Jugendamt
Das Jugendamt ist eine Organisationseinheit innerhalb der Kommunalverwaltung. Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) (Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII)) muss jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt ein Jugendamt einrichten. In Nordrhein-Westfalen können auch bei großen und mittleren kreisangehörigen Gemeinden Jugendämter errichtet werden ( →Liste der kreisangehörigen Städte mit Sonderstatus in Deutschland).
Landesjugendämter
Für die Förderung und Finanzierung überregionaler Jugendarbeit, Anerkennung von überregionalen Vereinen, Ausgestaltung landesspezifischer Umsetzungen des KJHGs usw. sind auch die Landesjugendämter zuständig, die ebenfalls laut KJHG in jedem Bundesland errichtet wurden.
Organisation des Jugendamtes
Im Gegensatz zu anderen Behördenteilen (Ämtern) besteht jedes Jugendamt nicht nur aus der Verwaltung, sondern aus dem Jugendhilfeausschuss und der Verwaltung des Jugendamtes ( →Zweigliedrigkeit). Obwohl gerade kommunale Spitzenverbände gegen die Zweigliedrigkeit des Jugendamtes Einfluss zu nehmen suchten, blieb sie im Kinder- und Jugendhilfegesetz bestehen.
Aufgaben des Jugendamtes
Als öffentlicher Jugendhilfeträger ( →Jugendhilfe) ist das örtliche Jugendamt für die Vergabe von Leistungen im Sinne des 2. Kapitels des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) und für die sogenannten "anderen Aufgaben der Jugendhilfe" (Drittes Kapitel SGB VIII) zuständig.
allgemeiner Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos siehe (Vorlage:Zitat de § SGB-VIII)
Leistungen der Jugendhilfe
Leistungen der Jugendhilfe sind u.a.
- Förderung von Jugendarbeit,
- Förderung der Erziehung in der Familie,
- Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege.
Ebenfalls zu den Leistungen gehören die Hilfen zur Erziehung, die das Jugendamt auf Antrag der Sorgeberechtigten gewährt, sofern die Hilfen geeignet und notwendig sind.
Das Jugendamt berät bei der Kindererziehung, bei Adoptionen, bei Unterhaltsstreitigkeiten, bei Sorge- und Umgangsrecht
Andere Aufgaben
Unterstützung von Gerichten
Das Jugendamt unterstützt das Vormundschaftsgericht und das Familiengericht bei allen Maßnahmen, die das Sorgerecht und das Umgangsrecht für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen. Es hat in Verfahren vor dem Vormundschafts- und dem Familiengericht mitzuwirken, die in den Vorlage:Zitat de § und Vorlage:Zitat de § des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) genannt sind. In diesen Verfahren hat es den Status eines Verfahrensbeteiligten.
Auch ist eine Beteiligung im Jugendstrafverfahren durch die Jugendgerichtshilfe (JGH), die eine beratende Funktion für die Betroffenen sowie auch für die Gerichte hat, im Vorlage:Zitat de § Jugendgerichtsgesetz (JGG) vorgeschrieben.
Vormundschaften und Pflegschaften
Das Jugendamt kann auch zum Vormund oder Pfleger eines Minderjährigen bestellt werden (Amtsvormundschaft, Amtspflegschaft), ist also gesetzlicher Vertreter des Betreffenden, vgl. §Vorlage:Zitat de § ff. SGB-VIII, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § BGB.
Zur Unterstützung bei der Vaterschaftsfeststellung und der Unterhaltsverpflichtung wird das Jugendamt auf Antrag des sorgeberechtigten Elternteils als Beistand tätig (§Vorlage:Zitat de § ff. BGB). Urkundspersonen des Jugendamtes beurkunden Vaterschaftsanerkennungen, Unterhaltsverpflichtungen und Sorgeerklärungen (Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § SGB-VIII).
Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen - Eingriffe ins Sorgerecht
Jugendämter dürfen und müssen unter bestimmten Voraussetzungen eine sogenannte Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durchführen (Vorlage:Zitat de § SGB-VIII).
Die wichtigsten Voraussetzungen sind: 1. Das Kind oder der Jugendliche bittet selbst darum, in Obhut genommen zu werden oder 2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen erfordert die Inobhutnahme.
Findet eine Inobhutnahme gegen den Willen der Sorgeberechtigten statt, muss das Jugendamt das Kind entweder an den/die Sorgeberechtigten herausgeben oder unverzüglich eine Entscheidung des Familiengerichtes herbeiführen. Das Familiengericht trifft dann gemäß den Vorlage:Zitat de § und Vorlage:Zitat de § BGB geeignete Maßnahmen, um die Gefahr abzuwenden, wenn die Eltern nicht Willens oder in der Lage sind, dies selbst zu tun. Maßnahmen, die mit einer Trennung des Kindes von der Familie verbunden sind, sind dabei nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise wirkungsvoll begegnet werden kann.
Kritik an der Institution „Jugendamt"
Durch Fälle im Jahre 2006, beispielsweise den Fall Kevin aus Bremen, bei dem ein kleiner Junge trotz behördlicher Überwachung tot im Kühlschrank aufgefunden wurde, nimmt die Kritik in der Presse am Jugendamt zu, insbesondere an der personellen Ausstattung und der teilweise unzureichenden Sicherstellung der fachlichen Qualifikation seiner Fachkräfte.
Der Petitionsausschuss des Europaparlaments hat eine ganze Reihe von Petitionen gegen die Institution "Jugendamt" aus dem Jahre 2006 für zulässig erklärt [1] und behandelt das Thema anhand beispielhafter Fälle mit Anhörungen. Dabei wurden auch generell das Verhalten der Bundesrepublik in den Fällen, in denen Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt worden ist (Haase, Münster, Kazim Görgülü, Sahin, Sommerfeld u.a.) angesprochen. Der Petitionsausschuss behandelte u.a. einige Petitionen auf der Bearbeitungsliste [2] und in seiner Tagesagenda [3] [4] [5]
Geschichtliche Entwicklung in Deutschland
Als Vorläufer der Jugendämter sind die im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 vorgesehenen Gemeindenwaisenräte anzusehen.
Erste Gründungen von Jugendämtern konnten bereits 1925 festgestellt werden (entsprechend dem 1924 in Kraft getretenen Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Ziele und Namen waren die materielle Sonderfürsorge für Minderjährige, die Krüppelfürsorge, die Heilfürsorge als freiwillige, vorbeugende Gesundheitsfürsorge und die Fürsorgeerziehung.
Ab 1939 übernahmen die Jugendämter als Teil der Staatsgewalt im NS-Staat weitgehend die Kontrolle über die Kindererziehung. Das Jugendamt kontrollierte und lenkte Familien und Kinder von Geburt an politisch. Säuglinge und Mütter wurden in Lebensbornheimen, Kleinkinder und Mütter von Jugendämtern, heranwachsende Jungen von der Hitler-Jugend (HJ) und heranwachsende Mädchen von Bund Deutscher Mädel (BDM) unter die Kontrolle des Staates gestellt.
Die Organisation des Jugendamtes wurde 1939 durch ein Gesetz dahingehend geändert, dass statt der kollegialen Leitung die Geschäftsführung dem Bürgermeister bzw. Landrat übertragen wurde. Im Übrigen sollten die rechtlichen Bestimmungen des RJWG (Reichsjugendwohlfahrtsgesetz) so ausgelegt werden, dass damit eine "Erziehung im nationalsozialistischen Sinne" gesichert werden konnte. Die damit gemeinten Erziehungsziele kommen deutlich zum Ausdruck im § 1 der 1939 erlassenen "Verordnung über Jugendwohlfahrt in den Sudetendeutschen Gebieten", in der - abweichend vom § 1 RJWG - formuliert wird:
"Die Erziehung der Jugend im nationalsozialistischen Staat ist Erziehung zur deutschen Volksgemeinschaft. Ziel der Erziehung ist der körperlich und seelisch gesunde, sittlich gefestigte, geistig entwickelte, beruflich tüchtige deutsche Mensch, der rassebewußt in Blut und Boden wurzelt und Volk und Reich verpflichtet und verbunden ist. Jedes deutsche Kind soll in diesem Sinne zu einem verantwortungsbewußten Glied der deutschen Volksgemeinschaft erzogen werden".
Das Jugendamt wurde von 1947 bis 1952 dem Innenministerium (Polizei) und nicht dem Familien- oder dem Justizministerium unterstellt. Damit wurden eine Vielzahl Kinder - die durch das Jugendamt im europäischen Ausland den Eltern entzogen wurden - nicht an ihre biologischen Eltern zurückgegeben. Die Identität und die Namen der Kinder wurden mit Amtshilfe der Meldebehörden und der Polizei geändert, die leiblichen Eltern nicht informiert. Per Gerichtsbeschluss, "der Dringlichkeit wegen, ohne vorherige mündliche Anhörung" wurden die Kinder an deutsche Adoptiv-Familien "transferiert".
Siehe auch
Hilfen zur Erziehung, Jugendkultur, Jugendarbeit, Jugendgerichtshilfe, Cochemer Modell,
Quellen und Anmerkungen
- ↑ Wie wird eine für zulässig erklärte Petition weiterbehandelt?: - Verfahren bei zulässigen Petitionen .
- ↑ Bearbeitungsliste vom 07.06.2007: - Bearbeitungsliste vom 07.06.2007
- ↑ Tagesagenda-Entwurf vom 07.06.2007: - Agenda Entwurf .
- ↑ Pressebericht über die Sitzung vom 07.06.2007: - Presseblog .
- ↑ Presseberichte über die Sitzung vom 07.06.2007: - EFCR-Bericht über den Bericht in der Gazetta - http://www1.gazeta.pl/wyborcza/1,34471,1752082.html .