Taufkleid

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Heinrich Bullingers Westerhemd, Schweiz um 1490 (Zentralbibliothek Zürich)
Westerhemd als Kapuzenmantel mit eingestickten Kreuzen, Deutschland, 17. Jahrhundert (Metropolitan Museum of Art)
Taufkleid, Schweden 1828 (Livrustkammaren)

Als Taufkleid oder Westerhemd (lateinisch alba vestis, weißes Hemd) werden weiße Kleidungsstücke bezeichnet, die Täuflinge bei der Taufe anziehen. Das Anlegen des Taufkleids gehört zu den ausdeutenden Riten bei der Taufhandlung. Der Bibelvers Gal 3,27 LUT gibt dazu die Begründung.

Der Brauch, dem Neugetauften ein Kleid zu überreichen bzw. anzulegen, entstand in der Spätantike vor dem Hintergrund der Ganzkörpertaufe.

Im Mittelalter und bis ins 16. Jahrhundert wurden Neugeborene zur Taufe gebracht, ausgewickelt, ganz mit Wasser übergossen oder im Wasser untergetaucht, abgetrocknet, mit dem Westerhemd bekleidet und wieder warm eingepackt.

In der frühen Neuzeit gewann das Taufzeug an Bedeutung, womit – regional verschieden – ein Ensemble von Kissen, Decken, Bändern, Mütze und anderen Accessoires gemeint ist. Diese Textilien für die Taufe waren oft aufwändig gearbeitet. Den Quellen zufolge konnte man sie für den Anlass auch leihen. Damit wurde der Täufling zuhause für den Weg zur Taufe schön hergerichtet.

Um 1800 kamen die überlangen weißen, am Rücken geschlossenen Taufkleider auf, die bis in die Gegenwart gebraucht werden. Auch in diesem Fall wurde das Kind schon so bekleidet in die Kirche getragen.

Da heute kaum noch Neugeborene, sondern ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene getauft werden, gibt es in den evangelischen Landeskirchen und in der römisch-katholischen Kirche Bestrebungen, die spätantike Tradition des Bekleidens nach der Taufe wieder zu beleben, zum Beispiel durch einen weißen Taufschal.

Das weiße Kleid in der Spätantike

Bis ins Mittelalter stiegen die Täuflinge, unabhängig von ihrem Alter, unbekleidet ins Wasser. Seit dem vierten Jahrhundert ist bezeugt, dass die in der Osternacht Getauften, nachdem sie dem Becken entstiegen waren, ein weißes Kleid anlegten. Das trugen sie bis zum darauf folgenden, deshalb so benannten Weißen Sonntag.

Taufkleidung in der Westkirche

In der westkirchlichen Tradition wurden die Täuflinge entweder mit einem weißen Kapuzenmantel (cappa) bekleidet, oder sie trugen eine Mütze (mitra) aus weißer Leinwand und ein weißes Leinentuch (pannus chrismalis). Die Kopfbedeckung hebt hervor, dass Chrisam auf den Scheitel aufgetragen wurde.[1]

In dieser Tradition stehen außer der römisch-katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen beispielsweise die altkatholische und die anglikanische Kirche.

Reformationszeit

Heinrich Bullingers Westerhemd zeigt, wie dieses Kleidungsstück um 1490 beschaffen sein konnte. Es ist ein ungebleichtes, naturfarbiges Leinenhemd, ohne Kapuze 43,5 cm lang und mit Kapuze 54 cm. Die Breite am Schulterrand beträgt 37 cm, am Unterrand 71,5 cm.[2]

Die Taufe der Kinder durch Untertauchen war für Martin Luther noch der Normalfall, und das Westerhemd, das er in seinem Taufbüchlein (1523 und 1526) erwähnte, war ein weißes Kapuzenmäntelchen.[3] Der Pfarrer sollte es dem Kind anziehen mit den Worten: „Der allmächtige Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der dich wiedergeboren hat durchs Wasser und den Heiligen Geist, und hat dir alle deine Sünde vergeben, der stärke dich mit seiner Gnade zum ewigen Leben. Amen."

Huldrych Zwingli ging in seinen Taufordnungen des Jahres 1525 wahrscheinlich von der Ganzkörpertaufe aus, obwohl das im Text nicht ausdrücklich erwähnt wird. Es folgte die Bekleidung mit dem Westerhemd: „Gott verleihe dir, dass, wie du jetzt mit dem weißen Kleid leiblich angezogen wirst, also am Jüngsten Tag mit reinem unbeflecktem Gewissen vor ihm erscheinest."[4]

Johannes Bugenhagen stellte 1529 erstaunt fest, dass die Kinder in Hamburg in Windeln oder Kleidern getauft wurden. Das war möglich, weil der Pfarrer nur mehr den Kopf des Kindes mit Wasser benetzte.[5] Bugenhagen hätte diese Entwicklung gerne geändert, wollte aber keine Zweifel an der Gültigkeit der so vollzogenen Taufen aufkommen lassen. Er regelte in der Hamburgischen Kirchenordnung, dass die Kinder ausgewickelt und bei der Taufe komplett mit Wasser übergossen werden sollten. „Dann setze der Priester dem Kinde die Mütze auf und lege ihm das Westerhemd, wenn es da ist, auf den Leib (die Frauen werden ihm das wohl in der Kirche oder im Hause anziehen) ... und lege schnell wieder das Kind in die warme Decke."[6]

Dagegen wurde die Tochter des Herzogs Friedrich Wilhelm von Sachsen, ein Säugling, noch 1601 im Torgauer Schloss durch Untertauchen getauft. Das „wester hembdlein" hatte man zuvor auf einem Schaugefäß präsentiert und auf einem Tisch ausgelegt.[7]

17. und 18. Jahrhundert

Die Bekleidung der Täuflinge hatte in den folgenden Jahrhunderten Anteil an einem allgemeinden Trend: Mit Luxus assoziierte Kleidungsstücke wanderten über soziale Grenzen hinweg und wurden in neuen sozialen und kulturellen Kontexten verwendet, obwohl Kleiderordnungen dies zu unterbinden suchten.[8] Die Taufe durch Benetzen der Stirn mit Wasser war die Bedingung dafür, dass der Säugling vor dem Kirchgang aufwändig hergerichtet und in der Kirche präsentiert werden konnte.[9]

Für Nord- und Mitteldeutschland gibt es Hinweise darauf, dass die Kirchengemeinden im 18. Jahrhundert Taufzeug (Kasseltüch) zum Ausleihen bereithielten, mit dem der Täufling während des Gottesdienstes ausstaffiert werden konnte. Aus Travemünde ist solch ein Set erhalten (St.-Annen-Museum Lübeck): ein dreiteiliger, reich verzierter Überwurf und eine Taufkappe, alles aus rotem Samt. Es ist nicht bekannt, ob dieses Taufzeug ein schlichteres weißes Westerhemd ersetzte oder ergänzte.[10] In Rendsburg lieh der Organist der Marienkirche im Jahr 1786 vier Garnituren von Taufzeug zu unterschiedlichen Tarifen an Tauffamilien aus.[10] Dies war für ihn eine Einnahmequelle, und wer sein Kind mit eigenem Taufzeug zur Taufe brachte, musste dem Organisten eine Gebühr bezahlen.

Die Taufausstattung der Prinzessin Gunterina Friedericke Charlotte Albertina zu Schwarzburg-Sondershausen von 1791, welche erhalten ist (Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz), besteht aus Steckkissen, Deckbettbezug, Kopfkissenbezug, einem Häubchen, einem Paar Müffchen und einem Jäckchen, alles aus weißer, gewachster Seide und mit Rosenblüten und -blättern in Gouachefarben bemalt. Alle Teile sind mit rosa Seide unterfüttert, deshalb schimmert die ganze Ausstattung rosa.[11] Diese Taufausstattung war wertvoll und gibt auch eine neue, moderne Haltung gegenüber dem Kind zu erkennen. Sie ist von der englischen Mode beeinflusst. Die Eltern verzichteten auf das Wickeln, das bei der Landbevölkerung noch länger üblich war: das Jäckchen gab ihrem Kind etwas Bewegungsmöglichkeit, während das Steckkissen als sichere Tragevorrichtung für Täuflinge noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts genutzt wurde.[12]

19. Jahrhundert und Gegenwart

Taufe in der Kirche von Skagen (Michael Ancher, 1880er Jahre)

Um 1800 kamen die heute noch üblichen Taufkleider in Gebrauch, die deshalb auch an die Mode des Empire und frühen Biedermeier erinnern:[13] Mädchen und Jungen trugen überlange weiße Gewänder mit kurzem Oberteil, mindestens ein Oberkleid, oft ein zusätzliches Unterkleid, dazu ein separates Mützchen. Gern verwendet wurden Baumwollbatist, Baumwolltüll oder Seide. Die symbolische Farbe Weiß, zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten, wurde wieder aufgegriffen – im Zug eines allgemeinen Interesses für die Antike. Diese Taufkleider wurden oft als Erbstück in der Familie weitergegeben, was den Kleiderzuschnitt des frühen 19. Jahrhunderts in späteren Jahrzehnten bewahrte. „Die Namen der getauften Kinder sind möglicherweise eingestickt. Das Material kann der Brautschleier sein. Es kann sein, dass es auf der Flucht vor dem Krieg mitgenommen wurde, weil es leicht zu transportieren war."[14] Frauenzeitschriften enthielten Schnittmuster von Taufkleidern, später boten Warenhäuser sie in ihren Katalogen an. In der DDR beispielsweise produzierte der VEB Modische Weißwaren Auerbach weiße „Erstlings-Festkleidchen."[15]

Heute gibt es sowohl in den evangelischen Landeskirchen wie in der römisch-katholischen und altkatholischen Kirche wahlweise die Ganzkörpertaufe. Dabei bietet sich anstelle des traditionellen Taufkleides der Taufschal an, der von Täuflingen jedes Alters getragen werden kann.

Orthodoxe Taufkleidung

Taufkleidung in der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche (2015)

In den orthodoxen Kirchen ist die Tradition der Ganzkörpertaufe bis in die Gegenwart fortgeführt worden. Im byzantinischen Ritus erhält der Getaufte gleich nach dem Verlassen des Taufbeckens das weiße Taufkleid als „Kleid der Gerechtigkeit", und es wird das Troparion gesungen: „Gib mir ein lichtes Gewand, du, der du von Licht umgeben bist wie von einem Kleid, Christus, voll des Mitleids, unser Gott."[16]

Dieses Kleidungsstück wird von der Familie zur Taufe mitgebracht und dem Geistlichen vor Beginn des Gottesdienstes überreicht. Es kann sich bei dem „Lichtgewand" um ein schlichtes weißes T-Shirt ohne Aufdruck handeln, oder um ein Taufkleid ähnlichen Zuschnitts wie in evangelischen und katholischen Taufen. Erwachsene Täuflinge werden mit einer Albe bekleidet.[17]

Im chaldäischen Ritus zieht der Getaufte kein Taufkleid, sondern seine gewöhnlichen Kleider wieder an.[18] In den anderen Riten folgt erst die Firmung, danach die Ankleidung. Diese Riten sehen außerdem vor, dass der Gefirmte gekrönt wird mit einem „Stirnband in Form einer mehr oder weniger geschmückten Krone".[19]

Kleidung bei der Gläubigentaufe (Baptisten)

Wird die Gläubigentaufe durch Untertauchen vollzogen, so ergeben sich praktische Fragen hinsichtlich der Kleidung. Sie soll beim Nasswerden nicht durchscheinen.

Viele britische Baptistengemeinden hielten im 20. Jahrhundert für Frauen spezielle weiße Gewänder bereit, die am Saum beschwert waren. Bei Männern war es üblich, (weiße) Stoffhosen und ein Tennishemd zu tragen. Spätestens in den 1960er Jahren, unter dem Einfluss der charismatischen Bewegung, ging der Trend zu Freizeitkleidung. Nach Meinung von Anthony R. Cross se es charakteristisch, dass die Kleidung bei der Taufe kaum mit Blick auf ihre Symbolik, sondern unter praktischen Aspekten gesehen wurde. Nur ausnahmsweise werde die Farbe Weiß als zur Taufe passend empfohlen, da sie Reinheit und neues Leben symbolisiere.[20]

Commons: Taufkleid  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Tove Engelhardt Mathiassen: Luxurious Textiles in Danish Christening Garments: Fashionable Encounters across social and geographical borders. In: Tove Engelhardt Mathiassen et al. (Hrsg.): Fashionable Encounters: Perspectives and trends in textile and dress in the Early Modern Nordic World. Oxbow Books, Oxford / Philadelphia 2014. ISBN 978-1-78297-382-9. S. 183–200.
  • Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. In: Bettina Seyderhelm (Hrsg.): Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland. Schnell & Steiner, Regensburg 2006, ISBN 978-3-7954-1893-9, S. 208–221.

Einzelnachweise

  1. Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. S. 209. 
  2. Heinrich Bullingers Westerhemd. In: Zentralbibliothek Zürich. Abgerufen am 17. Oktober 2018 (Das Westerhemd wurde für das älteste Kind der Eheleute Bullinger angefertigt und dann von allen Kindern der Familie bei der Taufe getragen. Es war später im Besitz von Josias Simler, einem Patenkind des Reformators, und wurde durch mehrere Generationen in der Familie Simler weitergegeben, 1816 von Anna Elisabetha Simler der Stadtbibliothek Zürich geschenkt.). 
  3. Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. S. 210–211. 
  4. August Jilek: Die Taufe. In: Hans-Christoph Schmidt-Lauber et al. (Hrsg.): Handbuch der Liturgik: Liturgiewissenschaft in Theologie und Praxis der Kirche. 3. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-57210-7, S. 298. 
  5. Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. S. 212. 
  6. Johannes Bugenhagen: Hamburgische Kirchenordnung. Hrsg.: Carl Mönckeberg. Hamburg 1861, S. 49. 
  7. Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. S. 212–213. 
  8. Tove Engelhardt Mathiassen: Luxurious Textiles in Danish Christening Garments: Fashionable Encounters across social and geographical borders. Oxford / Philadelphia 2014, S. 183. 
  9. Tove Engelhardt Mathiassen: Luxurious Textiles in Danish Christening Garments: Fashionable Encounters across social and geographical borders. Oxford / Philadelphia 2014, S. 186. 
  10. a b Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. S. 215. 
  11. Taufausstattung. In: Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz. Abgerufen am 17. Oktober 2018. 
  12. Jeannette Pfeifer, Dagmar Neuland-Kitzerow: Da 2: Taufausstattung ... 1791. In: Bettina Seyderhelm (Hrsg.): Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland. Regensburg 2006, S. 361–362. 
  13. Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. S. 216. 
  14. Peter Barz, Bernd Schlüter (Hrsg.): Werkbuch Taufe. 2. Auflage. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, ISBN 978-3-579-05915-0, S. 97. 
  15. Bettina Seyderhelm: Die Bekleidung der Täuflinge. S. 218. 
  16. Irénée-Henri Dalmais: Die Liturgie der Ostkirchen. In: Johannes Hirschmann (Hrsg.): Der Christ in der Welt, Reihe IX: Die Liturgie der Kirche. 2. Auflage. Band 5. Aschaffenburg 1963, S. 62. 
  17. Was ist zur Taufe notwendig... (geistliche und praktische Handreichung). In: Kathedrale der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Russlands in München. Abgerufen am 3. Januar 2019. 
  18. Irénée-Henri Dalmais: Die Liturgie der Ostkirchen. 2. Auflage. Aschaffenburg 1963, S. 62. 
  19. Irénée-Henri Dalmais: Die Liturgie der Ostkirchen. 2. Auflage. Aschaffenburg 1963, S. 64. 
  20. Anthony R. Cross: Baptism and the Baptists: Theology and Practice in Twentieth-Century Britain. Eugene 2017, ISBN 978-1-5326-1706-5, S. 399–400. 
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