Naturumlaufkessel
Naturumlauf-Dampferzeuger
auch: Naturumlauf-Kessel
Allgemeines
Naturumlauf-Dampferzeuger zählen wie die Zwangumlauf-Dampferzeuger zu den Wasserrohrkesseln mit Umlaufprinzip. Gegenstück dazu sind die Wasserrohrkessel mit Durchlaufprinzip (Benson, Sulzer).
Umlaufprinzip bedeutet, dass eine bestimmte betrachtete Menge Wasser im Dampferzeuger mehrmals durch Trommel, Fallrohr und Verdampfer geführt wird, bis es vollständig in Dampf umgewandelt wurde. Während beim Zwangumlauf der Umlauf durch eine Umwälzpumpe im System aufgeprägt, also erzwungen wird, stellt er sich beim Naturumlauf durch natürliche Vorgänge ein.
Kurzbeschreibung
In der Trommel (3) vorhandenes Wasser wird durch die unbeheizten Fallrohre (4) dem Verteilersammler (5) zugeführt und hat hierin die Dichte ρF. Von ihm aus werden die beheizten Steigrohre (6) bespeist, sie bilden als "Verdampfer" die Strahlungsheizflächen des Brennraums (b). Das entstehende Wasser-Dampf-Gemisch mit einer Gemischdichte ρS gelangt zurück in die Trommel und wird dort getrennt. Unverdampfte Anteile nehmen erneut am Umlauf teil, entstandener Dampf verlässt die Trommel durch den im Rauchgasstrom (a) angeordneten Überhitzer (7) in Richtung Turbine (8).
Der Umlauf im System entsteht durch Dichteunterschiede zwischen Steig- und Fallrohren Δρ = ρF - ρS > 0. Unbeheiztes Medium hat eine höhere Dichte als das beheizte, sodass sich - ähnlich der kommunizierenden Röhre oder auch der Luftströmung in beheizten Räumen - ein Umlauf des Mediums einstellt. Die Bespeisung der Trommel erfolgt über die Speisewasservorwärmung (2) - auch kurz "ECO" bezeichnet.
Aufbau
Naturumlauf-Dampferzeuger bestehen aus vier wesentlichen Komponenten:
- Trommel (3) - sie dient als Wasserreservoir und Dampfspeicher, in ihr findet die Dampf-Wasser-Trennung (auch "Phasenseparation") statt. Sie liegt oberhalb des Brennraums (b) und ist mit Fallrohren (4) und Steigrohren (6) verbunden, bespeist wird sie durch die ebenfalls in sie mündende Speisewasserleitung (1, 2).
- Die Fallrohre sind Rohrleitungen außerhalb des Brennraums, in denen Wasser zum Verteilersammler (5) fliessen kann, ohne dass es dabei beheizt wird. In den Rohren herrscht eine bestimmte Temperatur und eine Dichte ρF. Die Fallrohre münden in den Verteilersammler unterhalb des Brennraums.
- Der Verteilersammler (5) hat die Aufgabe, eine gleichmäßige und konstante Bespeisung der Steigrohre (6) zu gewährleisten. Unter Umständen wird der Verteilersammler auch manchmal als "Untertrommel" bezeichnet.
- Steigrohre werden die Rohrleitungen bezeichnet, die um den Brennraum (b) herum angeordnet sind. In der Regel bilden sogar sie selbst die Brennkammerwände ("Flossenwände"). Durch die Feuerung im Brennraum werden diese Rohre und damit das Wasser innerhalb der Rohre beheizt. Die Dichte des Wassers innerhalb dieser Rohre ist durch die höhere Temperatur bei gleichem Druck niedriger als die Dichte der Fallrohre und sei mit ρS bezeichnet. Innerhalb der Steigrohre liegt ein Gemisch aus Wasser und Dampf vor, denn durch die Beheizung wird ein Teil des Wassers verdampft. Die Steigrohre münden am oberen Ende in die Trommel, damit ist der Kreislauf geschlossen.
Umlaufströmung
Die Beheizung verringert die Dichte des Mediums innerhalb der Steigrohre durch zwei Vorgänge: zum einen verringert sich die Dichte durch die Temperaturerhöhung bei konstantem Druck (Druckverluste durch Reibung und Beschleunigung seien hier vernachlässigt). Als zweiter Effekt kommt hinzu, dass durch die Beheizung ein Teil des in den Rohren vorhandenen Wassers in den Dampfzustand überführt wird. Damit liegt ein Gemisch aus Wasser und Dampf vor, dass durch den Dampfgehalt eine geringere Dichte hat, als es ohne Dampf (also allein durch die Temperaturerhöhung) hätte.
Die Fallrohre hingegen sind unbeheizt, so dass hier eine nahezu konstante Dichte vorliegt, die höher als die der Steigrohre ist. Die Differenz (ΔR = ρF - ρS) resultiert in einem Unterschied des hydrostatischen Druckes. Ähnlich der kommunizierenden Röhren kommt es zu einer Ausgleichsströmung vom Bereich des höheren zum Bereich des geringeren hydrostatischen Druckes: die Leitungen sind verbunden und das System somit geschlossen, dementsprechend "drückt" das schwerere Medium der Fallrohre das Medium durch die Steigrohre. Deren Inhalt gelangt in die Trommel und wird dort getrennt. Da in die Fallrohre ständig neues, kühleres Medium nachfliessen und aus den Steigrohren ständig wärmeres Medium ausfliessen kann, stellt sich ein Umlauf 3 - 4 - 5 - 6 ein.
Der Vorgang der Dichteveränderung bei steigender Temperatur und konstantem Druck ist natürlich, daher spricht man vom "Naturumlauf".
Betriebliche Vor- und Nachteile
Nachteile
Der Betrieb ist durch die den Aufbau des Systems und durch das Funktionsprinzip in gewissen Grenzen beschränkt:
- Kritischer Druck: Um einen Ausreichend hohen Dichteunterschied zum Aufrechterhalten der Umlaufströmung und zur Trennung des Gemisches in der Trommel durch Phasenseparation zu gewährleisten, ist der Systemdruck auf maximal ca. 185bar begrenzt. Damit liegt nach dem Überhitzer ein Dampfdruck von ca. 175bar vor. Würde man den Systemdruck über den kritischen Druck von Wasser (ca. 221bar) steigern, wird der Dichteunterschied zu Null.
- Rohrleitungen: Die Steigrohre sollten senkrecht angeordnet sein, um die Druckverluste durch Reibung so gering wie möglich zu halten. Diese haben unmittelbaren Einfluss auf die Strömungsstabilität (Stichwort: Ledinegg-Kriterium).
- Trommel: Die Dampferzeugerleistung und die Fahrweise der Anlage sind durch die Trommel in mehreren Punkten eingeschränkt:
- zum einen ist die Trommel ein dickwandiges Bauteil (Wandstärken liegen je nach Bauart zwischen 28mm und 90mm), das bis zu einer gewissen Wandstärke einen linearen Zusammenhang zwischen Spannung in der Wand sowie Druck und Durchmesser aufweist (Siehe auch Kesselformel). Erhöht man Durchmesser und Wandstärke, erreicht dieser Zusammenhang ab bestimmten Größenverhältnissen einen Bereich, in dem diese Größen nichtlinear miteinander verknüpft sind.
- Der zweite begrenzende Aspekt ist darin zu sehen, dass sich bei Druckabsenkungen in der Trommel thermische Spannungen in der Trommelwand ergeben. Daher ist die Dynamik (Verhalten bei Laständerung) beschränkt, das Anfahren sowie Druckabsenkungen können nicht beliebig schnell durchgeführt werden (siehe auch Gleitdruckbetrieb).
- Ein dritter Aspekt ist die Wassermasse in der Trommel ("thermisches Inventar"): da sie entsprechend ihrer Menge Wärme aufnimmt, kommt es recht schnell zum Abfallen der Frischdampftemperatur in der Trommel.
Vorteile
Der Naturumlauf bietet folgende Vorteile im Vergleich zu den anderen, oben erwähnten Systemen:
- Der Umlauf stellt sich durch die Dichteunterschiede ein, daher entfallen die Investitions- und Betriebskosten für eine Umwälzpumpe.
- Druckabsenkungen an der Trommel führen zur Entspannungsverdampfung. Druckabsenkungen werden in der Regel dann angeregt, wenn eine Leistungserhöhung beabsichtigt ist (Gleitdruckbetrieb) sodass für einen kurzen Zeitraum sofort Dampf zur Verfügung steht. Als Faustformel gilt hier, dass pro Bar Druckabsenkung ca. 200-600kg Dampf sofort zur Verfügung stehen.
- Der relativ einfache Aufbau und die relativ einfach Bedienbarkeit des Systems sind weitere Gründe, weshalb das Naturumlauf-Prinzip sehr häufig verwendet wurde. Mittlerweile werden für große Kraftwerksleistungen aus verschiedensten Gründen Zwangdurchlauf- und Zwangumlauf-Dampferzeuger bevorzugt.
siehe auch
Literatur
- Helmut Effenberger: Dampferzeugung, Springer-Verlag, ISBN 3-540-64175-0
- Kugeler, Phlippen: Energietechnik, 2. Auflage, Springer-Verlag, ISBN 3-540-55871-3
- K. Stephan: Wärmeübertragung beim Kondensieren und Sieden, Springer-Verlag
- K. Strauß: Kraftwerkstechnik, 4. Auflage, Springer-Verlag, ISBN 3-540-64750-3