Unionsbürgerschaft

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Die Unionsbürgerschaft der Europäischen Union besitzen alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union laut Art. 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Aus der Unionsbürgerschaft folgen eine Reihe von Rechten der Unionsbürger, insbesondere in den anderen Mitgliedsstaaten, deren Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen.

Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates

Die Unionsbürgerschaft ist keine eigene Staatsbürgerschaft, sondern ergänzt die nationale Staatsangehörigkeit, ohne diese zu ersetzen. Das europäische Recht trifft somit keine eigenständigen Regelungen über den Erwerb der Unionsbürgerschaft. Dies ist insoweit problematisch, dass es in einzelnen Mitgliedsstaaten verschiedene Kategorien der Staatsangehörigkeit gibt. Die Einwohner spezieller Gebiete der Mitgliedsstaaten haben teilweise keine vollständigen Staatsbürgerrechte. Dies betrifft einerseits die außereuropäischen Territorien der Mitgliedsstaaten, aber auch in Europa gelegene Gebiete mit Sonderstatus. Dadurch werden auch (noch nicht vollständig geklärte) Probleme in Bezug auf die Unionsbürgerschaft aufgeworfen. So gibt es Staatsangehörige bestimmter Mitgliedsstaaten, die doch keine Unionsbürger sind und andere, deren Staatsangehörigkeit und damit die Unionsbürgerschaft ruhen.

In einer Erklärung zum Vertrag von Maastricht wird festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten bekannt geben können, welcher Personenkreis als eigener Staatsangehöriger im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu betrachten ist. Diese Erklärung kann geändert werden. Somit bestimmen allein die Mitgliedsstaaten, welche ihrer Staatsangehörigen die Rechtsstellung eines Unionsbürgers erhält.

Dänische Staatsangehörige ohne Unionsbürgerschaft: Die autonomen Färöerinseln sind dänisches Hoheitsgebiet, die Färinger besitzen die dänische Staatsangehörigkeit. Beim Beitritt Dänemarks zur EG wurde jedoch im Beitrittsvertrag festgehalten, das die Färöer nicht zur EG beitreten. Art. 4 des Protokolls Nr. 2 zur Beitrittsakte legt somit fest, dass die auf den Färöern ansääsigen Staatsangehörigen nicht als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates angesehen werden. Das ebenfalls autonome dänische Gebiet Grönland trat 1985 aus der EG aus, die Grönländer sind ebenfalls dänische Staatsangehörige. Die Färinger und die Grönländer besitzen dänische Reisepässe. Anstelle des Aufdrucks "Den Europæiske Union" steht jedoch "FØROYA" bzw. "KALAALLIT NUNAAT". Damit wird auch nach außen deutlich, dass die Angehörigen der autonomen dänischen Regionen keine Unionsbürger sind.

Britische Staatsangehörige ohne Unionsbürgerschaft: Die britischen Kanalinseln Guernsey und Jersey sowie die Isle of Man sind zwar als unmittelbarer Kronbesitz britisches Territorium, sie gehören jedoch nach Art. 355 Abs. 5 AEUV nicht zur EU. Die Manxer und die Einwohner der Kanalinseln sind somit grundsätzlich keine Unionsbürger. Die Insulaner, die jedoch (Groß-)Eltern aus dem Vereinigten Königreich aufweisen, die dortselbst geboren wurden oder sich für eine mindestens fünfjährige Periode im UK aufgehalten haben, erwerben nach Art. 6 des Protokolls Nr. 3 zur Beitrittsakte durch diese enge Verbindung mit dem Vereinigten Königreich auch die Unionsbürgerschaft. Durch diese Regelung geniessen nur noch wenige Insulaner nicht die Vorzüge des Unionbürgerstatus. Es gibt entsprechend britische Pässe "British Islands Bailiwick of Guernsey" mit oder ohne den Aufdruck "European Union". (Entsprechendes gilt für Jersey und die Isle of Man.) Unabhängig davon sind sind die Insulaner als "Britisch Citizen" britische Staatsangehörige ersten Ranges.

Ruhende Unionsbürgerschaft: Das spanische Staatsangehörigkeitsrecht kennt eine "ruhende Staatsangehörigkeit" aufgrund verschiedener Abkommen über die doppelte Staatsangehörigkeit mit 12 lateinamerikanischen Staaten. Spanische Staatsangehörige, die einen dieser Staaten umsiedeln und dort eine lokale Staatsangehörigkeit annehmen, verlieren die spanische Staatsangehörigkeit nicht, diese ruht jedoch - bis zu einer erneuten Wohnsitznahme in Spanien. Damit erlöschen alle Rechte und Pflichten aus der spanischen Staatsangehörigkeit, also auch die Unionsbürgerschaft. Die ausgewanderten Spanier und deren Nachfahren sind somit eine Art Unionsbürger in Wartestellung. Dieses Rechtsinstrument wird nach und nach auch rückwirkend auf vor Inkrafttreten der Vorschrift ausgewanderte Spanier und deren Nachfahren angewandt, wenn diese eine entsprechende Erklärung abgeben.

Der Bürger in der Union

Der Begriff der Unionsbürgerschaft wurde 1992 durch den Vertrag von Maastricht im Art. 17 EG-Vertrag eingeführt. Der Bürger, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist, ist dadurch seit 1992 automatisch zugleich Unionsbürger. Seit dem 1. Dezember 2009 ist die Unionsbürgerschaft durch den Lissabonvertrag in Art. 20 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU) geregelt. Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt sie aber nicht. Der Erwerb einer nationalen Staatsangehörigkeit richtet sich ausschließlich nach dem jeweiligen nationalen Recht. In Deutschland werden nichtdeutsche Unionsbürger umgangssprachlich EU-Ausländer genannt.

Durch die Unionsbürgerschaft entsteht zwischen dem Bürger und Union ein Rechtsverhältnis, das Rechte und Pflichten beinhaltet. Allerdings sind Pflichten für die Bürger (etwa eine europäische Wehrpflicht) bislang nicht vorgesehen. Zu den Rechten gehören insbesondere:

Diskriminierungsverbot

Für Unionsbürger gilt das aus Art. 18 Satz 1 AEUV folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Damit ist jegliche rechtliche Schlechterstellung des Unionsbürgers vor allem gegenüber einem Inländer, aber auch gegenüber anderen Ausländern (Drittstaatsangehörigen) untersagt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dem Unionsbürger jeweils die günstigste Rechtsposition zusteht, die einem beliebigen anderen aufgrund der Staatsangehörigkeit zu stünde (sog. Meistbegünstigung). Damit wirken Privilegierungen aufgrund bilateraler Verträge sich indirekt auf alle Unionsbürger aus.

Zu unterscheiden ist zwischen direkter und indirekter Diskriminierung. Eine direkte Diskriminierung fußt unmittelbar auf der (ausländischen) Staatsangehörigkeit. Diese liegt vor, wenn Ausländer von bestimmten Leistungen ausgeschlossen werden, Rechtsverstöße höher sanktioniert werden oder sie höhere Gebühren zahlen müssen. Eine indirekte Diskriminierung begründet die schlechtere Rechtsposition nicht unmittelbar auf die ausländische Staatsangehörigkeit, sondern z. B. einen Wohnsitz im Ausland - einen Wohnsitz im Ausland haben typischerweise eben Ausländer. Ob ein Verstoß gegen das indirekte Diskriminierungsverbot vorliegt, ist häufig schwer festzustellen. Nur weil von einer belastenden Allgemeinverfügung mehr EU–-Ausländer als Inländer betroffen sind, muss diese nicht diskriminierend sein. Wenn durch die Verfügung jedoch gezielt Ausländer getroffen werden sollen, wäre diese unzulässig.

Jedoch ist eine Schlechterstellung dann nicht verboten, wenn sie durch europäisches Recht zugelassen ist oder auf sachgerechten Gründen beruht. So ist zum Beispiel die Erhebung einer Sicherheitsleistung (gegenüber Betroffenen ohne festen Wohnsitz im Inland) bei Verkehrsverstößen auch gegenüber Unionsbürgern so lange zulässig, so lange die völkerrechtlichen Vereinbarungen über die Vollstreckung des Bußgeldes im Ausland nicht wirksam sind. Kein sachgerechter Grund ist jedoch ein höherer Verwaltungsaufwand zum Versenden von Bescheiden usw. ins Ausland, wenn diese letztendlich tatsächlich vollstreckt werden können. So gibt es mittlerweile einen Rahmenbeschluss über den EU-Haftbefehl. Darum ist es nicht mehr nötig, dass man erleichtert Untersuchungshaft und Sicherheitsleistung gegenüber EU-Bürgern anfordern kann, die in einem anderen Mitgliedsstaat leben. Damit ist diese erleichterte Anforderung unzulässig.

Da der Unionsbürger seine europäischen Rechte nur im Geltungsbereich des Europarechts geltend machen kann, ist die sogenannte Inländerdiskriminierung europarechtlich zulässig. Das bedeutet, dass der Mitgliedsstaat seinen eigenen Bürgern eine schlechtere Rechtsposition zuweisen darf als ausländischen Unionsbürgern. So kann zum Beispiel von den eigenen Staatsangehörigen eine qualifizierende Ausbildung verlangt werden (Meisterbrief), um ein bestimmtes Gewerbe ausüben zu dürfen, während von Unionsbürgern nur der Berufsabschluss und die entsprechende Berufserfahrung verlangt werden darf, die im Herkunftsland zur Ausübung des Gewerbes berechtigt.

Die Inländerdiskriminierung wird dadurch aufgeweicht, dass Inländer, die nach einem (längeren) Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat in ihren Heimatstaat zurückkehren, ebenfalls nicht schlechter gestellt werden dürfen als in dem vorübergehenden Wohnsitzstaat. Die dort erworbenen Rechtspositionen dürfen sie in der Heimat nicht aufgeben müssen. Sollte also ein deutscher Elektriker (Facharbeiter) in den Niederlanden eine Installationsfirma geführt und dort Lehrlinge ausgebildet haben und nach einigen Jahren nach Deutschland zurückkehren, dürfte im die Gründung einer Firma und die Lehrlingsausbildung nicht unter Verweis auf den fehlenden deutschen Meisterbrief verweigert werden. Gerade um die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen gibt es jedoch häufig Rechtsstreit. Dieser wird regelmäßig erst vor dem EuGH mit Bindungswirkung für die Zukunft entschieden.

Freizügigkeit: Recht auf Aufenthalt und wirtschaftliche Betätigung

Jeder Unionsbürger hat nach Art. 21 Abs. 1 AEUV das Recht auf Freizügigkeit. Das bedeutet, dass jeder Unionsbürger grundsätzlich das Recht hat, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen, in jeden anderen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Dieses Aufenthaltsrecht kann jedoch zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten eingeschränkt werden.

Neben der aufenthaltsrechtlichen Komponente beinhaltet das Freizügigkeitsrecht die Möglichkeit, sich in jedem Mitgliedstaat wirtschaftlich zu betätigen, das heißt unselbständig oder selbständig tätig zu sein, Dienstleistungen zu erbringen usw. Für die ab 2004 angeschlossenen Unionsländer wurde in einer Übergangsphase von bis zu sieben Jahren eine Sonderregelungen vereinbart.

Das Freizügigkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot gelten gem. Art. 326 sowie Art. 20 EUV und Art. 4 und 28 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen)[1] auch für die Bürger von Norwegen, Island und Liechtenstein. Mit den bilateralen Verträgen der EU mit der Schweiz wurden diese Rechte im Grundsatz auch auf die Schweizer Bürger ausgeweitet, es gibt jedoch marginale Abweichungen. Die Freizügigkeitsrechte gelten auch für bestimmte Familienangehörige von Unionsbürgern. Diese besitzen kein eigenes Freizügigkeitsrecht, sondern leiten dieses von der Rechtsstellung des Unionsbürgers etc. ab. Die Bürger der EWR-Staaten und der Schweiz, sowie die privilegierten Familienangehörigen sind jedoch weiterhin Drittstaatsangehörige und keine Unionsbürger.

Kommunalwahlrecht

Art. 22 AEUV verleiht jedem Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen in seinem Wohnsitz zu denselben Bedingungen wie den Angehörigen des betreffenden Staates.

Wahlrecht zum Europäischen Parlament

Jeder Unionsbürger hat das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Er übt dieses Recht in der Regel in demjenigen Land aus, in dem er wohnt. Er kann aber auch beantragen, stattdessen in seinem Herkunftsland zu wählen.

Diplomatischer und konsularischer Schutz

Ist sein Heimatstaat in einem dritten Staat nicht vertreten, so steht einem Unionsbürger der diplomatische und konsularische Schutz eines jeden anderen Mitgliedstaates zu. Dieser Schutz beläuft sich auf Hilfe bei Todesfällen, bei schweren Unfällen oder Erkrankungen, Hilfe bei Festnahmen oder Haft, Hilfe für Opfer von Gewaltverbrechen und Hilfsleistungen für Unionsbürger in Not sowie ihre Rückführung. Dieses Recht ist in Art. 23 AEUV verankert: Jeder Unionsbürger genießt im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staats. Die Mitgliedstaaten vereinbaren die notwendigen Regeln und leiten die für diesen Schutz erforderlichen internationalen Verhandlungen ein.

Petitions- und Beschwerderecht

Jeder Unionsbürger hat das Recht, in Angelegenheiten, die in die Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft fallen und die ihn unmittelbar betreffen, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten gemäß (Art. 24 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 227 AEUV). Der Union Bürger kann sich wegen Missstände bei Tätigkeiten der Organe oder Institutionen der Union mit Beschwerden an den Europäischen Bürgerbeauftragten (Art. 29 in Verbindung mit Art. 228 AEUV) zu wenden.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum

Literatur

  • Nikolaos Kotalakidis: Von der nationalen Staatsangehörigkeit zur Unionsbürgerschaft – die Person und das Gemeinwesen. Baden-Baden: Nomos 2000.
  • Wolfgang D. Kramer (Hrsg.): Europäische Unionsbürgerschaft. Eine neue Perspektive für die deutsche Ausländerpolitik. Hamburg: Landeszentrale für Politische Bildung Hamburg 1996.
  • Peter-Christian Müller-Graff (Hrsg.): Europäisches Integrationsrecht im Querschnitt: Europäische Verfassung, Nizza, europäischer Wirtschaftsraum, Unionsbürgerschaft, Referenden, Gemeinschaftsprivatrecht. Heidelberger Jean-Monnet-Vorlesungen zum Recht der europäischen Integration. Baden-Baden: Nomos 2003.
  • Ingo Niemann: Von der Unionsbürgerschaft zur Sozialunion? – Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 23. März 2004, Rs. C-138/02 (Collins). In: Europarecht (EuR). In Verbindung mit der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Europarecht, 39. Jg. (2004), 2. Teilband, S. 946-953
  • Melanie Reddig: Bürger jenseits des Staates? Unionsbürgerschaft als Mittel europäischer Integration. Baden-Baden: Nomos 2005
  • Christine Sauerwald: Die Unionsbürgerschaft und das Staatsangehörigkeitsrecht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1996.
  • Christoph Schönberger: Unionsbürger. Europas föderales Bürgerrecht in vergleichender Sicht. Tübingen: Mohr Siebeck 2005.
  • Simone Staeglich: Rechte und Pflichten aus der Unionsbürgerschaft. In: Yearbook of the European Association for Education Law and Policy, Bd. 6 (2003), S. 485-531.
  • Ferdinand Wollenschläger: Grundfreiheit ohne Markt. Die Herausbildung der Unionsbürgerschaft im unionsrechtlichen Freizügigkeitsregime. Tübingen: Mohr Siebeck 2007.
  • Gerard-Rene de Groot Zum Verhältnis der Unionsbürgerschaft zu den Staatsangehörigkeiten in der Europäischen Union in Peter-Christian Müller-Graff (Hrsg.): "Europäisches Integrationsrecht im Querschnitt". Heidelberger Schriften zum Wirtschaftsrecht und Europarecht, Band 10. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002, S. 67-85.
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