Baltistik
Die Baltistik ist ein Fachgebiet der modernen europäischen Philologie, das sich mit den baltischen Sprachen und mit der Geschichte, Kultur und Mythologie der baltischen Völker befasst. Diese leben neben anderen Völkern im Baltikum. Zu den baltischen Völkern gehören – aus philologischer Sicht – Litauer, Letten sowie mehrere ausgestorbene baltische Stämme, nicht jedoch Deutsch-Balten, Esten, Liven und Russen (siehe Balten (Begriffsklärung)).
Allgemeines
Von besonderem Forschungsinteresse war lange Zeit die Frage nach einer historischen baltisch-slawischen Spracheinheit (Balto-slawische Hypothese).
Durch die Öffnung des eisernen Vorhangs und den EU-Beitritt der baltischen Länder wuchs zunächst das akademische Interesse an der Baltistik. Gleichzeitig ist die Baltistik als Orchideenfach besonders von der Ökonomisierung der Hochschullandschaft betroffen.
Baltistik in Deutschland
Obwohl die Baltistik in der deutschen Hochschulpolitik des letzten Jahrzehnts (Stand 2019) als Kleines Fach eingestuft wird,[1] hat sie im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition. Das Fach geht zurück auf das Jahr 1718, als an der Universität Königsberg das "Litthauische Seminar" gegründet wurde. Dieses bestand bis zum Zweiten Weltkrieg und vor allem während des 19. Jahrhunderts arbeiteten in ihm namhafte Sprachwissenschaftler.[2]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Baltistik bzw. Baltologie als Studiengang bzw. als Promotionsfach vor allem an der WWU Münster, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und an der Ludwig-Maximilians-Universität München angeboten.[3] Nach dem Ende des eigenständigen Studiengangs Baltistik in Münster wurde die dortige Baltistik in den Bachelorstudiengang Regionalstudien Ostmitteleuropa integriert. Inzwischen (Stand 2015) wird auch in diesen Studiengang nicht mehr immatrikuliert.[4] Im Wintersemester 2015/2016 bietet die Universität Münster nur noch Sprachkurse an.
Baltistik als selbständiger Studiengang existiert in Deutschland nur noch an der Universität Greifswald (Stand 2017), an der seit 1993 auch das unikale Institut für Baltistik angesiedelt ist und eine sprach-, literatur- und kulturwissenschaftliche Lettisch- und Litauischausbildung angeboten wird.[5] Die Lehrstuhlinhaber dieses Instituts waren anfangs Sprachwissenschaftler; der aktuelle Inhaber der Lehrstuhls (Stephan Kessler) für Baltistik ist aber ebenso gut Literaturwissenschaftler.
An einigen Universitäten können Teilgebiete der Baltistik als Nebenfach gewählt werden, besonders im Zusammenhang mit Osteuropastudien oder Indogermanistik. An der Universität Erlangen-Nürnberg ist Baltistik seit WS 2007/2008 Teil des Bachelorstudiengangs Indogermanistik und Indoiranistik. Seit 2015 kann am Institut für Empirische Sprachwissenschaft der Goethe-Universität in Frankfurt am Main im Rahmen eines Schwerpunktstudiums ein Abschluss in Baltistik erworben werden.[6]
Baltistik in anderen Ländern
Das Institut für Slavistik an der Universität Bern nannte sich bis in die 1990er Jahre „Institut für slavische und baltische Sprachen" (teilweise wird es noch heute so bezeichnet).[7] Infolge von Sparmassnahmen werden an der Universität Bern jedoch keine Baltistik und keine baltischen Sprachen mehr unterrichtet. An der Universität Fribourg wird seit einigen Jahren Litauisch unterrichtet, ohne dass es jedoch einen Studiengang Baltistik gäbe.[7] An der Universität Neuenburg bestand bis in die 1980er Jahre die Möglichkeit, die baltischen Sprachen zu erlernen.[8]
Das Institut für Skandinavistik an der Universität Wien bietet einen 1-Semester umfassenden Schwerpunkt in Ostseeraumstudien sowie einen Sprachkurs für Litauisch an.
In Stockholm gibt es ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg für baltische und osteuropäische Studien.[9]
Bibliotheken
Literatur
- Alfred Bammesberger: Baltistik. Aufgaben und Methoden. Winter, Heidelberg 1998, ISBN 3-8253-0726-3.
- Rainer Eckert (Hg.): Aktuelle Probleme der Baltistik. Verlag Die Blaue Eule, Essen 1996, ISBN 3-89206-734-1.
- Jochen Range (Hg.): Aspekte baltistischer Forschung. Verlag Die Blaue Eule, Essen 2000, ISBN 3-89206-929-8.
Fußnoten
- ↑ Seite der Arbeitsstelle „Kleine Fächer" zur [1].
- ↑ Liucija Citavičiūtė: Karaliaučiaus Universiteto Lietuviu̜ Kalbos Seminaras. Istorija ir reikšmė lietuviu̜ kultūrai. 1. Auflage. Lietuviu̜ Literatūros ir Tautosakos Institutas, Vilnius 2004, ISBN 9955-475-82-X.
- ↑ Achte Satzung zur Änderung der Promotionsordnung der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 13. Februar 1998, § 1.
- ↑ Regionalstudien Ostmitteleuropa (Memento des Originals vom 7. Mai 2008 im Internet Archive ) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.zsb.uni-muenster.de , abgerufen am 7. Juli 2015.
- ↑ [+] Pluswerk Team: Geschichte des Instituts - Institut für Baltistik - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. In: baltistik.uni-greifswald.de. Abgerufen am 15. Oktober 2016.
- ↑ Baltische Sprachen als neuer Studienschwerpunkt, abgerufen am 17. November 2015.
- ↑ a b http://www.slavistik-fribourg-bern.unibe.ch/
- ↑ Geschichte der Slawistik in der Schweiz @1 @2 Vorlage:Toter Link/www.stub.unibe.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2018. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 321 kB)
- ↑ Interdisziplinäres Graduiertenkolleg in Stockholm