Die Verwandlung (1975)
Film | |
Titel | Die Verwandlung |
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Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1975 |
Länge | 55 Minuten |
Stab | |
Regie | Jan Němec |
Drehbuch | Jan Němec |
Musik | Evžen Illín |
Kamera | Nicole Gasquet Thomas Mauch |
Schnitt | Horst Rossberger |
Besetzung | |
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Die Verwandlung ist ein deutscher Fernsehfilm des Regisseurs Jan Němec.[1] Er basiert auf der gleichnamigen Erzählung von Franz Kafka. Der Film wurde am 30. Oktober 1975 im ZDF ausgestrahlt.
Kafkas Werke galten lange Zeit als nicht verfilmbar. Das änderte sich erst mit dieser Verfilmung der Verwandlung.[2] Der Regisseur drehte den Film kurz nachdem er gezwungen war, sich zwischen Exil oder Arrest zu entscheiden und schlussendlich die Tschechoslowakei verließ.[3]
Handlung
Die Handlung basiert weitestgehend auf der gleichnamigen Novelle von Franz Kafka. Der ehemals wohlhabende Prager Handlungsreisende Gregor Samsa erwacht eines Morgens und muss feststellen, dass er sich in ein riesiges, widerlich aussehendes Insekt verwandelt hat. Seine Schwester Grete und seine Eltern sind von der Situation überfordert und versuchen, nachdem sie zunächst trotz seiner Veränderungen zu ihm stehen, ihn loszuwerden. Gregor verwandelt sich nicht nur äußerlich in einen Käfer, sondern nimmt auch die Verhaltensweisen eines Insekts an: Er läuft z. B. auf Wänden und ernährt sich von Abfällen. Als die Familie Untermieter in ihre Wohnung aufnimmt, eskaliert die Situation. Die Mieter entdecken Gregor, kündigen ihre Wohnverträge und drohen mit einer Aufdeckung. Verärgert über die ganze Situation beschimpft Grete ihren Bruder. Ihrer Meinung nach wäre es nicht zumutbar, mit ihm weiter unter einem Dach zu leben, er müsse verschwinden. Das niummt sich Gregor zu Herzen, zieht sich in sein Zimmer zurück und stirbt. Das Zimmermädchen findet ihn am nächsten Tag „krepiert" am Boden, schafft ihn aus dem Zimmer und benachrichtigt Gregors Familie. Die trauert ein wenig und beschließt den Tag gemeinsam für einen Spaziergang und zum Ausruhen zu verwenden. Dabei kommen sie überein sich eine kleinere, billigere und praktischere Wohnung zu nehmen, als es die jetztige, noch von Gregor ausgesuchte Wohnung war. Herr und Frau Samsa fällt dabei auf, dass ihre Tochter zu einem jungen hübschen Mädchen herangewachsen ist und es an der Zeit ist, ihr einen Mann zu suchen.
Besonderheiten
Der gesamte Film wird aus der Perspektive Gregors dargestellt. Sein Aussehen als Ungeziefer wird dem Film-Zuschauer nicht gezeigt, d. h. die Kameraperspektive ist immer aus Gregors Sicht.[4]
Wie Kafka selbst es für unmöglich hielt, das „Insekt" auch nur „von der Ferne" zu zeigen, zeigt auch der Regisseur das Tier nicht. Dem literarischen Mittel des Monologs entspricht im Film, dass lange Textpartien nur aus dem Off gesprochen werden. Naheinstellungen einer ehemals herrschaftlichen Etagenwohnung aus vielen Perspektiven erzeugen hier eindringliche Bilder und schildern so die Welt des Käfers. Die Blicke und Handlungen der Anderen, die ihn erst zum Ungeziefer machen, kommen in Untersicht ins Bild.[5]
Wo Kafka Einzelheiten der Gegenstände mitteilt, folgt der Regisseur ihm darin. Oft sind das Requisiten, die mehrere Funktionen erfüllen.[6]
Obwohl der Regisseur sich eng an die Vorlage hält,[4] gibt es auch Unterschiede zur Erzählung: Der Film interpretiert sie als ödipalen Konflikt. Daher sind Gregors Eltern deutlich jünger als in der Erzählung. Sogar Gregors Tod steht im Motiv der erotischen Spannung. Um Gregors Nähe zur Biographie Kafkas zu unterstreichen, ist das Bild Gregors in der Uniform ersetzt durch ein Bild von Kafka selbst.[7]
Dass er das interaktionspsychologische Moment in Kafkas Erzählung besonders berücksichtigt hat, zeigt der Regisseur auch mit dem Schlusszitat im Abspann, einer Notiz Kafkas vom 17. September 1920: „Ich stand niemals unter dem Druck einer andern Verantwortung als jener, welche das Dasein, der Blick, das Urteil anderer Menschen mir auferlegten."[8]
Hintergrund
Franz Kafka schrieb seine gleichnamigen Erzählung mit autobiografischen Zügen, auf der diese Verfilmung von Jan Němec beruht, 1912 in knapp sieben Wochen nieder. Sie zeigt im Grunde Kafkas Schwierigkeiten mit seinem Vater. Diese fließen sehr stark in den Vater-Sohn-Konflikt der Erzählung ein. Das Verhältnis von Gregor Samsas zur Schwester Grete ähnelt Kafkas Zuneigung zu seiner eigenen Schwester Ottla. Die Verwandlung selbst wird weder in Kafkas Werk als Zeichnung dargestellt, noch in diesem Film, der das Geschehen vielmehr aus Gregors Perspektive zeigt. Anfangs denkt und spricht Gregor noch, später wird nur noch über ihn gesprochen.[9] Im Gegensatz zur Vorlage wird als Bedienerin eine Putzfrau genannt, die als ein junges Mädchen auftritt, anstatt einer alten Frau wie in Kafkas Werk.
Kritiken
Prisma.de fand, dass diese Inszenierung von Jan Nemec „ganz im Sinne von Franz Kafka" gewesen sei, da es dieser schon „der die Fantasie des Lesers" überlassen hatte, sich die Gestalt Gregors vorzustellen und er sie in seinem Werk „nicht durch zeichnerische Darstellung einengen wollte." Im Film lässt sich „Seine schreckliche Gestalt [...] sich nur aus den Reaktionen seiner Familie und der Umwelt, die ihn aus Versehen zu Gesicht bekommt, erahnen."[9]
Die Webseite dieterwunderlich.de wertetet: „Jan Nemec verfilmte Franz Kafkas Erzählung ‚Die Verwandlung‘ 1975 fürs Fernsehen und hielt sich dabei genau an die literarische Vorlage. Den in einen Käfer verwandelten Gregor Samsa hören wir zwar, und wir sehen das Geschehen häufig aus seiner Perspektive, bemerken, wie sich die Bettdecke bewegt, wenn er darüber krabbelt, aber er kommt nicht ins Bild. Das ist eine geschickte Lösung, die mit einer ungewohnten und hervorragenden Kameraführung einhergeht. Jan Nemec ist eine faszinierende, beklemmende Literaturverfilmung gelungen."[10]
Bei der mediendienste.info schrieb man ähnlich und findet, dass die „äußere Verwandlung nicht gezeigt" wird, wäre „Ganz im Sinne Kafkas [ denn so] bleibt es der Fantasie des Zuschauers überlassen, sich das Unfassbare vorzustellen. ‚Die Verwandlung‘ verdeutlicht auf schockierende Weise, wie ein Mensch zum Aussätzigen werden kann und sein ‚Verschwinden‘ als Erlösung erscheint. Die symbolhafte Handlung erinnert an das Schicksal schwerkranker oder behinderter Menschen."[11]
Literatur
- Peter-André Alt: Kafka und der Film: über kinematographisches Erzählen. C.H.Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58748-1
- Wolfgang Gast (Hrsg.): Literaturverfilmungen. In: Themen, Texte, Interpretationen Bd. 11, Buchner, Bamberg 1993, ISBN 3-7661-4341-7.
- Sabine Reinwald: Vergleich der Erzählung "Die Verwandlung" von Franz Kafka mit dem ZDF-Film von Jan Němec. (Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik, Bergische Universität Wuppertal) GRIN Verlag, 2009, ISBN 978-3-640-44583-7.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Klaus M. Schmidt, Ingrid Schmidt (Hrsg.): Lexikon Literaturverfilmungen: Deutschsprachige Filme 1945 - 1990, Springer-Verlag, 2016, ISBN 978-3-476-03592-9
- ↑ Flyer Institut für Pädagogik und Schulpsychologie Nürnberg: Schul- und Unterrichtsentwicklung
- ↑ Jonathan Owen: Jan Němec (1936–2016) , in: Studies in Eastern European Cinema, Vol. 7 No. 3, 311-313, Routledge, 2016
- ↑ a b Hartmut Binder: Kafkas „Verwandlung". Entstehung. Deutung. Wirkung. Stroemfeld, Frankfurt/M., 2004, ISBN 3-87877-855-4
- ↑ Sabine M. Schneider (Hrsg.): Lektüren für das 21. Jahrhundert: Klassiker und Bestseller der deutschen Literatur von 1900 bis heute. Würzburger Ringvorlesung Bd. 4, Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN 3-8260-3004-4
- ↑ Wolfgang Gast (Hrsg.): Literaturverfilmungen. In: Themen, Texte, Interpretationen Bd. 11, Buchner, Bamberg 1993, ISBN 3-7661-4341-7
- ↑ Wolf Dieter Hellberg: Lektürehilfen Franz Kafka, Die Verwandlung. PONS, 2012, ISBN 978-3-12-923077-0
- ↑ Ulf Abraham: Franz Kafka, Die Verwandlung. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis erzählender Literatur. Diesterweg, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-425-06172-0
- ↑ a b Filmkritik bei prisma.de abgerufen am 26. Februar 2018.
- ↑ Die Verwandlung bei dieterwunderlich.de abgerufen am 26. Februar 2018.
- ↑ Die Verwandlung (1975) bei mediendienste.info abgreufen am 26. Februar 2018.