Vorläufiger Rechtsschutz

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Unter Vorläufigem Rechtsschutz (auch einstweiliger Rechtsschutz oder Eilverfahren) versteht man Möglichkeiten, subjektive Rechte bereits vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren wirksam zu schützen. Dies kann sowohl gesetzlich bestimmt sein, als auch von der Behörde oder von dem Gericht angeordnet werden. Während sich gesetzlicher Vorläufiger Rechtsschutz darauf beschränkt, Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen (→ Suspensiveffekt), können durch Anträge auch gestaltende Regelungen erreicht werden.

Allen Arten des Vorläufigen Rechtsschutzes ist gemeinsam, dass sie keine endgültige Entscheidung treffen und auch nur vorläufig die Schaffung vollendeter Tatsachen nicht gestatten (grundsätzliches Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache).

Vorläufiger Rechtsschutz kann nur so lange beansprucht werden, wie ein Recht in der Hauptsache geltend gemacht wird oder (noch) geltend gemacht werden kann (sog. latente Akzessorietät des Vorläufigen Rechtssschutzes).

Grundsätzlich wird Vorläufiger Rechtsschutz vor allen Gerichten und in jeder Rechtsmaterie gewährt.

Gerichtliche Verfahren

Da gerichtliche Auseinandersetzungen in der Praxis sehr lange dauern können, besteht die Gefahr, dass sich die Situation eines Klägers bis zur endgültigen Entscheidung verschlechtert und ihm Nachteile entstehen. Daher gibt es in jeder Prozessordnung Verfahrensarten, die eine schnelle, aber nicht endgültige Regelung ermöglichen. Der Vorläufige Rechtsschutz ist vom vorbeugenden Rechtsschutz zu unterscheiden. Dieser soll schon vor der Entstehung von Rechtspositionen verhindern, dass diese Rechte nicht oder nur noch unter erheblichen Schwierigkeiten oder unzumutbaren Nachteilen durchgesetzt werden können.

Der Prüfungsmaßstab des Gerichts ist reduziert (so genannte summarische Prüfung) und die Art der Darlegung weicht vom Hauptsacheverfahren ab. Die Notwendigkeit zur Beschleunigung des Verfahrens lässt in der Regel die Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung, Ortsbesichtigung, Sachverständigengutachten) nicht zu. Entschieden wird grundsätzlich auf der Basis des vorgetragenen oder bekannten Sachverhalts und der von dem Antragsteller glaubhaft gemachten Tatsachen (z.B. durch eidesstattliche Versicherung). Das Gericht kann auch ohne mündliche Verhandlung oder Anhörung entscheiden und Ladungsfristen abkürzen.

Öffentliches Recht

Gegen einen Verwaltungsakt, der in Rechte des Bürgers eingreift, wird Vorläufiger Rechtsschutz in der Regel schon durch das Gesetz gewährt. Der Bürger ist vor einer sofortigen Durchsetzung derartiger Verwaltungsakte durch eine grundsätzlich automatische aufschiebende Wirkung geschützt, sobald er gegen sie förmlich vorgeht – § 80 Abs. 1 VwGO:

Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung.


Der Verwaltungsakt ist, obwohl er mit Bekanntgabe wirksam und zu beachten ist, kraft der aufschiebenden Wirkung vorläufig nicht vollstreckbar oder vollziehbar. Auch sonstige rechtliche oder tatsächliche Folgerungen dürfen aus dem Verwaltungsakt nicht gezogen werden (z.B. Geldbuße).

Der Grundsatz des § 80 Absatz 1 VwGO ist in der Praxis häufig durchbrochen:

  • bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten (z.B. Erschließungsbeitrag, auch bei kommunalen Steuern), § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO
  • bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten ( hierzu zählen auch Verkehrszeichen), § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2
  • in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO
  • bei Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung (z.B. Festsetzung eines Zwangsgeldes), wenn durch den Landesgesetzgeber vorgesehen, § 80 Absatz 2 Satz 2 VwGO
  • in sonstigen Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet hat (z.B. Anordnung, einen morschen Baum zu fällen), § 80 Absatz 2 Nr. 4 VwGO. In diesen Fällen muss das überwiegende öffentliche Interesse oder das überwiegende Interesse des Beteiligten besonders begründet werden (§ 80 Absatz 3 VwGO). Die Begründung darf sich nicht nur in einer bloßen Wiedergabe des Gesetzes oder in bloß formelhaften Wendungen erschöpfen. Auch eine Bezugnahme auf die Gründe für den Verwaltungsakt genügt regelmäßig nicht (anders u.U. bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr).


Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, und die Widerspruchsbehörde können, wenn der Widerspruch nach § 80 Absatz 2 VwGO kraft Gesetzes oder auf Grund behördlicher Anordnung keine aufschiebende Wirkung hat, die Vollziehung aussetzen (§ 80 Absatz 4 VwGO).

Im Verwaltungsprozessrecht wird Vorläufiger Rechtsschutz auf Antrag durch das Gericht gewährt, das über die Hauptsache zu entscheiden hat oder zu entscheiden hätte (Gericht der Hauptsache). Zu unterscheiden sind:

  • Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage, wenn sie originär nicht gegeben ist, also die Regel des § 80 Absatz 1 VwGO nicht greift (§ 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, § 80 Abs. 5, § 80a VwGO)
  • Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, wenn sie zuvor beseitigt wurde (§ 80 Absatz 2 Satz 1 Nr.4, § 80 Abs. 5, § 80a VwGO)
  • einstweilige Anordnung in allen sonstigen Fällen (§ 123 VwGO)


Auch im Verfahren der Normenkontrolle findet Vorläufiger Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung statt (§ 47 Absatz 6 VwGO)

Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht kann eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG erlassen werden.

Strafprozess

Im Strafprozess bedarf es weitgehend deshalb keines Vorläufigen Rechtsschutzes, weil strafrechtliche Erkenntnisse erst vollstreckt weden können, wenn sie rechtskräftig geworden sind.

Hinsichtlich der am stärksten eingreifenden vorläufigen Maßnahme, der Untersuchungshaft, ist durch entsprechende Regelungen in der Strafprozessordnung gewährleistet, dass kurzfristig entschieden wird (§ 115, 115a, 117, 118 Abs. 5 StPO).

Im Beschwerdeverfahren (§ 307 Abs. 2 StPO) und bei einigen besonderen Entscheidungen (§ 360 Abs. 2 oder § 458 Abs. 3 StPO) gibt es die Möglichkeit, die Vollziehung einer Entscheidung auszusetzen oder eine einstweilige Anordnung zu erlassen.

Als besondere Spielart Vorläufigen Rechtsschutzes kann man es ansehen, dass im Interesse eines durch eine Straftat Verletzten Gegenstände beschlagnahmt werden können, um dem Verletzten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die durch die Straftat entstanden sind, behilflich zu sein (Zurückgewinnungshilfe, vgl. § 111b Abs. 5, §§ 111h, 111i StPO).

Zivilprozess

Im Zivilprozess gibt es den Arrest, §§ 916 ff ZPO und die einstweilige Verfügung, § 935 ZPO. Beide sind im Achten Buch der ZPO (Zwangsvollstreckung) geregelt, was systematisch nicht richtig ist, da es sich um summarische Erkenntnisverfahren handelt.

Der Arrest dient der Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Häufigste Form ist der "dingliche Arrest" (§ 917 ZPO), der angeordnet werden kann, wenn ohne dessen Verhängung die Vollstreckung eines im normalen Verfahren ergehenden Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Die Entscheidung lautet dann, dass wegen einer bestimmten (nach Grund und Höhe zu bezeichnenden) Geldforderung der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegner angeordnet wird. Der erlassene dingliche Arrest ist Vollstreckungstitel und erlaubt die Zwangsvollstreckung durch Pfändung von beweglichem Vermögen oder Eintragung einen Sicherungshypothek bei Grundstücken, allerdings nur zum Zwecke der Sicherung, während eine Verwertung gepfändeter Gegenstände auf Grund des Arrests ausgeschlossen ist.

Die einstweilige Verfügung dient der Sicherung sonstiger Ansprüche (§ 935 ZPO) oder der einstweiligen Regelung eines Rechtsverhältnisses (§ 940 ZPO).

Neben Arrest und einstweiliger Verfügung gibt es in verschiedenen Arten und Phasen des Verfahrens auch noch Vorläufigen Rechtsschutz in Form der einstweiligen Anordnung, etwa im Rahmen von Beschwerdeentscheidungen nach § 570 ZPO, in verschiedenen Verfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach §§ 707, 719, 732, 769, 770, 771, 805 ZPO und in besonderen Verfahrensarten wie in Ehesachen (§§ 620-620g ZPO), sonstigen Familiensachen (§ 621g ZPO), Kindschaftssachen (§ 641d ZPO) und Unterhaltssachen (§ 644 ZPO).

Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Hier gibt es Vorläufigen Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung im Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz nach § 44 Abs. 3 WEG und im Rahmen von Beschwerdeverfahren nach § 24 Abs. 3 FGG. Vorläufige Maßnahmen können in besonderen Verfahrensarten durch einstweilige Anordnung getroffen werden, so in Betreuungssachen (§ 69f FGG) und in Unterbringungssachen (§ 70h FGG).

Verfahren bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten

Im Verfahren gegen Justizverwaltungsakte (§§ 23-30 EGGVG) ist mangels Regelungen im EGGVG - allerdings umstritten - einstweiliger Rechtsschutz im Wege analoger Anwendung möglich. Insbesondere verweist § 29 Abs. 2 EGGVG auf das FGG und die StPO und damit auch auf § 24 Abs. 3 FGG und § 307 Abs. 2 StPO.

Finanzprozess

Die Rechtslage ist der im Verwaltungsgerichtsprozess ähnlich (§§ 69, 114 FGO).

Außergerichtliche Verfahren

Literatur

Klaus Finkelnburg/Klaus P. Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Beck-Verlag, München, 4. Aufl., 1998, ISBN 3-406-34140-3

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