Wladimir Katriuk
Wladimir Katriuk (* 1. Oktober 1921 in Luschany, Ukraine; † Mai 2015 in Salaberry-de-Valleyfield, Kanada [1] ) war ein gebürtiger nach Kanada emegrierter Ukrainer, der 1943 am Massaker von US-Bundesstaat Chatyn beteiligt war.
Leben
Zweiter Weltkrieg
Im Jahr 1942 schloss sich Kattriuk dem Schutzmannschaftsbataillon 118 an, um gegen die sowjetischen Partisanen zu kämpfen. Katriuks Verbindungen zu den Nazis waren zum Zeitpunkt eines Urteils des kanadischen Bundesgerichts aus dem Jahr 1999 bekannt, doch weitere Einzelheiten wurden erst 2008 durch die Veröffentlichung von KGB-Verhörberichten im Rahmen des Prozesses gegen Hryhorij Wasjura, einen der Offiziere des Bataillons, bekannt[2] . In den neuen KGB-Dokumenten, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt waren, wird behauptet, dass Katriuk direkt an dem Massaker von Chatyn beteiligt gewesen sei.[3]
Der Historiker Per Anders Rudling von der Universität Lund unter Berufung auf neue KGB-Vernehmungsberichte: „Ein Zeuge gab an, dass Wolodymyr Katriuk ein besonders aktiver Teilnehmer an der Gräueltat war: Er soll hinter dem stationären Maschinengewehr gelegen und auf jeden geschossen haben, der versuchte, den Flammen zu entkommen." Rudling sagte auch, dass Katriuk „aktiv an der 'Befriedung" der jüdischen Bielski-Partisanen im Naliboki-Wald beteiligt war.[1]
Einem sowjetischen Kriegsverbrecherprozess im Jahr 1973 zufolge habe Katriuk und zwei andere an diesem Tag eine Gruppe weißrussischer Holzfäller töteten, weil sie diese verdächtigten, Teil eines Volksaufstandes zu sein. „Ich sah, wie Iwankiw mit einem Maschinengewehr auf die Menschen schoss, die im Wald in Deckung gingen, und wie Katriuk und Meleschko auf die Menschen schossen, die auf der Straße lagen", habe der Zeuge gesagt. Das Schutzmannschafts-Bataillons 118 half den Nationalsozialisten bei der Schaffung von „toten Zonen", was bedeutete sowjetische Partisanen durch Hinterhalte zu vernichten.[4] [5]
Bereits 1997 hatte eine private Untersuchung ergeben, dass allein mit der Hilfe von Telefonbüchern 161 gesuchte NS-Kriegsverbrecher in Kanada ausfindig gemacht werden konnten.[6]
Emigration nach Kanada
Katriuk wanderte 1951 von Frankreich nach Kanada aus und lebte seit 1959 als Imker südwestlich von Montreal in Ormstown nach der Grenze zum US-Bundesstaat New York und lebte mit seiner Frau Maria auf einer kleinen Imkerei.[7]
Im August 1996 wurde Katriuk mitgeteilt, dass die kanadische Regierung ihm die Staatsbürgerschaft entziehen wolle. Die Entscheidung sollte vom kanadischen Kabinett getroffen werden.[8] 1999 kam ein Bundesgericht in Kanada zu dem Schluss, dass Katriuk unter einem Pseudonym in das Land eingewandert war und seine kanadische Staatsbürgerschaft durch falsche Angaben erhalten hatte.[8]
2007 entschied sich Kanada, angesichts seiner Vergangenheit seine Staatsbürgerschaft neu zu bewerten.[9]
2012 wurde eine wissenschaftliche Untersuchung von Per Andres Rudling veröffentlicht,[4] die hauptsächlich auf nicht mehr geheimen Dokumenten der UdSSR beruht, denen zufolge Katriuk am Massaker von Chatyn am 23. März 1943 beteiligt war. und Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Zentrum und David Matas von B’nai B’rith forderten die kanadische Regierung 2012 auf, den Fall wieder zu öffnen.[10] Nach einem Treffen mit jüdischen Organisationen und vier Holocaust-Überlebenden sagten der Justizminister Rob Nicholson und der Minister für Staatsbürgerschaft und Einwanderung, Jason Kenney, eine Neuuntersuchung zu.[11] Das Simon Wiesenthal Zentrum setzte Katriuk 2012 an die Stelle 4[12] , 2013 an Stelle 3[13] und 2015 auf Platz 2[14] der 10 meistgesuchten Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges.
Tod
Katriuk starb am 22. Mai 2015 im Alter von 93 Jahren in einem Krankenhaus in Salaberry-de-Valleyfield, Quebec, an einem Schlaganfall.[15]
Zwei Wochen vor seinem Tod forderte das russische Untersuchungskomitee Kanada auf, Katriuk in die Russische Föderation abzuschieben, damit er nach internationalem Recht vor Gericht gestellt werden könne. Die konservative kanadische Regierung unter Stephen Harper ignorierte dieses Auslieferungsbegehren aus Protest gegen die russische Annexion der Krim 2014.[16] [5]
Die jüdische Gemeinschaft in Kanada kritisierte diese politische Entscheidung gegen die Gerechtigkeit, weil Katriuk trotz Verschlechterung des Gesundheitszustande sein geistiger Zustand noch gut war und eine Ausbürgerung und Auslieferung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit noch bis zu seinem Todestag durchaus noch möglich gewesen sei.
Einzelnachweise
- ↑ a b Sam Roberts: Vladimir Katriuk, Beekeeper Accused of Nazi War Crimes, Is Dead at 93. In: The New York Times. 30. Mai 2015, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 18. Januar 2025]).
- ↑ New information links Montrealer to WWII massacre. In: Sun News. 25. April 2012, archiviert vom Original am 16. März 2014; abgerufen am 18. Januar 2025.
- ↑ Andy Blatchford: Accused Nazi living as Quebec beekeeper. In: Toronto Star. 26. April 2012, abgerufen am 18. Januar 2025 (englisch).
- ↑ a b Per Andres Rudling: The Khatyn Massacre in Belorussia: A Historical Controversy Revisited. In: Holocaust & Genocide Studies. Band 26, Nr. 1, 2012, S. 29–58, doi:10.1093/hgs/dcs011 (academia.edu).
- ↑ a b Tu Thanh Ha: Alleged Nazi war criminal died two weeks after Russia sought extradition - The Globe and Mail. In: The GLobe and Mail. 29. Mai 2015, archiviert vom Original am 29. November 2021; abgerufen am 18. Januar 2025 (englisch).
- ↑ ÖNB-ANNO - Der Neue Mahnruf. Abgerufen am 18. Januar 2025.
- ↑ Avi Benlolo: Canada’s failure on Nazi war crimes. In: National Post. 4. Juni 2015, abgerufen am 19. Januar 2025 (englisch).
- ↑ Canada (Minister of Citizenship and Immigration) v. Katriuk. In: Federal Court. 29. Januar 1999, archiviert vom Original am 20. Dezember 2014; abgerufen am 3. Februar 2025 (englisch).
- ↑ 26. April 2012, engl. National Post
- ↑ Stewart Bell: Canadian participated in 1943 massacre in Nazi-occupied village: documents. 12. April 2012, abgerufen am 3. Februar 2025 (englisch).
- ↑ Stewart Bell: Ottawa to re-examine former Nazi’s past after evidence emerges linking him to 1943 massacre. In: National Post. 25. April 2012, abgerufen am 3. Februar 2025 (englisch).
- ↑ SWC Annual Status Report on the Worldwide Investigation and Prosecution of Nazi War Criminals. (PDF; 95 KB) In: Simon Wiesenthal Centre. Archiviert vom Original am 26. Mai 2012; abgerufen am 3. Februar 2025 (englisch).
- ↑ SWC Annual Status Report on the Worldwide Investigation and Prosecution of Nazi War Criminals 2013. (PDF; 379 KB) In: Simon Wiesenthal Centre. April 2013, archiviert vom Original am 3. September 2014; abgerufen am 3. Februar 2025 (englisch).
- ↑ Wiesenthal Center 2015 Annual Report on the Investigation and Prosecution of Nazi War Criminals. In: Simon Wiesenthal Center. 1. April 2015, abgerufen am 3. Februar 2025 (englisch).
- ↑ Sam Roberts: Vladimir Katriuk, Beekeeper Accused of Nazi War Crimes, Is Dead at 93. In: The New York Times. 30. Mai 2015, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 18. Januar 2025]).
- ↑ Alleged Nazi war criminal wanted by Russia dies in Quebec. In: Associated Press. 29. Mai 2015, archiviert vom Original am 1. Juni 2015; abgerufen am 18. Januar 2025 (englisch).
Personendaten | |
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NAME | Katriuk, Wladimir |
ALTERNATIVNAMEN | Katriuk, Vladimir; Katriuk, Volodymyr |
KURZBESCHREIBUNG | mutmaßlicher Kriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg |
GEBURTSDATUM | 1. Oktober 1921 |
GEBURTSORT | Luschany, Ukraine |
STERBEDATUM | Mai 2015 |
STERBEORT | Salaberry-de-Valleyfield, Québec, Kanada |