Stricharten

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Unter Stricharten versteht man verschiedene Spieltechniken, mit denen bei Streichinstrumenten der Bogen über die Saiten geführt wird. Sie dienen der Artikulation und Phrasierung bei der Gestaltung von Melodien.


Die heute üblichen Techniken und Begriffe der modernen Streichertechnik haben sich, im späten 18. Jahrhundert beginnend, vor allem während des 19. Jahrhunderts ausgeprägt. Voraussetzung war die Entwicklung des modernen Bogens durch François Tourte in den Jahrzehnten vor 1800. Beim vorher üblichen Bogen war die Stange nach außen gebogen und aus relativ weichem Holz gefertigt. Die Folge war eine geringe Spannung der Bogenhaare, die einen plötzlichen Ansatz (das heutige Martelé bzw. den konsonantischen Ansatz) nicht ermöglichte; jeder Ton begann mit einer gewissen Weichheit. Tourte entwickelte den nach innen gekrümmten Bogen aus Pernambukholz, dessen Stange wesentlich härter ist und daher eine höhere Spannung der Bogenhaare erlaubt. Der Tourtebogen überträgt die Spielaktionen, vor allem Druckänderungen des rechten Zeigefingers, sehr viel unmittelbarer auf die Saiten.

Die Theoretiker des 18., mehr noch die des 17. Jahrhunderts haben nur sehr wenige und vergleichsweise unpräzise Beschreibungen von Strichtechniken hinterlassen. Terminologie wie auch die in den Notentexten selbst verwendeten Symbole waren inkonsequent, die Autoren oft mehr am theoretischen System als an der Wirklichkeitsabbildung interessiert. Erst das 19. Jahrhundert hat mit einer Fülle von pädagogischen und theoretischen Äußerungen zu einer gewissen begrifflichen Stringenz gefunden. Dennoch sind die verwendeten Termini in keiner Weise eindeutig; noch bis heute besteht Einigkeit unter Streichern allenfalls über ein Grundrepertoire an Bezeichnungen für verschiedene Stricharten.

Obergriff

Das traditionelle Repertoire der Stricharten ist daher vor allem für den Bedarf der Musik des 19. Jahrhunderts entwickelt worden; soweit überhaupt wahrgenommen, ist ältere Musik in die Interpretationsweisen der ihrerzeit aktuellen Musik eingepasst worden. Die üblichen Begrifflichkeiten gelten folgerichtig nur für die Instrumente der Violinfamilie (Violine, Viola, Violoncello und, mit Einschränkungen, Kontrabass); andere Streichinstrumente, insbesondere Gamben, werden zunächst nicht einbezogen. In jedem Fall wird der Obergriff vorausgesetzt, bei dem die Finger von oben auf der Stange liegen und der Daumen sie von unten stützt; die oft auf dem Kontrabass angewandte Simandl-Technik, bei der der Daumen auf der Stange liegt und die Finger den (entsprechend vergrößerten) Frosch seitlich fassen, behindert viele auf den anderen Instrumenten übliche Stricharten. Vollends ungeeignet ist sie für Instrumente, die, wie Gamben, mit Untergriff gespielt werden. Versuche einer Rekonstruktion älterer Strichtechniken – und somit eine Ausweitung auf Gamben – wurden nicht vor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unternommen.

Stricharten im Einzelnen

Détaché

Johann Sebastian Bach, Seite aus Anna Magdalena Bachs Abschrift der Cellosuiten. Détaché und Legato waren die wichtigsten Stricharten des ausgehenden Barock. Die Entscheidungen über Legatospiel blieben jedoch weitestgehend dem Spieler überlassen; entsprechend inkonsequent und teilweise uneindeutig sind Legatobögen gesetzt.

„Détaché" (frz. „abgetrennt") war im 18. Jahrhundert gleichbedeutend mit „staccato", bezeichnet heute jedoch, dass bei jeder Note ein Strichwechsel stattfindet (zwischen Ab- und Aufstrich gewechselt wird). Der weiche, also sich allmählich entfaltende Tonansatz des Barockbogens lässt beim Bogenwechsel eine deutlich hörbare Pause entstehen. Für das 18. Jahrhundert wird „détaché" daher häufig mit dem (modernen) Ausdruck „non legato" gleichgesetzt. Im Lauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich dagegen das durch den Tourte-Bogen ermöglichte Ideal der unhörbaren Verbindung der Striche, so dass zumindest in der Theorie das Détaché sich dem Legato annähert. Alle Autoren unterscheiden jedoch vielfältige Formen des Détaché, je nach Länge der entstehenden Pausen und der Entwicklung der Töne selbst (an-, abschwellend, hart oder weich angesetzt usw.). Détaché wird nicht eigens bezeichnet. In Partituren des späten 19. Jahrhunderts finden sich manchmal die Vorschriften „sciolto" (ital. „abgetrennt") oder „détaché".

Legato

Beim Legato (ital. „gebunden") werden mehrere Noten ohne Strichwechsel und ohne Unterbrechung des Strichs aneinandergehängt. Es wird mit einem Bogen („Legato-" oder „Bindebogen") bezeichnet, der sämtliche Noten zusammenfasst, die auf einen Strich gespielt werden. Das im 19. Jahrhundert entwickelte Ideal ist die vollkommene Gleichmäßigkeit des Strichs, der allenfalls durch ein (ebenso gleichmäßiges) Crescendo oder Decrescendo variiert wird. Galamian gibt folgendes Beispiel:

und bemerkt dazu: „Bei diesen Bindungen [im 3. und 4. Takt] sollte das Gefühl im rechten Arm [der den Bogen führt] das gleiche sein wie bei den ganzen Noten [...]."[1] Der Instrumentalist reagiert nicht auf die metrische Ordnung der einzelnen Töne, er unterscheidet nicht zwischen betonten und unbetonten Noten. Folgende Gestalten sind für den Hörer daher nicht unterscheidbar:

Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden lange Bögen auch als Phrasierungszeichen eingesetzt. Die scheinbar dadurch entstehenden überlangen Legatolinien sind auf einen einzelnen Strich oft nicht ausführbar. Sie werden daher auf mehrere Striche aufgeteilt, die nach Möglichkeit ohne hörbare Pause aneinandergehängt werden. Die Entscheidungen darüber trifft der Instrumentalist; die Zahl der notwendigen Bogenwechsel hängt von vielen Bedingungen ab wie Dynamik, Klangfarbe usw.

Kurze Striche

Staccato und Spiccato im 18. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert waren die Bezeichnungen „staccato" und „spiccato" (beides ital. „losgelöst") gleich bedeutend. Gemeint war unabhängig von der bogentechnischen Ausführung eine deutliche Kürzung des Tons und eine daraus resultierende Pause vor dem nächsten. Eine Unterscheidung zwischen den Zeichen Punkt, Strich oder Keil – Strich und Keil als schärferes, Punkt als weicheres Staccato – entwickelte sich erst von der Jahrhundertmitte an; konsequent vollzogen war sie nicht vor dem 19. Jahrhundert.

Spiccato

Heute bedeutet „spiccato" eine Kürzung der Note, die durch Entfernung des Bogens von der Saite zustande kommt. In Folgen von Spiccatonoten verlässt der Bogen mit dem Ende einer Note die Saite und erreicht sie wieder beim Beginn der folgenden. „Spiccato" tritt in der heute üblichen Terminologie für das Phänomen ein, das bei anderen Instrumenten „staccato" heißt; während „staccato" in der Streicherpraxis seine Bedeutung vollständig gewandelt hat. Wird also für eine Streicherstelle von einem Nichtstreicher – einem Komponisten, Dirigenten, Kammermusikpartner – „staccato" vorgeschlagen, so wird der Spieler des Streichinstruments das Wort für sich meistens in „spiccato" übersetzen und die Noten bogentechnisch entsprechend ausführen.

Im Wesentlichen werden zwei Spiccatotechniken gelehrt.

„Springendes" Spiccato

Ausgangspunkt dieser Technik ist das selbständige Zurückspringen des auf die Saite prallenden Bogens. Dieses Aufprallen und Zurückspringen wird mit einer Hin- und Herbewegung des Bogens verbunden, die den Ton hervorbringt. Höhe, Charakter und Frequenz der Töne lassen sich steuern durch Veränderung der Hebelwirkung (Spiel näher am Frosch oder weiter in der Bogenmitte), Weite der Hin- und Herbewegung und „Kantung" des Bogens (Drehung um die Bogenstange, so dass mehr oder weniger Haare die Saite berühren).

Vorteile dieser Technik sind ihre leichte Erlernbarkeit und ein mit geringem Aufwand erreichter eleganter Klang. Sie hat jedoch den Nachteil, dass sie fast nur auf Folgen gleich langer Noten anwendbar ist und dass sie innerhalb dieser Folgen nur vergleichsweise geringe Nuancen erlaubt. Ist eine bestimmte Springbewegung des Bogens einmal gefunden, gewinnt die Veränderung vor allem der Bogenstelle eine unberechenbare Eigenwirkung. Das springende Spiccato beruht auf relativ kleinen seitlichen Bewegungen des Arms, so dass die sehr starke Bewegung des Arms, die etwa mit dem Wechsel von der Bogenmitte zum Frosch verbunden ist, unweigerlich zu einem vollkommenen Entgleisen des Bogens führen muss. Eine Passage wie die folgende ist mit springendem Spiccato unausführbar:

Georg Philipp Telemann, „Pariser Quartett" TWV 43: D1, 1. Satz Takt 80–81
Georg Philipp Telemann, „Pariser Quartett" TWV 43: D1, 1. Satz Takt 80–81

Der Abstrich über jeweils drei Legatonoten benötigt die dreifache Bogenlänge des jeweils vierten Tons, der im Aufstrich zu spielen ist. Ließe man den Bogen bei dieser vierten Note, die kurz und daher spiccato zu spielen ist, selbständig springen, würde die Heftigkeit der Armbewegung, die in kürzester Zeit den Weg von der Spitze zum Frosch zurücklegen muss, den Bogen weit von der Saite wegfedern und beim Beginn des folgenden Abstrichs unkontrolliert auf die Saite aufschlagen lassen, wodurch statt eines Tons unangenehme, laute Kratzgeräusche entstünden.

„Aufgehobenes" Spiccato

Das aufgehobene Spiccato geht von Einzeltönen aus, bei denen durch die Energie des Tonansatzes der Bogen vom Arm von der Saite weggetragen wird. Der Bogen fällt nicht von selbst wieder zurück; jeder Ton muss von neuem angesetzt werden. Das selbständige Hochspringen des Bogens ist hier weitgehend unerwünscht; es wird verhindert durch eine sehr flache, seitenbetonte Bogenbewegung. Diese Technik, bei der die Armbewegung in jedem Moment beobachtet werden muss, erfordert einen erheblich größeren Konzentrationsaufwand als das springende Spiccato, ist jedoch durch ihre feinere Kontrolle eher geeignet, auch komplexe rhythmische Gestalten darzustellen, wie sie vor allem in der Kammermusik gefordert sind.

Sautillé

Eine gewisse Eigenbewegung, die durch einen nicht allzu festen Griff ermöglicht wird, ist dem Bogen beim Sautillé zugestanden. Bei diesem „springenden" Strich schnellt der Bogen durch sein Eigengewicht und die Elastizität der Bogenhaare von der Saite zurück. Wenn eine sehr schnelle, tremoloartige Bewegung des Bogens von der oberen Bogenhälfte (wo das Tremolo gespielt wird) auf die Mitte oder die untere Hälfte des Bogens übertragen wird, entsteht von selbst ein Abspringen und Zurückfallen des Bogens, das eine Kürzung der Noten bewirkt. Das Sautillé, das daher nur in sehr schnellem Tempo ausführbar ist, wird für Läufe verwendet, für die die Spiccatobewegung zu aufwändig wäre.

Lange Striche

Messa di voce

Messa di voce bezeichnet das langsame An- und Abschwellen eines ausgehaltenen Tones. Es hat seinen Ursprung in der Gesangstechnik. Bereits 1601 beschrieb Giulio Caccini im Vorwort zu seinem Werk Le nuove Musiche „il crescere e scemare della voce" („das Wachsen und Nachlassen der Stimme"). Bis ins 18. Jahrhundert hinein entwickelte sich das Messa di voce zu einem zentralen Element der Gesangskunst, das durch die verschiedenen Theoretiker vielfach beschrieben ist. Reflexe darauf finden sich auch in der Theorie der Instrumentaltechnik; für die Pädagogik der Streichinstrumente in den Werken von Roger North (The Musicall Grammarian, 1728) und Joseph-Barnabé Saint-Sevin (Principes du Violon pour apprendre le doigté de cet Instrument, et les différens Agrémens dont il est susceptible, 1761). Francesco Geminiani schrieb in The Art of Playing on the Violin (1751):

„Of Swelling und Softening the Sound
These two Elements may be used after each other; they produce great Beauty und Variety in the Melody, and employ’d alternately, they are proper for any Expression or Measure"[2] .
„Vom Anschwellen und Zurückgehen des Klangs
Diese beiden Elemente können nacheinander benutzt werden; sie geben der Melodie große Schönheit und Viefalt, und abwechselnd eingesetzt sind sie geeignet für jeden Ausdruck und jedes Versmaß [d.h. jeden Rhythmus[3] ]"

In der Historischen Aufführungspraxis vor allem der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde das Messa di voce von vielen Ensembles auf ausnahmslos jede ausgehaltene Note angewendet; es trat als Ersatz für das in dieser Zeit vollkommen verpönte Vibrato der „modernen" Aufführungspraxis ein. Dieser konsequente Austausch hat den Klangunterschied zwischen „historischer" und „moderner" Interpretationsweise von Streichermusik fundamental geprägt; er wurde Gegenstand von oft sehr scharfer Polemik. Heute erhalten nicht mehr alle auf Barockmusik spezialisierten Musiker die Ablehnung des Vibratos, die durch Theoretikerquellen aus dem 17. und 18. Jahrhundert nicht zu begründen ist, aufrecht und setzen dementsprechend auch das Messa di voce abhängig von der musikalischen Situation ein. Andererseits haben vor allem Orchester der „modernen" Aufführungspraxis das Messa di voce in ihr Repertoire integriert.

Son filé

Das 19. Jahrhundert kannte statt des Messa di voce den Son filé (franz. „gesponnener Ton"). Gemeint ist der gleichmäßig gezogene Bogenstrich auf gehaltenen Tönen, der allerdings mit einem allmählichen An- oder Abschwellen und damit auch einem Messa di voce vereinbar ist. Carl Flesch, der meinte, es sei Aufgabe der linken Hand, den Son filé durch Vibrato „zu beleben und zu veredeln"[4] , beschrieb damit die in den Jahren nach 1900 aufgekommene Aufführungspraxis. Für das 19. Jahrhundert mindestens seit der Violinschule von Louis Spohr (1831) ist dagegen eine deutliche Reserviertheit gegenüber dem Vibrato bezeugt; der Son filé scheint in dieser Zeit im Allgemeinen ein vollkommen gerader Ton gewesen zu sein.

Die konsonantischen Ansätze

Martelé

Um die Grundform eines Martelé (franz. „gehämmert") hervorzubringen, wird der Bogen mit Druck auf die Saite gelegt, so dass bei der plötzlich einsetzenden Streichbewegung bereits der volle Bogendruck da ist. Es entsteht ein leicht perkussiver Tonbeginn. Carl Flesch schrieb: „Klingler vergleicht das im Marteléansatz entstehende Nebengeräusch sehr treffend mit dem Ansatz der Konsonanten g, d, t, k."[5] Fleschs Formulierung „Nebengeräusch" dokumentiert die Schwierigkeit einer klaren Beschreibung des Phänomens. Tatsächlich handelt es sich nicht um ein Nebengeräusch (etwa ein Kratzen), sondern um einen explosiv wirkenden Tonbeginn, der passender mit dem Glottisschlag verglichen werden könnte, mit dem im Deutschen vokalisch anlautende Wörter beginnen. Die rhythmische Präzision des Marteléansatzes macht ihn einem Klavieranschlag vergleichbar. Er hat jedoch nichts zu tun mit dem vor allem in der Klaviertechnik verbreiteten „Martellato", worunter ein äußerstes Fortissimo verstanden wird. Zwar bezeichnen viele Streicher nur Fortestriche als „martelé"; der Grund scheint jedoch eher in der Schwierigkeit zu liegen, einen vergleichbaren Tonansatz auch im Piano zu erzeugen. – Ein bekanntes Stück, dessen Anfang von fast allen Geigern im Martelé gespielt wird, ist Fritz Kreislers Präludium und Allegro[6] .

Konsonantischer Ansatz und Collé

Bei entsprechendem Verhältnis von Bogendruck und Bogengeschwindigkeit kann der Marteléansatz auch im äußersten Pianissimo hervorgebracht werden. Seit Ivan Galamian hat sich der Ausdruck „konsonantischer Ansatz" für den perkussiven Tonbeginn eingebürgert, der ohne vorherigen starken Druck und auf jeder dynamischen Stufe hervorgebracht wird[7] . Er kann – als Variante des Spiccatos – auch mit aufgehobenem Bogen hervorgebracht werden (das Collé). Der konsonantische Ansatz wird wegen der Gefahr des Misslingens (bei zu geringer Bogengeschwindigkeit kratzt die Saite, oder aber die Intonation sackt ab) von vielen Streichern gemieden. Sein Einsatz ist jedoch auch stark vom persönlichen Stil eines Geigers abhängig; konsonantische und weiche Einsätze prägen durch ihren Einfluss auf die rhythmische Struktur die musikalische Aussage so tiefgreifend wie sonst nur noch das Vibrato, wenn sie auch nie so heftig diskutiert wurden. Bezeichnenderweise kennt Flesch als konsonantische Ansätze nur Martelé und Staccato (s.u.), dessen „Wichtigkeit für das Gesamtkönnen" man aber nicht überschätzen solle[8] , während Galamian für die verschiedenen Varianten eine Vielzahl von Termini und ausführliche technische Anweisungen bereithält. In der gegenwärtigen Historischen Aufführungspraxis werden konsonantische Ansätze zumal im Piano praktisch nie eingesetzt.

Mehrere Töne ohne Wechsel der Strichrichtung

Spiccato auf einem Bogen

Seit dem späten 17. Jahrhundert bezeichneten Staccatopunkte auf aufeinanderfolgenden Noten, die durch einen Bogen zusammengefasst waren, Noten, die zwar deutlich getrennt (nach alter Terminologie spiccato) zu spielen waren, aber in derselben Strichrichtung aneinandergehängt werden sollten. Der Ursprung dieser Technik war die sogenannte Abstrichregel, die vermutlich weit ins 17. Jahrhundert zurückreicht, aber erstmals 1698 durch Georg Muffat beschrieben wurde: Jede betonte Note im Takt sollte im Abstrich gespielt werden, da wegen des Beginns am Frosch und der daraus resultierenden stärkeren Hebelwirkung der Ton eine Tendenz zu größerer Lautstärke haben musste. In einem Dreivierteltakt, in dem drei Viertelnoten ohne Legatobindung zu spielen waren, mussten nach dieser Regel dennoch die zweite und dritte dieselbe Strichrichtung haben, damit auf die folgende Takteins wieder ein Abstrich fiel. Das dadurch entstehende Problem, dass der Aufstrich doppelt so viel Zeit und damit an sich auch die doppelte Bogenstrecke in Anspruch nahm, relativierte sich dadurch, dass die erste Zählzeit lauter und somit mit schnellerer Strichbewegung gespielt, aber auch breiter (weniger spiccato) artikuliert wurde. Auch heute werden zur Korrektur der Strichrichtung häufig Striche in derselben Richtung hintereinandergesetzt; geschieht das aus rein technischen und nicht aus interpretatorischen Gründen, spricht man vom „Anhängen" der Noten.

Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts verselbständigte sich das Spiccato auf einen Bogen als Strichart, die vor allem für wiederholte Noten eingesetzt wurde. Im Gegensatz zum hin und her gespielten Spiccato, das ohne gezielte Korrektur des Spielers immer an derselben Bogenstelle bleibt, neigt das Spiccato auf einen Bogen zu einer starken metrischen Gewichtung der Töne: Da durch das Hintereinanderhängen die Bogenstelle wandert – im Aufstrich zum Beispiel immer weiter zum Frosch hin –, verändert sich auch die Hebelwirkung und damit die Dynamik – im Aufstrich also zu einem Crescendo. Die unveränderte Notation aus Staccatopunkten unter einen Bogen wurde als Imitation der Streicherartikulation auch auf Blas- und Tasteninstrumente übertragen. Gemeint waren in jedem Fall kurze Töne. Erst in wesentlich späterer Zeit wurde diese Notation als Portato (s.u.) missverstanden und entsprechend sehr weich gespielt; Pianisten sehen darin bis heute üblicherweise eine Anweisung zur Pedalbenutzung.

Staccato und fliegendes Staccato

Das heute unter Streichern übliche Wortverständnis von „Staccato" hat sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts gebildet. Gemeint ist eine Folge von Marteléansätzen in derselben Strichrichtung. Im Staccato gespielte Noten können insbesondere im Aufstrich schneller aufeineinanderfolgen als dieselben Noten im Martelé (also mit Wechsel der Strichrichtung). Im Allgemeinen bleibt der Bogen dabei auf der Saite liegen. Beim fliegenden Staccato dagegen wird der Bogen zwischen den Einzeltönen aufgehoben. Diese Strichart ist eine schnellere Variante des Spiccatos auf einen Bogen; auch sie wird vorzugsweise im Aufstrich gespielt. Während des Momentes, in dem der Bogen aufgehoben ist, kann der Bogen wieder zur Ausgangsposition zurückbewegt werden, so dass beliebig lange Tonfolgen möglich werden, die anders als beim Staccato nicht durch die Länge des Bogens begrenzt sind.

Portato

Seit dem 19. Jahrhundert wird zunehmend die Notierung von Staccatopunkten unter einen Bogen als Zeichen für das Portato (ital. getragen) oder Louré verstanden; alternativ dazu existiert die Notierung mit waagerechten (Tenuto-)strichen statt Punkten. Die Noten werden breit gespielt, der Ansatz ist weich; ihm folgt eine Anschwellung des Tons.

Ricochet

„Ricochet" oder „Saltellando" bedeutet, dass der Bogen auf die Saite geworfen wird und einige Male in derselben Strichrichtung ab- und wieder aufprallt. Diese durch Niccolò Paganini eingeführte Strichart findet sich vor allem im virtuosen Streicherspiel, sie wird aber auch in der Kammer- und der Orchestermusik gelegentlich gefordert.

Weitere Stricharten

  • Das Legato Strich für Strich ist vom Prinzip her ein Detaché, die Töne werden aber so dicht hintereinandergehängt, dass der Bogenwechsel unhörbar wird und für den Zuhörer der Eindruck eines Legato entsteht.
  • Ondeggiando (ital. schwankend, angelehnt an "onda" Welle) ist eine Steigerung des Portato und wird nur auf Tonwiederholungen angewendet. Der Strich wird nicht unterbrochen, sondern nur rhythmisch verstärkt und abgeschwächt. Es wird durch einen Legatobogen gefordert. Ein An- und Abschwellen der Strichintensität, dessen Rhythmus dem Interpreten überlassen bleibt, wird manchmal „Bogenvibrato" genannt. Erstmals wurde das „Tremolo con l’arco" 1617 von Biagio Marini in der Sonata La Foscarina aus der Sammlung Affetti musicali gefordert[9] .
  • Im Gegensatz zum Martelé sinkt beim Akzent die Lautstärke des Tons sofort nach dem (Martelé-)Ansatz wieder ab.

Belege

Die vollständige Bibliographie siehe unter Literatur.

  1. Galamian (1962) S. 75
  2. Franceso Geminiani, The Art of Playing on the Violin. London 1751, S. 7.
  3. Nur im modernen amerikanischen Englisch bedeutet „measure" „Takt", das traditionelle englische Wort ist „bar". Geminiani könnte mit dem „Versmaß" jedoch übergreifend die zeitlichen Bezüge der Komposition gemeint und dadurch den Takt eingeschlossen haben.
  4. Flesch (1929) S. 46
  5. Flesch (1929) S. 49. Gemeint ist: Karl Klingler, Die Grundlagen der Geigentechnik, Leipzig 1921 (Angabe nach Flesch S. III).
  6. vgl. etwa Aufnahmen von Rafael Druian oder Erick Friedman.
  7. vgl. Galamian (1962) S. 95.
  8. Flesch (1929) S. 49.
  9. Neues Handbuch der Musikwissenschaft, hg. von Carl Dahlhaus, fortgeführt von Herrmann Danuser. Bd. 11: Musikalische Interpretation, hg. von Hermann Danuser. Laaber (Laaber Verlag) 1992. S. 258 f.

Literatur

  • Carl Flesch, Die Kunst des Violinspiels. I. Band: Allgemeine und angewandte Technik. Berlin (Ries & Erler) 2. Auflage 1929 und Nachdrucke; S. 45–59, 119–128.
  • Hans Kunitz, Die Instrumentation. Ein Hand- und Lehrbuch. Daraus Teil XII: Violine/Bratsche. Leipzig (VEB Breitkopf & Härtel) 1956; S. 1324–1337. Vor allem unter Komponisten weitverbreitetes, sehr materialreiches Lehrbuch der Orchesterinstrumentation; ausgesprochen fehlerhaft nicht nur in der Darstellung der Stricharten. Kunitz’ vollkommene Ausrichtung auf den Orchesterstil Richard Wagners und Richard Strauss’ führen zudem zu starken Verzerrungen bei der Anwendung seiner Ausführungen auf andere Stile.
  • Ivan Galamian, Principles of Violin Playing & Teaching, Englewood Cliffs, N.Y. 1962. Hier zitiert nach der deutschen Übersetzung Grundlagen und Methoden des Violinspiels. Unterägeri (Edition Sven Erik Bergh in der Europabuch AG) 1983; S. 75–94. Grundlegendes Buch des vielleicht einflussreichsten Violinpädagogen des 20. Jahrhunderts, das sich vor allem an fortgeschrittene Geiger wendet. Geht in vielen Einzelheiten eigene Wege gegenüber der Tradition.
  • David D. Boyden, Werner Bachmann, Artikel Bow (englisch) in: The New Grove. Dictionary of Music and Musicians, ed. Stanley Sadie. Band 3, London (Macmillan Publishers Limited) 1980; S. 125–135. In diesem Zusammenhang v.a. der von David D. Boyden stammende II. Teil des Artikels, der Strichtechnik auch unter historischem Aspekt betrachtet; mit Erläuterungen zu den besonderen Bedingungen des Barockbogens.
  • Klaus Eichholz, Der künstlerische Aspekt der Bogenführung. Wien (Universal Edition) 2002. Enthält keine systematische Auflistung der Stricharten, geht jedoch in den einzelnen Diskussionen von Interpretationsproblemen immer wieder darauf ein.
  • Greta Moens-Haenen: Deutsche Violintechnik im 17. Jahrhundert ISBN 3-201-01865-1

Siehe auch

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