Gerd Tellenbach

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Gerd Leo Tellenbach (* 17. September 1903 in Berlin; † 12. Juni 1999 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Historiker.

Leben

Gerd Tellenbach ging in Baden-Baden zur Schule. Bereits früh verlor er seinen Vater, der in den ersten Kriegsmonaten 1914 als Regimentskommandeur fiel. Wenig später gehörte auch sein älterer Bruder zu den Gefallenen.

Anfang der 1920er Jahre studierte er in München und Freiburg. 1926 promovierte Tellenbach bei Georg von Below. Dann zog es ihn von 1928 bis 1932 als Assistent zum Preußischen Historischen Institut nach Rom. 1932/33 erfolgte die Habilitation in Heidelberg bei Karl Hampe mit der Arbeit Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites. Danach war er zunächst als Lehrstuhlvertreter in Gießen und Würzburg tätig, bis er von 1938 bis 1942 eine Stelle als ordentlicher Professor in Gießen erhielt. Von 1942 bis 1944 war er Professor in Münster, von 1944 bis 1962 in Freiburg. Von 1962 bis 1972 nahm er das Amt des Direktors des Deutschen Historischen Instituts in Rom wahr.

Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit war Tellenbach auch oft in hochschulpolitischen Fragen aktiv. 1949/50 und noch einmal 1957/58 war Rektor an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Er engagierte sich nach dem Krieg beim Wiederaufbau des Hochschulwesens in der Bundesrepublik. Tellenbach beteiligte sich, teilweise führend, in zahlreichen Gremien: Wissenschaftsrat, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Deutscher Hochschulverband sowie Westdeutsche Rektorenkonferenz, deren Präsident er 1957/58 war. Außerdem leitete er die Hinterzartener Hochschultagung und die Honnefer Reformkonferenz.

Sein über die deutschen Grenzen hinaus gewachsenes Ansehen bezeugen die Ehrendoktorwürden der Universitäten in Löwen (Belgien) und Glasgow (Schottland) sowie zahlreiche andere Mitgliedschaften in Akademien und wissenschaftlichen Einrichtungen.

Forschung

Das Hauptwerk von Gerd Tellenbach ist seine Habilitationsschrift Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites , die den Stellenwert eines Klassikers erreicht hat. Das Werk ist unter dem Eindruck der politisch-gesellschaftlichen Umstände Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre, entstanden. Seine Tätigkeit in Rom zu jener Zeit und die Lateranverträge von 1929 zwischen dem Vatikan und dem faschistischen Italien haben Tellenbach vermutlich tief geprägt. Das Werk beschreibt die ideengeschichtliche Deutung des Investiturstreites als ringen um die rechte Weltordnung.

In seinem Königtum und Stämme in der Werdezeit des Deutschen Reiches (1933) setzte er sich mit dem Übergang der fränkischen zur deutschen Geschichte auseinander. Dabei ist die Überzeugung, dass der Beginn des deutschen Reiches unter Heinrich I. im Jahr 919 oder in einem anderen Epochenjahr anzusetzen sei, erstmals von ihm in Frage gestellt worden.

Das dritte große Thema der Forschungen Tellenbachs waren die Struktur und Bedeutung des Adels. Mittels der Prosopografie erfasste er weite Adelskreise und gelangte zu einer Analyse mittelalterlicher Herrschaftspraxis. Bei der Anwendung der personengeschichtlichen Methode entstand der Freiburger Arbeitskreis, auch Tellenbach-Schule genannt, der aus bislang unbeachteten Zeugnissen Personen erfasst und identifiziert hat. Zu den Schülern Tellenbachs zählen die Historiker und Lehrstuhlinhaber Karl Schmid, Joachim Wollasch, Rolf Sprandel, Hagen Keller, Hansmartin Schwarzmaier, Joachim Wollasch, Josef Fleckenstein, Otto Gerhard Oexle und Eduard Hlawitschka.

Ehrungen

Schriften

  • Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites. 1936.
  • Die Entstehung des Deutschen Reiches. Von der Entwicklung des fränkischen und deutschen Staates im 9. und 10. Jahrhundert. 1940.
  • Studien und Vorarbeiten zur Geschichte des großfränkischen und frühdeutschen Adels. 1957.
  • Der Sibyllinische Preis. Schriften und Reden zur Hochschulpolitik 1946–1963. 1963.
  • Aus erinnerter Zeitgeschichte. 1981.
  • Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert. 1988.
  • Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze. 4 Bände. 1989

Literatur

  • Michael Borgolte: Memoria. Zwischenbilanz eines Mittelalterprojekts. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 46 (1998), S. 197–210.
  • Josef Fleckenstein: Gerd Tellenbach als National- und Universalhistoriker. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken (QFIAB), Bd. 53 (1973), S. 1–15.
  • Josef Fleckenstein: Streng, nicht eng. Der Mediävist Gerd Tellenbach wird neunzig Jahre alt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. September 1993, Nr. 216, S. 35.
  • Hagen Keller: Das Werk Gerd Tellenbachs in der Geschichtswissenschaft unseres Jahrhunderts. In: Frühmittelalterliche Studien, Bd. 28, 1994, S. 374–397.
  • Hagen Keller: Der Standhafte. Zum Tod des Mediävisten Gerd Tellenbach. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Juni 1999, Nr. 139, S. 46.
  • Wilhelm Köhler: Mittelalter und Zeitgeschichte. Ein Brief Gerd Tellenbachs vom 18. Juli 1936. In: Orientierung für das Leben. kirchliche Bildung und Politik in Spätmittelalter, Reformation und Neuzeit. Festschrift für Manfred Schulze zum 65. Geburtstag, Berlin u.a. 2010, S. 327–344, ISBN 978-3-643-10092-4.
  • Dieter Mertens u.a. (Hrsg.): Gerd Tellenbach (1903–1999). Ein Mediävist des 20. Jahrhunderts. Vorträge aus Anlaß seines 100. Geburtstags in Freiburg i. Br. am 24. Oktober 2003. Freiburg i. Br. [u.a.] 2005, ISBN 3-7930-5009-2.
  • Arnold Esch Nachruf Gerd Tellenbach. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken (QFIAB), Bd. 79 (1999), S. XXXV–XXXVIII.
  • Anne Christine Nagel: Gerd Tellenbach. Wissenschaft und Politik im 20. Jahrhundert. In: Ulrich Pfeil (Hrsg.): Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz. Oldenburg. München 2007, S. 79–99, ISBN 978-3-486-58519-3.
  • Anne Christine Nagel: Mittelalterliche Geschichte. In: Eckhard Wirbelauer (Hg.), Die Freiburger Philosophische Fakultät 1920–1960. Mitglieder - Strukturen - Vernetzungen, Freiburg i.Br. 2006, S. 387–410, ISBN 3-495-49604-1.
  • Rudolf Schieffer: Nachruf Gerd Tellenbach. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Bd. 56 (2000), S. 409–411.
  • Karl Schmid: Der Freiburger Arbeitskreis'. Gerd Tellenbach zum 70. Geburtstag. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 122 (1974), S. 331–347.
  • Joachim Wollasch: Der Historiker als Anthropologe. Zum fünfundneunzigsten Geburtstag von Gerd Tellenbach. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. September 1998, Nr. 216, S. 46.
VorgängerAmtNachfolger
Constantin von Dietze Rektor der Universität Freiburg
1948–1949
Friedrich Oehlkers
VorgängerAmtNachfolger
Ernst von Caemmerer Rektor der Universität Freiburg
1957–1958
Anton Vögtle
Normdaten (Typ fehlt): LCCN: n82094838 | VIAF: 39396544
Personendaten
NAME Tellenbach, Gerd
KURZBESCHREIBUNG deutscher Historiker
GEBURTSDATUM 17. September 1903
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 12. Juni 1999
STERBEORT Freiburg im Breisgau
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