divers
Der Geschlechtseintrag »divers« bildet in Deutschland und Österreich eine dritte Geschlechtsoption neben »weiblich« und »männlich«. In Deutschland gelten daneben für Menschen ohne Geschlechtseintrag in den Personenstandsregistern dieselben Regeln. In Österreich gibt es die Möglichkeit, den Eintrag »offen« vorzunehmen, der aber grundsätzlich als vorübergehend gilt.
Deutschland
Die Kategorie der Menschen mit dem Geschlechtseintrag »divers« und derer, deren Geschlecht personenstandsrechtlich offen gelassen wurde, wird im deutschen Recht gesetzlich so umschrieben, dass diese Personen »weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet« sind (im Folgenden: diversgeschlechtliche Menschen).
Inzwischen gibt es eine Reihe gesetzlicher und sonstiger rechtlicher Regelungen für diese Geschlechtskategorie.
§ 22 Abs. 3 PStG
Bei dieser Vorschrift[1] geht es um die ursprüngliche Eintragung der Geburt. Ist das Kind aufgrund seiner äußeren Geschlechtsmerkmale nicht zuordenbar, kann zwar trotzdem »weiblich« oder »männlich« eingetragen werden, aber der Geschlechtseintrag kann auch offengelassen werden oder es kann »divers« eingetragen werden.
§ 45b PStG
Diese Bestimmung[2] betrifft eine spätere Änderung des Geschlechtseintrags diversgeschlechtlicher Menschen. Neben einer Erklärung der betreffenden Person vor dem zuständigen Standesamt ist dafür grundsätzlich eine ärztliche Bescheinigung erforderlich, aus der hervorgeht, »dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt«. Nur wenn dies nicht oder nur durch eine unzumutbare Untersuchung möglich ist, kann stattdessen eine eidesstattliche Versicherung abgegeben werden. Mit der Erklärung können auch die Vornamen geändert werden.
§ 42 PStV
In dieser Vorschrift[3] wird klargestellt, dass auch ein diversgeschlechtlicher Mensch, der ein Kind gebärt, als Mutter dieses Kindes eingetragen wird. Als Vater wird eine diversgeschlechtliche Person nur eingetragen, wenn die Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde. Bei einer Adoption wird eine solche Person nicht als »Vater« oder »Mutter« sondern als »Elternteil« eingetragen.
Art. 17b Abs. 4 EGBGB
In dieser[4] Kollisionsnorm wird geregelt, dass für eine Ehe unter Beteiligung einer diversgeschlechtlichen Person wie bei einer gleichgeschlechtlichen Ehe das Recht des Registerstaats anwendbar ist (anders als bei einer verschiedengeschlechtlichen Ehe).
Passgesetz, EU-Verordnung 2252/2004 über Reisedokumente
Anders als deutsche Personalausweise, die keinen Geschlechtseintrag enthalten, muss in Reisepässen das Geschlecht vermerkt werden. Das deutsche Passgesetz[5] sieht hier zwar noch keine ausdrückliche Regelung für diversgeschlechtliche Menschen vor, aber es gibt auch eine in Deutschland unmittelbar anwendbare EU-Verordnung über Reisedokumente[6] , die auf das Dokument 9303 der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation verweist, welches für solche Fälle den Eintrag »X« vorsieht.[7]
Bundesmeldegesetz und Durchführungsvorschriften
Das Bundesmeldegesetz (BMG)[8] kennt noch keine ausdrückliche Regelung für diversgeschlechtliche Menschen, aber der von den Einwohnermeldeämtern benutzte Datensatz für das Meldewesen (DSMeld)[9] sieht vor: »Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden (§ 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz), wird dies ohne Angabe des Geschlechts bei Kindern abgebildet. Dieser Fall ist im DSMeld mit dem Ersatzwert „1" darzustellen. Im Bereich der Datenübermittlung wird ein „x" übermittelt.«
DMP-Anforderungen-Richtlinie
Im medizinischen Bereich sieht die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Zusammenführung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme nach § 137f Absatz 2 SGB V (DMP-Anforderungen-Richtlinie/DMP-A-RL)[10] vor: »Anlage 2 Indikationsübergreifende Dokumentation (ausgenommen Brustkrebs): 12 Geschlecht Männlich/Weiblich/Unbestimmt«
Der Hintergrund wird in den »Tragenden Gründen« erläutert.[11] Dort wird auch darauf hingewiesen, dass auf der elektronischen Gesundheitskarte das Merkmal X verwendet wird. Auf Formularen, auf denen nur die Optionen »weiblich« und »männlich« vorgesehen sind, kann im Gesundheitsbereich Diversgeschlechtlichkeit durch Ankreuzen beider Kästchen angegeben werden.[12]
Praktische Lösung bei fehlender rechtlicher Anpassung: Rentenversicherungsnummer
Aus der Rentenversicherungsnummer ergibt sich auch das Geschlecht des Versicherten. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung wird dabei derzeit bei weder weiblichem noch männlichem Geschlecht eine Nummer für weibliche Personen vergeben, aber die Geschlechtskategorie in der Datenbank vermerkt.[13]
Rechtsprechung
Die diversgeschlechtliche Kategorie steht nach einer Entscheidung des OLG Celle[14] auch transidenten Personen offen, die sich trotz körperlicher Eindeutigkeit nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.
Gesetze, die sich auf »Geschlecht« beziehen
Gesetze, die sich ganz allgemein auf den Begriff »Geschlecht« beziehen, gelten auch für Diversgeschlechtlichkeit, z. B. Art. 3 GG[15] , oder das AGG [16] .
Tatsächliche Nutzung des Geschlechtseintrag divers
Seit dem 1. Januar 2019 kann in Deutschland im Geburtsregister neben "männlich" und "weiblich" auch "divers" eingetragen werden. Eine Umfrage der dpa in mehreren Bundesländern ergab im April 2019 bislang eine geringe Nutzung. Während es in Schleswig-Holstein keine entsprechenden Eintragungen gab, wurden in Baden-Württemberg bislang zwei Eintragungen vorgenommen, in Bayern zehn und in Nordrhein-Westfalen acht Eintragungen.[17] [18]
Stellenanzeigen
Um der dritten Geschlechtsoption im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei Stellenausschreibungen Rechnung zu tragen, wird seit 2019 häufig der Klammerzusatz »(m/w/d)« nach dem generischen Maskulinum verwendet, wobei das d für »divers« steht.[19] Diese Angabe ist jedoch nicht Pflicht.[20]
Österreich
Aufgrund einer Entscheidung[21] des Verfassungsgerichtshofes, dass auch ein dritter »positiver« Geschlechtseintrag zulässig sein müsse, hat das Bundesministerium für Inneres folgende Vorgehensweise festgelegt:[22]
Offenlassen des Eintrags bei der Geburt
Bei der Geburt eines Kindes wird der Geschlechtseintrag offengelassen, wenn »für Arzt oder Hebamme nach der Geburt des Kindes eine eindeutige medizinische Zuordnung des Geschlechts nicht möglich ist«. Anders als in Deutschland wird dies durch den ausdrücklichen Vermerk »offen« gekennzeichnet. Der Eintrag soll ergänzt werden, sobald die Zuordnung zu einem Geschlecht möglich ist, jedoch nur auf Veranlassung des Betroffenen und aufgrund eines Gutachtens einer Versorgungsstelle für die Varianten der Geschlechtsentwicklung (»VdG-Board«, s. u.). Eine spätere Änderung in »offen« ist nicht möglich.
Möglichkeit des Eintrags »divers«
Auf Antrag kann die Angabe »divers« eingetragen werden, wenn ein entsprechendes medizinisches Gutachten einer Versorgungsstelle für die Varianten der Geschlechtsentwicklung (»VdG-Board«, s. u.) vorliegt, das »die medizinisch nicht eindeutige Zuordnung einer Person zum männlichen oder weiblichen Geschlecht aufgrund einer atypischen Entwicklung des biologischen (chromosomalen, anatomischen und/oder hormonellen) Geschlechts« bescheinigt.
Einrichtung von Versorgungsstellen für die Varianten der Geschlechtsentwicklung
Zur Erstellung der erforderlichen Gutachten sind besondere Versorgungsstellen für die Varianten der Geschlechtsentwicklung (auch »VdG-Board« genannt) berufen, deren Liste auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz veröffentlicht wurde.[23]
Siehe auch
- Neurodiversität (neurobiologische Unterschiede als menschliche Dispositionen)
Einzelnachweise
- ↑ § 22 PStG auf der Website www.gesetze-im-internet.de des Bundesamts für Justiz.
- ↑ § 45b PStG auf der Website www.gesetze-im-internet.de des Bundesamts für Justiz.
- ↑ § 42 PStV auf der Website www.gesetze-im-internet.de des Bundesamts für Justiz.
- ↑ Art. 17b Abs. 4 EGBGB auf der Website www.gesetze-im-internet.de des Bundesamts für Justiz.
- ↑ PassG auf der Website www.gesetze-im-internet.de des Bundesamts für Justiz.
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten , abgerufen von EUR-Lex am 5. Januar 2019.
- ↑ Newsletter des Rehm-Verlags, Allgemeine Verwaltung, Pass-, Ausweis- und Melderecht, Ausgabe 10, Oktober 2013, Das noch nicht definierte Geschlecht: Eine (stille) Revolution – nicht nur im Personenstandswesen! , abgerufen am 4. Januar 2019.
- ↑ BMG auf der Website www.gesetze-im-internet.de des Bundesamts für Justiz.
- ↑ Datensatz für das Meldewesen , abgerufen von der Koordinierungsstelle für IT-Standards am 5. Januar 2019.
- ↑ DMP-Anforderungen-Richtlinie , abgerufen vom Informationsarchiv von www.g-ba.de am 5. Januar 2019.
- ↑ Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der DMP-Anforderungen-Richtlinie: Änderung der Anlage 2 - Vom 27. November 2015 , abgerufen vom Informationsarchiv von www.g-ba.de am 4. Januar 2019.
- ↑ Kennzeichnung des unbestimmten Geschlechts auf der eGK , abgerufen von der Website der Dialogpartnerinnen - Das Netz der medizinischen Fachangestellten - am 4. Januar 2019.
- ↑ Gutachten: Geschlechtervielfalt im Recht. Status quo und Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz von Geschlechtervielfalt , Fußnote 99; abgerufen von der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Service - Publikationen - am 4. Januar 2019.
- ↑ Beschluss vom 11.05.2017, abgerufen von der Website des LSVD - Recht - Rechtsprechung - Andere Rechtsgebiete - Teil 2: Internet bis Sozialhilfe - am 4. Januar 2019. Ferner veröffentlicht in "Das Standesamt" (StAZ), Heft 4/2018, S. 121.
- ↑ BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2017 , abgerufen von der Website des Bundesverfassungsgerichts am 4. Januar 2019.
- ↑ In Stellenanzeigen nicht diskriminieren – Gesucht: Menschen , abgerufen von der Website der Legal Tribune Online am 4. Januar 2019
- ↑ Nur sehr wenige Anträge: Geschlecht "divers" kaum genutzt , abgerufen von der Website der queer.de am 7. April 2019
- ↑ Geschlecht "divers": Keine Anträge in SH. In: Kieler Nachrichten. 6. April 2019, abgerufen am 10. April 2019.
- ↑ (m/w/d) in Stellenanzeigen: Was bedeutet das? In: karrierebibel.de. 2018, abgerufen am 17. April 2019 (deutsch).
- ↑ Ist das „d", also das „divers", als Zusatz zu „m/w" in Stellenanzeigen Pflicht? In: personalmarketing2null.de. 2019, abgerufen am 17. April 2019 (deutsch).
- ↑ Erkenntnis vom 15. Juni 2018, abgerufen von der Website des Verfassungsgerichtshofes am 28. Jänner 2019.
- ↑ Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. Dezember 2018: Verwaltungsangelegenheiten - Sonstige; Personenstandswesen - Erkenntnis des VfGH vom 15. Juni 2018, G 77/2017-9, zu § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 - Umsetzung zu Varianten der Geschlechtsentwicklung ("3. Geschlecht"), abgerufen von www.kommunalnet.at am 28. Jänner 2019.
- ↑ Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Konsumentenschutz: Österreichische Versorgungsstellen für die Varianten der Geschlechtsentwicklung. Wien, ohne Datum (2012?) (PDF: 780 kB, 13 Seiten auf sozialministerium.at).