Lysozym
Lysozym, auch Muramidase genannt, ist ein in Speichel, Schweiß, Tränen, Ohrenschmalz sowie Nasen- und Darmschleimhäuten, aber auch im Blutplasma vorkommendes Enzym, das gegen Bakterien wirkt, indem es deren Zellwand abbaut. Es ist wichtig für die Abwehr bakterieller Infektionen.
Lysozym ist in manchen Halsschmerztabletten enthalten. Allerdings fehlt hier ein echter Wirknachweis. Dieses therapeutisch verwendete Lysozym wird aus Hühnereiern gewonnen, es heißt daher auch HEW-Lysozym (engl. hen-egg-white = Hühnereiweiß).
Als Lebensmittelzusatzstoff trägt es die Bezeichnung E 1105. So wird es z. B. in Konzentrationen von bis zu 50 g/hl in der Weinbereitung verwendet, um den biologischen Säureabbau (bakterieller Abbau von Äpfelsäure in Milchsäure) zu kontrollieren. Weiterhin kommt es auch in der Käsezubereitung oder als Konservierungsstoff in Lebensmitteln zum Einsatz.
Geschichte
Lysozym wurde 1922 von Alexander Fleming entdeckt.[1] Die molekulare Struktur des Lysozyms aus Hühnereiweiß konnte schon 1965 von David Phillips durch Kristallstrukturanalyse aufgeklärt werden. Diesem gelang auch die Aufklärung des Reaktionsmechanismus der Spaltung der β-1,4-glykosidischen Bindung.[2]
Eigenschaften
HEW-Lysozym besteht aus 129 Aminosäuren, mit einer molaren Masse von 14.388 Dalton. Der isoelektrische Punkt liegt bei pI 9-11. Lysozym weist eine globuläre Struktur auf, die aus fünf α-Helices und fünf β-Faltblättern aufgebaut ist und vier Disulfidbrücken besitzt.
Lysozym spaltet die β-1,4-glycosidische Bindung zwischen N-Acetyl-D-muraminsäure und 2-Acetylamino-2-desoxy-D-glucose (= N-Acetyl-D-glucosamin) in den Zuckerketten des Peptidoglucangerüsts der Bakterienzellwand. Zur Abtötung von gramnegativen Bakterien muss EDTA zur Permeabilisierung der Außenmembran hinzugegeben werden. Diese Funktion wird als "Schere" bezeichnet. Lysozym greift sehr langsam auch Chitin an.
Lactone haben aufgrund struktureller Ähnlichkeit mit dem Enzymsubstrat eine starke kompetitive Hemmwirkung auf Lysozym.
Reaktionsmechanismus
Dieser wird nach seinem Erkenner, s.o., auch Phillips-Mechanismus genannt. Das Lysozym besitzt an Stelle 52 einen deprotonierten Asparaginsäurerest, Aspartat. An Stelle 35 liegt aufgrund der überwiegend hydrophoben angrenzenden Aminosäuren ein protonierter Glutaminsäurerest. Durch die Quartärstruktur des Lysozyms bilden diese beiden Aminosäurereste das aktive Zentrum aus. Die Bindungsspaltung erfolgt über ein enzymatisch gebundenes Intermediat. Zunächst überträgt die Glutaminsäure 35 ihr Proton auf das Sauerstoffatom der glykosidischen Bindung. Dies erhält hierdurch einen positiven Ladungsschwerpunkt, der durch Resonanzstabilisierung zum C1-Atom des N-Acetylglucosamins übertragen wird. Es wird eine ionische Bindung zum negativ geladenen Aspartat 52 ausgebildet. Nun kommt es zum Umklappen der Sesselkonformation des enzymatisch gebundenen Substrates. Hierdurch wird die Bindung letztlich gespalten. Das jetzt vorliegende Glutamat 35 entzieht Wasser basenkatalytisch ein Proton, wobei sich das entstehende Hydroxidion an das C1-Atom des N-Acetylglucosamins anlagert. Dadurch ist dessen positiver Ladungsschwerpunkt aufgehoben und die Bindung an das Enzym nicht mehr stabil. Lysozym spaltet immer nur Disaccharide vom Peptidoglycan ab, da es nur jede zweite Bindungsstelle angreifen kann, denn die N-Acetylmuraminsäure muss hierzu immer am C4-Atom gebunden sein.
Vorkommen
- im Speichel
- im Schweiß
- im Nasensekret
- in der Tränenflüssigkeit
- im Ohrenschmalz (Cerumen)
- im Eiklar von Vögeln
- in der Milch
- in einigen Pilzen
- im Latex verschiedener Pflanzensäfte
Literatur
- ↑ Alexander Fleming (1922): On a Remarkable Bacteriolytic Element Found in Tissues and Secretions. In: Proceedings of the Royal Society of London. Bd. 93B, S. 306-317. JSTOR
- ↑ Blake, C.C. et al. (1965): Structure of hen egg-white lysozyme. A three-dimensional Fourier synthesis at 2 Angstrom resolution. In: Nature. Bd. 206, S. 757-761. PMID 5891407 doi:10.1038/206757a0