St. Johannis (Herford)
St. Johannis ist die evangelisch-lutherische Pfarrkirche der 1220 gegründeten Herforder Neustadt. Seit 1414 war sie Stiftskirche des weltlichen Kollegiatstifts St. Johann und Dionys. Dieses bestand bis zur Säkularisation von 1802. Sie ist nicht zu verwechseln mit der katholischen Kirche St. Johannes Baptist.
Innerhalb des Kirchenkreises Herford gehört die Johanniskirche zusammen mit dem Herforder Münster und der Jakobikirche zur Kirchengemeinde Herford-Mitte. Seit 2008 wird sie aus Kostengründen nicht mehr beheizt.
Geschichte
Vermutlich an der Stelle eines älteren Friedhofs und einer Kapelle wurde ab 1240 durch das Stift Herford eine neue Kirche erbaut, die kurze Zeit später als Pfarrkirche für die Neustadt bezeichnet wurde.
Wegen der unsicheren Lage wurde im Jahre 1414 das Stift St. Dionys von Enger in das befestigte Herford verlegt; Stiftskirche wurde die Johanniskirche. Die Stiftsherren brachten damals nicht nur den berühmten Dyonysiusschatz mit Taufgaben Karls des Großen an Widukind nach Herford, sondern auch die Gebeine des Sachsenherzogs Widukind, die bis 1810 in der Johanniskirche ruhten. Heute befinden sich die Taufgaben im Kunstgewerbemuseum Berlin. Widukinds (vermeintliche) Gebeine wurden wieder nach Enger gebracht.
Auf Grund der neuen Funktion als Stiftskirche wurde in der Kirche eine Chorschranke (Lettner) zwischen dem Bereich der Kanoniker und der Laien errichtet. Außerdem wurden Seitenaltäre errichtet, um den zahlreichen Priestern stille Messen und Gebete zu ermöglichen. Auch der Turm wurde erhöht, so dass er der höchste Herfords wurde.
In der Zeit der Reformation wurden zahlreiche Gegenstände in Stift und Kirche im Zuge des „Herforder Bildersturms" von 1532 zerstört.
Das Stift selbst bestand als protestantische Einrichtung weiter. Im 18. Jahrhundert hatten der König von Preußen, der Kurfürst von der Pfalz und das Kapitel selbst abwechselnd das Recht bei Vakanz neue Kanoniker zu bestimmen.[1]
Seit 1981 steht die Kirche unter Denkmalschutz.[2]
Architektur und Ausstattung
Die Johanniskirche in der heutigen Form wurde ab etwa 1250 bis 1370 in mehreren Bauabschnitten im Stil der Gotik erbaut. Der Turm wurde beim großen Stadtbrand von 1638 durch Funkenflug in Brand gesetzt und zerstört. Der daraufhin errichtete 85 m hohe Turm neigte sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte zur Seite und erlangte als „schiefer Turm von Herford" Bekanntheit. Wegen Einsturzgefahr musste der Turmhelm 1885 abgetragen werden und wurde durch einen neuen, 80 m hohen ersetzt. Nachdem das Bauwerk im 19. Jahrhundert in erheblichem Maße baufällig wurde, musste der Turm zwischen 1906 und 1910 bis auf die Fundamente abgetragen und vollständig neu errichtet werden. Die Anlage einer städtischen Kanalisation hatte zu einem rapiden Abfall des Grundwasserspiegels geführt. Da die Johanniskirche aber, wie alle historischen Gebäude Herfords, auf Eichenpfählen gegründet war, begannen diese nun zu faulen und ihre Stabilität zu verlieren. Der Turmneubau von 1906 bis 1910 wurde zwar mit altem Material und in alter Form errichtet, erhielt jedoch ein Geschoss weniger (7 m) als sein Vorgänger. Er hat jetzt eine Höhe von 71 m und ist damit nach wie vor der höchste Kirchturm Herfords.
Die Glasfenster, die zu den ältesten in Westfalen gehören, stammen zum Teil noch aus dem 14. und 15. Jahrhundert und wurden durch den couragierten Einsatz des damaligen Pfarrers Helmut Gaffron im Mai 1940 vor der Zerstörung gerettet. Die nicht gesicherten, deutlich später zu datierenden Fenster wurden bei Erschütterungen durch Bombeneinschläge in der Nähe der Kirche (Hämelinger Str.) zerstört.
Innenraum
Die künstlerisch wertvolle Inneneinrichtung stammt aus dem 16. und 17. Jahrhundert.[3] Charakteristisch sind die aus Holz geschnitzten Amtsstühle der Handwerkerzünfte der Neustadt. Die Barockkanzel wurde vom Bürgermeister Daniel Pöppelmann gestiftet, einem direkten Vorfahren des 1662 in Herford geborenen Erbauer des Dresdner Zwingers, Matthäus Daniel Pöppelmann.
Orgel
Die Orgel wurde 1955 von dem Orgelbauer Gustav Steinmann Orgelbau erbaut. Das Schleifladen-Instrument verfügt über 26 Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt sind. Die Trakturen sind mechanisch.[4]
- Koppeln: II/I, I/P, II/P
Glocken
Fünf Glocken hängen im Turm. Die kleinste dient dem Viertelstundenschlag (für den Stundenschlag die Glocke 2 im Turm) und hängt in einer kleinen Öffnung am östlichen Zifferblatt. Sie wurde erst in den 1990ern gegossen. Die übrigen vier Glocken werden schwingend geläutet und sind auf zwei Glockenstuben verteilt; in der oberen hängt die kleinere Glocke (ursprünglich als Viertelschlagglocke gegossen), in der unteren die drei großen Glocken. Alle vier Glocken zusammen erklingen nur zu besonderen Anlässen. Am Heiligabend und am Pfingstsonntag um 12 Uhr mittags erklingen die Glocken der Stadt Herford für 20 Minuten.[5] Alle vier historischen Glocken mussten während des Zweiten Weltkriegs im Rahmen der Metallspende des deutschen Volkes abgeliefert werden. Sie wurden jedoch nicht - wie viele andere Glocken - im Turm zerschlagen, sondern am Stück abtransportiert. Durch glückliche Zufälle überstanden sie den Krieg auf dem Hamburger Glockenfriedhof und konnten nach 1945 wieder zurückgeführt werden.
Bezeichnung/Funktion
Gussjahr
Gießer
Durchmesser
(mm) Masse
(kg) Schlagton
(HT-1/16) Glockenstuhl
Öffnungszeiten
Außerhalb der Gottesdienstzeiten ist die Kirche täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Weblinks
- Commons: St. Johannis (Herford) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Urkundenregesten aus dem Archiv des Stifts St. Johann und Dionys in Herford / Digitale Westfälische Urkunden-Datenbank (DWUD)
- St. Johannis in Herford
Literatur
- Helga Besche: St. Johannis in Herford (= Große Baudenkmäler. Heft 358). Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1989
Einzelnachweise
- ↑ Nicolas Rügge: Im Dienst von Stadt und Staat: Der Rat der Stadt Herford und die preussische Zentralverwaltung im 18. Jahrhundert (= Bürgertum. Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte. Band 15). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, S. 28 (online).
- ↑ Liste der Baudenkmäler der Stadt Herford (PDF; 78 kB)
- ↑ Gregor Rohmann (Hrsg.): Bilderstreit und Bürgerstolz – Herforder Kirchen im Zeitalter der Glaubenskämpfe (= Herforder Forschungen. Band 20). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2006, ISBN 978-3895346408.
- ↑ Nähere Informationen zur Orgel, abgerufen am 5. September 2014.
- ↑ Claus Peter: Westfalen. In: Kurt Kramer (Hrsg.): Die deutschen Glockenlandschaften. Deutscher Kunstverlag, München 1989, S. 55.
52.1164722222228.6741666666667Koordinaten: 52° 6′ 59,3′′ N, 8° 40′ 27′′ O
- Bauwerk in Herford
- Baudenkmal in Herford
- Religion (Herford)
- Kirchengebäude im Kreis Herford
- Kirche in der Evangelischen Kirche von Westfalen
- Gotisches Bauwerk in Nordrhein-Westfalen
- Gotische Kirche
- Johannes-der-Evangelist-Kirche
- Kollegiatstift
- Kollegiatstiftskirche in Deutschland
- Erbaut im 14. Jahrhundert
- Disposition einer Orgel