Volksgesetzgebung in Hamburg
Die Volksgesetzgebung in der Freien und Hansestadt Hamburg, als Element der direkten Demokratie des Landes, wurde neuerlich 1996 eingeführt. Sie besteht neben den bisherigen Instrumenten der repräsentativen Demokratie (Indirekte Demokratie), der Wahl von Volksvertretern in das Landesparlament, die dort unter anderem über die Gesetzgebung abstimmen, fort. Die Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Volksgesetzgebung in Hamburg, sowie angemeldete Volksinitiativen und, bei Erfolg, jeweils die zugehörigen Volksbegehren bzw. Volksentscheide sind nachfolgend dargestellt.
Geschichte
Bereits die Hamburger Verfassung vom 07. Januar 1921 enthielt die Möglichkeit eines Volksentscheides und Volksbegehrens. Diese konnten in begrenzten Fällen Bürgerschaftsbeschlüsse außer Kraft setzen und sogar die Auflösung der Bürgerschaft zur Folge haben. Während des Bestehens dieser Verfassung bis zu ihrem Ende in der Zeit des Nationalsozialismus fand jedoch tatsächlich niemals ein Volksbegehren oder -entscheid statt.[1] Die 1952 verabschiedete endgültige Nachkriegsverfassung sah eine solche Möglichkeit zunächst nicht mehr vor.
Gesetzliche Bedingungen
Die Rechtsgrundlagen für eine Volksinitiative, ein Volksbegehren und einen Volksentscheid wurden mit dem Fünften Gesetz zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 29. Mai 1996 geschaffen. [2] Damit wurde im Stadtstaat Hamburg ein zusätzliches Element der direkten Demokratie auf Landesebene eingeführt.
Die bisherigen Elemente der Einflussnahme der Bürger auf die Gesetzgebung und politische Beschlussfassung blieben bestehen. Dies sind die Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft, die unter anderem über die Gesetzgebung befindet, den Etat bewilligt, den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg kontrolliert und den Ersten Bürgermeister wählt.
Darüber hinaus sind die Bürger in Hamburg zur Mitwirkung an der Verwaltung berufen, was durch die Deputationen, als ehrenamtliche Mitbestimmungsgremien in den Behörden und auf der Verwaltungsebene der Bezirke durch die dort jeweils gewählten Bezirksversammlungen erfolgt. Dort sind ferner zugewählte Bürger in einigen Ausschüssen vertreten.
Zudem besteht für jeden das Recht sich mit Bitten und Beschwerden auch an die Hamburgische Bürgerschaft zu wenden (Petition beim Eingabenausschuss).
Volksentscheid (2004)
Voraussetzungen für die Annahme eines Gesetzentwurfes durch Volksentscheid im Jahre 2004:
- mehr Ja- als Nein-Stimmen
- mindestens 242.987 Ja-Stimmen (20% der Anzahl der Wahlberechtigten bei der Bürgerschaftswahl 2004)
- bei mehreren konkurrierenden Gesetzentwürfen die meisten Ja-Stimmen
- bei mehreren konkurrierenden Gesetzentwürfen und Gleichheit der Ja-Stimmen: Die meisten Ja-Stimmen nach Abzug der Nein-Stimmen
Volksbegehren (2005 bis Juni 2007)
Nach Gesetzesänderungen im Jahre 2004 waren von Januar 2005 bis Juni 2007 zum Erfolg eines Volksbegehrens 60.747 Unterschriften nötig, die nach den verschärften Bedingungen jedoch nur auf einigen Hamburger Ämtern geleistet werden durften.
Volksbegehren (seit Juni 2007)
Nach einem sehr erfolgreichen Volksbegehren beschloss die Hamburgische Bürgerschaft ein Gesetz zur Abhaltung von Volksbegehren, welches bis auf unwesentliche redaktionelle Änderungen dem bis 2005 geltenden Gesetz entspricht. Die Erschwerungen wurden somit wieder rückgängig gemacht.
Volksgesetzgebungsverfahren
Gesundheit ist keine Ware (2004)
Bei dem Volksentscheid dieser Initiative am 29. Februar 2004 ging es um den geplanten Verkauf des Landesbetriebes Krankenhäuser (LBK). Angestrebt wurde eine "Empfehlung" an den Senat. Dem Volksentscheid lag kein Gesetzentwurf zu Grunde. Die Mehrheit der Abstimmenden (76,8 Prozent) sprach sich gegen einen Verkauf aus. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 64,9 Prozent. Der Volksentscheid war erfolgreich.
Trotzdem veräußerte der Hamburger Senat den Landesbetrieb anschließend an das Klinikunternehmen Asklepios Kliniken. Das Hamburgische Verfassungsgericht entschied am 15. Dezember 2004, dass der Verkauf auch bei gegenteiligem Ausgang des Volksentscheids rechtens war [3] .
Mehr Bürgerrechte - Ein neues Wahlrecht für Hamburg contra Bürgernahe Demokratie - 50 Wahlkreise für Hamburg (2004)
Bei diesem Volksentscheid am 13. Juni 2004, der gleichzeitig mit der Wahl zum Europäischen Parlament stattfand, lagen den Wählern zwei Gesetzentwürfe für die Änderung des Hamburger Wahlrechts zur Abstimmung vor. Einer des eingetragenen Vereins Mehr Bürgerrechte und ein weiterer Entwurf der Hamburgischen Bürgerschaft.
Der Gesetzentwurf der Bürgerschafts-Parteien: Bürgernahe Demokratie - 50 Wahlkreise für Hamburg erreichte mit 197.524 Ja-Stimmen (16,3%, Nein-Stimmen: 169.446) nicht das erforderliche Quorum, und war somit erfolglos.
Der Entwurf des Vereins Mehr Bürgerrechte: Mehr Bürgerrechte - Ein neues Wahlrecht für Hamburg war mit 256.507 Ja-Stimmen (21,1% der Wahlberechtigten) zu 129.035 Nein-Stimmen erfolgreich. Die Zahl der Teilnehmer an diesem Volksentscheid lag 3,5% niedriger als die Zahl der Teilnehmer an den Wahlen zum EU-Parlament. Durch den Volksentscheid wurde ein neues Wahlrecht beschlossen, welches Ende 2006 allerdings in Kernpunkten durch die Hamburgische Bürgerschaft (Mit CDU-Mehrheit gegen die Stimmen von SPD und GAL) geändert wurde, bevor es angewendet wurde.
Rettet den Volksentscheid (2005-2007)
Ziel dieser Initiative war, die durch den CDU-Senat im Jahre 2004 beschlossenen Verschärfungen der Bedingungen für Volksbegehren rückgängig zu machen.[4] Nachdem das Volksbegehren im Februar/März 2007 mit 100.062 Unterschriften sehr erfolgreich angenommen wurde, beschloss die Hamburger CDU-Fraktion am 26. März 2007, das Volksbegehren Rettet den Volksentscheid in der Bürgerschaft anzunehmen, so dass ein Volksentscheid dazu nicht mehr stattfinden wird.
Hamburg stärkt den Volksentscheid (2005-2007)
Hier sollte durch Verfassungsänderung der Volksentscheid verbindlich gemacht werden, indem die Hamburgische Bürgerschaft vor einer Änderung eines per Volksentscheid verabschiedeten Gesetzes wiederum einen Volksentscheid zu dieser beabsichtigten Änderung durchführen muss. [5]
Die Gegner der Initiative sahen das Anliegen kritisch aus insbesondere folgenden Punkten: Zum einen werden die Quoren als zu gering angesehen. So sollte eine Minderheit von 2,5 % der Wahlberechtigten einen neuen Volksentscheid erzwingen können, wenn die Bürgerschaft eine durch Volksentscheid getroffene Entscheidung revidieren will. Zum anderen wurde in dieser Sperrwirkung eine Gefahr für die politische Handlungsfähigkeit gesehen.
Das Volksbegehren im Februar/März 2007 war mit 99.882 Unterschriften deutlich erfolgreich. Der Volksentscheid fand am Sonntag, dem 14. Oktober 2007 statt. Nachdem 400.713 Briefwahlstimen bei den Bezirksabstimmungsleitern eingegangen waren sowie 92.151 Bürger am 14. Oktober in den Abstimmungslokalen abstimmten, stellte der Landesabstimmungsleiter am Abend des 14.Oktober 2007 fest, dass mit 492.864 Stimmen das erforderliche Quorum für eine Verfassungsänderung von mindestens 50% der Abstimmungsberechtigten nicht erreicht würde.
Siehe auch
"Hamburg stärkt den Volksentscheid" bei hamburgwiki.de
Mehr Demokratie - ein faires Wahlrecht für Hamburg
Volksinitiative, gestartet am 17. Januar 2008.
Faire und verbindliche Volksentscheide
Für diese Volksinitiative wurden am 20. Februar 2008 im Hamburger Rathaus 15.828 Unterstützungunterschriften eingereicht.
Einzelnachweise
- ↑ Studt/Olsen: "Hamburg. Die Geschichte einer Stadt", Hamburg 1951, S. 191
- ↑ Drucksache der Hamburger Bürgerschaft, Drs 15/1473
- ↑ Artikel im Abendblatt zum Klinikverkauf
- ↑ Zur Abstimmung stehender Gesetzestext
- ↑ Zur Abstimmung stehender Gesetzestext