Glutaminsäure
Strukturformel | |
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L-Glutaminsäure (links) bzw. D-Glutaminsäure (rechts) | |
Allgemeines | |
Name | Glutaminsäure |
Andere Namen |
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Summenformel | C5H9NO4 |
Kurzbeschreibung |
weißer Feststoff[1] |
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |
CAS-Nummer
ECHA-InfoCard
100.009.567
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Arzneistoffangaben | |
ATC-Code | |
Eigenschaften | |
Molare Masse | 147,13 g·mol −1 |
Aggregatzustand |
fest |
Dichte |
1,54 g·cm−3 (20 °C)[1] |
Schmelzpunkt | |
Siedepunkt |
Zersetzung bei 205 °C[1] |
pKS-Wert | |
Löslichkeit |
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Sicherheitshinweise | |
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
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H- und P-Sätze | H: keine H-Sätze |
P: keine P-Sätze |
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Glutaminsäure (auch α-Aminoglutarsäure, 2-Aminoglutarsäure) ist eine α- Aminosäure, die in zwei Spiegelbildisomeren (Enantiomere) vorkommt, deren eine proteinogene Form der menschliche Organismus selber herstellen kann (nicht essentielle Aminosäure). Im Dreibuchstabencode wird sie als Glu und im Einbuchstabencode als E bezeichnet. Ihre Salze und Ester werden Glutamate genannt. In Biologie und Medizin wird die Glutaminsäure meist Glutamat genannt, da die Verbindung im Körper dissoziiert vorliegt. Glutaminsäure ist ein wichtiger Baustein von Proteinen; daneben ist Glutamat ist einer der wichtigsten erregenden Neurotransmitter im zentralen Nervensystem (ZNS) auch des menschlichen Organismus. Als Lebensmittelzusatzstoff werden L-Glutaminsäure (E 620) sowie einige ihrer Salze (siehe Glutamate) als Geschmacksverstärker [5] eingesetzt, besonders in der asiatischen Küche und bei Convenience-Produkten.
Wenn in diesem Text oder in der wissenschaftlichen Literatur „Glutaminsäure" ohne weiteren Namenszusatz (Präfix) erwähnt wird, ist L-Glutaminsäure gemeint.
Stereochemie
In der Natur liegt im Wesentlichen nur die L-(+)-Glutaminsäure [Synonym: (S)-Glutaminsäure] vor. Auf die D-(−)-Glutaminsäure [Synonym: (R)-Glutaminsäure] und das Racemat aus beiden Enantiomeren wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen.
Vorkommen
L-Glutaminsäure kommt in den meisten Proteinen in unterschiedlichen Anteilen vor und ist in jedem eiweißhaltigen Nahrungsmittel vorhanden. Die folgenden Beispiele beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil von Glutaminsäure am Gesamtprotein angegeben.[6] Besonders reich an freiem L-Glutamat sind Käse und Fleischprodukte.
Lebensmittel | Gesamtprotein | Glutaminsäure | Anteil |
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Rindfleisch, roh | 21,26 g | 3191 mg | 15,0 % |
Hähnchenbrustfilet, roh | 23,09 g | 3458 mg | 15,0 % |
Lachs, roh | 20,42 g | 2830 mg | 13,9 % |
Hühnerei | 12,58 g | 1676 mg | 13,3 % |
Kuhmilch, 3,7 % Fett | 0 3,28 g | 0 687 mg | 20,9 % |
Walnüsse | 15,23 g | 2816 mg | 18,5 % |
Weizen-Vollkornmehl | 13,21 g | 4328 mg | 32,8 % |
Mais-Vollkornmehl | 0 6,93 g | 1300 mg | 18,8 % |
Reis, ungeschält | 0 7,94 g | 1618 mg | 20,4 % |
Erbsen, getrocknet | 24,55 g | 4196 mg | 17,1 % |
Tomatenpüree | 0 1,65 g | 0 658 mg | 39,9 % |
Eigenschaften
Der isoelektrische Punkt der Glutaminsäure beträgt 3,24.[7] Die Dicarbonsäure löst sich nur wenig in Wasser (~ 11 g/l bei 25 °C) und Ethanol;[1] die Lösung reagiert stark sauer (pKCOOH 2,16, pKγ-COOH 4,32[2] ).
Herstellung
L-Glutaminsäure wird kommerziell ausschließlich nach der Fermentationsmethode (Sojasauce, Flüssigwürze) hergestellt. Es begann damit, dass systematisch nach Wildtyp-Organismen geforscht wurde, bei denen sich L-Glutaminsäure unter Verwendung günstiger Nährmedien (Edukte) und Kulturbedingungen (Temperatur, Konzentration von Spurenelementen etc.) anreichern ließen. Durch Verwendung von Mutanten wurde die Fermentationsmethode optimiert.[8]
Derivate
Beim Erhitzen einer Mischung aus gleichen Gewichtsteilen Glutaminsäure und Wasser in einem Autoklaven erhält man unter Wasserabspaltung bei Reaktionstemperaturen von 135–143 °C Pyroglutaminsäure, ein cyclisches Amid (Lactam).
Physiologische Bedeutung
Wie bei allen anderen Aminosäuren wird auch bei Glutamat nur das L-Isomere im Stoffwechsel des menschlichen Körpers als Baustein verwendet. Als proteinogene α-Aminosäure ist L-Glutaminsäure Bestandteil von Proteinen. Daneben spielt sie im Zellstoffwechsel insofern eine wesentliche Rolle, als sie über den Citratzyklus in Verbindung zum Kohlenhydratstoffwechsel steht. Darüber hinaus wird L-Glutaminsäure für die Bildung anderer Aminosäuren herangezogen.
L-Glutaminsäure bindet das beim Protein- und Aminosäureabbau freiwerdende Zellgift Ammoniak unter Bildung von Glutamin durch folgende Reaktion:
- α-Ketoglutarat → Glutaminsäure → Glutamin
L-Glutamat ist der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter im zentralen Nervensystem der Wirbeltiere. Es wird präsynaptisch freigesetzt und bindet postsynaptisch an spezifische Glutamat-Rezeptoren. Im Zentralnervensystem kann L-Glutaminsäure durch das Enzym L-Glutaminsäuredecarboxylase zu γ-Aminobuttersäure (GABA) decarboxyliert werden, die als Neurotransmitter an inhibitorischen Synapsen eingesetzt wird. L-Glutaminsäure ist die einzige Aminosäure, welche im Gehirn oxidiert, transaminiert, aminiert und decarboxyliert wird.
Bedeutung im Citratzyklus
L-Glutamat entsteht im Citratzyklus aus α-Ketoglutarat (αKG) und einem Ammoniumion durch die Reaktion des Enzyms Glutamatdehydrogenase (GDH) (1). Ein weiteres Ammoniumion kann über die Reaktion der Glutamin-Synthetase (GlnS) abgefangen werden, wobei Glutamin entsteht (3). Beide Reaktionen dienen der spontanen Entgiftung aller Gewebe und sind im Hirn von besonderer Bedeutung.
Für die endgültige Entgiftung müssen Ammoniumionen dem Harnstoffzyklus zugeführt werden. Dies erfolgt sowohl durch Übertragung (Transaminierung) auf Oxalacetat (OA) (2), als auch über die Glutamat-Dehydrogenase-Reaktion (1). Glutamin kann mit α-Ketoglutarat in Pflanzen zu zwei Molekülen L-Glutaminsäure umgesetzt (3) und damit der GDH-Reaktion zugeführt werden. Diese Reaktion wird durch Glutamat-Synthase (GluS) katalysiert.
Bei der Aminosäuresynthese ist L-Glutaminsäure der NH2-Donor in einer Transaminierungsreaktion. Diese überführt α-Ketosäuren in die homologen α-Aminosäuren. Beispiele sind Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) (2) und Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT). Coenzym ist Pyridoxalphosphat. Für nahezu alle anderen Aminogruppen, die im Stoffwechsel benötigt werden, ist Glutamin der Donor.
Glutaminsäure (Glutamat) im Blutbefund (Aminosäurenkonzentrationen)
Die Referenzbereiche (Normalwerte) für Glutaminsäure im Blutbefund sind in μmol/ml bei Säuglingen 20–107, bei Kindern 18–65 und bei Erwachsenen 28–92.[9] Als Therapie bei sehr hohen Glutaminsäurewerten (Glutamat) im Blutbefund, wie sie z.B. beim Chinarestaurant-Syndrom oder bei Ekzemen und/oder Histamin-Intoleranz vorkommen können, empfiehlt Prof. Reinhart Jarisch[10] eine Vitamin-B6-Gabe in der Größenordnung von 0,5 mg/kg Körpergewicht je Tag. Dies fördert auch die körpereigene Synthese von Diaminooxidase (DAO) und bekämpft so ursächlich die Auswirkungen der Histamin-Intoleranz.
Schlaflosigkeit, Restless-Legs-Syndrom und Glutaminsäure
Viele Patienten mit dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) leiden gleichzeitig an Schlaflosigkeit. Eine Studie mit 28 RLS-Patienten an der Johns Hopkins University (Baltimore) lieferte Hinweise auf die Verbindung der Behandlung des Restless-Legs-Syndroms mit Schlaflosigkeit und dem Hirnstoffwechsel der Neurotransmitter Dopamin und Glutamat. Bei der Behandlung des RLS mit Medikamenten, die den Dopaminspiegel erhöhen, verbesserten sich die RLS-Symptome, eine gleichzeitig oft vorhandene Schlaflosigkeit jedoch nicht. Der Vergleich solcher Patienten mit 20 gesunden Freiwilligen zeigte einen ungewöhnlich hohen Glutamatspiegel im Thalamus der behandelten RLS-Patienten. Dabei korrelierte die Höhe des Glutamat-Spiegels mit dem Empfinden eines schlechten Schlafs. Die Mediziner der Johns-Hopkins-Universität halten die Übererregung des Thalamus durch Glutamat für die Ursache der Schlafstörungen.[11] [12]
Salze
Die verschiedenen Salze der Glutaminsäure sind als Lebensmittelzusatzstoffe bekannt. Es kommen verschiedene Salze der Glutaminsäure mit der Bezeichnung Geschmacksverstärker E 621 bis E 625 zum Einsatz.[5]
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h Eintrag zu Glutaminsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)Fehler bei Vorlage * Parametername unbekannt (Vorlage:GESTIS): "Datum".
- ↑ a b c d Hans-Dieter Jakubke und Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, Weinheim, 1982, ISBN 3-527-25892-2, S. 40.
- ↑ Eintrag zu Glutaminsäure. In: Römpp Online. Georg Thieme VerlagFehler bei Vorlage * Parametername unbekannt (Vorlage:RömppOnline): "Datum"
- ↑ Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA), Monograph für Glutamic acid and its salts Fehler bei Vorlage * Parametername unbekannt (Vorlage:Inchem): "Datum"
- ↑ a b ZZulV: Anlage 4 (zu § 5 Abs. 1 und § 7) Begrenzt zugelassene Zusatzstoffe.
- ↑ Nährstoffdatenbank des US-Landwirtschaftsministeriums, 21. Auflage.
- ↑ P. M. Hardy: The Protein Amino Acids in G. C. Barrett (Herausgeber): Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids, Chapman and Hall, 1985, ISBN 0-412-23410-6, S. 9.
- ↑ Izumi, Y. et al. (1979): Herstellung und Verwendung von Aminosäuren. In: Angewandte Chemie 90(3); 187–194; doi:10.1002/ange.19780900307 .
- ↑ Helmut Greiling, A. M. Gressner: Lehrbuch der klinischen Chemie und Pathobiochemie. Schattauer Verlagsgesellschaft, 1987, ISBN 3-79-450949-8, 1197 Seiten.
- ↑ Reinhart Jarisch: Histaminintoleranz Histamin und Seekrankheit. 2. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart New York, 2004, ISBN 3-13-105382-8, S. 151.
- ↑ Unruhige Beine: Glutamat möglicher Grund. Meldung in der Rheinpfalz vom 18. Juli 2013, S. 26.
- ↑ Restless Legs Syndrome, Insomnia And Brain Chemistry: A Tangled Mystery Solved? Newsmeldung der Johns Hopkins University (Baltimore) vom 7. Mai 2013.