Benutzer:Ebs
Grundlegende Gedanken zur Vorlesung: Musikübertragung
Durch den Oberbegriff Musikübertragung wird alles zusammengefasst, was am Ende zu einem über Lautsprecher wiederzugebenden Produkt führt. Das kann ein Hörspiel, Werbung mit Text und Musik, Filmmusik, Dokumentation eines musikalischen Ereignisses, die Produktion einer Opernaufführung und anderes mehr sein. Dazu wird vom Tonverantwortlichen breites Spezialwissen mit hoher technisch-künstlerischer Kreativität vorausgesetzt und gefordert. Grundvoraussetzung zum Erstellen optimaler Tonaufnahmen ist das bewusste analytische Hören, das nur selbst entwickelt werden kann. Allein eine klare innere musikalische Vorstellung (Hörerwartung) in Verbindung mit dem flexiblen Einsatz adäquater tontechnischer Arbeitsmittel kann zur Annäherung an das gewünschte Ziel führen. Häufig werden dabei angemessene Kompromisse zwischen sich widersprechenden elektro-akustischen Parametern gefunden werden müssen. Die zum Teil subjektiven Parameter des Klangbildes, wie Klangfarbe (Timbre), Näheeindruck (Tiefenstaffe-lung), Räumlichkeitsgefühl (Nachhall), Lokalisation auf der Stereobasis zwischen den Lautsprechern (Schallquellenausdehnung), Durchhörbarkeit (Transparenz) und einiges mehr, können auf sehr unterschiedliche Weise verändert werden, wobei zu den gezielten Eingriffen des Tonverantwortlichen umfangreiche Kenntnisse auf den Gebieten der Akustik, der Elektrotechnik, der Musik und selbst der Psychologie gehören. Dieses gewaltige Wissen soll eigentlich durch Vorlesungen vermittelt werden. Da bei einer Tonaufnahme die Anzahl der veränderbaren Parameter so groß ist und die Gedanken und Vorstellungen hierzu sehr vielschich-tig sind, können Fragen zu Aufnahmeproblemen und deren Lösungsmöglichkeiten nur mosaikartig durch "sprunghafte" Themenwechsel angeschnitten und erörtert werden. Gewünschte kontinuierlich fortschreitende Vorlesungen zu den ständig größer werdenden unabgeschlossenen, verzweigten Gebieten der Musikübertra-gung werden nie möglich sein. Auch Monologe des Vortragenden können beim Begreifenlernen der schwieri-gen breit gefächerten Probleme der Stereo-Aufnahmetechnik nicht helfen. Sie müssen selbst viel dazu tun, um sich ständig weiterzuentwickeln. Der Wunsch einiger Studenten nach einfachen "Kochrezepten" z. B. für eine universell anwendbare Stützmikrofontechnik bei einem Bläserquintett einschließlich der dazugehörenden "richtigen" Einstellung des Hallprogramms lässt vermuten, dass selbst nicht ausreichend über die komplizierten Zusammenhänge der technisch-künstlerischen Umformungsprozesse nachgedacht wurde. Die als Umdrucke herausgegebenen "bodenständigen" Vorlesungsfragen zu den unterschiedlichsten elektro-akustischen Grundlagenthemen rund um die Aufnahme- und Tonstudiotechnik, aber auch "abgehobene" Fragen bis hin zur Aufnahmephilosophie sollen Anstöße geben, sich mit diesen interessanten Wissensgebieten selbst intensiv auseinanderzusetzen und sie sollen dabei helfen, den eigenen Wissensstand richtig einschätzen zu können. Siehe im Internet: http://www.sengpielaudio.com/Fragen01.htm
Weitere Gedankensplitter zu diesem Themenkreis: Ihnen müsste klar sein, dass bestimmte Erkenntnisse bei der Umsetzung der Aufführungspraxis vor den Mikrofonen in die Aufzeichnungspraxis hinter dem Mischpult nicht hinreichend durch Vorlesungen vermittelt werden können und Sie nur dann selbst die Zusammenhänge begreifen, wenn Sie sich ständig darum bemühen. Verwerfen Sie die Vorstellung einiger Autoren, dass man zur idealen Wiedergabe (Transaural-Stereo) nur die natürlichen Ohrsignale an einem optimalen Ort im Konzertsaal aufnehmen und einfach wieder am Ort des Stereo-Lautsprecher-Hörers erzeugen müsse. Versuchen Sie zu verstehen, weshalb prinzipbedingt die Lautsprecher die Originalsignale an den Ohren des Zuhörers selbst nicht einmal angenähert erzeugen können. Machen Sie sich die Unterschiede zwischen natürlichem (direktem) Hören und Hören von "synthetischer" (d. h. zusammengesetzter und künstlich hergestellter) Lautsprecher-Stereofonie genau klar. Häufig hört man die Bemerkung von Musikern: Wieso kann das im Regieraum nicht auch so schön "natürlich" klingen wie hier im Konzertsaal dieses muss doch möglich sein? Denken Sie darüber nach. Oder auch: Wir spielen schon so wahnsinnig leise hier im Saal, aber durch die "zu empfindlichen Mikrofone" wird das alles verstärkt aufgenommen. Was sagen Sie dazu was ist hier los? Solisten äußern sich oft vorwurfsvoll: Bei der Stereo-Wiedergabe muss ich viel lauter und deutlicher zu hören sein und mit mehr Raum. Außerdem sind meine Spielgeräusche zu stark aufgenommen. Wieso ist das so? Fragen nach dem besten Mikrofon für Gesang oder für die Bass-Drum sind allgemein nicht zu beantworten und reduzieren die vielschichtigen Probleme der Aufnahmetechnik unzulässigerweise allein auf die Mikrofon-auswahl. Die Auswahl der Mikrofone hat schon eine Bedeutung, aber nur in Verbindung mit dem Aufstellungsort zur Schallquelle und im Raum, dem Mischungsanteil und der gewünschten Klangfarbe. Autoren von Hi-Fi-Zeitschriften versuchen den guten Klang vereinfachend an bestimmten Mikrofontypen, Tonaufnahmetechniken oder Lautsprechern festzumachen - das ergibt immer ein falsches Bild.
Ein guter Rat:
Befassen Sie sich wirklich intensiv mit den "brauchbaren" Aufnahmeparametern zur Lautsprecher-Stereofonie und zum Surround-Sound. Experimentieren Sie systematisch und gezielt, optimieren Sie ständig in kleinen Schritten und prägen Sie sich wertend die Klangveränderungen ein. Fragen Sie sich ständig, ob dabei Ihre Hörerwartung erfüllt wird. Machen Sie Skizzen von Ihren Mikrofonaufstellungen und notieren Sie dabei genau die Pegelverhältnisse und die gemachten Klangfilter-Einstellungen, auch wenn meistens nur wenig Zeit dazu vorhanden ist.