Binomische Reihe
Die binomische Reihe oder Binomialreihe ist eine Potenzreihe der Form
- {\displaystyle \sum _{k=0}^{\infty }{\binom {\alpha }{k}}x^{k}=1+\alpha ,円x+{\frac {\alpha (\alpha -1)}{2}}x^{2}+{\frac {\alpha (\alpha -1)(\alpha -2)}{2\cdot 3}}x^{3}+{\frac {\alpha (\alpha -1)(\alpha -2)(\alpha -3)}{2\cdot 3\cdot 4}}x^{4}+\dotsb \ },
wobei {\displaystyle \alpha \in \mathbb {C} }. Ihre Koeffizienten {\displaystyle {\tbinom {\alpha }{k}}} sind die verallgemeinerten Binomialkoeffizienten der Analysis.[1]
Man erhält die binomische Reihe als (formale) Taylorentwicklung der Funktion {\displaystyle f(x)=(1+x)^{\alpha }} mit Entwicklungspunkt {\displaystyle x_{0}=0}.
Konvergenz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Das Konvergenzverhalten der binomischen Reihe hängt vom Exponenten {\displaystyle \alpha } und den Werten für {\displaystyle x} ab.
Natürliche Exponenten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Ist {\displaystyle \alpha } eine natürliche Zahl, so bricht die Reihe nach dem Glied mit {\displaystyle k=\alpha } ab, da {\displaystyle {\tbinom {\alpha }{k}}=0} für alle {\displaystyle k>\alpha } gilt. Somit handelt es sich dann um ein (endliches) Polynom. Für jedes {\displaystyle x} gilt dem binomischen Lehrsatz zufolge
- {\displaystyle \sum _{k=0}^{\alpha }{\binom {\alpha }{k}}x^{k}=(x+1)^{\alpha }}.
Nicht-natürliche Exponenten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Falls {\displaystyle \alpha \in \mathbb {C} \setminus \mathbb {N} }, so handelt es sich um eine „echte" (d. h. unendliche) Reihe. Die binomische Reihe konvergiert dann für alle {\displaystyle x} mit {\displaystyle |x|<1} gegen die Funktion, aus der sie entwickelt wurde:[1]
- {\displaystyle \sum _{k=0}^{\infty }{\binom {\alpha }{k}}x^{k}=(1+x)^{\alpha }}.
Verhalten auf dem Rand des Konvergenzkreises
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Ist {\displaystyle |x|=1} und {\displaystyle \alpha \in \mathbb {C} \setminus \mathbb {N} }, so gilt:
- Die Reihe {\displaystyle \textstyle \sum _{k=0}^{\infty }{\tbinom {\alpha }{k}}x^{k}} konvergiert genau dann absolut, wenn {\displaystyle \operatorname {Re} (\alpha )>0} oder {\displaystyle \alpha =0} ist ({\displaystyle \operatorname {Re} (\alpha )} bezeichnet den Realteil von {\displaystyle \alpha }).
- Für alle {\displaystyle x\neq -1} auf dem Rand konvergiert die Reihe genau dann, wenn {\displaystyle \operatorname {Re} (\alpha )>-1} ist.
- Für {\displaystyle x=-1} konvergiert die Reihe genau dann, wenn {\displaystyle \operatorname {Re} (\alpha )>0} oder {\displaystyle \alpha =0} ist.
Verallgemeinerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Etwas allgemeiner kann man für {\displaystyle a>0} die folgende Reihe betrachten:
- {\displaystyle \sum _{k=0}^{\infty }{\binom {\alpha }{k}}x^{k}a^{\alpha -k}}
Diese konvergiert für {\displaystyle |{\tfrac {x}{a}}|<1} und entspricht dann der Funktion {\displaystyle f(x)=(a+x)^{\alpha }}.[2]
Dieses Ergebnis erhält man, indem man das Binom {\displaystyle (a+x)} schreibt als {\displaystyle (a+x)=a(1+x/a)} und darauf die obige Formel anwendet.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Vermutlich wurde die Binomialreihe für ganze positive Elemente, d. h. eine Reihenformel für Zahlen der Form {\displaystyle (a+b)^{n}} bereits vom persischen Mathematiker Omar Chayyām (1048–1131) entdeckt. Einige Mathematiker vermuten, dass sie aufgrund seiner Kenntnis der Berechnung von Binomialkoeffizienten auch dem chinesischen Mathematiker Zhu Shijie (1260–1320) bekannt war.[3]
Isaac Newton entdeckte im Jahre 1669, dass die binomische Reihe für jede reelle Zahl {\displaystyle \alpha } und alle reellen {\displaystyle x} im Intervall {\displaystyle \left]-1,1\right[} das Binom {\displaystyle (1+x)^{\alpha }} darstellt, lieferte jedoch nie einen Beweis für diese Aussage. Für ihn gab es genug numerische und experimentelle Evidenz, um von ihrer Richtigkeit überzeugt zu sein.[4] Niels Henrik Abel betrachtete 1826 die binomische Reihe für komplexe {\displaystyle \alpha ,x\in \mathbb {C} }. Er bewies, dass sie den Konvergenzradius 1 besitzt, falls {\displaystyle \alpha \in \mathbb {C} \setminus \mathbb {N} } gilt.[3]
Spezialfälle
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Geometrische Reihe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Für {\displaystyle \alpha =-1} erhält man
- {\displaystyle {\frac {1}{1+x}}=\sum _{k=0}^{\infty }{\binom {-1}{k}}x^{k}=\sum _{k=0}^{\infty }(-1)^{k}x^{k}=1-x+x^{2}-x^{3}+x^{4}-x^{5}\pm \dotsb ,円}.
Ersetzt man noch {\displaystyle x} durch {\displaystyle -x}, so folgt hieraus die bekannte Darstellung der geometrischen Reihe:
- {\displaystyle {\frac {1}{1-x}}=\sum _{k=0}^{\infty }x^{k}=1+x+x^{2}+x^{3}+x^{4}+x^{5}+\dotsb ,円}.
Reihenentwicklungen für Wurzelausdrücke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]Für {\displaystyle \alpha =1/2} erhält man
- {\displaystyle {\sqrt {1+x}}=\sum _{k=0}^{\infty }{\binom {1/2}{k}}x^{k}=1+{\frac {1}{2}}x-{\frac {1}{2\cdot 4}}x^{2}+{\frac {1\cdot 3}{2\cdot 4\cdot 6}}x^{3}-{\frac {1\cdot 3\cdot 5}{2\cdot 4\cdot 6\cdot 8}}x^{4}\pm \dotsb }.
Diese Formel wurde schon von Henry Briggs bei der Berechnung seiner Logarithmen entdeckt.[4] Hiermit eng verwandt ist die Formel, die man für {\displaystyle \alpha =-1/2} erhält:
- {\displaystyle {\frac {1}{\sqrt {1-x}}}=\sum _{k=0}^{\infty }(-1)^{k}{\binom {-1/2}{k}}x^{k}=1+{\frac {1}{2}}x+{\frac {1\cdot 3}{2\cdot 4}}x^{2}+{\frac {1\cdot 3\cdot 5}{2\cdot 4\cdot 6}}x^{3}+{\frac {1\cdot 3\cdot 5\cdot 7}{2\cdot 4\cdot 6\cdot 8}}x^{4}+\dotsb }.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- Otto Forster: Analysis Band 1: Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen. 12. Aufl., Springer, Wiesbaden 2016, ISBN 3-528-67224-2, S. 293–300.
- Richard Courant: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung 1. 4. Aufl., Springer, Berlin / Heidelberg 1971, ISBN 3-540-05466-9, S. 298–306.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]- ↑ a b Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis I. 3. Auflage. Birkhäuser, 2006, ISBN 3-7643-7755-0, S. 401–402.
- ↑ Eric W. Weisstein: Binomial Series. In: MathWorld (englisch).
- ↑ a b J. L. Coolidge: The Story of the Binomial Theorem. In: The American Mathematical Monthly, März 1949, Band 56, Nr. 3, S. 147–157 (JSTOR)
- ↑ a b Thomas Sonar: 3000 Jahre Analysis. 2. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-48917-8, S. 310.