Gravitation
Die Gravitation (v. lat. gravitas „Schwere") ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Sie bezeichnet das Phänomen der gegenseitigen Anziehung von Massen. Sie ist die Ursache der irdischen Schwerkraft oder Erdanziehung, die die Erde auf Objekte ausübt. Sie bewirkt damit beispielsweise, dass Gegenstände zu Boden fallen. Die Gravitation bestimmt auch die Bahn der Erde und der anderen Planeten um die Sonne, und sie spielt eine bedeutende Rolle in der Kosmologie.
Einführung
Die Gravitation wurde erstmals von dem britischen Physiker und Mathematiker Isaac Newton mathematisch beschrieben. Das von ihm formulierte newtonsche Gravitationsgesetz war die erste physikalische Theorie, die sich in der Astronomie anwenden ließ. Es bestätigt die bereits zuvor entdeckten keplerschen Gesetze der Planetenbewegung und damit ein grundlegendes Verständnis der Dynamik des Sonnensystems mit der Möglichkeit präziser Vorhersagen bezüglich der Bewegung von Planeten, Monden und Kometen.
In der 1916 von Albert Einstein aufgestellten allgemeinen Relativitätstheorie wird die Gravitation auf eine Krümmung der Raumzeit zurückgeführt, die unter anderem durch die beteiligten Massen verursacht wird. Das newtonsche Gravitationsgesetz ergibt sich dabei als nichtrelativistischer Grenzfall für die Situation hinreichend schwacher Raumzeitkrümmung, wie sie beispielsweise in unserem Planetensystem herrscht. Die korrekte Beschreibung von Neutronensternen und Schwarzen Löchern oder die Erklärung der Periheldrehung des Merkur sind aber der allgemeinen Relativitätstheorie vorbehalten.
Die Gravitation ist die schwächste der vier bekannten Grundkräfte der Physik, deshalb sind Experimente auf diesem Gebiet schwierig und liefern nur ungenaue Ergebnisse. Die Gravitationskonstante G ist die Fundamentalkonstante der Physik, deren Wert am ungenauesten bestimmt ist. Aufgrund der unbegrenzten Reichweite der Gravitation und des Umstandes, dass sie sich nicht abschirmen lässt, ist sie dennoch die Kraft, die die großräumigen Strukturen des Kosmos prägt. Sie spielt daher in der Kosmologie eine entscheidende Rolle.
Newtonsches Gravitationsgesetz
Das newtonsche Gravitationsgesetz besagt, dass sich die Gravitationskraft {\displaystyle F}, mit der sich zwei Massen {\displaystyle m_{1}} und {\displaystyle m_{2}} anziehen, proportional zu den Massen beider Körper und umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes {\displaystyle r} der Massenschwerpunkte verhält:
- {\displaystyle F=G,円{\frac {m_{1}m_{2}}{r^{2}}}}
Den Proportionalitätsfaktor {\displaystyle G} bezeichnet man als Gravitationskonstante, wobei
- {\displaystyle G=(6{,}6742\pm 0{,}0010)\cdot 10^{-11}\;\mathrm {\frac {m^{3}}{kg,円s^{2}}} }.
Danach ist die Gravitationskraft eine Wechselwirkung, die auch wie im Falle der Anziehung zwischen Erde und Sonne durch das Vakuum wirkt. Man bezeichnet sie als Fernwirkungskraft, die sich mittels Kraftfeldern beschreiben lässt. Im Rahmen der newtonschen Physik wird dabei angenommen, dass sich Veränderungen des Feldes durch Bewegungen der Massen instantan (ohne Zeitdifferenz) im Raum ausbreiten.
Newtonsche Theoreme
Newton bewies die folgenden drei Theoreme:
- Eine Testmasse innerhalb einer sphärisch symmetrischen Massenschale erfährt keine Gravitationskraft von dieser.
- Das externe Gravitationsfeld einer sphärisch symmetrischen Massenverteilung ist das einer Punktmasse.
Anders ausgedrückt: Die Gravitation an einem Punkt einer sphärisch symmetrischen (kugelförmigen) Massenverteilung im Abstand {\displaystyle r} von ihrem Schwerpunkt ist stets so groß wie die Gravitation einer Punktmasse in diesem Schwerpunkt ist, deren Masse gerade dem Teil der Gesamtmasse entspricht, der sich innerhalb der Kugel mit dem Radius {\displaystyle r} befindet. Dies ist das Wichtigste dieser drei Theoreme und findet häufige praktische Anwendung.
Dieses Theorem gilt jedoch nicht nur in der klassischen Newtonschen Gravitationstheorie, sondern auch in der allgemeinen Relativitätstheorie, wo es allerdings unter dem Begriff Birkhoff-Theorem bekannt ist.
Das dritte Theorem Newtons stellt eine Verallgemeinerung des ersten dar:
- Eine Testmasse innerhalb einer elliptischen Massenschale erfährt keine Gravitationskraft von dieser.
Allgemeine Relativitätstheorie
In der allgemeinen Relativitätstheorie werden Raum und Zeit als Einheit beschrieben, die als Raumzeit bezeichnet wird. Diese Raumzeit wird lokal durch die Anwesenheit von Massen gekrümmt. Ein Gegenstand, auf den keinerlei Kraft ausgeübt wird, bewegt sich zwischen zwei Punkten der Raumzeit stets entlang des geradlinigsten Weges, einer so genannten Geodäte. Die Gravitation lässt sich auf diese Weise auf ein geometrisches Phänomen in einer gekrümmten Raumzeit zurückführen. In diesem Sinne reduziert die allgemeine Relativitätstheorie die Gravitationskraft auf den Status einer Scheinkraft.
Nach den Annahmen der Relativitätstheorie wird die Gravitation zwischen zwei Massen über die lokale Krümmung der Raumzeit vermittelt, wobei sich Änderungen nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können. Die tatsächliche Geschwindigkeit der Gravitation konnte noch nicht experimentell gemessen werden. Eine endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gravitation bedingt bei Systemen beschleunigter Massen die Existenz von Gravitationswellen.
Die Newtonsche Formel enthält implizit, dass sich die Gravitation unendlich schnell ausbreitet (Fernwirkung). Im Gegensatz dazu wird in der allgemeinen Relativitätstheorie behauptet, dass sich auch die Gravitationswirkung nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Die Gravitationswirkung der Sonne und jede Änderung derselben bemerken wir auf der Erde demnach erst nach ca. 8 Minuten; das ist die Zeit, die das Licht von der Sonne zur Erde benötigt. Die Gravitation hat daher den Status einer Nahwirkungskraft. Die Berechnung von Planetenbahnen um die Sonne nach dem newtonschen Kraftgesetz mit diesem "retardierten Potential", wie es in der Physik genannt wird, ergibt allerdings keine exakte Ellipse, sondern eine Spirale, die nach vielen Umläufen in der Sonne endet. In der Relativitätstheorie tritt dieser sogenannte Aberrationseffekt nicht in dieser Stärke auf, da das Gravitationsfeld sich gerade soweit verändert, dass ein Großteil der Abweichung aufgehoben wird. Der verbleibende Energieverlust des Planeten könnte mit einer Aussendung von Gravitationswellen korrespondieren. Für Planeten wäre die Abweichung von der Ellipsenbahn zu klein, um beobachtet zu werden. Bei hinreichend massereichen Objekten sollten sie jedoch beobachtbar sein. Der direkte experimentelle Nachweis von Gravitationswellen fehlt bislang, da mit Messgeräten wie GEO600 seit etwa einem Jahr und LIGO[1] seit drei Jahren ohne Erfolg nach diesen Wellen gesucht wird. Ein indirekter, rechnerischer Nachweis der Gravitationswellen durch Russell Hulse und Joseph Taylor zeigt genau diesen Effekt: Die Pulsare des Doppelpulsars PSR 1913+16 kreisen in einer Spiralbahn umeinander, was zu einer messbar zunehmenden Umlauffrequenz führt.
Gravitation und Quantentheorie
Falls die Gravitation durch eine Quantenfeldtheorie beschreibbar ist (Quantengravitation), sollte das Graviton, ein bislang noch nicht nachgewiesenes, hypothetisches Teilchen, existieren. Die Rolle des Gravitons in der Quantengravitation sollte analog sein zu der des Photons in der Quantentheorie der elektromagnetischen Wechselwirkung (Quantenelektrodynamik).
Video
Vorlage:Video – David Scott, Commander der Mondmission Apollo 15 (1971), demonstriert anhand einer Feder und eines Hammers, die er im luftleeren Raum auf dem Mond fallen lässt, dass alle Körper unabhängig von ihrem Gewicht gleich schnell fallen.
Literatur
- Charles W. Misner, Kip S. Thorne, John Archibald Wheeler, Gravitation, Freeman, 23rd Printing 2000, ISBN 0-7167-0344-0 (englisches Standardwerk der Allgemeinen Relativitätstheorie)
- Gravitation, Sterne und Weltraum Special 6, 2001. ISSN 1434-2057
- Claus Kiefer: Gravitation, Fischer kompakt, 2002; ISBN 3-596-15357-3