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Kentler-Experiment
Das Kentler-Experiment war ein umstrittenes sozialwissenschaftliches Projekt, das in den 1970er Jahren in Westdeutschland unter der Leitung des Psychologen und Sexualwissenschaftlers Helmut Kentler durchgeführt wurde. Ziel des Experiments war es, zu untersuchen, wie sich die Unterbringung von Jugendlichen bei pädophilen Pflegevätern auf deren Entwicklung auswirken würde. Die Initiative wurde mit dem Ziel gerechtfertigt, vermeintlich "schwer erziehbare" Jugendliche in stabile Betreuungsverhältnisse zu integrieren. Das Experiment löste bereits zu seiner Zeit Kritik aus, geriet aber erst in den 2010er Jahren verstärkt in den Fokus öffentlicher Debatten, nachdem Details über die Praxis und die Folgen bekannt wurden.
Hintergrund
Helmut Kentler war Professor für Sozialpädagogik an der Universität Hannover und vertrat in den 1970er Jahren kontroverse Thesen zur Sexualerziehung. Kentler ging davon aus, dass sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Jugendlichen in bestimmten Kontexten positive Wirkungen auf die Entwicklung der Jugendlichen haben könnten. In diesem Rahmen entstand das sogenannte "Kentler-Experiment".
Das Experiment wurde in Zusammenarbeit mit Jugendämtern in West-Berlin umgesetzt. Kentler vermittelte Jugendliche, die als "schwer erziehbar" galten und oft aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammten, an pädophile Pflegeväter. Diese erhielten Unterstützung von den Jugendämtern, teils in Form von Pflegegeld. Kentler argumentierte, dass die Pflegeväter aufgrund ihrer sexuellen Neigung besonders engagiert und liebevoll mit den Jugendlichen umgehen würden.
Durchführung und Folgen
Die genaue Anzahl der betroffenen Jugendlichen ist unklar, da keine vollständige Dokumentation des Experiments existiert. Es ist jedoch bekannt, dass das Experiment über mehrere Jahre hinweg lief. Kentler selbst verfasste Berichte über die Ergebnisse, die später als wissenschaftlich unzureichend und ethisch fragwürdig kritisiert wurden.
Die betroffenen Jugendlichen wurden durch die Pflegeväter häufig sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Viele von ihnen erlitten schwerwiegende psychische und soziale Langzeitfolgen.
Aufarbeitung und Kritik
Das Kentler-Experiment blieb über Jahrzehnte weitgehend unbeachtet. Erst in den 2010er Jahren wurden die Vorgänge durch Recherchen von Journalisten und Wissenschaftlern aufgedeckt. Eine Untersuchung im Auftrag des Berliner Senats kam 2020 zu dem Ergebnis, dass die Praxis der Unterbringung von Jugendlichen bei pädophilen Pflegevätern mit Wissen der Berliner Jugendbehörden erfolgte und staatliche Stellen teilweise aktiv mitwirkten.
Die Aufarbeitung wird durch das Fehlen zentraler Akten erschwert, da viele Dokumente entweder nicht erhalten oder bewusst vernichtet wurden. Betroffene fordern bis heute umfassendere Aufklärung und Entschädigung.
Wissenschaftliche und gesellschaftliche Einordnung
Das Kentler-Experiment wird heute als schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte und die Ethik der Sozialwissenschaften angesehen. Es steht exemplarisch für ein Versagen staatlicher Kontrolle und für den Missbrauch pseudowissenschaftlicher Theorien zur Rechtfertigung von Gewalt.
Helmut Kentler selbst bleibt eine umstrittene Figur. Während er zu Lebzeiten als Reformpädagoge galt, wird er heute wegen seiner Rolle in diesem Experiment massiv kritisiert. Seine Schriften und seine Positionen zur Sexualität werden als Bestandteil eines breiteren gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Versagens betrachtet, das den Schutz von Kindern vernachlässigte.
Quellen
- Weiler, M. (2020). "Das Kentler-Experiment: Aufarbeitung eines Skandals." Deutsche Gesellschaft für Sozialpädagogik.
- Rüdiger, A. (2019). "Pädophilie und Sozialwissenschaften: Eine historische Analyse." Archiv für Erziehung und Wissenschaft, 52(3), 345-368.
- Berliner Senat (2020). "Abschlussbericht zur Untersuchung des Kentler-Experiments." Veröffentlicht durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (2020). "Sexualwissenschaft in der Kritik: Neue Erkenntnisse zum Kentler-Skandal." Ausgabe vom 14. Mai 2020.
- Zeit Online (2019). "Die Dunkelziffer der Opfer: Kentlers Vermächtnis." Verfügbar unter zeit.de.
Das Kentler-Experiment war ein von dem deutschen Psychologen und Sexualpädagogen Helmut Kentler initiiertes und durchgeführtes Projekt, das von den späten 1960er Jahren bis in die 2000er Jahre in Berlin stattfand. Kentler, eine einflussreiche Figur in der Sexualaufklärung und Reformpädagogik, befürwortete und rechtfertigte jahrzehntelang sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen. Im Rahmen des Experiments wurden Kinder und Jugendliche in die Obhut von vorbestraften pädosexuellen Männern gegeben, was zu langjährigem Missbrauch führte.
Aufarbeitung
Die Aufarbeitung dieses Experiments begann etwa 2015 und löste große Empörung in der Öffentlichkeit und Wissenschaft aus. In jüngerer Zeit wurde bekannt, dass Kentler selbst sexuell übergriffig gegenüber den von ihm betreuten Kindern und Jugendlichen wurde. Zudem war das Experiment Teil eines größeren Netzwerks, das bundesweit sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern in Pflegeeinrichtungen und Wohngruppen förderte und teilweise organisierte. Dieses Netzwerk umfasste nicht nur Pädagogen, sondern auch Mitarbeiter von Jugendämtern und Sozialarbeitern.
Ein 2023 veröffentlichter Bericht der Universität Hildesheim unter der Leitung der Erziehungswissenschaftlerin Meike Sophia Baader deckte auf, dass das Kentler-Experiment und ähnliche Fälle Teil eines umfassenderen Systems von sexuellen Übergriffen in der Reformpädagogik waren. Der Bericht kritisiert die "Glorifizierung" der männlichen Sozialpädagogen der Heimreform und stellt fest, dass das Experiment von einem Netzwerk aus Wissenschaftlern und Pädagogen ermöglicht wurde, das bis heute Einfluss auf die Erziehungswissenschaft hat.[1]
Der Bericht hebt hervor, dass der Missbrauch nicht als Einzelfall oder als Folge des damaligen Zeitgeists betrachtet werden darf, sondern dass die Verantwortung bei den beteiligten Personen und Institutionen liegt. Die Autoren fordern daher umfassende Konsequenzen, einschließlich der Einführung eines "Rechts auf Aufarbeitung" im Sozialgesetzbuch, um die institutionelle Verantwortung und den Zugang der Betroffenen zu rechtlicher und psychologischer Unterstützung sicherzustellen.
- ↑ Meike Baader, Nastassia Böttcher, Carolin Ehlke, Carolin Oppermann, Julia Schröder, Wolfgang Schröer: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes". Hrsg.: Institut für Sozial- und Organisationspädagogik. Universitätsverlag Hildesheim, Hildesheim 23. Februar 2024, doi:10.18442/134 .