David Černý
David Černý (* 15. Dezember 1967 in Prag) ist ein tschechischer Bildhauer, der mit seiner Kunst immer wieder für Aufsehen und – meist ungewöhnlich produktive – Kontroversen sorgt.
Von seiner Hand stammen einige bekannte Skulpturen in Prag, so die krabbelnden Kleinkinder an den Säulen des Fernsehturms und der auf dem Bauch eines kopfüber hängenden Pferdes sitzende heilige Wenzel in der Lucerna-Passage, eine Parodie auf das Reiterstandbild auf dem Wenzelsplatz.
Ebenfalls von David Černý stammt die Skulptur Quo Vadis, die einen Trabant mit vier Beinen darstellt. Mit dieser Skulptur würdigte Černý die Vorkommnisse vom September 1989, als tausende DDR-Bürger in die Deutsche Botschaft Prag flüchteten und dabei ihre Trabis in Prag zurückließen. Das Original der Skulptur steht heute in der Sammlung des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, im Park der deutschen Botschaft in Prag steht eine Kopie.
Entropa
Das Kunstwerk Entropa[1] [2] über die Vorurteile in Europa, das er für die tschechische EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2009 schuf, flog kurz vor der geplanten Einweihung in Brüssel als Bluff auf. Das von der Prager Regierung in Auftrag gegebene Werk wurde von Černý entworfen und nicht von 27 verschiedenen Künstlern aus ganz Europa, wie ursprünglich angegeben. Die Namen, Biografien und Homepages der angegebenen Künstler waren alle frei erfunden. Vizeministerpräsident Alexandr Vondra bestätigte am 13. Januar in einer offiziellen Stellungnahme der Ratspräsidentschaft diese Information und teilte mit, dass er unangenehm überrascht sei. Aus Protest gegen den Sturz des tschechischen Ex-Ministerpräsidenten Mirek Topolánek ließ Černý das Kunstwerk in Brüssel abbauen und in Tschechien ausstellen.[3]
Die EU-Länder wurden in der Form eines Plastikmodellbausatzes provokant dargestellt:
- Belgien als Pralinenschachtel
- Bulgarien als Collage aus türkischen Stehtoiletten symbolisiert, bestand als erstes Land auf einer Entfernung dieser Darstellung[4]
- Dänemark als Ansammlung von Lego-Steinen, deren Anordnung als Motiv aus der Serie Das Gesicht Mohammeds verstanden werden kann
- Deutschland als eine Fläche mit Autobahnen, deren Anordnung als Hakenkreuz verstanden werden kann
- Estland als postkommunistischer Staat mit „motorisiertem" Hammer und Sichel
- Finnland als Holzboden mit exotischen Tieren
- Frankreich mit einem Transparent mit der Aufschrift „Grève" (Streik)
- Griechenland als verbranntes Waldstück
- Irland als Dudelsack (mit den Pfeifen in Nordirland)
- Italien als Fußballplatz mit Fußballspielern, die Fußbälle mit an Masturbation erinnernden Bewegungen vor ihren Hüften schütteln
- Das flache Lettland als Möchtegern-Berglandschaft
- Litauen mit Manneken-Pis-Figuren (Symbol von Brüssel), die in Richtung Osten (Weißrussland und Russland) urinieren
- Luxemburg als Goldnugget mit der Aufschrift „For Sale"
- Malta als winzige Insel mit einem Zwergelefant
- Die Niederlande als Überflutungsgebiet, aus dem lediglich einige Minarette herausragen
- Österreich als grüne Landschaft mit den vier Kühltürmen eines Kernkraftwerkes
- Polen als Kartoffelacker, auf dem vier katholische Priester in der Anordnung des United States Marine Corps War Memorial eine Regenbogenfahne hissen
- Portugal mit drei Fleischstücken in Form der ehemaligen Kolonien Brasilien, Angola und Mosambik
- Rumänien als knallbuntes Dracula-Schloss
- Schweden verpackt in einen IKEA-Karton
- Die Slowakei als Wurst, die in den ungarischen Farben verschnürt ist
- Slowenien mit einer in Stein gehauenen historischen Aufschrift „Die ersten Touristen kamen 1213", ein Hinweis auf einem Graffiti aus der Höhle Postojna, der aus dem Jahr 1213 datiert ist
- Spanien als zubetonierte Fläche, mit einem Betonmischer im Gebiet des Baskenlandes
- Tschechien als LED-Bildschirm, auf dem Ökologie- und EU-kritische Slogans des Präsidenten Václav Klaus angezeigt werden können
- Ungarn mit Brüssels Wahrzeichen, dem Atomium, konstruiert aus Melonen und ungarischen Würsten
- Zypern als in zwei Teile zerbrechende Insel
- In der oberen linken Ecke des Kunstwerkes klafft eine Lücke, die auf das traditionell euroskeptische Vereinigte Königreich anspielt[1] .
Statt das Kunstwerk ob seiner Entstehungslegende zu skandalisieren (und sich damit einer inhaltlichen Beschäftigung mit den auf die Spitze getriebenen Klischeevorstellungen von den einzelnen Ländern zu entziehen), könnte man ebendiese Legende auch als Teil des Kunstwerks sehen, das zweifellos als Ganzes „ein echter Černý" ist. So merkte das Kunstmagazin Art in einem Die Humorprobe überschriebenen Beitrag an: „Man hätte es sich eigentlich denken können, was passiert, wenn Černý einen Auftrag von derartiger politischer und öffentlicher Tragweite bekommt. Sein Bronzetrabant auf Füßen, mit dem er die Umbrüche von 1989 kommentierte, war da ja eher noch niedlich. Doch bereits seine Bausätze, mit denen man sich wahlweise Jesus Christus oder ein Vergewaltigungsopfer aus Einzelteilen zusammensetzen konnte, kamen weniger harmlos daher. Und erst recht nicht seine lebensgroße Figur von Saddam Hussein, die nach Damian-Hirstscher Manier in einer Art Aquarium schwebte. Das hätten die Auftraggeber [...] vielleicht in Betracht ziehen sollen, bevor sie Herrn Schwarz (dt. für Černý) und seinen entsprechend gefärbten Humor erwählten."[5]
Kunst und Opposition
„Ein Künstler kann selten ein großer Künstler sein, wenn er konform ist", meinte der ehemalige Außenminister der Tschechischen Republik, Karel Schwarzenberg, in einem Beitrag für das im Kultursender arte ausgestrahlte Magazin Metropolis. „Ich habe wenige Künstler im Leben gekannt, die nicht in der Opposition waren. Da ist der David Černý keine Ausnahme. Dass er es witziger macht als die meisten, provokanter als die meisten, ist auch richtig."[6]
Galerie
-
Der heilige Wenzel in der Lucerna-Passage
-
Hängender Mann (Sigmund Freud) in einer Gasse der Prager Altstadt
-
Eines der „Miminka" („Babys") am Fernsehturm
-
Bushaltestelle in Liberec
-
David Černý,
21. Oktober 2013, Prag -
Pissende Männer im Hof des Kafka-Museum, Prag
Fußnoten
- ↑ a b Entropa: Ausstellungskatalog (Planungsphase)
- ↑ Entropa: Fotostrecke bei BBC News
- ↑ tagesschau.de: Vorlage:Tagesschau
- ↑ Prag muss EU-Kunst zerlegen. Frankfurter Rundschau vom 16. Januar 2009
- ↑ Susanne Altmann: Die Humorprobe. art-magazin.de, 14. Januar 2009
- ↑ Metropolis vom 4. Juli 2009 um 22.50 Uhr (ARTE / HR)
Weblinks
- Offizielle Webseite von David Černý
- Susanne Altmann: Die Humorprobe. art-magazin.de, 14. Januar 2009 (Hintergründe zum Kunstskandal Entropa)
- Natalia Sosin; Katha Kloss (Übersetzung): David Černý: Skandalkunst und EU-Klischees. 14. Januar 2009 (Interview mit David Černý)
- David Černýs Prag (David Černýs öffentliche Skulpturen in Prag)
Personendaten | |
---|---|
NAME | Černý, David |
KURZBESCHREIBUNG | tschechischer Bildhauer |
GEBURTSDATUM | 15. Dezember 1967 |
GEBURTSORT | Prag |