaffen und nukleare Waffen sind Oberbegriffe für alle Arten von Waffen, die Energiegewinne aus Kernreaktionen ausnutzen.
Anfänge
Allgemein bekannt für ihre Arbeit bei der Entwicklung von Kernwaffen sind Robert Oppenheimer und Edward Teller. Der erste Wissenschaftler, der ernsthaft über Kernwaffen nachdachte, war wohl der ungarische Physiker Leó Szilárd; er erwog im September 1933 die Möglichkeit, Atomkerne mittels Beschuss durch Neutronen zu einer Energie liefernden Kettenreaktion zu bringen. Diese Idee war damals noch spekulativ. Die deutsche Chemikerin Ida Noddack-Tacke äußerte 1934 die Vermutung „daß bei der Beschießung schwerer Kerne mit Neutronen diese Kerne in mehrere größere Bruchstücke zerfallen."[9]
Mit der Entdeckung der neutroneninduzierten Urankernspaltung 1938 durch Otto Hahn und Fritz Straßmann [10] und deren korrekter theoretischer Deutung durch Lise Meitner und deren Neffen Otto Frisch [11] waren 1939 die wichtigsten theoretischen Grundlagen und experimentellen Befunde veröffentlicht, die Kernwaffen bei ausreichender Verfügbarkeit von spaltbarem Uran möglich erscheinen ließen. Diese Möglichkeit erkannten zuerst die beiden an der Universität Birmingham arbeitenden deutsch-österreichischen Emigranten Rudolf Peierls und Otto Frisch. In einem geheimen Memorandum aus dem März 1940 beschrieben sie theoretische Berechnungen zum Bau einer Uran-Bombe und warnten eindringlich vor der Möglichkeit des Baus einer Atombombe durch Deutschland. Infolgedessen wurde die ebenfalls geheim gehaltene britische MAUD-Kommission ins Leben gerufen, die Forschungen zum Bau einer Atombombe empfahl.
Schon vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 richteten die drei aus Deutschland in die Vereinigten Staaten emigrierten Physiker Leó Szilárd, Albert Einstein und Eugene Wigner im August 1939 einen Brief an den damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, um ihn vor der Möglichkeit der Entwicklung einer Atombombe in Deutschland zu warnen und ihn zur Entwicklung einer eigenen Atombombe anzuregen. Im Herbst 1940 erhielten Enrico Fermi und Szilárd Geld, um mit der Entwicklung eines Kernreaktors zu beginnen. Als die US-Regierung durch die Erfolge dieser Arbeit davon überzeugt wurde, dass die Entwicklung einer Atombombe grundsätzlich möglich war und der Kriegsgegner Deutschland diese Möglichkeit besaß, wurden die Forschungen verstärkt und führten schließlich zum Manhattan-Projekt.
Deutsches Kernspaltungsprojekt
Im nationalsozialistischen Deutschland arbeiteten während des Zweiten Weltkrieges Wissenschaftler wie Werner Heisenberg (einer der Väter der Quantenmechanik), Carl Friedrich von Weizsäcker, Walther Gerlach, Kurt Diebner und Otto Hahn unter anderem im Rahmen des deutschen Uranprojekts an der Nutzbarmachung der Kernspaltung zur Erreichung deutscher Kriegsziele.
Die Befürchtung der USA, Deutschland könnte so einen eigenen nuklearen Sprengsatz entwickeln, war ein wichtiger Anlass, ein eigenes Atombombenprogramm zu initiieren. Es wurde vermutet, dass mehrere, über das Gebiet des Deutschen Reichs verteilte und zum Teil unabhängig voneinander arbeitende Forschergruppen bis zum Kriegsende an der Entwicklung einer deutschen Kernwaffe arbeiteten. Nach dem Krieg wurde jedoch festgestellt, dass im Uranprojekt keine Kernwaffen entwickelt wurden. Beim letzten Großversuch, dem Forschungsreaktor Haigerloch, war der Forschergruppe um Heisenberg 1945 noch nicht einmal die Herstellung einer kritischen nuklearen Kettenreaktion gelungen.
Allerdings gibt es auch Recherchen, in denen von geheimen Versuchen der Forschergruppe um Kurt Diebner mit strahlendem Material in Verbindung mit Explosionen gesprochen wird.[12] Dies wird von vielen Physikern angezweifelt und bislang konnten auch keine Beweise für die Durchführung solcher Tests erbracht werden.[13]
Manhattan-Projekt
1942 wurde unter größter Geheimhaltung unter dem Decknamen „Projekt Y" (als Teil des Manhattan-Projekts) das Forschungslaboratorium Los Alamos im US-Bundesstaat New Mexico konzipiert. Von 1943 an arbeiteten dort unter der wissenschaftlichen Leitung Robert Oppenheimers mehrere tausend Menschen, viele von ihnen Wissenschaftler und Techniker.
Am 16. Juli 1945 wurde die erste Atombombe oberirdisch bei Alamogordo gezündet (Trinity-Test). Das in der Bombe verwendete nukleare Brennmaterial war Plutonium und besaß eine Sprengkraft von 21 Kilotonnen TNT-Äquivalent.
Wegen der Kapitulation Deutschlands Anfang Mai 1945, also 21⁄2 Monate vor dem Trinity-Test, kam in Deutschland keine Atombombe zum Einsatz. Die ersten und bisher einzigen Luftangriffe mit Atombomben wurden am 6. und 9. August 1945 gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki geflogen.
Einsatz gegen Hiroshima und Nagasaki
Am 6. August 1945, also 21 Tage nach dem ersten erfolgreichen Test bei Alamogordo, warf der Bomber Enola Gay die erste Atombombe (Sprengstoff: Uran-235), Little Boy genannt, über der Küstenstadt Hiroshima ab, wo sie um 08:15 Uhr Ortszeit etwa 600 m über dem Boden detonierte. Rund 90.000 Menschen starben sofort, weitere 50.000 Menschen starben innerhalb von Tagen bis Wochen an der Strahlenkrankheit.
Am 9. August 1945 sollte der Bomber Bockscar die zweite Atombombe (Sprengstoff: Plutonium-239), Fat Man genannt, über Kokura abwerfen. Als dort auch nach drei Anflügen noch schlechte Sicht herrschte und der Treibstoff knapp wurde, wich der Kommandant auf das Alternativziel, die Küstenstadt Nagasaki, aus. Da auch dort die Wolkendecke zu dicht war, wurde das Stadtzentrum um mehrere Kilometer verfehlt. Weil zudem das Stadtgebiet hügeliger als das Hiroshimas ist, was die Ausbreitung der Druckwelle behinderte, waren dort weniger Opfer zu beklagen – obwohl Fat Mans Sprengkraft etwas mehr als 50 % stärker war, als die von Little Boy. Dennoch starben bei diesem Angriff 36.000 Menschen sofort; weitere 40.000 Menschen wurden so stark verstrahlt, dass sie innerhalb von Tagen bis Wochen starben.
Lange Zeit wurde angenommen, weitere Zehntausende Menschen seien im Laufe von Jahren und Jahrzehnten an Spätfolgen der Strahlenbelastung gestorben. Studien aus Deutschland, USA und Japan haben diese Schätzungen deutlich nach unten korrigiert: demnach können etwas mehr als 700 Todesfälle der nuklearen Kontamination zugeordnet werden.[14]
Die Bedeutung und die Notwendigkeit der Atombombeneinsätze sind bis heute umstritten.[15] Befürworter haben argumentiert, der Einsatz habe die Kriegsdauer verringert und somit Millionen Menschen das Leben gerettet. Andere haben argumentiert, ein Atombombeneinsatz sei ethisch nicht zu verantworten gewesen; der Krieg hätte auch ohne Atombombeneinsatz in kurzer Zeit geendet und hätte es Alternativen gegeben, die verworfen, nicht genutzt oder nicht bedacht worden seien.[16]
Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg
Die USA hatten drei Jahre lang als einziger Staat einsatzfähige Atomwaffen und führten damit Tests beispielsweise unter Wasser durch. Die ersten Tests nach dem Zweiten Weltkrieg fanden 1946 auf das Bikini-Atoll im Pazifik statt (siehe Operation Crossroads). 1948 besaßen die Vereinigten Staaten rund 50 einsatzbereite Sprengköpfe. Angesichts ihrer militärischen Unterlegenheit gegenüber der Sowjetunion in konventioneller Hinsicht wurde Anfang 1948 im Plan „Halfmoon" erstmals ein massiver atomarer Vergeltungsschlag für den Fall eines Angriffs durch die UdSSR entworfen, der zunächst 133 Atombomben auf 70 sowjetische Städte,[17] aber bald darauf in reduzierter Fassung die vorhandenen 50 Atombomben auf 20 sowjetische Städte vorsah.[18]
Unterdessen arbeiteten Großbritannien und die Sowjetunion an eigenen Atombomben. Die Sowjetunion wurde schon während des Zweiten Weltkriegs von Klaus Fuchs über das Atombombenprogramm informiert. Das sowjetische Atombomben-Projekt führte zur erfolgreichen Zündung der ersten eigenen Atombombe am 29. August 1949, was Großbritannien erst am 2. Oktober 1952 und Frankreich am 13. Februar 1960 gelang. 1962 erlaubte Großbritannien den USA die Durchführung der Testserie Dominic auf der Weihnachtsinsel Kiritimati im Pazifik. Die Volksrepublik China zündete am 16. Oktober 1964 eine erste Atombombe im Kernwaffentestgelände Lop Nor im autonomen Gebiet Xinjiang. Diese Kernwaffe wurde mit sowjetischer Technik entwickelt.
Soldaten als Testsubjekte
Das nebenstehende Bild zeigt einen amerikanischen Truppenversuch mit Soldaten in geringer Entfernung zur Atomexplosion im Jahr 1951 in den USA; es dokumentiert den damaligen teilweise sorglosen und ignoranten Umgang mit Radioaktivität.[19] [20] Auch etwa 20.000 britische Soldaten wurden, ohne genauer informiert zu werden, in Testareale nach Australien (12 Tests), nach Kiritimati (6 Versuche) und nach Malden Island (3 Versuche) verlegt.[21] Die größtenteils jungen Soldaten wurden angewiesen, während der Tests die Augen mit Händen oder Ellbogen zu schützen. Die Soldaten, die als Zeugen jener Tests als Atomic Veterans (dt. Atomveteranen) bezeichnet werden, berichteten von den Explosionen als unvergleichbar beängstigenden Erlebnissen. Sie berichteten, dass die freigesetzte Strahlung so grell und durchdringend war, dass die Blutgefäße und Knochen der eigenen Hände und Arme (bei hochgekrempelten Ärmeln) durch die Haut sichtbar wurden. Die darauf folgende Hitzewelle der Explosion habe sich wie körperdurchdringendes Feuer angefühlt. Die Druckwelle habe außerdem indirekt zu Prellungen und Knochenbrüchen geführt, da Soldaten durch die Stoßwelle fortgeschleudert wurden.[21] [19] Fast alle bei den Tests eingesetzten Soldaten erlitten körperliche und seelische Schäden. Einige Soldaten waren nach den Tests zeugungsunfähig; insgesamt wurden bei den Nachkommen der Soldaten eine vielfach höhere kindliche Sterberate sowie häufigere Fehlbildungen beobachtet. Viele jener Veteranen wurden chronisch krank und hatten verschiedene Formen von Krebs. Laut Berichten waren bei nahezu allen Personen, die bei jenen Tests zugegen waren, die Langzeitschäden ein Faktor ihrer späteren Todesursache.[21] [19]
Entwicklung der Wasserstoffbombe
Die weitere Entwicklung von Kernwaffen führte zur Wasserstoffbombe. Die USA zündeten am 31. Oktober/1. November 1952 ihre erste Wasserstoffbombe (Codename Ivy Mike ). Sie setzte eine Energie von 10,4 Megatonnen TNT-Äquivalent frei, das 800-Fache der Hiroshimabombe.
Die Sowjetunion zündete ihre erste Wasserstoffbombe am 12. August 1953 auf dem Atomwaffentestgelände Semipalatinsk. Am 22. November 1955 zündete sie ihre erste transportable H-Bombe.[22] Die USA testete während der Operation Redwing (4. Mai bis 21. Juli 1956) am 20. Mai 1956 erstmals eine thermonukleare Wasserstoffbombe nach dem Teller-Ulam-Design. Am 30. Oktober 1961 zündete die Sowjetunion auf der Insel Nowaja Semlja die Zar-Bombe, die mit 57 MT stärkste jemals gezündete Kernwaffe.
Großbritannien zündete seine erste Wasserstoffbombe 1957 (Operation Grapple), China zündete die erste am 17. Juni 1967 auf dem Testgelände Lop Nor (Test Nr. 6) und Frankreich am 24. August 1968 auf dem Fangataufa-Atoll (Canopus).
Großbritannien trat 1962 dem Verbot von atmosphärischen Kernwaffentests bei. Danach wurden alle Tests unterirdisch in Zusammenarbeit mit den USA auf dem Nevada-Testgelände (Nevada Test Site) durchgeführt (24 Versuche), zuletzt im Jahr 1991. Insgesamt führte Großbritannien 45 Versuche durch.[23]
Entwicklung nach dem Kalten Krieg
Nach dem Zerfall der Sowjetunion zu Beginn der 1990er Jahre haben Experten den militärischen Sinn von Kernwaffen bezweifelt, da jedes Ziel auch mit konventionellen Waffen der gewünschten Größenordnung zerstört werden kann. Die größte Gefahr der atomaren Bewaffnung sei ein Einsatz durch Terroristen, denn diese könnten bei Verwendung von Atomwaffen mit geringem Aufwand großen Schaden anrichten; Atomwaffen dagegen seien im Kampf gegen den Terrorismus vollkommen ungeeignet.
Unabhängig von dieser Entwicklung blieben die USA und Russland als Nachfolgerstaat der Sowjetunion diejenigen Staaten mit den meisten Kernwaffen. Ihr Arsenal wird auch weiterhin gepflegt; es wurde nach Ende des Kalten Krieges immer weniger öffentlich beachtet.
Die Entwicklung solcher kleiner Kernwaffen ist in der Fachwelt als eine Gefahr eingeschätzt worden, da ihr Einsatz kaum Aufsehen erregen würde. Statt zerstörter Städte und tausender Toter würde die Weltöffentlichkeit lediglich einen kleinen Krater sehen. In der Konsequenz würde die Hemmschwelle sinken, Atomwaffen einzusetzen und auf diese Weise vergleichsweise preisgünstig – ohne Verlust eigener Soldaten und ohne allzu negatives Image – Kriege zu führen. Auch der Atomwaffensperrvertrag würde damit in Frage gestellt werden, was unabsehbare Konsequenzen zur Folge haben könnte (Vertragsabschaffung).
Konstruktion
Die technische Entwicklung der Kernwaffen seit den 1940er Jahren hat eine große Vielfalt unterschiedlicher Varianten hervorgebracht. Unterschieden werden grundsätzlich Atombomben nach dem Kernspaltungs- oder -fissions prinzip („klassische" Atombombe) und nach dem Kernfusions prinzip (Wasserstoff- oder H-Bombe).
In einer Kernspaltungsbombe wird zur Auslösung eine überkritische Masse von spaltbarem Material zusammengebracht. Wie hoch diese Masse ist, hängt von Material, Geometrie und Konstruktion ab. Die kleinste kritische Masse lässt sich mit einer Kugelform des spaltbaren Materials erreichen, am häufigsten werden Uran-235 oder Plutonium-239 verwendet. Die Überkritikalität führt zu einer Kernspaltungs-Kettenreaktion mit schnell anwachsender Kernreaktionsrate. Die dadurch freigesetzte Energie bringt das Material zur explosiven Verdampfung.
Bei der Fusionsbombe wird zunächst eine Kernspaltungsbombe gezündet. Die dadurch im Inneren der Bombe erzeugten Drücke und Temperaturen reichen aus, um mit dem in ihr enthaltenen 6Li die Fusionsreaktion zu zünden.[24] Mit dem vorhandenen Deuterium und dem in der genannten Reaktion erzeugten Tritium kommt die thermonukleare Reaktion in Gang.
Explosion
Um Atombomben zur Explosion zu bringen, also den Kernspaltungsprozess in Gang zu setzen, wurden mehrere verschiedene Systeme entwickelt.
Autorisierung und Befehl
Die Befehlsabläufe werden über sog. Atomkoffer gesteuert.
Gun-Design
Das einfachste Prinzip besteht darin, mit einer konventionellen Sprengladung einen für sich allein unterkritischen Kernsprengstoffkörper auf einen zweiten, ebenfalls unterkritischen zu schießen, um die beiden Teile zu einer überkritischen Masse zusammenzufügen. Es werden entweder zwei Halbkugeln aus spaltbarem Material mit zwei Sprengstoffkapseln aufeinander geschossen oder ein zylinderförmiger Körper aus spaltbarem Material wird auf eine Kugel mit einem entsprechenden Loch geschossen.
Ein solcher Aufbau einer Atombombe wird Gun-Design genannt. Die von den USA am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfene (Uran) Atombombe Little Boy war nach diesem System gebaut und hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen TNT.
Implosion
Eine weitere Methode ist die Implosion, bei der das spaltbare Material als Hohlkugel vorliegt. Diese ist von einer Schicht Sprengstoff umgeben, der bei der Explosion durch eine Anzahl elektrischer Zünder so gezündet wird, dass die entstehende Druckwelle das Spaltmaterial im Zentrum zusammendrückt. Durch diese Implosion erhöht sich dessen Dichte, ein überkritischer Zustand entsteht.
Sowohl bei der Testbombe von Alamogordo als auch bei der am 9. August 1945 auf Nagasaki abgeworfenen Atombombe handelte es sich um (Plutonium) Implosionsbomben. Diese hatten eine Sprengkraft von 20 Kilotonnen TNT.
Kenngrößen
Die bei der Explosion einer Nuklearwaffe freigesetzte Energie wird gewöhnlich in Kilotonnen angegeben. Eine Kilotonne, abgekürzt kT, ist diejenige Energie, die bei der Detonation von 1000 Tonnen (1 Gg) TNT freigesetzt wird (etwa 4·1012 J). Daher wird auch von TNT-Äquivalent gesprochen. Aus diversen Gründen ist die Sprengkraft von konventionellen und nuklearen Waffen über diese Einheit aber nur ungefähr gleichzusetzen. Bei sehr starken Explosionen, etwa von Wasserstoffbomben, wird die Sprengkraft in Megatonnen, kurz MT, angegeben. Diese Einheit entspricht der Energie einer Million Tonnen (1 Tg) TNT.
Die reine Sprengkraft allein ist allerdings noch kein Maß für die Wirksamkeit einer Kernwaffe. Je nach Typus, Einsatzbereich und Explosionshöhe der Waffe sind verschiedene andere Faktoren von Bedeutung. Es sind unter anderem folgende Kenngrößen in Verwendung:
- Totaler Zerstörungsradius: der Radius um das Explosionszentrum, in dem alles tierische und menschliche Leben sowie alle Gebäude, Pflanzen usw. komplett vernichtet werden. Je nach Größe der Bombe kann dieser bis zu 10 km betragen. Die experimentelle sowjetische Zar-Bombe hatte in ihrer stärksten Version einen totalen Zerstörungsradius von bis zu 20 km. Danach folgen weitere Radien, in denen die Zerstörungskraft der Bombe abnimmt, z. B. der Radius, bei dem die Überlebenschance über 50 % liegt; danach der, bei dem sie über 80 % liegt, und so weiter.
- Millionen Tote: Anzahl der Getöteten bei Explosion in einem Ballungsgebiet. Diese Größe hängt sehr stark vom Ort ab. Insbesondere haben die Bevölkerungsdichte und die Bauweise der Stadt einen sehr großen Einfluss auf die Zahl der Toten. Im Kalten Krieg wurden Modellrechnungen zum Einsatz starker nuklearer Waffen gegen die wichtigsten Ziele durchgeführt, unter anderem Moskau, Leningrad, Washington, D.C. und New York. In heutiger Zeit gibt es entsprechende Simulationen, die von einem terroristischen Anschlag mit einer kleinen Kernwaffe (einige Kilotonnen) ausgehen.[25]
- Anzahl der Sprengköpfe: Viele Nuklearraketen verfügen über mehrere nukleare Sprengköpfe, die dann in großer Höhe von der Trägerrakete getrennt werden und sich auf eine große Fläche verteilen. Eine einzige Rakete kann auf diese Weise riesige Gebiete verwüsten, so kann etwa die sowjetische SS-18 Satan – je nach Bestückung – ihre Sprengköpfe über ein Areal von bis zu 60.000 km2 verteilen. (Zum Vergleich: Bayern hat eine Fläche von 70.552 km2.) Bei modernen Raketen sind die einzelnen Sprengköpfe so steuerbar, dass mit jedem Sprengkopf ein einzelnes Ziel angegriffen werden kann.
Dieses sind jeweils keine festen Einheiten, sondern nur Richtgrößen, anhand derer sich der Schaden einer nuklearen Waffe abschätzen lässt. Je nach Verwendungszweck können auch andere Größen interessant sein, etwa die mechanische, die thermische und die elektromagnetische Leistung, oder der entstehende Fallout und Langzeitwirkungen. Manchmal sind auch einfach nur technische Größen wie Abmessungen und Gewicht von Bedeutung. Um sich ein genaues Bild von der Wirkung einer einzelnen Bombe zu machen, ist die detaillierte Kenntnis verschiedenster Daten notwendig.
Die stärksten als reguläre militärische Sprengköpfe konstruierten Kernwaffen sind Wasserstoffbomben mit bis zu 25 MT Sprengkraft (Sprengkopf für SS-18 ICBM oder Mk-41 Bombe für B-52 Bomber). Die stärkste derzeit im Einsatz befindliche Kernwaffe ist vermutlich der Sprengkopf der chinesischen DF-5A Interkontinentalrakete mit 3 MT (Zum Vergleich: Die Explosionskatastrophe in Beirut hatte eine Sprengkraft von etwa 0,001 MT bzw. 1 kT). Typischerweise sind es aber deutlich weniger, so 100 kT bei der häufigsten amerikanischen Kernwaffe W-76-0. Ohne Kernfusion, das heißt nur mit Spaltung von Uran- oder Plutoniumkernen, werden 500 kT (amerikanischer Ivy King-Test – Mk-18 Bombe) bis 800 kT (stärkster französischer Test) erreicht. Fat Man, über Nagasaki abgeworfen, hatte demgegenüber nur 20 kT Sprengkraft. Einige moderne Kernwaffen lassen auch ein Wählen der Sprengkraft zu, so kann die amerikanische B83 Bombe mit wenigen kT bis zu 1,2 MT gezündet werden.
Klassifizierung
Strategische Kernwaffe
Strategische Kernwaffen sind Kernwaffen mit großer Sprengkraft, die nicht auf dem Gefechtsfeld eingesetzt werden, sondern Ziele im gegnerischen Hinterland zerstören sollen, wie z. B. ganze Städte oder Raketensilos von Interkontinentalraketen. Ihre Sprengkraft reicht vom Kilotonnenbereich bis zu theoretisch über 100 Megatonnen TNT bei der Wasserstoffbombe.
Die Nukleare Triade besteht aus Interkontinentalraketen, U-Boot-gestützten ballistischen Raketen und strategischen Bombern. Die Verteilung der Kernwaffen auf mehreren Plattformtypen soll die Schlagkraft einer Nuklearmacht im Konfliktfall sicherstellen.
Strategische Kernwaffen sind:
- freifallende Kernbomben, die von Flugzeugen (meist Langstreckenbombern) direkt auf das Ziel abgeworfen werden;
- landgestützte Interkontinentalraketen (ICBM) mit nuklearem Sprengkopf, die in Silos oder mobil auf dem Festland stationiert sind;
- landgestützte Mittelstreckenraketen (MRBM, IRBM) mit nuklearem Sprengkopf, die in Silos oder auf mobilen Abschussrampen montiert sind. Ein besonderes Problem dieser Waffen ist die extrem kurze Flug- und damit Reaktionszeit von nur wenigen Minuten. Sie gelten deshalb als besonders anfällig für das unbeabsichtigte Auslösen eines Atomschlages, da nach radargestützter (Fehl-)Erkennung einer solchen Rakete praktisch keinerlei Zeit bleibt, politische Entscheidungsprozesse auszulösen. Beispiele für diese Raketen sind die in den 1950er Jahren von den USA in der Türkei stationierten Jupiter-Raketen und jene Raketen, die die UdSSR auf Kuba stationieren wollte – was damals die Kubakrise auslöste. Derartige Waffen werden heute lediglich noch von solchen Staaten stationiert, denen die Technik von Interkontinentalraketen fehlt, wie Pakistan oder Israel.
- U-Boot-gestützte ballistische Raketen (SLBM) mit nuklearem Sprengkopf;
- luftgestützte ballistische Raketen (ALBM) mit nuklearem Sprengkopf, gestartet von Flugzeugen;
- Marschflugkörper (Cruise-Missiles) mit nuklearem Sprengkopf, die von Flugzeugen (ALCM), Kriegsschiffen oder U-Booten abgefeuert werden können, sind vorwiegend für den „taktischen" Einsatz vorgesehen.
Eine Rakete kann je nach Bauart auch mehrere nukleare Sprengköpfe transportieren (sogenannte MIRV-Bauweise, Multiple Independently targetable Re-entry Vehicle) und so Radien von mehreren Hundert Kilometern verwüsten.