Celler Loch
Als Celler Loch wurde ein Loch bekannt, das im Rahmen der Aktion Feuerzauber[1] am 25. Juli 1978 in die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle gesprengt wurde. Der Anschlag war von der niedersächsischen Landesbehörde für Verfassungsschutz als False-Flag-Operation fingiert worden. Unter dem Schlagwort Celler Loch wurde auch die sich daraus ergebende Affäre bundesweit bekannt.
Der Verfassungsschutz beabsichtigte angeblich, mit diesem Anschlag einen Informanten in die RAF einzuschleusen. Der Anschlag sollte als ein Befreiungsversuch für Sigurd Debus erscheinen, der als mutmaßlicher Terrorist der RAF im Celler Hochsicherheitsgefängnis (JVA) einsaß.
Als involviert und informiert gelten der niedersächsische Verfassungsschutz, die auf Anforderung beim Bundesgrenzschutz tätig gewordene GSG 9, die Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU) sowie die Anstaltsleitung. Das Bundesinnenministerium – als vorgesetzte Behörde der GSG 9 –, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundesregierung und die Landespolizei sollen vorab nicht informiert worden sein.[2]
Vorbereitung und Durchführung
Der Verfassungsschutz präparierte einen gestohlenen Mercedes SL mit Munition und gefälschten Pässen, darunter auch ein Pass mit dem Foto von Debus. Vordrucke und Dienstsiegel stammten aus Einbrüchen bei Behörden. Bei der Beschaffung des Autos hatte der Privatagent Werner Mauss mitgewirkt; Fahrer war ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Das Auto war im Januar 1978 bei einer Polizeikontrolle in Salzgitter sichergestellt worden, der Fahrer hatte sich dabei durch Flucht der Überprüfung entzogen.
Zur Durchführung des Anschlags hatte der Verfassungsschutz zwei Kriminelle - Klaus-Dieter Loudil und Manfred Berger - angeworben. Loudil wurde später den Medien als Tatverdächtiger präsentiert. Am 25. Juli 1978 wurde die Bombe gezündet und hinterließ nur geringen Sachschaden. Zu einem Ausbruch kam es nicht.
Der Verfassungsschutz hatte Ausbruchswerkzeug in Debus’ Zelle schmuggeln lassen, das bei der dem Anschlag folgenden Durchsuchung gefunden wurde und die Tatbeteiligung von Debus beweisen sollte. Als weiterer „Beweis" wurde das so genannte „Dellwo-Papier" veröffentlicht, das von dem RAF-Mitglied Karl-Heinz Dellwo verfasst worden war, der an der Geiselnahme von Stockholm 1975 beteiligt war. In diesem Schreiben wird erklärt, dass „durch Anschläge auf den äußeren Bereich von Vollzugsanstalten" eine „Zusammenlegung einsitzender Terroristen zu Interaktionsgruppen" erreicht werden sollte.
Erwartungsgemäß konnten die Täter nicht gefasst werden. Verschiedene Personen wurden von den Medien als angebliche Täter ins Gespräch gebracht.
Die bewusst ungerechtfertigten Vorwürfe und damit einhergehenden Verschärfungen der Haftbedingungen führten zu einem Hungerstreik durch Sigurd Debus. Anträge auf Hafterleichterungen wurden mit Hinweis auf den Sprengstoffanschlag ausdrücklich abgelehnt. 1979 wurde er in die JVA Hamburg-Fuhlsbüttel verlegt. Dort beteiligte er sich im Februar 1981 an einem Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF. Sigurd Debus starb am 16. April 1981 an den Folgen des Hungerstreiks kurz vor seiner anstehenden Haftentlassung.
Politische Folgen
1986 wurde bekannt, dass nicht die linksradikale Terroristenszene für den Anschlag verantwortlich war, sondern der Verfassungsschutz und die GSG 9, angeblich um einen V-Mann in die RAF einzuschleusen. Die von den Medien als Täter vorgestellten Personen waren V-Männer des Verfassungsschutzes.[2] Ulrich Neufert wurde für seinen Artikel über die Affäre in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung 1986 mit dem „Wächterpreis der deutschen Tagespresse" ausgezeichnet.
Daraufhin musste sich die Regierung Ernst Albrecht (CDU) vor einem Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags verantworten. In diesem stellte die Regierung Albrecht die Aktion als mindestens achtbaren Erfolg dar (Zugang zu Terrorismus, Ausbruch vereitelt, Waffen gefunden), obwohl diese Behauptungen widerlegt werden konnten.
In diesem Zusammenhang geriet Innenminister Wilfried Hasselmann (CDU) unter Druck, bis er 1988 im Zuge der Spielbankenaffäre von seinem Regierungsamt zurücktrat. Damaliger Justizminister war Hans-Dieter Schwind (CDU).
Die Ereignisse wurden 1988 vom Regisseur Herbert Linkesch und Produzent Rudi Reinbold im Dokumentarfilm „Das Celler Loch" verfilmt.
Literatur
- Christa Ellersiek, Wolfgang Becker: Das Celler Loch. Die Hintergründe der Aktion Feuerzauber. Verlag am Galgenberg, Hamburg 1987, ISBN 3-925387-30-7.
- Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker: Das RAF-Phantom. Knaur, München 1992, ISBN 3-426-80010-1, S. 309 ff.
Weblinks
- „Das Celler Loch" auf filmportal.de
- NDR – Beamte verüben Terroranschlag – Der Skandal um das Celler Loch
- Chronologie: Die "Aktion Feuerzauber"
Einzelnachweise
- ↑ „Feuerzauber" mit dunklen Figuren. In: Die Zeit. Nr. 25, 12. Juni 1987 (Zeit online [abgerufen am 7. Juni 2009]). Fehler in Vorlage:Literatur – *** Parameterformat: 'Zugriff'=7. Juni 2009 soll sein: 2009年06月07日
- ↑ a b Rote Ohren. In: Der Spiegel. Nr. 18, 28. April 1986, S. 24 f. (PDF [abgerufen am 24. Juli 2008]). Fehler in Vorlage:Literatur – *** Parameterformat: 'Zugriff'=24. Juli 2008 soll sein: 2008年07月24日