Hörsturz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. September 2005 um 09:18 Uhr durch 84.142.196.61 (Diskussion) (Unmittelbare Anzeichen eines Hörsturzes ). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Hörsturz ist ein akuter Innenohr-Hörverlust. Dieser Hörverlust kann alle Tonhöhen (Frequenzen) betreffen, die das menschliche Gehör (Innenohr) wahrnimmt, so dass man insgesamt schlechter hört. Er kann jedoch auch auf bestimmte Tonhöhen begrenzt sein. Die übrigen Tonhöhen bleiben wie gewohnt hörbar. Die betroffenen Personen bemerken oft zunächst ein Druckgefühl im Ohr, das in den meisten Fällen von einem Summen, Rauschen oder Brummen begleitet wird, dem sogenannten Tinnitus.

Die genaue Ursache eines Hörsturzes ist unbekannt. Es wird vermutet, dass die Erkrankung u.a. durch Viren ausgelöst wird. Eine weitere mögliche Ursache kann eine Durchblutungsstörung des Ohres sein. Erhöhte Blutfettspiegel und eine erhöhte Konzentration von Blutgerinnungseiweiß, dem Fibrinogen, spielen dabei unter Umständen eine Rolle. Andere Ursachen können evt. Stress, also eine ständige Überforderung des Hörsinns, sowie falsche Ernährung sein.

Unmittelbare Anzeichen eines Hörsturzes

  • Druckgefühl im Ohr
  • Geräuschempfindlichkeit
  • Schwerhörigkeit oder Ertaubung
  • Verzerrtes Hören (z. B. hört man Gespräche normal, aber das Quietschen einer Bremse wirkt gedämpft)
  • Schwindelgefühl
  • Echoartiges Hören

Ursachen

Der Hörverlust muss abgegrenzt werden von akuten Hörminderungen auf dem Boden anderer Erkrankungen, z. B. Traumata, Tumore, Infektionen im Mittelohr, einem vergessenen Pfropf im Ohr etc. (siehe unten).
Charakteristisch für einen Hörsturz ist die verminderte akustische Aufnahme, besonders nach dem Aufstehen. Begleitet wird dies oft durch Ohrgeräusche und in ungefähr 50% der Fälle durch ein Druck- oder Völlegefühl im Ohr. Frühsymptom kann auch ein verzerrter Höreindruck sein, auch wenn das Hören an sich noch gut ist. Nach diesen Beschwerden folgt nicht selten der Hörverlust. Der Hörverlust ist eine Schallempfindungsstörung im mittel- bis hochfrequenten Bereich, z. T. auch im niedrigfrequenten.


Es wird meist empfohlen, bei einem Hörsturz sofort einen Arzt aufzusuchen. Umso wichtiger ist dies, wenn das Gehör schon vorher durch eine Hörbehinderung oder -verlust beeinträchtigt worden ist. Die Erhaltung des Restgehörs ist dann für die Lebensqualität des Patienten von entscheidender Bedeutung.

Ein Abwarten über mehrere Tage birgt eventuell das Risiko, dass irreversible Schädigungen des Hörvermögens zurückbleiben, wogegen eine zeitnahe Behandlung, beispielsweise in Form einer Infusionstherapie, in der Theorie bessere Chancen für eine weitgehende Wiederherstellung des durch den Hörsturz beeinträchtigten Hörvermögens bietet. Manchmal äußert sich die Erkrankung auch als vermeintlicher "Hör-Infarkt" mit Schwerhörigkeit und starkem Schwindel. In einem solchen Fall wird der Erkrankte schon allein wegen der erheblichen Beschwerden möglichst umgehend den Arzt aufsuchen.

Ob es aber tatsächlich einen Zusammenhang zwischen "sofortigem" Behandlungsbeginn und verbesserten Chancen auf Wiederkehren des Hörvermögens gibt, wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Die Aussage vieler HNO-Ärzte, die auf eine sofortige Behandlung drängen, steht in gewissem Widerspruch zu Studien, die keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Behandlungsbeginn und -erfolg belegen können.

Therapie

Da eine große Anzahl von Schädigungshypothesen des Ohres besteht, existiert ein ganzer Zoo von Behandlungsmethoden, denen allen gemein ist, daß sie fachlich angreifbar sind.

Tatsächlich sieht es derzeit so aus, daß die Ursache oder die Ursachen für den Hörsturz in der Regel unaufgeklärt bleiben, nicht zuletzt deshalb, weil das Innenohr anatomisch an einer sehr unzugänglichen Stelle hinter dem Schädelknochen liegt und sich mit bildgebenden Verfahren kaum darstellen läßt.

Aussagekräftige Studien scheitern z. T. auch an der erfreulich hohen Selbstheilungsrate der Erkrankung. Aussagekräftig ist eine Studie nur dann, wenn sie nachweisen kann, daß die untersuchte Heilungsmethode signifikant bessere Ergebnisse bringt als die Placebobehandlung, d. h. die Nichtbehandlung. Eine Reihe von Wissenschaftlern argumentiert jedoch, es sei unethisch, einen Patienten aus Forschungszwecken nicht zu behandeln, obwohl er an einem akuten Hörsturz leidet. In Studien vergleicht man daher meist eine Behandlungsmethode mit einer anderen Behandlungsmethode. Die wenigen placebokontrollierten Studien zum Hörsturz, die bislang publiziert wurden, zeichnen sich in der Regel durch methodische Schwächen (z. B. kleine Patientenzahl, nachträgliche Ergebniskorrektur mittels Post-Hoc Analyse, mangelhafte Randomisierung) aus. In der einzigen Untersuchung, die den modernen wissenschaftlichen Standards weitgehend entspricht (Probst et al., Acta Otolaryngol. 1992;112(3):435-43.), erzielten die getesteten durchblutungsfördernden Medikamente keine besseren Ergebnisse als Placebo-Infusionen.

Infusionstherapie

Je nach Art der Hörstörung werden zur Therapie blutverdünnende (standardmäßig eine Kombination aus Hydroxyethylstärke und Pentoxifyllin, gebräuchliche Handelsnamen: HAESTM und TrentalTM) oder entwässernde Medikamente gegeben, oft auch eine anfangs hohe Cortisondosis. Ein wissenschaftlich nachweisbarer Effekt auf die Hörstörung zeigt sich aber allenfalls ansatzweise für Cortison, obwohl auch hier Studien zu teilweise sehr gegensätzlichen Ergebnissen kommen. Alle anderen Wirkstoffe scheinen unwirksam zu sein, wenngleich dieser Punkt nach wie vor kontrovers in der HNO-Heilkunde diskutiert wird.

Insbesondere bei Patienten mit schwer einstellbarem Blutdruck, Schwangeren, Zuckerkrankheit mit Insulintherapie oder Magengeschwüren muß das Risiko gegenüber dem Nutzen der Infusion abgewogen und gegebenenfalls die Dosierung verändert werden. Kopfschmerzen, Magendruck, Harndrang oder Schlafstörungen sind - je nach verwendetem Mittel - häufige Nebenwirkungen der Infusionen. Wenn Hydroxyethylstärke über Wochen gegeben wird, kann sich die Substanz in der Haut anreichern und zu sehr lästigem Juckreiz führen, der schwer zu behandeln ist und lange anhalten kann. Einige Kritiker erheben aufgrund der nicht ausreichend nachgewiesenen Wirkung der Infusionstherapie beim Hörsturz generelle Zweifel am Sinn der Behandlung. Hierzu beispielsweise der Hautarzt Prof. Dr. med. K. Bork (Universitäts-Hautklinik Mainz) gegenüber dem Arznei-Telegramm (6/2000, S. 52 f.):

"Es ist meiner Meinung nach unverantwortlich, Patienten mit diesen Nebenwirkungen zu belasten, ohne einen wissenschaftlichen Grundsätzen genügenden Wirksamkeitsbeleg zu haben."

Neuere Therapieempfehlungen begrenzen die empfohlene Therapiedauer für solche Infusionen deshalb auf maximal 10 Tage, wodurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen zumindest reduziert wird.

Mit der Infusionsbehandlung soll prinzipiell eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Innenohres erreicht werden. Viel Bewegung in frischer Luft und ausreichend Flüssigkeitszufuhr sind eventuell unterstützend zur Heilung hilfreich. Weil die Cortisonbehandlung bei einem Hörsturz vielleicht nützlich ist, wird angenommen, dass bei einem Hörsturz das Immunsystem das Neuroepithel der Gehörnerven angreift (Cortison unterdrückt zum Teil die Wirkung des Immunsystems).

Sauerstofftherapie

Von einigen Ärzten wird bei Hörsturz eine hyperbare Sauerstofftherapie empfohlen bzw. für sinnvoll erachtet. Dazu ist der mehrfache zeitweilige Aufenthalt in einer Druckkammer erforderlich, während dessen reiner Sauerstoff eingeatmet wird. Der Erfolg dieser Therapie ist innerhalb der Ärzteschaft umstritten und wird selbst von den Befürwortern nur bei ca. 40 Prozent aller Patienten erwartet. Die hohen Kosten für die Behandlung werden deshalb nicht von allen Krankenkassen getragen. Hierzu der Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (April 2000):

Andere Therapiemöglichkeiten

Es existieren eine ganze Reihe anderer Therapiemöglichkeiten. Eine Übersicht findet sich beispielsweise in *Olaf Michel, "Der Hörsturz", Thieme 1994, ISBN 3-13-137401-2.

Die Tatsache, daß die Ursachen für einen Hörsturz nicht klar sind, bietet auch unseriösen Anbietern einen Raum zum Vertrieb ihrer Produkte oder Dienstleistungen.

Zweifel sind insbesondere dann angebracht, wenn ein Anbieter mit einem Absolutheitsanspruch kommt (nur seine Therapie wirke am besten), über große Erfolge berichtet (ohne gleichzeitig über die hohe Selbstheilungsquote bei Hörstürzen zu berichten), den Anschein erweckt, daß die Ursachen für Hörsturz jetzt aufgeklärt seien (das sind sie nämlich nicht) und wenn er angibt, daß seine Therapie gleich auch noch für Tinnitus und vielleicht sogar Morbus Meniere geeignet ist.

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hörsturz&oldid=9264842"